Geist

Begriff der Philosophie, Theologie, Psychologie und Alltagssprache
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Geist ist ein Begriff in der deutschen Sprache, der etwas Unstoffliches bezeichnet.

Geist als Verstand

Im Zusammenhang mit dem Menschen wird als Geist seine geistige Existenz bezeichnet, also die Tatsache, dass er Verstand und Denkkraft besitzt, aber auch Ideen und Vorstellungen hat. Der Sitz des Geistes ist das Gehirn. Der Geist steht im Gegensatz zum Körper, also zur materiellen, sozialen und körperlichen Existenz des Menschen. Aber auch Geist und Seele können ein Gegensatzpaar bilden. Dann wird der Geist dem rationalen Verstand, der Vernunft, Intelligenz oder dem Bewusstsein seiner Selbst zugeordent. Die Seele (lateinisch: anima) ist demgegenüber das belebende, gefühlsmäßige Prinzip, das nach Ansicht der Religionen den biologischen Tod überdauert.

Geist als Seele

Geist wird von den Religionen als der unsterbliche Teil eines Menschen aufgefasst und wird mit der Seele gleichgesetzt. In enger Anlehnung an die Idee der Unsterblichkeit des Geistes ist Geist auch ein anderes Wort für Gespenst. Als unsterbliches Überbleibsel eines Toten kann ein Geist spuken. Verbildlicht wird er dann oft als Schatten oder diffuse Lichtgestalt. Die tatsächliche Existenz von Geistern ist jedoch niemals mit physikalischen Messmethoden nachgewiesen worden. Es steht zu vermuten, dass Geister nicht existieren.

Naturgeister

In manchen Religionen, in Volkssagen, Märchen, Mythen und in der Esoterik spielen Naturgeister eine Rolle. Gemeint sind Wesen, die Pflanzen, Tiere oder tote Gegenstände, aber auch Landschaften bewohnen, aber keine Götter sind. Bestimmte Ereignisse oder Erscheinungen werden diesen Geistern zugeschrieben. Manche Menschen nehmen auch heute für sich in Anspruch, Naturgeister und andere Geister, wie z.B. Engel, wahrnehmen oder gar mit ihnen kommunizieren zu können. Ein Charakteristikum ist, dass ihre Existenz nicht im naturwissenschaftlichen Sinn bewiesen ist. In vielen Religionen hält man es für möglich, dass Menschen von Geistern besessen sein können. Dann verliert er die Kontrolle über sein Tun. Sein Verstand erscheint fremdgelenkt. Viele Geisteskrankheiten wurden bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein so erklärt. Siehe zu diesem Komplex auch unter Naturgeist, Wurzelwicht, Portal Mythologie.

Der Heilige Geist

Die christliche Religion kennt den Heiligen Geist in der Dreifaltigkeit von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist. Er ist der immaterielle Teil der ansonsten mit Personen in Verbindung gebrachten Existenz Gottes als Vater und Sohn zugleich. So ist es beispielsweise der Heilige Geist der als Geist Gottes, die Jungfrau Maria schwängert.

Geist als Grundidee

Geist kann auch die Quintessenz einer Idee, eines Tuns oder einer Gruppe von Menschen meinen, die im gleichen Sinne denken oder handeln. In diesem Sinne wird das Wort "Geist" gebraucht, wenn man vom "Geist der Neuzeit" spricht.

Geist als Charakteristikum

Geist wird auch im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken verwendet und meint den Alkohol selbst. Als geistige Getränke bezeichnet man alkoholische Getränke vielleicht auch deshalb, weil sie einem "zu Kopf steigen" können. Ein "Himbeergeist" ist beispielsweise ein aus Himbeeren destilierter Schnaps. Auch im Markennamen "Klosterfrau Melissengeist" verbirgt sich die Information, dass er eine stattliche Menge an Alkohol enthält, hinter dem Wort "Geist".

Auch für einen Menschen kann der Begriff "Geist" als Attribut verwendet werden, beispielsweise, wenn man von ihm behauptet, er habe Geist. Gemeint ist damit, dass ein Mensch seinen Verstand einsetzt oder intelligent ist. Geistreich ist ein Mensch, der mit seinem Denk- und Sprachvermögen brilliert.

