Diktatur des Proletariats
Die Diktatur des Proletariats ist ein in unterschiedlichen Phrasen nachweislich zu Mitte des 19. Jahrhunderts in allen gesellschaftlichen Kreisen aufkommender, positiv wie negativ besetzter und unterschiedlich genutzer Begriff, der die politische Herrschaft der bis dahin noch nicht im Staat repräsentierten Gesellschaftsgruppen beschreibt, speziell der aufkommenden Arbeiterklasse.
Der Begriff wurde durch die Rezeption des Werkes von Karl Marx und Friedrich Engels geprägt. Während bei ihnen einzig unumstritten ist, dass sie unter der Diktatur des Proletariats die Herrschaft der Arbeiterklasse verstanden, mit der der Übergang von einer bürgerlichen Gesellschaft zur klassenlosen, daher herrschafts- und staatslosen Gesellschaft, vollzogen wird, war die Frage Wie dies geschehen sollte, und wie Marx und Engels dies beurteilten, Gegenstand andauernder Kontroversen und Auseinandersetzungen. Festzuhalten ist, dass entgegen der zentralen Stellung des Begriffs in der Rezeption der Theorien von Marx und Engels der Begriff der Diktatur des Proletariats in ihren Schriften keine zentrale Rolle einnahm und die Begriffsnutzungen einzeln darstellbar sind.
Georgi Walentinowitsch Plechanow führte den Begriff der Diktatur des Proletariats Ende des 19. Jahrhunderts in das Programm der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands ein. In der daraus entstehenden Kommunistischen Partei Russlands spielte der Begriff nach den Aprilthesen 1917 eine bedeutende Rolle, im Zeitraum zwischen der Oktoberrevolution und dem Bürgerkrieg in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik wurde Lenins Vorstellung einer Diktatur des Proletariats prinzipiell zu verwirklichen versucht. Nach 1925 in seiner Bedeutung immer mehr uminterpretiert, wurde der Begriff in den stalinistisch geprägten Ostblockstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg neben der wohl ansprechenderen Bezeichnung „sozialistische Demokratie“ verwendet.
In den 70er Jahren des 20. Jahrhundertes distanzierten sich einige eurokommunistische Parteien von der Parole der Diktatur des Proletariats, auch um sich von den realsozialistischen Staaten abzugrenzen.
Fälschlicherweise wurde der Begriff des öfteren auch Louis-Auguste Blanqui zugerechnet, in seinen Schriften findet er jedoch keine Erwähnung. [1] Das Konzept einer Diktatur des Proletariats war jedoch für blanquinistische Strömungen von zentraler Bedeutung.

Zum Begriff der Diktatur des Proletariats
Während der Begriff des Proletariats eine ziemlich einheitliche Nutzung erfuhr, muss der Begriff der Diktatur näher betrachtet werden um die unterschiedlichen Verständnisse einer Diktatur des Proletariats nachvollziehen zu können.
Proletariat
Das Proletariat (vom lat. proletarius „der untersten Volksschicht angehörend“) bezeichnete in diesem Zusammenhang zuerst die Industriearbeiterschaft zur Zeit der Industriellen Revolution.
Nach Karl Marx ist das Proletariat oder die Arbeiterklasse diejenige Klasse, die innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaftsformation als doppeltfreier Lohnarbeiter ihre Arbeitskraft verkaufen müssen um zu überleben.
Diktatur
Kurze Begriffsgeschichte
Der Begriff Dikatur kam erstmals in Zusammenhang mit der Römischen Republik auf, in der die Möglichkeit bestand dass Konsul und Senat zeitlich begrenzt einen Diktator ernannten, dem alle Ämter unterstanden. Dementsprechend wurde der Begriff lange Zeit genutzt um einen Ausnahmezustand politischer Gewalt zu beschreiben. Eine Analogie zum Kriegsrecht besteht, da beide Formen einer Krisenregierung innerhalb des institutionellen Systems darstellen. Aus dieser Begriffsherkunft bildete sich auch das heutige Veständnis des Begriffes der Diktatur. Als im Juni 1848 in Paris der Bürgerkrieg ausbrach, übertrug die Nationalversammlung Louis-Eugène Cavaignac die Befugnisse für eine Militärdiktatur. In Anlehnung darauf wurde 1871 im Deutschen Reich ein Diktaturparagraph eingeführt, dessen Entwicklung über die Weimarer Republik bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten und derren Verordnung zum Schutz von Volk und Staat zu verfolgen ist. Heute bezeichnet der Begriff der Diktatur die Herrschaft durch einen einzelnen Diktator, eine politische Partei, eine Minderheit oder Gruppe von Menschen, die sich die Macht über ein Volk aneignet, sie monopolisiert und ohne Einschränkungen ausübt, im Gegensatz zur Demokratie, in der die Herrschaft vom Volk ausgeht.
