Die Koralmbahn ist das derzeit größte Projekt zum Ausbau des österreichischen Eisenbahnnetzes. Die Verbindung der Zentralräume Graz und Klagenfurt mittels Eisenbahn war bisher nur sehr umständlich über Bruck an der Mur möglich. Die Koralmbahn sollte erstmals eine direkte Verbindung ermöglichen. Die zukünftige Koralmbahn ist mit der Pontebbana, die auf italienischem Territorium bis zum Grenzbahnhof Tarvis bereits fertiggestellt ist, Teil des internationalen Schienenverkehrkorridors "ADRIATIC-BALTIC-ACHSE". Diese ADRIATIC-BALTIC-ACHSE (oder besser: Baltic-Adriatic Achse von Norden nach Süden verlaufend)verläuft als internationaler Korridor von Bologna-Venedig-Udine-Tarvis-Villach-Klagenfurt-St.Andrä-Deutschlandsberg über Graz-Semmering-Wien-Warschau bis nach Danzig. In einem Letter of Intent vom 12. Oktober 2006 haben die Verkehrs- bzw. Infrastrukturminister der EU-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei, Österreich und Italien erklärt, sich dafür einzusetzen, dass diese Achse im Zuge der Revision der TEN-Leitlinien der EU in den Jahren 2009/2010 in das höchstrangige Schienennetz der EU aufgenommen werden soll. Mit dem Ausbau der steirischen Ostbahn wird auch dem erhöhten Verkehrsaufkommen nach Ungarn Rechnung getragen.
Kernstück der Koralmbahn ist der Koralmtunnel, der unter der Koralpe durchführt, und auch der Eisenbahnstrecke den Namen gab. Bis ins Jahr 2008 werden sowohl auf Kärntner als auch auf steirischer Seite Sondierstollen vorgetrieben, die ab 2008 zur ersten Röhre des Tunnel erweitert werden sollen. Der Koralmtunnel soll bis zum Jahr 2016 zuerst einspurig fertiggestellt werden. Die Teilstrecken Graz-Deutschlandsberg und Klagenfurt-Wolfsberg bereits 2010. Die geschätzten Gesamtkosten der Koralmbahn betragen 4,2 Mrd. €.
Nutzen und Wirtschaftlichkeit
Befürworter des Projektes verweisen auf folgende Punkte um den Bau der Koralmbahn vor Kritikern zu rechtfertigen:
- Fahrzeitverkürzung Graz-Klagenfurt von derzeit 3h auf 1h
- Zur Zeit können Züge von Wien nur entweder direkt nach Klagenfurt oder nach Graz geführt werden. Mit dem Bau der Koralmbahn können Züge von Wien nach Klagenfurt über Graz verkehren.
- Weiters können derzeit über die Südbahn und die Rudolfsbahn von Wien nach Villach auf Grund der Tonnagebeschränkungen und Zughakengrenzlasten am Semmering und am Neumarkter Sattel nur "geringe" Zuggewichte befördert werden bzw. erfordern besondere betriebliche Maßnahmen durch Stellung von Vorspann-, Nachschiebe- oder Zwischentriebfahrzeuge. Am Semmering kommen die Lademaßbeschränkungen als weiteres Hindernis dazu. Nach Fertigstellung der Koralmbahn und des Semmeringbasistunnels können − ähnlich wie auf der Westbahn − schwere Züge mit bis zu 2.000 t verkehren.
- Der regionalwirtschaftliche Nutzen beträgt laut Berechnungen TU Wien jährlich 167 Mio. Euro.[1]
- Der Nutzen der zusätzlichen Staatseinnahmen auf Grund der wirtschaftlichen Belebung ist ca. sieben- bis achtmal so groß, wie die Investitionssumme (Berechnungen des IHS).[1]
- Belebung des Arbeitsmarktes während der Bauphase (mehr als 100.000) und im Betrieb (ca. 40.000), aufgrund der Wirtschaftsimpulse der Koralmbahn (lt. Schätzung IHS).[2]
- Der betriebswirtschaftlicher Nutzen für die ÖBB ist gegeben, wenn sie nur das dem Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz (SCHIG) entsprechend erhöhte Infrastrukturbenützungsentgelt (IBE) zu zahlen hat. Der betriebswirtschaftliche Nutzen für die ÖBB ist jedoch nicht gegeben, wenn die ÖBB die gesamten Investitionskosten zu tragen hat und die Republik Österreich alle durch das Projekt entstandenen zusätzlichen Staatseinahmen anderweitig verwendet.
