Farm der Tiere (Originaltitel: Animal Farm) ist ein Roman von George Orwell, erschienen im Jahr 1945, in dem eine Gruppe Tiere den Farmer vertreibt und sich (aus Sicht der Schweine erfolgreich) bemüht, die Farm selbst zu betreiben.
Inhalt
Mit der Revolution auf einer Farm vertreiben die Tiere den Farmer und seine Frau und nehmen ihr Schicksal in die eigene Hand. Aus der „Herren-Farm“ wird die „Farm der Tiere”. Bald übernehmen die Schweine, die die Theorie des „Animalismus“ entwickelt haben, allmählich die Kontrolle. Zwischen zwei Ebern, Napoleon und Schneeball (im englischen „Snowball“), entbrennt ein Machtkampf, der in der Vertreibung Schneeballs endet. Das Leben für die anderen Tiere auf der Farm wird immer härter. Am Schluss sehen sie, wie Schweine und Menschen zusammen feiern und können keinen Unterschied mehr zwischen ihnen erkennen.
Das wohl berühmteste Zitat dieses Buches entstammt den Sieben Geboten, einer Art Verfassung, die die Tiere sich geben:
„Alle Tiere sind gleich.“
Daraus wird im Laufe der Handlung
„Alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere.“
Das Buch beschreibt allegorisch die Ereignisse in der Sowjetunion nach der Oktoberrevolution, besonders den Aufstieg des Stalinismus. Viele Figuren des Romans lassen sich mit historischen Personen identifizieren. Napoleon und Schneeball repräsentieren Josef Stalin und Leo Trotzki. Die Auseinandersetzung um die Führung der Farm spielt auf den ideologischen Bruch zwischen Trotzki (dessen Theorie der permanenten Revolution die bedingungslose Unterstützung der internationalen Arbeiterbewegung forderte, deren Schicksal über die Existenz der UdSSR entscheiden würde) und Stalin (der eine nationalistische Politik des „Sozialismus in einem Lande” und der „Neutralisierung der Weltbourgeoisie” betrieb) an. Trotz des Charakters als Fabel bemüht sich Orwell um eine sehr exakte Nachzeichnung der Geschichte, die sich in sehr vielen Charakteren und Ereignissen zeigt, welche alle jeweils einen historischen Bezugspunkt haben.
Orwell schrieb das Buch in Anlehnung an seine Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg, die er in seinem Buch Mein Katalonien beschrieb. Er beabsichtigte das Buch als Verurteilung der, aus seiner Sicht, Verfälschung der ursprünglichen sozialistischen Ideale durch den Stalinismus. An diese Ideale glaubte er auch, nachdem er den Verrat der Revolution in Spanien mit ansah, was insbesondere daran deutlich wird, dass der zum Stalinismus entartete Sozialismus in dem Roman nicht eine ganz neue Form der totalitären Tyrannei hervorbringt, sondern „nur” wieder auf die vorrevolutionäre Ebene des Kapitalismus zurückfällt.
Es wurde 1951 eine Zeichentrickfassung, die etwas vom Roman abweicht, von John Halas und Joy Batchelor in Großbritannien produziert. In der französischen Fassung heißt das Schwein Napoleon „César“. Im Jahr 1999 erfolgte eine Emmy-nominierte US-amerikanische Realverfilmung unter der Regie von John Stephenson (Lost in Space).
In den Ostblock-Ländern stand dieses Werk von Orwell wie auch der Roman 1984 bis zur Wende auf der Liste der verbotenen Bücher und war nur als Samisdat-Ausgabe erhältlich.
Figuren und ihre Analogie
Schweine
Die Schweine sind die nach der Revolution herrschenden Kommunisten. Die Anführer der Schweine sind Napoleon und Snowball, die stellvertretend für Josef Stalin und Leo Trotzki stehen. Diese weltgeschichtlichen Personen riefen zusammen mit Lenin die Oktoberrevolution aus, die den Weg zum kommunistischen Rätesystem und später zur stalinistischen Diktatur in Russland bereitete.
Old Major, eine Mischung zwischen Marx und Lenin, bringt zu den Treffen der Tiere auf der Farm die Regeln der Revolution mit, wie: „Alles was zwei Beine hat ist ein Feind”, oder „Alles was vier Beine oder Flügel hat ist ein Freund”. Old Major übernimmt also eine passive, ausbildende Rolle, in der er die Tiere gleichsam (wie Marx) mit dem allgemeinen und (wie Lenin) mit dem auf ihre gegenwärtige Lage bezogenen ideellen Rüstzeug ausstattet. Old Major sagt, dass die Revolution der Tiere ohne Frage kommen werde, er weiß nur nicht, ob in drei Tagen oder hundert Jahren. Wie Marx davon ausgeht, dass die Menschheit ohne Alternative auf den weltweiten Kommunismus zusteuert, glaubt Old Major, dass die Tiere alternativlos auf eine Welt ohne Menschen werden zugehen müssen. Old Major stirbt, ehe die Revolution ausbricht. Vor seinem Tod lehrt er die Tiere noch das Lied der kommenden Revolution (angelehnt an die Internationale). Nach seinem Tod herrschen die Schweine Napoleon und Snowball. Doch Napoleon wird hinterlistig: erst stiehlt er die Pläne von Snowball, dann vertreibt er ihn und lässt Lügen verbreiten. Das Schwein Quieckschnauz soll Züge von Karl Radek tragen. Vielleicht steht es aber auch nur allgemein für die Propagandaorganisation der SU.
