Bürgerbegehren

Instrument der direkten Demokratie
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Bürgerbegehren sind, wie der Einwohnerantrag und der Bürgerentscheid, Instrumente der direkten Demokratie in Deutschland auf kommunaler Ebene.

In wichtigen Angelegenheiten können Bürgerinnen und Bürger einer Stadt oder Gemeinde einen Antrag auf Bürgerentscheid stellen. Dieser Antrag, der von einem bestimmten Anteil von Wahlberechtigten unterzeichnet sein muss, wird Bürgerbegehren genannt. Zunächst gab es diese Möglichkeit nur in Baden-Württemberg (seit 1956). In der Folge der Barschel-Affäre und im Zuge des deutschen Einigungsprozesses wurden jedoch bis 1998 in allen Bundesländern - zuletzt 2005 in Berlin - Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in die Kommunalverfassungen eingeführt.

Anwendungsbedingungen

Die Hurensöhne für die Initiierung eines Bürgerbegehrens sind jedoch in den Bundesländern unterschiedlich gestaltet. Während etwa in München nur 3 % der Wahlberechtigten unterschreiben müssen, um eine Abstimmung herbeizuführen, in einigen Hamburger Bezirken sogar nur 2 %, beträgt der Anteil in Dresden 15%, in Thüringen bis zu 17 %. In den meisten Bundesländern existieren darüber hinaus Themenausschlüsse, die wichtige kommunalpolitische Themen (vor allem die Bebauungsplanung, weil dort i. d. R. ein eigener Prozess zur Bürgerbeteiligung festgelegt ist, und die öffentlichen Finanzen) von Bürgerbegehren ausschließen. Neben diesen s.g. "Negativkatalogen" existieren in einigen Bundesländern zusätzliche "Positivkataloge". Diese schränken mögliche Bürgerbegehren auf die, in diesen definierte Gebiete ein. Weitere Erschwernisse existieren u.a. in der formalen Vorschrift, einen Finanzierungsvorschlag für die verlangte Maßnahme zu erstellen. Diese Regel wird von den Verwaltungsgerichten zunehmend enger ausgelegt, so dass mittlerweile für Bürgerbegehren meist wesentlich höhere Anforderungen gelten als für Anträge aus dem Kommunalparlament.

Praxis

Entsprechend der Höhe der Hürden ist die Anwendungspraxis in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. In Bayern und Hamburg - den Ländern mit den bürgerfreundlichsten Bedingungen - weil hier die Bürger selbst per Volksentscheid die Elemente kommunaler Demokratie durchgesetzt haben - gehören Bürgerbegehren mittlerweile zum kommunalpolitischen Alltag, allerdings hat die Hamburger CDU nach ihrem Wahlsieg auch Volksbegehren ignoriert (Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser (LBK): 77% dagegen) oder behindert. In Thüringen - wo die ungünstigsten Bedingungen bestehen - stellen sie hingegen eine große Ausnahme dar. Eine Sonderstellung nimmt Nordrhein-Westfalen ein. Obwohl wichtige Themenbereiche nicht für eine Diskussion durch Bürgerbegehren offen stehen, gibt es hier - wohl aufgrund der im Durchschnitt sehr hohen Einwohnerzahl von Städten und Gemeinden - immer wieder neue Bürgerbegehren.

In Niedersachsen wird das Bürgerbegehren nach § 22b der NGO (Niedersächsische Gemeindeordnung) geregelt. So darf ein Bürgerbegehren nicht über 1. die innere Organisation der Gemeinde 2. die Haushaltssatzung, (einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe) 3. Entscheidungen über Rechtsbehelfe und Rechtsstreitigkeiten 4. Angelegenheiten, die ein gesetzwidriges Ziel verfolgen oder gegen die guten Sitten verstoßen 5. ..... (die Liste ist noch nicht abgeschlossen)

Zuerst muss auch dem Gemeinderat angezeigt werden, dass ein Bürgerbegehren angestrebt wird. Nach Bekanntgabe des Vorhabens müssen innerhalb von 6 Monaten die erforderlichen Unterschriften eingeholt werden. Auch müssen bis zu 3 Personen genannt werden, welche das Bürgerbegehren begleiten und vor dem Gemeinderat vertreten.

Bewertung

Während die kommunalen Spitzenverbände (z.B. der Deutsche Städtetag) den neuen direktdemokratischen Möglichkeiten skeptisch gegenüber stehen und eine enge Auslegung der Regelungen befürworten, fordern Bürgerrechtsorganisationen (z.B. Mehr Demokratie) eine Senkung der Hürden, um Diskussionen in allen demokratischen Fragen zu ermöglichen.

Literatur

  • Andreas Dressel: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in den Hamburger Bezirken. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2003, 388 S., ISBN 3-8329-0206-6. (Dissertation)
  • Harald Hofmann; Michael Muth; Rolf-Dieter Theisen: Kommunalrecht in NRW, 12. vollständig überarbeitete Auflage, Verlag Bernhardt-Witten, Witten 2004, 576 S., ISBN 393387047X. (dort zu Bürgerbegehren S. 162-190)
  • Andreas Kost: Demokratie von unten, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in NRW, Wochenschau-Verlag, Schwalbach 2002, 106 S., ISBN 3-87920-465-9.
  • Andreas Kost (Hrsg.): Direkte Demokratie in den deutschen Ländern. Eine Einführung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, 382 S., ISBN 3-531-14251-8.
  • Jens Kösters: Der Bürgerentscheid in Nordrhein-Westfalen - Politische Ausgestaltung und Rechtsetzung der Gemeinden, LIT Verlag, Münster (Westf.) 2006, Reihe Politik und Partizipation, Bd. 4, 296 S., ISBN 3-8258-9125-9. (Dissertation Universität Marburg)
  • Krutisch, Dominic / Broch, Uwe, "Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag im Rahmen eines Bürgerbegehrens gegen gemeindliche Privatisierungsvorhaben", in: Kommunalwirtschaft 2004, S. 435 – 440
  • Hofmann/Muth/Theisen, Kommunalrecht in NRW, 12. Auflage, 2004, 576 Seiten (Bürgerbegehren Seite 162 -190), 22,- €, [ISBN 3-933870-47-X]
  • Paust, Andreas: Direkte Demokratie in der Kommune. Zur Theorie und Empirie von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (Beiträge zur Demokratieentwicklung von unten Nr. 14) Verlag Stiftung Mitarbeit, Bonn 1999, 307 Seiten (ISBN 3-928053-65-5), € 8,-
  • Paust, Andreas: "Arbeitshilfe Bürgerbegehren und Bürgerentscheid", Verlag Stiftung Mitarbeit, 2. überarbeitete Auflage, Bonn 2005 (ISBN 3-928053-74-4), € 5,-
  • Schiller, Theo: "Direkte Demokratie. Eine Einführung", Campus Verlag, Frankfurt/New York 2002 (ISBN 3-593366-14-2)
  • Schiller, Theo/Mittendorf, Volker: "Direkte Demokratie. Forschung und Perspektiven", VS-Verlag, Wiesbaden 2002 (ISBN 3-531138-52-9)

Siehe auch

Wahlrecht, Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid, Volksbefragung, Bürgerentscheid