Begriffsnutzung um das 19. Jahrhundert
Während der Französischen Revolution 1789-99 wurde die konstitutionelle und legislative Versammlung, der Nationalkonvent, von Gegnern ebenso als Diktatur bezeichnet wie es das Britische Parlament Jahrhunderte lang wurde oder die Pariser Kommune von 1871. Im 19. Jahrhundert war in reaktionären Kreisen der Begriff der Diktatur für nach heutigen Verständnis eher demokratischen Regierungsformen duchaus üblich. Das Wort Diktatur hatte noch nicht seine heutige Bedeutung, und kann nicht mit Begriffen wie Despotismus, Tyrannis, Absolutismus oder Autokratie gleichgesetzt werden, es war ebenso noch kein Gegenbegriff zur Demokratie. Ideengeschlichtlich lässt sich eine negative Nutzung des Begriffs der Demokratie als Tyrannei der Vielen bis zu den Staatstheorien Platons oder Aristoteles zurückführen, wobei hervorzuheben ist dass diese den Begriff Demokratie anders nutzten als heute gebräuchlich ist. Die bürgerlichen Revolutionen der 1848er Jahre waren in reaktionären Kreisen eine „Tyrannei der Demokratie“ oder „Tyrannei der Massen“. [2] So stellte Juan Donoso Cortés (1809-53), der heute als politischer Vordenker moderner Diktaturen gilt, noch um diese Zeit bezüglich des englischen Parlaments fest:
„Wer, Gentlemen, hat jemals solch eine kollosale Diktatur gesehen?“
Verbindung zur frühen politischen Linken
Die Verbindung des Begriffs Diktatur mit der politisch linken Seite lässt sich erstmals auf François Noël Babeuf (1760-97) und seine Gemeinschaft der Gleichen zurückführen. Zu einer Zeit, wo auch erstmals der Begriff der politischen Linken aufkam. Die Ansätze der Gemeinschaft machte Babeufs Weggefährte Filippo Buonarroti (1761-1837) etwa 30 Jahre nach dessen Tod wieder publik. Die revolutionäre Regierung, in Form einer Diktatur einer kleinen revolutionären Gruppe, sollte die Massen zur Demokratie erziehen (vgl. Erziehungsdiktatur). Dieses Konzept wurde für die Blanquinisten der 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts bestimmend. Wilhelm Weitling (1808-71) trat für eine Personendiktatur ein, ein "Messias" würde die proletarische Revolution anführen. Der Begriff der Diktatur wurde in vielfältiger und unterschiedlichster Art verwendet, den vorstehend erwähnten Verständnissen ist ein autoritäres Herrschaftsverständnis gemein, auch wenn solch eine Herrschaft einzig als eine Übergangsperiode zu einer gerechteren und herrschaftsfreieren Gesellschaft verstanden wurde. Ganz anders hingegen ist die Verwendung der Begrifflichkeit der Diktatur auch bei dem Anarchisten Bakunin (1814-76) mit seinem Konzept einer innerhalb der Anarchie von Geheimgesellschaften ausgeübten "geheimen" oder "unsichtbaren Diktatur" (en:Invisible dictatorship) zu finden.
„Daß Frankreich vor bewaffneten Arbeitern strotzt, ist der Beginn des Sozialismus.“
Begriff zur Zeit der bürgerlichen 1848er Revolutionen
Auch für die revolutionären bürgerlichen und gemäßigten linken Kräfte wie Louis Blanc (1811-82) war die Durchsetzung der Demokratie mit einem diktatorischen Moment verbunden, muss doch jedes fundamental neue Herrschaftssystem die Gesetze des alten Herrschaftssystem ausser Kraft setzen und neue einsetzen. [4] Engels hielt in selben Zusammenhang fest:
„Das Recht auf Revolution ist ja überhaupt das einzige wirklich "historische Recht", das einzige, worauf alle modernen Staaten ohne Ausnahme beruhen.“
In diesem Sinne sprach auch Karl Marx erstmals von einer Diktatur, als er in der Neuen Rheinische Zeitung für einen härteren Kurs der bürgerlichen Kräfte für Demokratie und gegen die alten absolutistisch-feudalistischen Verhältnisse eintrat:
„Jeder provisorische Staatszustand nach einer Revolution erfordert eine Diktatur, und zwar eine energische Diktatur. Wir haben es Camphausen [Anm. preußischer Ministerpräsident in der Revolutionszeit von März bis Juli 1848] von Anfang an vorgeworfen, daß er nicht diktatorisch auftrat, daß er die Überbleibsel der alten Institutionen nicht sogleich zerschlug und entfernte.“
Lorenz von Stein (1815-90), der eine eigenständigen, antirevolutionären Standpunkt formulierte, entwickelte einen theoretischen Ansatz der sich mit dem Klassenkampf und dem Begriff der Diktatur auseinandersetzte.
Nutzung des Schlagwortes „Diktatur des Proletariats“
Ausführlich dokumentiert ist die Nutzung des Begriffes der Diktatur und der Diktatur des Proletariats bei Marx und Engels, die unter zweiteren die Herrschaft der Arbeiterklasse verstanden, jedoch keine spezielle Organisations oder Staatsform, also Diktatur im heutigen Sinne. In welchem Sinne Marx und Engels, wie andere sich auf sie beziehende Theoretiker, den Begriff der Diktatur des Proletariats im Kontext einer marxistischen Theorie nutzten, wird im Abschnitt (→ Bedeutung im Marxismus ) ausführlich thematisiert.
In den 1870er Jahren wurde der Begriff der Diktatur des Proletariats in der blanquinistischen Strömung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) als politisches Konzept aufgenommen, diese hatte jedoch keine einflussreiche Stellung innerhalb der Arbeiterbewegung.
Plechanow (1856-1918) und vor allem Lenin (1870-1924) verschafften den Begriff Diktatur des Proletariats zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Er wurde in das Parteiprogramm der russischen Kommunisten aufgenommen und sollte bis zum Zusammensturz der Sowjetunion 1991 ein zentraler Begriff bleiben, sowohl auf Seiten der Unterstützer wie Gegner des politischen Systems, wobei er demgemäß in ganz unterschiedlicher Weise genutzt wurde.
