Blutsonntag (Nordirland 1972)

Ermordung von Demonstranten in Nordirland durch britische Luftlandetruppen am 30. Januar 1972
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Als Blutsonntag (englisch: Bloody Sunday) wird in Nordirland der 30. Januar 1972 bezeichnet. An diesem Tag wurden in der nordirischen Stadt Derry bei einer Demonstration für Bürgerrechte und gegen die Internment-Politik der britischen Regierung 13 Menschen von britischen Fallschirmjägern erschossen. 15 Menschen wurden verletzt. Am 16. Juni 1972 erlag ein weiteres Opfer seinen Verletzungen. Ein Mural (Wandgemälde) erinnert bis heute an die 14 Todesopfer des Bloody Sunday. 2002 wurde das Ereignis halbdokumentarisch verfilmt.

Denkmal für die Opfer in Derry

Hergang

Nach Angaben der Armee wurde aus den Reihen der Demonstranten das Feuer auf die Soldaten eröffnet, welche dieses erwiderten. Allerdings steht dies in deutlichem Widerspruch zu Aussagen von Teilnehmern des Protestzuges sowie zu der Tatsache, dass kein Soldat verletzt, viele Demonstranten aber von hinten getroffen wurden. Unklar ist bis heute, welche Rolle den Fallschirmjägern, die für eine polizeiliche Absicherung des Zuges nicht ausgebildet waren, vom Militär an diesem Tage zugedacht war.

Lange Zeit wurde dem ehemaligen IRA-Mitglied und heutigem Politiker der Partei Sinn Féin Martin McGuinness die Aussage zugeschrieben, er selbst habe am Bloody Sunday den ersten Schuss abgegeben. Diese Behauptung wurde aber von ihm stets bestritten.

Eine erste Untersuchung des Vorfalls durch Lord Widgery entlastete die Armeeführung und die beteiligten Soldaten. Da allerdings starke Zweifel an der Neutralität der Untersuchungskommission bestanden, wurde dieses Ergebnis von den meisten irischen Beobachtern abgelehnt. Der Name Widgery sowie der Ort Coleraine, an dem die Untersuchung stattfand, sind daher in Nordirland zu Synonymen für Behauptungen der britischen Armee geworden, die mit den Beobachtungen vieler Zeugen offensichtlich nicht übereinstimmten.

Im Januar 1998 kündigte Premierminister Tony Blair eine neue Untersuchung unter Lord Saville an, die bis heute andauert. Vermutlich wird das Untersuchungsergebnis erst Ende 2007, wahrscheinlicher jedoch 2008 vorliegen.

Folgen

In Folge des Blutsonntags verschärfte sich der Nordirlandkonflikt, die IRA verübte mehrere Anschläge als Racheakte. Nach Bekanntwerden der Ereignisse stürmte eine wütende Menge die britische Botschaft in Dublin und brannte sie bis auf die Grundmauern nieder.

Die Opfer

Die Namen der 13 Toten sind [1]