Kritik
Der Bau der Koralmbahn ist innerhalb Österreichs sehr umstritten. Kritiker verweisen auf die hohen Kosten des Projektes. Man argumentiert, dass Investitionen in den Ausbau der bestehenden Südbahn und/oder Investitionen in den Ausbau der Strecke Graz-Maribor-Klagenfurt (d.h. über das slowenische Drautal) kostengünstiger wäre und zumindest was die verkehrsstrategische Erreichbarkeit der Region anlangt ähnliche positive Auswirkungen hätte, wie der Bau der Koralmbahn. Anfang Dezember 2006 wurde eine ÖBB interne Kosten-Nutzenbetrachtung bekannt, wonach Koralmbahn und Koralmtunnel weder aus Sicht des ÖBB-Personen- und Güterverkehrs noch für die für Betrieb und Erhaltung zuständige ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG notwendig und sinnvoll seien. Mit Ausnahme einer Zulaufstrecke zum Güterverkehrsterminal Werndorf bei Graz erhielten sämtliche Baulose Priorität 5, also die niedrigste im Bahnausbauprogramm.
Politische Implikationen
Aufgrund der Weigerung der Niederösterreichischen Landesregierung um Landeshauptmann Erwin Pröll um den Semmeringbasistunnel kam es zum Vorziehen des Koralmbahnprojektes. Dafür wurden Geldmittel, welche zunächst für die Südbahnstrecke unter dem Semmering (Semmeringbasistunnel) bestimmt waren, für die Errichtung der Koralmbahn umgewidmet. Dazu ergriffen der Kärntner Landeshaupmann Jörg Haider und die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic die Initiative, ohne jedoch die künftige Errichtung des Semmeringbasistunnel aus dem Auge zu verlieren.
Die Bundesländer Kärnten und Steiermark haben erstmals zur Beschleunigung der Verwirklichung des Projektes einen Teil der Finanzierung übernommen (je 140 Mio. Euro). Mit dieser zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen der Republik Österreich, den Ländern Kärnten und Steiermark und den Österreichischen Bundesbahnen wird die Realisierung der Koralmbahn festgeschrieben. Bis zum Jahr 2016 haben sich die ÖBB und der Bund verpflichtet, die Verkehrswirksamkeit herzustellen.
Die Koralmbahn wurde im Jahr 2002 in den Generalverkehrsplan Österreich und 2004 vollständig in den Rahmenplan (Investitionsplan für Infrastrukturvorhaben) der neustrukturierten ÖBB aufgenommen.
Abschnitte
Graz Hbf-Puntigam-Feldkirchen
Im Dezember 2002 erfolgte der Baubeginn des viergleisigen Teilabschnittes Graz Hbf-Puntigam-Feldkirchen, der auch Teil einer zukünftig ausgebauten Eisenbahnstrecke Graz-Marburg sein wird, begonnen. Im Juli 2005 wurde dieser Abschnitt nach zweijähriger Bauzeit fertiggestellt und in Betrieb genommen.
- Streckenlänge: 7,0 km
- Längsneigung max.: 8 ‰
- Kunstbauten: 13 Unterführungen
- Baufortschritt: Bau abgeschlossen und in Betrieb genommen
Zusätzlich wurde Richtung Süden die Strecke Feldkirchen-Kalsdorf Nord ausgebaut, um den neuerrichteten Güterterminal Werndorf besser an das bestehende Streckennetz anzubinden.