Bedeutung im Marxismus
Begriffsentwicklung bei Marx und Engels
Von den Anfängen bis zu den 48er Revolutionen
Karl Marx und Friedrich Engels entwickelten während ihrer Schaffenszeit ihre Vorstellung von der Emanzipation des Menschen durch die Aufhebung der herrschenden Klassengesellschaft in eine herrschaftsfreie klassenlose Gesellschaft weiter. Um 1844 kam Marx erstmals zur Überzeugung, dass für eine Umwandlung der Gesellschaft in eine klassenlose das Proletariat die politische, beziehungsweise staatliche Macht übernehmen müsse. In diesem Sinne schrieb er noch 1875:
„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“
Die „Herrschaft des Proletariats“ war für Marx das Ziel jeder echten Arbeiterbewegung, wie im Kommunistischen Manifest von 1848 festgehalten ist:
„Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe wie der aller übrigen proletarischen Parteien: Bildung des Proletariats zur Klasse, Sturz der Bourgeoisherrschaft, Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat.“
Die selbige Auffassung vertrat Engels noch 25 Jahre später:
„Da jede politische Partei darauf ausgeht, die Herrschaft im Staat zu erobern, so strebt die deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei notwendig ihre Herrschaft, die Herrschaft der Arbeiterklasse, also eine "Klassenherrschaft" an. übrigens hat jede wirkliche proletarische Partei, von den englischen Chartisten an, immer die Klassenpolitik, die Organisation des Proletariats als selbständige politische Partei, als erste Bedingung, und die Diktatur des Proletariats als nächstes Ziel des Kampfes hingestellt.“
Pariser Kommune
Während jedoch im Kommunistischen Manifest noch die Rede davon ist, dass „das Proletariat (...) seine politische Herrschaft dazu nutzen wird“, „alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren“ [5], und andere „revolutionäre Maßregeln“ [6] ausgerufen werden, äußern Marx und Engels 25 Jahre später in einem Vorwort zur deutschen Wiederveröffentlichung des Manifests, dass dieser Abschnitt „heute in vieler Beziehung anders lauten“ [6] würde, auch Aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Realität. Dabei formulieren sie, dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann“ [7]. Für die Neubewertung spielte neben den fehlgeschlagenen Revolutionen von 1848 vor allem die Pariser Kommune von 1871 eine entscheidende Rolle. Friedrich Engels erklärte diese zwanzig Jahre später, 1891, zur Diktatur des Proletariats:
„Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats.“
Im Prozess der revolutionären proletarischen Klassenherrschaft wird die Staatsmacht nicht auf die Klasse des Proletariats übertragen, sondern der Staat als Instrument der Klassenherrschaft ansich aufgehoben:
„Die [Pariser] Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst (...). Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen.“
„Und was tat die Kommune (...) ? (...) Gerade die unterdrückende Macht der bisherigen zentralisierten Regierung, Armee, politische Polizei, Bürokratie (...) sollte überall fallen, wie sie in Paris bereits gefallen war.“
Aus der Rolle der Gewalt in allen bisherigen gesellschaftlichen Revolutionen (also auch den bürgerlichen Revolutionen hin zu unseren heutigen demokratischen Verfassungsstaaten) machen Marx und Engels keinen Hehl, obwohl Revolutionen für sie nicht zwingenderweise mit Gewalt verbunden sein müssen, wie sie ebenfalls feststellten [8]:
„Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine ökonomische Potenz.“
„Haben diese Herren nie eine Revolution gesehen? Eine Revolution ist gewiß das autoritärste Ding, das es gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittels Gewehren, Bajonetten und Kanonen, also mit denkbar autoritärsten Mitteln aufzwingt; und die siegreiche Partei muß, wenn sie nicht umsonst gekämpft haben will, dieser Herrschaft Dauer verleihen durch den Schrecken, den ihre Waffen den Reaktionären einflößen. Hätte die Pariser Kommune nur einen einzigen Tag Bestand gehabt, wenn sie sich gegenüber den Bourgeois nicht dieser Autorität des bewaffneten Volks bedient hätte? Kann man sie nicht, im Gegenteil, dafür tadeln, daß sie sich ihrer nicht umfassend genug bedient hat?“
Marx hebt die politische Beteiligung (Partizipation) des Volkes hervor, um die Klassengegensätze aufzuheben:
„[Die Pariser Kommune] verschaffte der Republik die Grundlage wirklich demokratischer Einrichtungen. Aber weder "wohlfeile Regierung" noch die "wahre Republik" war ihr Endziel; beide ergaben sich nebenbei und von selbst. [Anm. Ziel war die Emanzipation der Menschen]“
„Die große soziale Maßregel der Kommune war ihr eignes arbeitendes Dasein. Ihre besondern Maßregeln konnten nur die Richtung andeuten, in der eine Regierung des Volks durch das Volk sich bewegt.“
„Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem ... Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen.“
Die gleiche Auffassung vertritt Friedrich Engels in der historisch letzten belegbaren Nutzung des Begriffes von Marx und Engels. Dabei erwähnt er ebenfalls, unter welchen Bedingungen seiner Ansicht nach die Herrschaft der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Gesellschaftsformationen Europas gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzbar ist:
„Wenn etwas feststeht, so ist es dies, daß unsre Partei und die Arbeiterklasse nur zur Herrschaft kommen kann unter der Form der demokratischen Republik. Diese ist sogar die spezifische Form für die Diktatur des Proletariats, wie schon die große französische Revolution [Anm. die Pariser Kommune] gezeigt hat.“
Zum Begriff „Diktatur“
Beide nutzten den Begriff in vielfälltiger Weise, besonders in metaphorischen Sinne. In Bezug auf die mittelalterliche Kirche [9] oder die Reihe von Päpsten [10] sprachen sie von einer “geistigen Dikatur”. Die Kleinstaaten Deutschlands standen unter der „Diktatur“ Preußens oder der Habsburger Monarchie [11]; die Berliner Regierung stimmte einer “Franko-Russischen Diktatur” zu; ganz Europa war unter “Moskauer Diktatur”; oder es wurde Marx Redaktionsleitung in der Neuen Rheinischen Zeitung von Engels als diktatorisch bezeichnet [12], usw...
Der Begriff ‘Militärdiktatur’ wurde hingegen höchstwahrscheinlich ausschliesslich negativ verwendet. Ebenfalls negativ verwendete wurde der Begriff Diktator in journalistischer Arbeit gegen politische Gegner, auch wenn diese tatsächlich keine diktatorischen Vollmachten besaßen, zum Beispiel gegen Parnell, Bismarck, Lord Palmerston und anderen.