  • Jackie Duddy (17 Jahre alt) wurde auf dem Parkplatz des Rossville Wohnblocks durch einen Schuss in die Brust getötet. Vier Zeugen sagten später aus, dass er unbewaffnet war und vor den Soldaten weg rannte. Drei von ihnen sahen einen Soldaten, der bewusst auf ihn zielte.
  • Patrick Doherty (31 Jahre alt) wurde von hinten erschossen, als er versuchte, sich kriechend auf dem Vorplatz des Rossville Wohnblocks in Sicherheit zu bringen. Sekunden bevor er starb, wurde er vom französischen Fotografen Gilles Peress fotografiert. Die Fotografien zeigen, dass er unbewaffnet war.
  • Bernard McGuigan (41 Jahre alt) wurde von hinten in den Kopf geschossen, als er versuchte, Patrick Doherty zu helfen. Er winkte mit einem weißen Taschentuch, um den Soldaten zu zeigen, dass er friedvolle Absichten hatte.
  • Hugh Gilmour (17 Jahre alt) wurde in die Brust geschossen, während er auf der Rossville Street von den Soldaten weg lief. Er wurde Sekunden, nachdem er getroffen wurde, fotografiert. Zeugen sagten aus, dass er unbewaffnet war.
  • Kevin McElhinney (17 Jahre alt) wurde von hinten erschossen, während er versuchte, sich im Vordereingang des Rossville Wohnblocks in Sicherheit zu bringen. Zwei Zeugen sagten aus, dass er unbewaffnet war.
  • Michael Kelly (17 Jahre alt) stand nahe der Trümmer-Barrikade vor dem Rossville Wohnblock, als man ihm in den Bauch schoss. Er war unbewaffnet.
  • John Young (17 Jahre alt) wurde in den Kopf geschossen, als er nahe der Trümmer-Barrikade vor dem Rossville Wohnblock stand. Zwei Zeugen sagten aus, dass er unbewaffnet war.
  • William Nash (19 Jahre alt) stand in der Nähe der Barrikade, als man ihm in die Brust schoss. Zeugen sagten aus, dass er unbewaffnet war und anderen helfen wollte, als er erschossen wurde.
  • Michael McDaid (20 Jahre alt) wurde ins Gesicht geschossen, als er sich von den Soldaten wegbewegte. Die Flugbahn der Kugel, welche ihn traf, deutet an, dass er von Soldaten, die auf den Derry Walls positioniert waren, erschossen wurde.
  • James Wray (22 Jahre alt) wurde zunächst nur verwundet und anschließend aus kurzer Entfernung erschossen, als er auf dem Boden lag. Augenzeugen sagten aus, dass er nicht mehr in der Lage war, seine Beine zu bewegen, als man auf ihn schoss, während er auf dem Boden lag.
  • Gerald Donaghy (17 Jahre alt) wurde in den Bauch geschossen, als er versuchte, sich zwischen Glenfada Park und Abbey Park in Sicherheit zu bringen. Er wurde in ein nahe gelegenes Haus gebracht, wo ihn ein Arzt untersuchte. Seine Taschen wurden nach außen gewendet, als man versuchte, ihn zu identifizieren. Ein späteres Foto der Polizei von seiner Leiche zeigte Nagelbomben in seinen Taschen. Weder die, die seine Taschen durchsucht hatten, noch der britische Armee-Arzt, welcher seinen Tod feststellte, konnten sich an diese Bomben erinnern. Gerald Donaghy war Mitglied der IRA-nahen Fianna Éireann, einer republikanischen Jugendbewegung.
  • Gerald McKinney (35 Jahre alt) wurde kurz nach Gerald Donaghy erschossen. Zeugen sagten aus, dass er hinter Donaghy rannte. Er riss seine Arme hoch und schrie „Don't shoot!“ [Nicht schießen], als er sah wie Donaghy zu Boden ging. Darauf wurde ihm in die Brust geschossen.
  • William McKinney (26 Jahre alt, nicht mit Gerald McKinney verwandt) wurde in den Rücken geschossen, als er versuchte, Gerald McKinney zu helfen.
  • John Johnston (59 Jahre alt) wurde bereits 15 Minuten, bevor das Feuer auf die Demonstranten eröffnet wurde, in der William Street angeschossen. Johnston erlag vier Monate später seinen Verletzungen. Er war der einzige, der nicht unmittelbar, nachdem er angeschossen wurde, starb.

In der Kunst

Datei:Bloody Sunday Mural Bogside 2004 SMC.jpg
Wandbild zur Erinnerung an den Bloody Sunday in der Bogside, Derry

Etliche Lieder setzten sich mit diesem Ereignis auseinander, unter anderen Sunday Bloody Sunday der irischen Popgruppe U2, Sunday Bloody Sunday und The Luck of the Irish von John Lennon, Give Ireland back to the Irish von Paul McCartney oder ein Lied Bloody Sunday der irischen Gruppe Cruachan.

Paul Greengrass (Regie und Drehbuch) verarbeitete die Ereignisse des 30. Januar 1972 in dem halbdokumentarischen Spielfilm Bloody Sunday, der 2002 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde.

Margo Harkin, die selbst am 30. Januar 1972 in Derry bei den Demonstartionen dabei war, hat 2006 die Dokumentation „Blutiger Sonntag“ veröffentlich, die sich mit dem Tathergang aber vor allem mit der Lord Saville Untersuchung und dem Umgang der damaligen Opfer und Hinterbliebenden beschäftigt.

Siehe auch

Quellen

  1. Massacre at Derry, by Civil Rights Movement (nd, 1972)

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