Unter Tabulatur versteht man in der Musik Griffschriften für jeweils ein spezielles Musikinstrument im Gegensatz zur üblichen, Tonhöhe und -dauer darstellenden Notenschrift.



Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden Tabulaturen dazu erfunden, mehrere Stimmen polyphoner Vokalmusik für ein Instrument zusammenzuschreiben, zu tabulieren. In der Musik Westeuropas wurden im späten Mittelalter, der Renaissance und im Barock verschiedene Formen von Tabulaturen für Saiteninstrumente wie Laute, Vihuela, Gambe und Harfe sowie für Tasteninstrumente wie Orgel, Cembalo und Virginal verwendet.
Tabulaturen sind instrumentenspezifisch, d. h. jeweils nur auf dem Instrument zu verwenden, für das sie geschrieben sind: eine Orgeltabulatur kann man nicht einfach auf der Laute abspielen (und umgekehrt). Das gilt besonders für Tabulaturen für Lauteninstrumente untereinander, die sich durch ihre verschiedene Saitenzahl und Stimmung voneinander unterscheiden.
Tasteninstrumente
Tabulaturen für Tasteninstrumente (Orgel, Cembalo, Virginal) verwenden Tonbuchstaben (deutsch), Ziffern (spanisch) oder Notensymbole auf Linien (italienisch). Tabulaturen für Harmonikainstrumente siehe Akkordeonschule. Tabulaturen für Saiteninstrumente verwenden Buchstaben oder Ziffern auf Linien oder freie Buchstaben (siehe Historische Lauten- und Gitarrentabulaturen).
Zupfinstrumente
Auch moderne Griffnotationen für Zupfinstrumente, welche die Lage der Druckpunkte auf dem meist mit Bünden versehenen Griffbrett bezeichnen, können als Tabulatur angesehen werden. In Spielmannszügen spielen oft auch die Flöten/Pfeifen nach einem Tabulatursystem anstatt nach Noten.
Auch in vielen außereuropäischen Musikkulturen sind Tabulaturnotationen verbreitet. In Japan beispielsweise wird Musik für Saiteninstrumente fast ausschließlich in Tabulatur niedergeschrieben, wobei nicht nur jedes Instrument, sondern auch jede Schule ihre eigene Notationsweise besitzt.
Tabulaturen sind sehr einfach zu lesen und zu verstehen. Man benötigt im Gegensatz zur Notenschrift keine besonderen Kenntnisse. In Lautentabulaturen wird nur der Anfangszeitpunkt der Töne angegeben, normalerweise aber nicht die Tondauer und die Stimmführung, die der Spieler selbst ergründen muss. Bei den im Internet verbreiteten Gitarrentabulaturen wird oft auch der Rhythmus nicht angegeben, so dass der Spieler das Stück kennen muss, um es zu spielen.
Moderne Gitarrentabulatur
Bei der modernen Gitarrentabulatur bildet man mit sechs Linien einfach die Saiten des Griffbretts nach. Die Zahlen geben an, welcher Bund der jeweiligen Saite gegriffen werden muss. 0 steht für einen freien Anschlag. Die Länge des Tons kann mit über den Zahlen stehenden üblichen Notenzeichen angegeben werden. Im Internet findet sich häufig aber eine einfache ASCII-Gitarrentabulatur ohne diese Hinweise.
Beispiel für eine ASCII-Gitarrentabulatur
e|----------------------------------------------------------------- h|----------------------------------------------------------------- G|----------------------------------------------------------------- D|-----------5----------------------------------------------------- A|-------7---------------7----------------------------------------- E|---0-----------6---5---------------------------------------------
Obiges ist eine Tabulatur für das Intro des Songs Enter Sandman von Metallica. Im Beispiel wird also zuerst die tiefe E-Saite frei angeschlagen. Dann greift man die A-Saite im siebten Bund und schlägt sie an. Danach die D-Saite im 5. Bund usw...