Innerhalb der Arbeiterbewegung setzten sich Marx und Engels in diesem Sinne besonders mit Ferdinand Lassalle und Bakunin auseinander, die, ihrer Meinung nach, geheime Diktaturbestrebungen hegten. [13] Mit Lassalle kam es zum Bruch nachdem bekannt wurde, dass dieser mit Bismarck geheime Verhandlungen führte und für eine „soziale Dikatur“ unter Führung der Krone eintrat. [14]
Mit dem Anarchisten Bakunin kam es innerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation aufgrund grundsätzlicher politischer Differenzen zur Spaltung. Während Marx die Eroberung der politischen Macht für das Proletariat zur Pflicht erklärte und für eine straffere organisatorische Führung der Revolution („Partei der Arbeiterklasse“) unter zentralistischer Führung der Internationalen eintrat, war dagegen Bakunin gemäß den Vorstellungen des Anarchismus für strikte Herrschaftslosigkeit; die Abschaffung jeder staatlichen Institution und gegen jegliche Form von Führung durch irgendeine Partei oder Klasse. Die Revolution solle nach Bakunin auch in keinem Falle das Werk einer Führerclique sein, dem setzte er sein rein spontanes und föderatives Konzept der Revolution entgegen. Bakunin favorisierte die Gründung von revolutionären, antistaatlichen Geheimgesellschaften („gemeinschaftliche Diktatur der geheimen Organisation“), die alle staatlichen Institutionen und sozialen Zwangsverhältnissen abschaffen sollen. Diese sollen also nicht die Macht an sich reißen, sondern das Entstehen jeder neuen Macht verhindern. Danach würden sich die Kommunen von sich aus selbstorganisieren.[15] (siehe auch Anarchismus)
Siehe zur Kritik von Bakunin am Konzept der Diktatur des Proletariats auch unter: Diktatur des Proletariats#Kritik.
Zum Begriff „Diktatur des Proletariats“
Erstmals schriftliche Erwähnung findet eine „Klassendiktatur des Proletariats“ [16] 1850 in Marx Schrift „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850“. Dezidiert ausformuliert findet sich der Begriff Diktatur des Proletariats erstmals in einem Statut einer Organisation der Marx und Engels um 1850 kurzzeitig angehörten. 1852 erwähnte Marx in einem privaten Brief an Joseph Weydemeyer nochmals den Bergiff der Diktatur des Proletariats. Dort hielt er ausschliesslich fest, „dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zur klassenlosen Gesellschaft bildet“; dieser Brief wurde erstmals 1930 veröffentlicht [17]. Während den Jahren 1871-75 sind weitere Nutzungen des Begriffes dokumentiert. Dort orientierte sich der Begriff der Diktatur des Proletariats dann stark an der Pariser Kommune. In veröffentlichten Schriften trat der Begriff danach wieder um 1890 auf, wirkungsmächtig in der posthum von Engels herausgegebenen Schrift Marxens, der „Kritik des Gothaer Programms“ von 1875, sowie der Einleitung Engels zu „Der Bürgerkrieg in Frankreich“. Hal Draper unterscheidet die Nutzung und Entwicklung des Begriffs demgemäß in drei Perioden: [18]
DOKUMENTIERTE NUTZUNGEN DES BEGRIFFS „DIKTATUR DES PROLETARIATS“ BEI MARX UND ENGELS:
- 2. DIE POST-REVOLUTIONÄRE ZEIT NACH DER PARISER KOMMUNE 1871-75
- Marx, Rede zum 7. Jahrestag der IAA, erstes Treffen nach der Pariser Kommune, 25. September 1871 (Korrespondentenzitat) (lesen)
- Marx, „Der politische Indifferentismus“ datiert mit Januar 1873 (lesen)
- Engels, „Zur Wohnungsfrage“, 3.Abschnitt, zwei Erwähnungen, 1872/73 (lesen)
- Engels, „The Program of the Blanquist Fugitives from the Paris Commune“, 26. Juni 1874 (lesen)
- Marx, „Kritik des Gothaer Programms“, verfasst von April bis Anfang Mai 1875, in kleinem Kreis veröffentlicht (lesen)
- 3. DIE WIEDEREINFÜHRUNG DES BEGRIFFES DURCH ENGELS NACH MARX TOD, ab 1890
- Engels, „Brief an Konrad Schmidt“, datiert mit 27. Oktober 1890 (lesen)
- „Kritik des Gothaer Programms“ veröffentlicht in "Die Neue Zeit", Nr. 18, 1. Band, 1890-91 (lesen)
- Engels, Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich von Karl Marx , zwei Erwähnungen, datiert mit 18. März 1891 (lesen)
- Engels, „Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891“ verfasst von 18-29. Juni 1891 (lesen)
- Engels, Gespräch mit A. M. Voden (unsicher) [19]
- GESAMT: 13 | Marx: 7 | Engels: 7 | Mehrfachnennungen in Schriften einzeln gerechnet: 17 | Wortwörtliche Nutzungen des Begriffs insgesamt: 9
- QUELLEN: Zeitschriften: 7 ; private Briefe: 2 ; Von dritten Wiedergegeben: 2 ; Statuten: 1 ; Vorworte: 1
- SONDERFALL: Marx, „Herr Vogt“, zwei Erwähnungen (jedoch Zitate Vogts), Dezember 1860 (lesen)
Theorie
Auch wenn es keine Theorie einer Diktatur des Proletariats im ursprünglichen Marxismus von Karl Marx und Friedrich Engels gibt, lässt sich der Begriff in einen theoretischen Kontext einbinden.
In der marxistischen Theorie gelten alle bisherigen Gesellschaftsformen seit der Auflösung der urkommunistischen Gemeinwesen als Diktaturen einer wohlhabenden Minderheit über eine unterdrückte Mehrheit. Der Staat mit seinem bürokratischen Apparat wird hierbei als Machtinstrument der wirtschaftlich herrschenden Klasse angesehen, der das ausbeuterische Herrschaftsverhältnis zwischen den Klassen durch seine staatlichen Einrichtungen, wie z.B. Armee und Justiz, erhält (Vgl. Basis und Überbau).
„[Der] Staat ist nichts als eine Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere.“
„Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen.“
Die bürgerliche Gesellschaft wird somit als Diktatur der Bourgeoisie mit abhängig von ihren Organisationsformen variierenden Proportionen der politischen und ökonomischen Repression charakterisiert. Die Aufhebung dieser Form der Diktatur und den Übergang zur klassenlosen Gesellschaft, in der Herrschaftsvehältnisse abwesend sind, bildet die „Diktatur des Proletariats“ oder „Herrschaft der Arbeiterklasse“.