Feldkirchen-Flughafen Graz-Thalerhof-Wettmannstätten
Der Abschnitt Feldkirchen-Wettmannstätten soll durch Verschwenkung den Anschluss des Flughafen Graz-Thalerhof an das öffentliche Verkehrsnetz verbessern. Für den Flughafen ist ein direkt im Flughafengebäude integrierter unterirdischer Bahnhof vorgesehen, an dem auch Fernreisezüge halten können.
- Streckenlänge: 24,3 km
- Längsneigung max.: 10 ‰
- Länge Tunnel und Unterflurtrassen: 5,8 km
- Tunnel-Ausbruchquerschnitt mit Sohlgewölbe (bergmännisch): 117 m²
- Tunnelquerschnitt Endausbau: 77 m²
- Kunstbauten: 2 Unterflurtrassen, 1 Tunnel, diverse Brücken
- Baufortschritt: UVP abgeschlossen, Bereich Werndorf-Weitendorf in Planung
Wettmannstätten-Deutschlandsberg-St. Andrä
Im Bauabschnitt Wettmanstätten-Deutschlandsberg-St. Andrä liegt das Kernstück der Koralmbahn - der 32,8 km lange Koralmtunnel. Seit Mai 2002 werden Erkundungsbohrungen durchgeführt, die bereits in den Bau von Sondierstollen mündeten. An drei der vier Erkundungsbaulose wird mittlerweile gebaut. Der Tunneldurchschlag des Erkundungstunnels Mitterpichling im Lavanttal erfolgte im August 2005.
- Streckenlänge: 43,8 km
- Längsneigung max.: 6 ‰
- Tunnellänge: 32,8 km
- Tunnel-Ausbruchquerschnitt mit Sohlgewölbe: 2x82 m²
- Tunnelquerschnitt Endausbau: 2x51 m²
- Kunstbauten: Koralmtunnel, diverse Brückenobjekte
- Baufortschritt: UVP abgeschlossen, eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren im Juni 2005 eingereicht, Erkundungsbohrungen im Tunnelbereich und Sondierstollen auf Kärntner und Steiermärkischer Seite in Bau befindlich
St. Andrä-Aich
Der Abschnitt St. Andrä-Aich wird zum größten Teil in Tunnelbauweise geführt werden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde positiv abgeschlossen.
- Streckenlänge: 7,8 km
- Längsneigung max.: 10 ‰
- Tunnellänge: rund 6,0 km
- Tunnel-Ausbruchquerschnitt mit Sohlgewölbe: rund 2x 60 m²
- Tunnelnettoquerschnitt: 2x 51 m²
- Kunstbauten: 2 Tunnel, Einhausung Granitztal, 1 Straßen- und Wegbrücke, 2 Bahnbrücken
- Baufortschritt: UVP abgeschlossen
Aich-Althofen
Für den Streckenabschnitt Aich-Althofen an der Drau wurde im März 2004 die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv abgeschlossen.
- Streckenlänge: 28,6 km
- Kunstbauten: Tunnel, Jauntalbrücke, Draubrücke
- Baufortschritt: UVP abgeschlossen, Bleiburger Schleife in Planung
Althofen-Klagenfurt
Seit März 2001 wurde an der ersten Baustufe des Abschnitts Althofen an der Drau-Grafenstein-Klagenfurt gearbeitet. Im August 2002 musste die Bautätigkeit aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichtshof unterbrochen werden, wurde jedoch im April 2003 wieder aufgenommen.
- Streckenlänge: 12,9 km
- Längsneigung max.: 3,8 ‰
- Tunnellänge: Einhausung Grafenstein 633 m
- Kunstbauten: 12 neue Unter- bzw. Überführungen
- Baufortschritt: Abschnitt Grafenstein-Klagenfurt abgeschlossen und in Betrieb genommen, Abschnitt Althofen-Grafenstein in Bau (geplante Fertigstellung: Herbst 2007)
Quellen
- ↑ a b Bernhard Jelinek: Raumentwicklung und Infrastruktur, Foliensatz zur VO, abgerufen am 3. Februar 2007
- ↑ Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, 4345/AB XXI.GP, abgerufen am 3. Februar 2007
Weblinks
- Übersicht Koralmbahn und dem UVP-Verfahren (pdf; 3,99 MB)