Geist im Gehirn

Der Geist ist in der Hirnforschung der Teil, der sich durch Beschreibung von Nervenzellen und chemischen Vorgängen im Hirn nicht fassen lässt. Egal, ob man von Bewusstsein spricht oder von Geist, gemeint ist der Teil, der den Menschen zu einer Persönlichkeit macht. Die Neurologie des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts geht davon aus, dass das komplexe geistige Gehilde eines Individuums im Lauf der Entwicklung, die im Fötus im Mutterleib beginnt, über eine Reihe von Prägungen (Verstärkung und Verkümmerung bestimmter Nervensttränge und -gruppen im Gehirn) entsteht. Der menschliche Verstand besitzt ein Bewusstsein seiner selbst besitzt. Er kann über sich selbst nachdenken. Ohne Zweifel besitzen Tiere ein ebenfalls oft hochentwickeltes Gehirn, zuweilen sogar "Persönlichkeit". Es ist jedoch noch nicht erforscht, ob Tiere etwa ein Bewusstsein ihrer selbst haben (beispielsweise über den Tod, also das Ende ihrer Existenz nachdenken könnnen). Man muss auch davon ausgehen, dass im Hirn von Tieren Denkvorgänge nicht an Sprache und deren Semantik und Grammatik gebunden sind. Wie auch immer der Geist von Tieren geartet sein mag, er gestattet es dem Menschen nicht, sich mit einem Tier darüber zu verständigen.

Geist ist, anders definiert, im Menschlichen Gehirn auch das, was viele Informationen im Sinne einer groben Richtung zusammenfasst. Er ist die Art, wie ein Hirn Informationen verarbeitet, und das Ergebnis dieser Informationsverarbeitung. Er gibt der Vielfalt zufälliger Informationen, die auf das Gehirn einstürmen, Richtung und Sinn. Er ordnet. Wobei im Gehirn eine ordnende Instanz noch nicht nachgewiesen werden kann. Derzeit liegt es nahe zu vermuten, dass es sich beim Gehirn mit seinen neuronalen Netzen um ein nichtlineares System dicht am Chaos handelt, das sich immer wieder neu selbst organisiert und allmählich in eine Richtung entwickelt, die sich dabei selbst verstärkt. Diesen Prozess könnte man als Geist bezeichnen. Software verfestigt sich zu Hardware und Hardware bringt wieder Software hervor, die Unterschiede von Soft- und Hardware verwischen sich im Gehirn.

Künstliche neuronale Netze versuchen die vielfach vernetzten Lernprozesse des lebendigen Gehirns mit zunehmendem Erfolg nachzuahmen. Abgesehen davon, dass der Computer mit einem Bewusstsein seiner selbst immer wieder Gegenstand von Romanen und Filmen ist, stellt sich die Frage, ob in künstlichen neuronalen Netzen tatsächlich irgendwann ein Bewusstsein der Befindlichkeit des eigenen (künstlichen) Organs entsteht, ob ein künstliches neuronales Netz also wird mitteilen können, dass es sich zufrieden oder unzufrieden fühlt.

Geist in Bild und Zahlen

Mittlerweile kann man durch aufwendige neurologische Untersuchungsmethoden in grober Vereinfachung dem menschlichen oder tierischen Geist beim Denken zu schauen. Es ist also eine immer bessere Bildgebung der einzelnen geistigen Funktionen möglich. Die Funktion einzelner Nervenfasern am lebenden Menschen ist aber bisher schwer zu erfassen. Es gelingt zwar einzelne Gehirngebiete als aktiv oder inaktiv zu beschreiben, einen einzelnen Gedanken kann man aber technisch bisher nicht aufschlüsseln.

Einzelne Leistungen des Geistes lassen sich quantifizieren, beispielsweise als IQ oder EQ.

Datei:Pentagondodekaeder.png
Pentagondodekaeder

Im antiken Griechenland wurde dem Geist der Dodekaeder als einer der fünf platonischen Körper zugeordnet.

Persönlichkeiten über den "Geist"

Galileo Galilei: Ich befand mich eines Tages im Hause eines in Venedig sehr angesehenen Arztes, wohin öfters Leute kamen, teils aus Neugier, um eine Leichensektion von der Hand eines ebenso wahrhaft gelehrten, wie sorgfältigen und geschickten Anatomen ausführen zu sehen. Diesen Tag nun geschah es, dass man den Ausgangspunkt der Nerven aufsuchte, welches eine berühmte Streitfrage zwischen den Ärzten aus der Schule des Galen und den Peripatetikern ist. Als nun der Anatom zeigte, wie der Hauptstamm der Nerven, vom Gehirn ausgehend, den Nacken entlang zieht, sich durch das Rückgrat erstreckt und durch den ganzen Körper verzweigt, und wie nur ein ganz feiner Faden von Zwirnsdicke zum Herzen gelangt, wendete er sich an einen Edelmann, der Ihm als Peripatetiker bekannt war und um dessentwillen er mit außerordentlicher Sorgfalt alles bloßgelegt und hatte, mit der Frage, ob er nun zufrieden sei und sich überzeugt habe, dass die Nerven im Gehirn ihren Ursprung nehmen und nicht im Herzen. Worauf unser Philosoph, nachdem er ein Weilchen in Gedanken dagestanden, erwiderte: Ihr habt mir das alles so klar, so augenfällig gezeigt - stünde nicht der Text des Aristoteles entgegen, der deutlich besagt, der Nervenursprung liege im Herzen, man sähe sich zu dem Zugeständnis gezwungen, dass Ihr Recht habt."