„Dieser Sozialismus ist die Permanenzerklärung der Revolution, die Klassendiktatur des Proletariats als notwendiger Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt, zur Abschaffung sämtlicher Produktionsverhältnisse, worauf sie beruhen, zur Abschaffung sämtlicher gesellschaftlicher Beziehungen, die diesen Produktionsverhältnissen entsprechen, zur Umwälzung sämtlicher Ideen, die aus diesen gesellschaftlichen Beziehungen hervorgehen.“
In der Diktatur des Proletariats wird der Staat, Instrument einer Klassenherrschaft, daher aufgehoben:
„Die [Pariser] Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst (...). Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen.“
Begriffsauslegungen und Umsetzungen
Lenin | Oktoberrevolution |
Datei:Karl Liebknacht 1918 Berlin in Tiergarten.jpg | |
Luxemburg | Spartakusaufstand |
Der Begriff wurde sehr unterschiedlich interpretiert. Lenin charakteriiserte die Diktatur des Proletariats als direkte Machtausübung der Massen „millionenfach demokratischer als die demokratischste bürgerliche Demokratie“. Sie würde in einer proletarischen Revolution errungen werden und als Stützpfeiler für die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft dienen. Noch unmittelbar vor der Revolution von 1917 definierte Lenin in „Staat und Revolution“ die Diktatur des Proletariats als eine kurze Übergangsphase bis zum „Absterben des Staates“ nach der Weltrevolution. In der russischen Revolution waren die Räte (Sowjets) der Arbeiter, Bauern und Soldaten auch für kurze Zeit in einer solchen Situation. Allerdings wurde durch den Bürgerkrieg und Missernten eine zunehmende Zentralisierung vorgenommen, welche schließlich ab 1923 als Sprungbrett für die erstarkende bürokratische Kaste unter Josef Stalin diente.
Rosa Luxemburg kritisierte das leninsche Verständnis der Dikatur des Proletariats ebenso wie das Karl Kautskys. Während Lenin eine Diktatur nach bürgerlichen Muster propagiere, will Kautsky die Diktatur in der bürgerlichen Demokratie verwirklichen. Beide Sichtweisen bilden für sie gleichweit entfernte Pole von der Dikatur des Proletariats, nach Luxemburg bedarf es einer „sozialistischen Demokratie“ [20] (Demokratischer Sozialismus). „Jawohl: Diktatur! Aber diese Diktatur besteht in der ART DER VERWENDUNG DER DEMOKRATIE, nicht in ihrer ABSCHAFFUNG, in energischen, entschlossenen Eingriffen in die wohlerworbenen Rechte und wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ohne welche sich die sozialistische Umwälzung nicht verwirklichen läßt.“ [20] Sie verstand die Diktatur des Proletariats, seinen Wortursprung entsprechend, als „Diktatur der KLASSE, nicht einer Partei oder Clique, (...) d.h. in breitester Öffentlichkeit, unter tätigster ungehemmter Teilnahme der Volksmassen, in unbeschränkter Demokratie.“ [20]
Kritik
Nach seinem von Marx betriebenen Ausschluß aus der Internationale (1872) formulierte Mikhail Bakunin in seiner Schrift „Staatlichkeit und Anarchie“ unter anderem seine grundlegende Kritik am Konzept der „Diktatur des Proletariats“ und ihren marxistischen Vertretern [21]:
„Sie versichern, daß allein die Diktatur, natürlich die ihre, die Freiheit des Volks schaffen kann; wir dagegen behaupten, daß eine Diktatur kein anderes Ziel haben kann, als nur das eine, sich zu verewigen, und daß sie in dem Volk, das sie erträgt, nur Sklaverei zeugen und nähren kann“
Bedeutung im Sowjetsozialismus
Sowjetunion |
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In der Sowjetunion (1922-91), den Ostblockstaaten und vergleichbaren politischen Systemen wurde der Begriff der Diktatur des Proletariats dahingehend verwendet, um zu beschreiben, dass das Proletariat, geführt durch die Kommunistische Partei, durch den Staatsapparat die Verhältnisse beseitigt, die die Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit bedingt. Also zum Beispiel die Verhältnisse zur Produktion von Gütern (Vgl. Produktionsweise). In diesem Sinne wurde dieses Herrschaftsverhältnis als ein demokratisches, und als ein Übergangsstadium verstanden. Einzig die Sowjetunion zu Zeiten Breschnews [22] beanspruchte für sich, die Diktatur des Proletariats überwunden und den Sozialismus erreicht zu haben.
„
- Die Partei ist die grundlegende führende Kraft im System der Diktatur des Proletariats.
...