Schafe, Hühner, Kühe
Die Schafe und Kühe sind das allgemeine Volk, das alles gedankenlos nachblökt, was ihm vorgesagt wird. Nur die Hühner, vergleichbar mit den Bauern der Sowjetunion, wagen es, eine Rebellion gegen Napoleons Unterdrückung durchzuführen, die allerdings mit ihrer Hinrichtung endet.
Boxer
Boxer, das Pferd, ist das Sinnbild eines Arbeiters, über den sich Arbeitgeber und Staatsregenten immer freuen: Es arbeitet hart und hinterfragt nichts, und als es nicht mehr kann, wird es zum Abdecker geschickt. Möglicherweise steht Boxer auch für die Stachanow-Bewegung, eine Kampagne zur Steigerung der Arbeitsmoral in der Sowjetunion, oder für den vorbildlichen "Helden der Arbeiterklasse" Stachanow selbst.
Moses
Moses ist ein schwarzer Rabe. Er verkörpert die Kirche auf der Farm, ist aber nach der Revolution zunächst ausgeschlossen (Vergleich mit der russischen Kirche in der Zeit der Zaren, die das Volk regelrecht ausbeutete). Später, als die Arbeitsbedingungen unter dem Regime Napoleons zunehmend härter werden, kehrt Moses zurück, um die Tiere auf das Jenseits zu vertrösten und die Moral aufrecht zu erhalten.
Clover
Das andere Pferd der Farm. Wahrscheinlich Sinnbild für die Bolschewiki.
Molly
Pferd (Stute), Sinnbild für das menschliche Verlangen nach Luxus und Kapital.
Benjamin
Ein Esel, der der Revolution kritisch und zynisch gegenübersteht. Sein Charakter verkörpert wahrscheinlich George Orwell selber. Wenn Benjamin um seine Meinung gefragt wird, antwortet er mit der Gegenfrage: „Hat jemand von Euch schon mal einen toten Esel gesehen?”
Hunde
Bluebell, Jessie und Pincher (GPU, NKWD). Die Jungen der Hündin Jessie richtet Napoleon als seine Leibwache ab, mit der er Schneeball vertreibt.
Jones
Ein verkommener Alkoholiker, der seine Farm und die Tiere vernachlässigt. Er stellt Zar Nikolaus dar, der im Luxus lebte und sich nicht um seine Untertanen kümmerte, sondern sie nur ausbeutete und verhungern ließ.
Pilkington
Symbolisiert Winston Churchill und Großbritannien/USA, allgemein die alliierte Seite im Zweiten Weltkrieg.
Frederick
Symbolisiert Adolf Hitler und das damalige Deutsche Reich. Frederick macht zunächst diplomatische und wirtschaftliche Geschäfte mit der Farm (siehe Hitler-Stalin-Pakt), versucht aber später, diese einzunehmen und zerstört dabei die Windmühle; wird schließlich vernichtend geschlagen (Stalingrad und das Unternehmen Barbarossa).
Windmühle
Die Windmühle, zu deren Errichtung das eigentlich für die Tiere bestimmte Getreide der Farm exportiert wird, stellt die Anstrengungen der 1930er Jahre dar, um das Land zu industrialisieren. Sie endeten in einer Hungersnot, die vor allem die Ukraine traf, weil deren Vorräte verkauft worden waren, um Geld für Know-how und Maschinen zu beschaffen.