Descartes: meinte die Schnittstelle zwischen Leib und Seele wäre in der Zirbeldrüse zu finden , dem einzigen unpaarigen Organ des Gehirns. Gegenthese: Entgegen der Vermutung Descartes', dass es irgendwo im Gehirn ein singuläres Zentrum geben müsse, in dem alle Informationen zusammenkommen und einer einheitlichen Interpretation zugeführt werden, - einen Ort an der Spitze der Verarbeitungspyramide, wo das innere Auge die Welt und sich selbst betrachtet, entgegen dieser plausiblen Annahme erbrachte die Hirnforschung den Beweis, dass ein solches Zentrum nicht existiert. Korbinian Brodmans Vermutung hat sich bestätigt. Er folgerte schon zu Beginn dieses Jahrhunderts aus seiner Entdeckung funktionell und anatomisch abgrenzbarer Hirnrindenareale, ich zitiere: "Wir müssen daher die Annahme, dass eine Verstandesleistung oder ein Gemütsvorgang ... in einem einzelnen umschriebenen Rindenteile zustande komme, mag man diesen nun "Assoziationszentren" oder "Denkorgan" oder ähnlich nennen, als eine ganz unmögliche psychologische Vorstellung ablehnen." Uns stellt sich heute das Gehirn als extrem distributiv organisiertes System dar, in dem zahllose Teilaspekte der einlaufenden Signale parzelliert und parallel abgearbeitet werden.

Aristoteles: Die Seele ist die Form (nicht im heutigen umgangssprachlichen Sinne) des Leibes. Anima forma corporis. Der Geist ist die einfache, immaterielle Substanz, die zum Denken und freien Wollen disponiert ist. Idee von den Nervenzellen: der Nervenursprung liege im Herzen , das Gehirn dient nur der Kühlung. In der Antike vermutete man auch in den Seitenventrikeln den Platz für unsere geistigen Zustände.

Siehe auch: Unterscheidung von Geistern und Phantomen (nach Salvador Dalí)

Zitate

  • mens sana in corpore sano (lat.: Gesunder Geist in gesundem Körper)
  • In Krankheiten und im Alter verfällt der Geist dem Körper.
  • Ausdehnung ist das wesentliche Merkmal alles körperlich Materialen, dem seelischen und Geistigen fehlt dieses Merkmal. Ein Gefühl und ein Gedanke haben keine räumliche Ausdehnung.
  • Wenn der Geist in Frieden ist, leidet der Leib keine Qualen.
  • Geist ist Wort.
  • Die Entwicklung der Sprache wirkt auf den Geist zurück.
  • Das Sein eines jeden geistigen Dings besteht in seiner Bedeutsamkeit.
  • Geist und Leben sind untrennbar miteinander verbunden.
  • List, Klugheit, Mut, Trotz - alles Geist.
  • Geist ist für Kant das belebende Prinzip im Gemüte, das, was die Gemütskräfte in Bewegung setzt.
  • Dass der Idealismus in seiner konsequenten Durchführung am Ende gar die Realität der Materie leugnete, erschien dem großen Publikum als ein Spaß, der zu weit getrieben schien.
  • Damasio: "Ich bin also der Ansicht, daß ein Organismus dann Geist besitzt, wenn er neuronale Repräsentationen bildet, die zu Vorstellungsbildern werden, sich in einem Prozeß, den wir Denken nennen, manipulieren lassen und schließlich das Verhalten beeinflussen [...]."

Literatur

  • Düweke, Peter: Kleine Geschichte der Gehirnforschung, Beck
  • Klivington, Kenneth A.: Gehirn und Geist, Spektrum Akademischer Verlag
  • Ryle, Gilbert: Der Begriff des Geistes, Reclam UB


Gerhard Roth:

  • Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Taschenbuch - 383 Seiten - Suhrkamp,
  • Schnittstelle Gehirn. Zwischen Geist und Welt.
  • Neurowissenschaften und Philosophie. Eine Einführung. von Michael Pauen, Gerhard Roth
  • Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert.
  • Russell, Bertrand: Die Analyse des Geistes. Philosophische Bibliothek Bd.527. 2000. VII, 407 S.. Buchleinen (Gewebe). 416gr.ISBN 3-7873-1527-6
    • Was charakterisiert den Geist im Gegensatz zur Materie? Wodurch unterscheidet sich die Psychologie von der Physik? "Ich werde Sie im Verlaufe dieser Vorlesungen zu überzeugen versuchen, dass der Geist nicht so geistig und die Materie nicht so materiell ist, wie man für gewöhnlich glaubt", (Bertrand Russell). aus Vorlesungen entstanden



Siehe auch: Weltgeist, Zeitgeist, Idealismus, Philosophie des Geistes, Hegel, Leib-Seele-Problem, Leib