- die Autorität der Partei und die für die Diktatur des Proletariats notwendige eiserne Disziplin in der Arbeiterklasse beruhen nicht auf der Furcht oder den "unbeschränkten" Rechten der Partei, sondern auf dem Vertrauen der Arbeiterklasse zur Partei, auf der Unterstützung der Partei durch die Arbeiterklasse;
- das Vertrauen der Arbeiterklasse zur Partei wird nicht auf einmal und nicht durch Gewaltanwendung gegenüber der Arbeiterklasse erworben, sondern durch langwierige Arbeit der Partei in den Massen, durch die richtige Politik der Partei, durch die Fähigkeit der Partei, die Massen von der Richtigkeit ihrer Politik an Hand der eigenen Erfahrung der Massen zu überzeugen, durch die Fähigkeit der Partei, sich die Unterstützung der Arbeiterklasse zu sichern, die Massen der Arbeiterklasse zu führen;
- ohne die richtig Politik der Partei, die durch die Erfahrung des Kampfes der Massen bekräftigt wird, und ohne das Vertrauen der Arbeiterklasse gibt es keine wirkliche Führung durch die Partei und kann es sie auch nicht geben;
- die Partei und ihre Führung können - wenn die Partei das Vertrauen der Klasse genießt und wenn ihre Führung eine wirkliche Führung ist - nicht der Diktatur des Proletariats gegenübergestellt werden, denn ohne Führung durch die das Vertrauen der Arbeiterklasse genießende Partei ("Diktatur" der Partei) ist eine einigermaßen feste Diktatur des Proletariats unmöglich.“
Bedeutung im Eurokommunismus
In den 1970er Jahren entfernten die eurokommunistischen Parteien Italiens, Spaniens und Frankreichs [23] den Begriff der Diktatur des Proletariats aus ihren Parteiprogrammen. Die Eurokommunisten verneinten den internationalen Führungsanspruch der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) über die anderen kommunistischen Parteien und proklamierten unter Verzicht auf die Parole der „Diktatur des Proletariats“ einen demokratischen Weg zum Sozialismus innerhalb der pluralistischen parlamentarischen Systeme Westeuropas. Etienne Balibar kritisierte die Aufgabe des Begriffs der Diktatur des Proletariats hinsichtlich seiner Bedeutung innerhalb der marxistischen Theorie, Grahame Lock umreisst den Ansatz in einem Vorwort zu Balibars Schrift wie folgt:
„No-one and nothing, not even the Congress of a Communist Party, can abolish the dictatorship of the proletariat. That is the most important conclusion of Etienne Balibar's book. The reason is that the dictatorship of the proletariat is not a policy or a strategy involving the establishment of a particular form of government or institutions but, on the contrary, an historical reality. More exactly, it is a reality which has its roots in capitalism itself, and which covers the whole of the transition period to communism, 'the reality of a historical tendency', a tendency which begins to develop within capitalism itself, in struggle against it. It is not 'one possible path of transition to socialism', a path which can or must be 'chosen' under certain historical conditions ... but can be rejected for another, different 'choice', for the 'democratic' path, in politically and industrially 'advanced' Western Europe. It is not a matter of choice, a matter of policy: and it therefore cannot be 'abandoned', any more than the class struggle can be 'abandoned', except in words and at the cost of enormous confusion.“
Bedeutung im KPD-Verbot
Das einzige Verbot einer Kommunistische Partei in einer bürgerlichen Demokratie Europas fand in der BRD (Westdeutschland) statt. Nach bestreben der Bundesregierung unter Adenauer wurde 1951 ein Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD durch das Bundesverfassungsgericht gestellt, der nach über fünf Jahren mit einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit endete. Nach einer ausführlichen Analyse der für das Verfahren als Einheit verstandenen, bzw. interpretierten Theorien Marx, Engels, Lenin, Stalins [24] wurde geschlossen, ob diese als politische Handlungsbasis in Konflikt mit der verfassungsmässigen Ordnung geraten. Dabei spielte die Diktatur des Proletariats in der Begründung eine entscheidende Rolle:
„In eine Formel zusammengefaßt würde ... die aus der Lehre des Marxismus-Leninismus zu erschließende gesellschaftliche Entwicklung sein: Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung auf dem Wege über die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats.“
„Wenn nun ... das Gesamtziel "Sozialismus-Kommunismus auf dem Wege über proletarische Revolution und Diktatur des Proletariats" als politische Richtlinie klar und eindeutig ist, so läßt sich doch aus der grundsätzlichen Theorie nicht erkennen, welche Vorstellungen sich die KPD im einzelnen darüber macht, wie das auf diesem Wege zunächst zu erreichende Teilziel, die Erringung der politischen Herrschaft der Arbeiterklasse, im gegebenen Staat erreicht werden soll, und wie der dann zunächst eintretende Zustand, die Diktatur des Proletariats, im einzelnen aussieht. Es kommt also darauf an, Feststellungen darüber zu treffen, welche Mittel nach der marxistisch-leninistischen Theorie als unerläßlich für die Errichtung der Diktatur des Proletariats angesehen werden, welche Merkmale die ihr entsprechende Staatsordnung notwendig aufweist und welche Funktionen sie notwendig zu erfüllen hat. Erst diese Vorstellungen werden zureichende Schlüsse auf die grundsätzliche Einstellung der KPD zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ermöglichen.“
Auf Basis der Werke Marx, Engels, Lenins und Stalins, die sich die KPD zu Beginn [25] als weltanschauliche Grundlage verlieh, wurde geschlossen:
„Die Diktatur des Proletariats ist mit der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes unvereinbar. Beide Staatsordnungen schließen einander aus; es wäre nicht denkbar, den Wesenskern des Grundgesetzes aufrechtzuerhalten, wenn eine Staatsordnung errichtet würde, die die kennzeichnenden Merkmale der Diktatur des Proletariats trüge.“
Obwohl das Verbot noch Rechtswirksamkeit besitzt, findet es in der Rechtsprechung keine Anwendung mehr, was bedeutet, dass Parteien und Gruppen, die als Nachfolgeorganisation unter das Verbot fallen würden, geduldet werden. [26]
Zitate