Publikation, britische Zensur und Unterdrückung des Vorwortes
Nach der Fertigstellung des Buches Ende 1943 sah sich Orwell vor große Schwierigkeiten bei der Publikation gestellt: Farm der Tiere wurde von vier Verlegern abgelehnt. Ein Verleger, der das Werk anfangs zu akzeptieren schien, wies die Publikation auf Anraten des britischen Informationsministeriums zurück. Das Original-Script von Farm der Tiere enthielt ein Vorwort mit dem Titel The Freedom of the Press, in welchem Orwell die britische Selbstzensur, die Unterdrückung des Buches durch die britische Regierung und die Unterdrückung kritischer Äußerungen gegen den damaligen Alliierten Russland kritisierte. Das Vorwort fiel der britischen Zensur zum Opfer und war in der schließlich im August 1945 veröffentlichten Erstausgabe von Farm der Tiere und den meisten der folgenden Ausgaben nicht enthalten. Auch nachdem Ian Angus das Vorwort 1972 in Orwells persönlichen Unterlagen entdeckte, verweigerten die Verleger die Publikation, mit Ausnahme der 1993 erschienenen Everyman's Library-Ausgabe und der 2000 erschienenen Ausgabe des Penguin-Verlages, in denen es im Anhang und nicht, wie von Orwell angedacht, als Vorwort abgedruckt wurde. [1][2]
Für die ukrainische Ausgabe von Farm der Tiere verfasste Orwell 1947 ein Extra-Vorwort, in dem er biographische Angaben und politische Ansichten darlegt. [3]
Verfilmung
Nach dem Tod von Orwell ließ die CIA die Filmrechte kaufen, um eine stärker antikommunistische Geschichte daraus zu machen (die CIA sollte später auch das Filmende von 1984 verändern.) Die Umsetzung der ernsten Thematik in einen Zeichentrickfilm war 1955 zu ungewöhnlich, um besonders erfolgreich zu sein (siehe:How the Central Intelligence Agency Played Dirty Tricks With Our Culture von Laurence Zuckerman in der New York Times). Das Ende dieser Version unterscheidet sich allerdings deutlich von Orwells Originalvorgaben: Die Schweine fangen nicht an, mit den Menschen gemeinsame Sache zu machen, sondern können eine „animalische Weltrevolution“ auslösen, in deren Verlauf auf jedem Bauernhof die Schweine an die Macht gelangen und es sich zum Ziel setzen, die anderen Tiere mit immer weniger Nahrung immer mehr arbeiten zu lassen.
Fabel oder Märchen?
Wer sich das Buch „Farm der Tiere” vom Diogenes-Verlag anschaut, der wird bemerken, dass auf dem Einband steht „Ein Märchen”. Wendet man das Buch, heißt es auf der Rückseite: „Seit Gullivers Reisen ist keine 'Parabel' geschrieben worden, die es an Tiefe und beißendem Spott mit der Farm der Tiere aufnehmen kann.” Liest man dazu den Artikel „Pressefreiheit”, der eigens von George Orwell verfasst wurde, im Anschluss zur Geschichte, so wird man feststellen, dass dort der Satz zu finden ist: „Wäre die 'Fabel' an die Adresse von Diktatoren und Diktaturen ganz allgemein gerichtet, dann ginge die Veröffentlichung in Ordnung, doch wie ich jetzt sehe, hält sich die Fabel so vollständig an die Entwicklung der Sowjetrussen und ihrer beiden Diktatoren (Lenin und Stalin), dass mit ihr nur Russland gemeint sein kann und die anderen Diktaturen aus dem Spiel bleiben.” Darüber hinaus könnte man noch in den Raum stellen, dass dieses vermeintliche Märchen die Stilmittel der Allegorie beinhaltet. Was ist die Geschichte nun: Parabel, Märchen, Allegorie oder Fabel? Das Märchen ist offensichtlich auszuschließen, denn ein Märchen entsteht aus Volksgeschichten und hat in der Regel einen belehrenden Charakter im Zusammenhang des Alltagslebens. Der ethische Grund ist die Belohnung des Guten und die Bestrafung des Bösen, was in der Animal Farm unbestreitbar nicht der Fall ist.
Die Behauptung, die Prosaerzählung sei eine Parabel, ist nicht ganz falsch, denn eine Parabel (Gleichnis, z.B. Ringparabel – Nathan der Weise) beinhaltet immer einen Vergleichspunkt, der mit einem Objekt der Erzählung übereinstimmt. Eher dürfte es sich hier aber um eine Fabel handeln, die als erdachte, epische oder dramatische Dichtung den Sinn der Darstellung - anders als die Parabel - erkennen lässt. Daher kann man sagen, die Farm der Tiere sei eher eine Fabel als eine Parabel, denn der Sinn lässt sich durchaus klar und ohne Zusammenhang zur UdSSR erkennen. Dagegen ist eine Parabel eher eine kurze, lehrhafte Erzählung, was nicht auf das Buch zutrifft. Außerdem betreibt der Autor durch den Kunstgriff der sprechenden Tiere und mit satirischen Stilmitteln Gesellschaftskritik; durch die Kontinuität des Vergleiches lässt sich der Sinn der Darstellung gut erkennen - alles Zeichen dafür, dass die Farm der Tiere eine Fabel ist.
Literatur
- George Orwell: Farm der Tiere: Ein Märchen. Diogenes-Verlag, Januar 2002, ISBN 3257201184
- George Orwell: Animal Farm Klett-Verlag, 1999, ISBN 3125738024
- Reiner Poppe, George Orwell: Farm der Tiere. Königs Erläuterungen Bange-Verlag, 2003, ISBN 3804416977
Weblinks
- Animal Farm - englische Onlineausgabe
- Farm der Tiere Rezensionen und Verfilmung
- George Orwell: The Freedom of the Press. 1945 (das ursprünglich vorgesehene zensierte Vorwort von Farm der Tiere)
- DIE ZEIT mein Buch - Jutta Limbach über "Farm der Tiere"
Quellen
- ↑ George Orwell: The Freedom of the Press - Orwell's Proposed Preface to ‘Animal Farm’. 1945
- ↑ The Freedom of the Press. everything2
- ↑ George Orwell: Preface to the Ukrainian Edition of Animal Farm. März 1947