Liebesbrief

Schriftstück, um einer Person Liebe oder Zuneigung zu gestehen
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Ein Liebesbrief ist ein schriftliches Dokument, das an eine Person gerichtet wird, um Liebe oder Zuneigung zu dieser auszudrücken.

Carl Spitzweg, Der Liebesbrief, um 1845/1846

Dabei drückt der Liebesbrief viel mehr aus als eine profane Mitteilung. In ihm wird der Schmerz angesichts des Nicht-Zusammen-Seins, des Nicht-Zusammen-Sein-Könnens oder auch der Schwierigkeit, die Liebe anders zu artikulieren, deutlich. Viel schlimmer noch ist der Versuch, seine Liebe zu gestehen, aber dabei gefangen zu sein in der Furcht, mit jeder Formulierung dieses Bestreben zunichte zu machen. Dazu kommt die Angst, dass die Liebe nicht erwidert wird.

Unter Umständen ist der Liebesbrief aufgrund des starken emotionalen Inhalts als Beispiel für die Kunst an sich zu sehen. Menschen aus allen Schichten versuchen in Liebesbriefen ihre Gefühle auszudrücken und erreichen dadurch teilweise einen häufig ungeahnten Zugang zum Sinn der Kunst. In der Literatur tauchen Liebesbriefe schon bei Ovid auf. Größere Verbreitung bekamen sie aber erst mit der Romantik, wozu die Beschleunigung der Post, die größere Verbreitung der Alphabetisierung und vor allem das Aufkommen der Romane beigetragen haben.

Schon im Spätmittelalter erfreuten sich Versliebesbriefe (in der Regel in Reimpaarversen) großer Beliebtheit. Sie sind uns in verschiedenen Sammelhandschriften überliefert, wo sie zwischen Texten verschiedenster Art eingeschoben sind. In den seltensten Fällen handelt es sich um authentische Korrespondenz, sondern eher um Literatur. Sie werden von einigen Forschern unter der Gattung der Minnereden, mit denn sie viele Gemeinsamkeiten haben, subsummiert. halloTrotz ihrer wichtigen kulturellen Bedeutung sind Liebesbriefe in der Regel an nur eine Person gerichtet und häufig auch nur für diese verständlich. Sie werden höchstens durch Indiskretion oder durch Veröffentlichung bei prominenten Persönlichkeiten, die in der Regel der Veröffentlichung zugestimmt haben oder schon verstorben sind, mehreren Personen bekannt. Es gibt allerdings auch Liebesbriefe, die von Ghostwritern geschrieben werden und in gewisser Weise einen subtilen Betrug darstellen, da sie Fähigkeiten nur vorspiegeln (literarisches Beispiel dafür ist z. B. Cyrano de Bergerac).

Moderne Formen der Liebesbriefe sind SMS, Chats und E-Mails, bei denen auch im WWW frei verfügbare Vorlagen eingesetzt werden. Auch Liebesbriefagenturen und digitale Liebesbriefgeneratoren bieten ihre Dienste an, um für Fremde Liebesprosa zu formulieren. All diese Mittel führten dazu, dass Liebesbriefe zu verfassen einen neuen Aufschwung bekam; die Entwicklung von Fremdformulierungen gefährdet dabei allerdings den individuellen „ehrlichen“ Zugang zu dieser Publikationsform bzw. diesem Genre.

Die germanistische Forschung konzentrierte sich bislang auf Liebesbriefe von Literaten; an der TU Braunschweig und an der Universität Zürich gibt es Projekte, welche ergänzend nun auch Briefdokumente von Personen des öffentlich-gesellschaftlichen Lebens sowie in einem weiteren Rahmen Liebesbriefe und andere schriftliche Liebesbotschaften des 20. Jahrhunderts untersuchen.

Beispiel

Paul Celan schrieb am 9. Februar 1970 an seine Geliebte Ilana Shmueli:[1]

Dein Brief, die Nachricht von Deiner Zerrissenheit – was kann ich sagen? Ich möchte Dir jeden Schmerz nehmen, auch jeden körperlichen Schmerz.
Meine Hände gehn über Dich – zu Dir.

Gerit Losse schrieb am 16. Oktober 1989 an ihren Freund, den NVA-Bausoldaten Sebastian Kranich:[2]

Komm her Du, ’s is nich’ wichtig, daß in diesem Brief nischt steht, was die Welt verändert, – is totaler Quatsch, unsre Liebe is doch was, daß die Welt – wenigstens ’n bissel — grader rutschen kann, hm?!

Literatur

  • Schulz-Grobert, Jürgen: Deutsche Liebesbriefe in spätmittelalterlichen Handschriften. Untersuchungen zur Überlieferung einer anonymen Kleinform der Reimpaardichtung. Tübingen 1993.
  • Wyss, Eva Lia: Liebesbriefe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Eine Textsorte im lebenszeitlichen Wandel. In: Annelies Häcki-Buhofer (Hg.): Spracherwerb und Lebensalter. Kolloquium anlässlich des 60. Geburtstags von Harald Burger. Basel 2003 (= Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur), S. 71–86.
  • Wyss, Eva Lia (Hg.): Leidenschaftlich eingeschrieben. Schweizer Liebesbriefe. Zürich: Nagel & Kimche 2006. ISBN 3-312-00339-3
Wiktionary: Liebesbrief – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. Paul Celan: Ilana Shmueli. Briefwechsel. Frankfurt: Suhrkamp, 2004.
  2. Sebastian Kranich: Erst auf Christus hören, dann auf die Genossen. Bausoldatenbriefe: Merseburg, Wolfen, Welzow 1988/89. Halle: Projekte-Verlag 188, 2006, S. 414.