„Was ich neu tat, war 1. nachzuweisen, dass die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. dass der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zur klassenlosen Gesellschaft bildet.“
„Wir wissen, daß man die Institutionen, die Sitten und die Traditionen der verschiedenen Länder berücksichtigen muß, und wir leugnen nicht, daß es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutionen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedlichem Wege zu ihrem Ziel gelangen können. Wenn das wahr ist, müssen wir auch anerkennen, daß in den meisten Ländern des Kontinents der Hebel unserer Revolutionen die Gewalt sein muß; die Gewalt ist es, an die man eines Tages appellieren muß, um die Herrschaft der Arbeit zu errichten.“
„Die Diktatur des Proletariats aber, d.h. die Organisierung der Avantgarde der Unterdrückten zur herrschenden Klasse, um die Unterdrücker niederzuhalten, kann nicht einfach nur eine Erweiterung der Demokratie ergeben. Zugleich mit der gewaltigen Erweiterung des Demokratismus, der zum erstenmal ein Demokratismus für die Armen, für das Volk wird und nicht ein Demokratismus für die Reichen, bringt die Diktatur des Proletariats eine Reihe von Freiheitsbeschränkungen für die Unterdrücker, die Ausbeuter, die Kapitalisten. Diese müssen wir niederhalten, um die Menschheit von der Lohnsklaverei zu befreien, ihr Widerstand muß mit Gewalt gebrochen werden, und es ist klar, daß es dort, wo es Unterdrückung, wo es Gewalt gibt, keine Freiheit, keine Demokratie gibt.“
„Es ist die historische Aufgabe des Proletariats, wenn es zur Macht gelangt, an Stelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jegliche Demokratie abzuschaffen. Sozialistische Demokratie beginnt aber nicht erst im gelobten Lande, wenn der Unterbau der sozialistischen Wirtschaft geschaffen ist, als fertiges Weihnachtsgeschenk für das brave Volk, das inzwischen treu die Handvoll sozialistischer Diktatoren unterstützt hat. Sozialistische Demokratie beginnt zugleich mit dem Abbau der Klassenherrschaft und dem Aufbau des Sozialismus. Sie beginnt mit dem Moment der Machteroberung durch die sozialistische Partei. Sie ist nichts anderes als die Diktatur des Proletariats. (...) [Diese] Diktatur muß das Werk der KLASSE, und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen der Klasse sein, d.h. sie muß auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, unter ihrer unmittelbaren Beeinflussung stehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen.“
„The phrase "dictatorship of the proletariat" today has an unacceptable connotation for the workers and for the masses. [Die Phrase „Diktatur des Proletariats“ hat heute eine unakzeptable Konnotation für die Arbeiter und für die Massen.]“
Siehe auch
Weblinks
- Diktatur des Proletariats - im Marx-Lexikon des marx-forum.de
- Wörterklärung - Text auf Grundlage des in der DDR erschienen „Kleinen Politischen Wörterbuchs“
Literatur
- Etienne Balibar, Über die Diktatur des Proletariats. Mit Dokumenten des 22. Parteitags der KPF. VSA, Hamburg 1977. (Lesen (englisch))
- Etienne Balibar, Diktatur des Proletariats, in: Kritisches Wörterbuch des Marximus, Argument-Verlag, Berlin 1983
- Cajo Brendel, Kritik der Leninschen Revolutionstheorie, 1958. (Lesen)
- Nikolai Bucharin; Evgenij Preobraschensky, Das ABC des Kommunismus, § 23. Die Diktatur des Prolatariats, 1920. (Lesen)
- BVerfGE 5, 85 - KPD-Verbot, 1956. (Lesen)
- Hal Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, Monthly Review Press, 1987. (Lesen)
- Friedrich Engels, Von der Autorität, 1873 (Lesen)
- Friedrich Engels, Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich von Karl Marx, 1891. (Lesen)
- Friedrich Engels, Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, 1891 (Lesen)
- Karl Kautsky, Die Diktatur des Proletariats. Dietz, Berlin 1990 (Lesen (englisch)
- Vladimir I. Lenin, Staat und Revolution. Die Lehre des Marxismus vom Staat und die Aufgaben des Proletariats in der Revolution, in: Lenin, Werke Bd. 25. (Lesen)
- Vladimir I. Lenin, Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky. Dietz, Berlin 1980 (Lesen (englisch))
- Wolfgang Leonhard, Diktatur des Proletariats, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie, Freiburg im Breisgau, 1966.
- Rosa Luxemburg, Zur russischen Revolution, 1918. (Lesen)
- Karl Marx; Friedrich Engels, Das kommunistische Manifest, 1848 (Lesen)
- Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850, 1850 (Lesen)
- Karl Marx, Brief an Weydemeyer 1852. (Lesen (englisch))
- Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, 1871 (Lesen)
- Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms 1875. (erstmals publiziert 1891) (Lesen)
- Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.), Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe. Band 1, 2005, Seite 161.
- Anton Pannekoek, Der neue Blanquismus, 1920. (Lesen)
- David Rjazanov, The Relations of Marx with Blanqui, 1928. (Lesen (englisch))
- Josef Stalin, Zu den Fragen des Leninismus, Kapitel IV. (Lesen) und V. (Lesen), 1949.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ „Incidentally, the ascription of the term ‘dictatorship of the proletariat’ to Blanqui is a myth industriously copied from book to book by marxologists eager to prove that Marx was a putschist “Blanquist,” but in fact all authorities on Blanqui’s life and works have (sometimes regretfully) announced that the term is not to be found there.“
H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 1. Abschnitt, 1987. (Lesen) - ↑ Für eine ausführliche Darstellung siehe H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 3. Abschnitt, 1987. (Lesen)
- ↑ H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 3. Abschnitt, 1987. (Lesen)
- ↑ Für eine genauere Darstellung siehe H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 2. Abschnitt, 1987. (Lesen)
- ↑ K. Marx, F. Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 481 (Lesen)
- ↑ a b K. Marx, F. Engels, Vorwort zu dem Kommunistisches Manifest, deutsche Ausgabe 1872. MEW 18, 95f. (Lesen)
- ↑ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 336 (Lesen) ; Im Vorwort wird diese Schrift zitiert.