Beispiel für eine professionelle Gitarrentabulatur
Bei gedruckten Tabulaturen finden sich detailliertere Hinweise auf die Spieltechnik. Hier ist eine Übersicht über die gängigsten Spielweisen:
Historische Lauten- und Gitarrentabulaturen
Seit dem Aufkommen des polyphonen Spiels auf der Laute um 1500 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts haben Lauten- und Gitarrekomponisten ihre Musik in Form der Tabulatur notiert. Man kann unterscheiden zwischen Tabulaturtypen, die auf Linien notiert werden, so genannten romanischen Lautentabulaturen (italienische, französische, spanische, neapolitanische), und einem Typus, der ohne Linien auskommt (deutsche Tabulatur).
Ein spezieller Fall ist die im 17. Jahrhundert erfundene Bezeichnung der häufig wiederkehrenden Akkordgriffe in der Gitarrentabulatur. In Italien verwendete man dazu lateinische Großbuchstaben und Symbole, das so genannte Alfabeto, in Spanien auch Abecedario genannt. In Spanien dagegen benutzte man zur Bezeichnung der Akkordgriffe arabische Ziffern und Symbole. Weder die Buchstaben noch die Ziffern oder Symbole stehen dort in inhaltlicher Beziehung zu den Akkorden (z. B. bedeutet A einen bestimmten Griff, aber nicht A-Dur oder a-Moll). Das Alfabeto war bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch (Antoine Bailleux, 1773)
Romanische Lautentabulaturen
Bei den romanischen Lautentabulaturen (ab ca. 1500) werden sechs horizontale Linien verwendet, welche die sechs Spielchöre der Laute über dem Griffbrett darstellen (Chor = Saitenpaar).
Bei der italienischen Lautentabulatur steht die unterste Linie für den höchsten Chor. Für die Bundpositionen werden Zahlzeichen verwendet, wobei 0 den nicht gegriffenen Chor bedeutet, 1 den ersten Bund, 2 den zweiten Bund usw. Für den siebten Chor wird von einigen Autoren eine 0 über dem Liniensystem verwendet, andere Autoren verwenden eine waagrecht durchgestrichene 0 über dem Liniensystem. Für den achten und neunten Chor werden die arabischen Zahlzeichen 8 und 9 benutzt, für den zehnten Chor dagegen das römische Zahlzeichen X (über dem Liniensystem). Für den elften Chor verwenden manche Autoren die 11, andere dagegen ein V, das wohl aus der 11 hervorgegangen sein dürfte. Für den zwölften bis 14. Chor werden meist die Zahlzeichen 12 bis 14 verwendet.
Bei der französischen und spanischen Lautentabulatur dagegen (letztere nur bei Luis Milan, 1536) stellt die oberste Linie den höchsten Chor dar. Bei der spanischen Lautentabulatur werden wie bei der italienischen Zahlzeichen verwendet. Die französische Lautentabulatur dagegen verwendet Buchstaben, wobei a den nicht gegriffenen Chor bedeutet, b den ersten Bund, c den zweiten Bund usw. Der Buchstabe c wird in der übergroßen Mehrheit der erhaltenen französischen Lautentabulaturen durch r ersetzt. In Frankreich wird in den französischen Lautentabulaturen ab ca. 1630 der Buchstabe e in der Form eines griechischen φ geschrieben. Zur Bezeichnung der nicht gegriffenen Basschöre (Bordunsaiten) wird der Buchstabe a unter dem Liniensystem verwendet. Dabei ist a der siebte Chor, /a der achte, //a der neunte, ///a der zehnte Chor (statt /a, //a, ///a schreiben manche englische Autoren 1, 2, 3). Für den elften bis 14. Chor werden allgemein die Zahlzeichen 4, 5, 6 und 7 verwendet.