- ↑ „Wir wissen, daß man die Institutionen, die Sitten und die Traditionen der verschiedenen Länder berücksichtigen muß, und wir leugnen nicht, daß es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutionen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedlichem Wege zu ihrem Ziel gelangen können. Wenn das wahr ist, müssen wir auch anerkennen, daß in den meisten Ländern des Kontinents der Hebel unserer Revolutionen die Gewalt sein muß; die Gewalt ist es, an die man eines Tages appellieren muß, um die Herrschaft der Arbeit zu errichten.“ Marx, Rede über den Haager Kongreß, 15. September 1872 (Lesen)
- ↑ Engels, „Dialektik der Natur“, MEW 20:311
- ↑ Engels, „Dialektik der Natur“, MEW 20:465
- ↑ Engels, „Revolution und Konterrevolution in Deutschland“, MEW 8:24
- ↑ „Die Verfassung der Redaktion war die einfache Diktatur von Marx. Ein großes Tageblatt, das zur bestimmten Stunde fertig sein muß, kann bei keiner anderen Verfassung eine folgerechte Haltung bewahren. Hier aber war noch dazu Marx' Diktatur selbstverständlich, unbestritten, von uns allen gern anerkannt. Es war in erster Linie sein klarer Blick und seine sichere Haltung, die das Blatt zur berühmtesten deutschen Zeitung der Revolutionsjahre gemacht haben.“ F. Engels, „Marx und die "Neue Rheinische Zeitung" 1848-49“, 1884, (Lesen)
- ↑ „Während die Internationale der Arbeiterklasse der verschiedenen Länder die vollste Freiheit in ihren Bewegungen und Bestrebungen ließ, brachte sie es gleichzeitig fertig, die Gesamtarbeiterklasse zu einem Bunde zu vereinigen und zum ersten Male den herrschenden Klassen und ihren Regierungen die kosmopolitische Macht des Proletariats fühlbar zu machen. (...) Autonomie der Sektionen, freie Föderation autonomer Gruppen, Antiautoritarismus, Anarchie - das sind Phrasen, welche gar wohl anstehen einer "Gesellschaft von 'Deklassierten' ohne Beruf und ohne Ausweg" (sans carrière, sans issue), einer Gesellschaft, die im Schoße der Internationalen konspiriert, um diese einer geheimgehaltenen Diktatur zu unterwerfen und ihr das Programm des Herrn Bakunin aufzudrängen!“ K. Marx, F. Engels, Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiterassoziation, 1873 (Lesen)
„Dieselben Männer, die den Generalrat des Autoritarismus beschuldigen, ohne jemals imstande gewesen zu sein, auch nur eine einzige autoritäre Handlung von seiner Seite aufzuzeigen, die bei jeder Gelegenheit von der Autonomie der Sektionen, von der freien Föderation der Gruppen reden, die den Generalrat der Absicht bezichtigen, der Internationale seine offizielle und orthodoxe Doktrin aufzuzwingen und unsere Assoziation in eine hierarchisch konstituierte Organisation zu verwandeln - dieselben Männer konstituieren sich in der Praxis als eine Geheimgesellschaft mit einer hierarchischen Organisation und unter einem nicht nur autoritären, sondern absolut diktatorischen Regime; sie treten jede Spur von Autonomie der Sektionen und Föderationen mit Füßen; sie streben danach, der Internationale vermittels dieser geheimen Organisation die persönlichen und orthodoxen Doktrinen M. Bakunins aufzuzwingen. Während sie verlangen, daß die Internationale von unten nach oben organisiert werden solle, unterwerfen sie sich selber als Mitglieder der Allianz unterwürfig dem Befehl, der ihnen von oben nach unten erteilt wird. (...) Unsere Statuten kennen nur eine Art von Mitgliedern der Internationale, mit gleichen Rechten und Pflichten für alle; die Allianz trennt sie in zwei Klassen, die Eingeweihten und die Laien, wobei die letzteren dafür bestimmt sind, von den ersteren geführt zu werden vermittels einer Organisation, deren Existenz ihnen nicht einmal bekannt ist. Die Internationale fordert von ihren Anhängern, daß sie Wahrheit, Gerechtigkeit und Moral als die Grundlage ihres Verhaltens anerkennen; die Allianz auferlegt ihren Adepten als ihre erste Pflicht Verlogenheit, Heuchelei und Betrug, indem sie ihnen befiehlt, die Laien unter den Internationalen über die Existenz der geheimen Organisation und über die Beweggründe und den Zweck ihrer eigenen Worte und Handlungen zu täuschen.“ F.Engels, Der Generalrat an alle Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation, 1872 (lesen) - ↑ „Aber es wird Ihnen aus diesem Miniaturgemälde deutlich die Überzeugung hervorgehen, wie wahr es ist, daß sich der Arbeiterstand instinktmäßig zur Diktatur geneigt fühlt, wenn er erst mit Recht überzeugt sein kann, daß dieselbe in seinem Interesse ausgeübt wird, und wie sehr er daher, wie ich Ihnen schon neulich sagte, geneigt sein würde, trotz aller republikanischen Gesinnungen – oder vielmehr gerade auf Grund derselben – in der Krone den natürlichen Träger der sozialen Diktatur, im Gegensatz zu dem Egoismus der bürgerlichen Gesellschaft, zu sehen, wenn die Krone ihrerseits sich jemals zu dem – freilich sehr unwahrscheinlichen – Schritt entschließen könnte, eine wahrhaft revolutionäre und nationale Richtung einzuschlagen und sich aus einem Königtum der bevorrechteten Stande in ein soziales und revolutionäres Volkskönigtum umzuwandeln!“, F. Lassalle, Brief von Lassalle an Bismarck, 8. Juni 1863 (Lesen)
- ↑ http://www.trend.infopartisan.net/trd7800/t237800.htm]
- ↑ K. Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850. 1850, MEW7, 89. (Lesen)
- ↑ a b K. Marx, Brief an Weydemeyer (1852), erstmals publiziert 1930 in Jungsozialistische Blätter. MEW 28, 507f. Quelle (Lesen (englisch))
- ↑ Für eine genaue Beschreibung der Entwicklung des Begriffes bei Marx und Engels siehe H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 1987. (Lesen)
- ↑ H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 8.Abschnitt, 1987. (Lesen)
- ↑ a b c R. Luxemburg, Zur russischen Revolution, Kapitel 4, 1918. (Lesen)
- ↑ http://www.trend.infopartisan.net/trd7800/t237800.htm]
- ↑ Implizit in der Verfassung festgehalten
- ↑ Die KP Frankreichs war nur kurze Zeit eurokommunistisch orientiert.
- ↑ „Von besonderer Bedeutung ist im Programm der Satz, daß die KPD "sich in ihrer gesamten Tätigkeit von der Theorie von Marx, Engels, Lenin und Stalin leiten" läßt. Die KPD bringt damit zum Ausdruck, daß sie die Schriften und sonstigen Zeugnisse dieser Denker und Politiker als Bestandteile einer einheitlichen, in sich geschlossenen Lehre ansieht und sie als solche zur Grundlage ihres politischen Denkens und Handelns macht.“ Urteilsbegründung
- ↑ Mit der Entstalinisierung erfolgte eine Distanzierung von Stalin
- ↑ Entgegen dem Urteil des Verbotes: „Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.“
- ↑ zitiert nach: Balibar, Über die Diktatur des Proletariats, 1976, S.42.