Deutsche Lautentabulatur
Die Herkunft der deutschen Lautentabulatur lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Der blinde Organist Conrad Paumann gilt als ihr Erfinder. Sie wurde im deutschen Sprachgebiet bis zum Ende des 16. Jahrhunderts verwendet.
Als die deutsche Lautentabulatur erfunden wurde, hatte die Laute offenbar erst fünf Chöre, die in der Tabulatur mit 1-5 durchnummeriert sind (1 ist der tiefste, 5 der höchste Chor). Jede Schnittstelle eines Chores mit einem Bund wird durch einen Buchstaben des Alphabetes bezeichnet, d. h. der erste Chor im ersten Bund ist der Buchstabe a, der zweite Chor im ersten Bund der Buchstabe b, der dritte Chor im ersten Bund der Buchstabe c, der vierte Chor im ersten Bund der Buchstabe d, der fünfte Chor im ersten Bund der Buchstabe e; der erste Chor im zweiten Bund ist der Buchstabe f, der zweite Chor im zweiten Bund der Buchstabe g usw.
Die Buchstaben j, u, w werden nicht benutzt. Darum werden ersatzweise zwei weitere Zeichen benutzt, nämlich et (ähnlich dem Zahlzeichen 7) für die Position vierter Chor / fünfter Bund sowie con (ähnlich dem Zahlzeichen 9) für den fünften Chor im fünften Bund. Ab dem sechsten Bund aufwärts, werden die Buchstaben des Alphabetes wiederholt, wobei entweder ein Apostroph hinzugefügt wird (a', b', ...), Beistriche über den Buchstaben, oder die Buchstaben verdoppelt werden (aa, bb, ...).
Um 1500 wurde der europäischen Laute in der Tiefe ein sechster Chor hinzugefügt. Die Symbole für den sechsten Chor und seine Bundpositionen variierten je nach Autor (Judenkünig, Hans Newsidler, Hans Gerle).
Akkordtöne werden senkrecht übereinander geschrieben. Melodische Bewegung werden ungeachtet der jeweiligen Stimmlage in der obersten Linie notiert.
Rhythmuszeichen werden über den betreffenden Buchstaben notiert. Es gibt den senkrechten Strich (ganze Note), den Strich mit einem Fähnchen oder Haken (halbe Note), Strich mit zwei Fähnchen (Viertelnote), Strich mit drei Fähnchen (Achtelnote), Strich mit vier Fähnchen (Sechzehntel). Striche mit zwei und mehr Haken können zu Gruppen von zwei oder vier verbunden werden ("Leiterlein").
Beispiel:
Französisch Italienisch Deutsch -r- --- k -d- --- o -d- = -0- = n -a- -3- 2 --- -3- --- -2-
Tabulaturprogramme
Es gibt auch spezielle Programme zum Erstellen von Tabulaturnoten. Dazu gehören unter anderen:
- Fronimo Tabulaturen für Gitarre und verschiedene Lauten
- Guitar Pro
- Power Tab ist ein Freeware-Programm.
- TablEdit ist sehr verbreitet. Es gibt viele Tabulaturen dafür.
- SongWrite ist ein freies Programmpaket für Unix-artige Systeme wie GNU/Linux, das das Dateiformat von Guitar Pro verarbeiten kann.
- Tux Guitar ist ein unter LGPL stehendes, plattformübergreifendes Programm, welches unter anderem die Guitar Pro- und PowerTab Dateiformate verarbeiten kann.
Weblinks
- Guitar pro Archiv
- Fronimo (englisch) großes Archiv von Lautentabulaturen
- Tabulatur-Wiki Gitarre/Bass/Schlagzeug (englisch)
- Wie man Tabulaturen liest
- Viele Tabulaturen aller Stilrichtungen (Folk bis Rock)(englisch)
- tabforge - freie Gitarren-, Bass- und Schlagzeugtabulaturen (englisch) ein Online-Tabulaturarchiv