Jugoslawien

Staat in Mittel- und Südosteuropa (1918–2003)
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Jugoslawien („Südslawien“) war ein Staat in Südosteuropa, der in unterschiedlicher Form von 1918 bis 1992 bestand. Nach dem Zerfall Jugoslawiens bildeten die verbliebenen Staaten Serbien und Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien, auch häufig als „Restjugoslawien“ bezeichnet. Ab 2003 führte dieser Staatenbund die Bezeichnung Serbien und Montenegro. 2006 fand er mit der Unabhängigkeitserklärung Montenegros sein Ende.

Staatsrechtliche Entwicklung

Zusammenfassender Hauptartikel: Geschichte Jugoslawiens

Während es zwischen dem ersten (Königreich 1918-1941) und dem zweiten jugoslawischen Staat (Föderative Volksrepublik 1945-1963, Sozialistische Föderative Republik 1963-1992) eine juristische Kontinuität gab, war das 1992 gegründete dritte Jugoslawien (Republik) nach vorherrschender Rechtsauffassung der Badinter-Kommission nur einer von fünf Nachfolgestaaten des zweiten Jugoslawiens (Staatenbund Serbien und Montenegro). Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien zerfiel nach Meinung der Badinter-Kommission in die folgenden souveränen Republiken, von denen die meisten daraufhin ihre Unabhängigkeit erklärten und nach und nach international anerkannt wurden: Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro und Mazedonien. Der Staatenbund Serbien und Montenegro, dessen Rechtsnachfolge Serbien antrat, löste sich 2006 mit dem Ausscheiden Montenegros auf.

Geschichte der Besiedlung des Balkan

Bereits zwischen dem 3.Jahrhundert v.Chr. und dem Jahre 15 nach Christus eroberten die Römer den Balkan. Die dort ansässigen Stämme der Illyrer, Thraker und Daker wurden besiegt und romanisiert. Dennoch ließen diese auch ihre Spuren auf dem Balkan zurück.

Für ihre hoch entwickelten Bauwerke, wie Aquädukte und Bäder sind die Römer auch heute noch sehr bekannt. Sie installierten auf dem Balkan ein technisch gut ausgerüstetes Straßensystem, da die wichtigen Handelswege zum Orient über den Balkan verliefen. Entlang dieser Handelsrouten entstanden viele neue Städte: Siscia (Sisak), Naissus (Niš) und Scupi (Skoplje). Die Stadt Singidunum (Beograd / Belgrad) allerdings ist nicht von Römern, sondern von den Kelten gegründet worden.

Die Teilung des Römischen Reiches im Jahre 395, die das Reich in ein weströmisches und oströmisches (byzantinisches) Reich teilte, hat ua. bis zur heutigen politischen Instabilität geführt. Die Grenze verlief von der Stadt Sirmium (Sremska Mitrovica) an der Save an der Drina entlang bis zur adriatischen Küste bei Kotor. Das weströmische Reich wurde weiterhin von Rom regiert, das oströmische allerdings von Konstantinopel / Byzanz (dem heutigen Istanbul). Im Jahre 330 beauftragte Kaiser Konstantin den Bau der Stadt Konstantinopel nahe der griechischen Siedlung Byzanz. Es war der Beginn des Aufstieges des oströmischen Reiches, das eine Weltmacht werden sollte.

Trotz der Teilung waren beide Staaten friedlich gesinnt inklusive reger Wirtschaftsbeziehungen. Doch durch die Kirchenspaltung im Jahre 1054 gab es einen großen Bruch zwischen Rom und Byzanz. Rom blieb Hauptzentrum der katholischen Kirche, Byzanz aber wurde Zentrum der orthodoxen Kirche.

„Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ bzw. „Königreich Jugoslawien“ (1918–1941)

Hauptartikel: Königreich Jugoslawien
 
Aufteilung der österreichischen und ungarischen Reichshälfte nach den Pariser Vorortverträgen

Der jugoslawische Staat entstand nach dem Ersten Weltkrieg aus den vorher unabhängigen Königreichen Serbien und Montenegro (unter Einschluss der von Serbien in den Balkankriegen 1912/13 erworbenen mazedonischen Gebiete) und südslawisch besiedelten Teilen Österreich-Ungarns (hpts. das ehemalige Kronland Krain mit südlichen Gebieten der Kronländer Kärnten und Steiermark, Kroatien-Slawonien, Dalmatien, Bosnien und die Vojvodina).

Offizielle Bezeichnung war zunächst Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (1918–1920 Kraljevstvo Srba, Hrvata i Slovenaca, seit 1920 Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, abgekürzt auch SHS-Staat). Staatsoberhaupt wurde der serbische König Peter I..

Von Beginn an war die politische Situation des neuen Staates geprägt von dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen den nach Autonomie strebenden kroatischen Kräften und den großserbischen Nationalisten. Das Scheitern eines Ausgleichs führte schließlich zur Staatskrise: König Alexander I. setzte die Verfassung außer Kraft und errichtete die erste Königsdiktatur auf dem Balkan. In der am 3. Oktober 1929 eingeführten Verfassung wurde der Staat in Königreich Jugoslawien (Kraljevina Jugoslavija) umbenannt. Eine neue Verwaltungsgliederung (9 Banovine) wurde eingeführt, die wenig Rücksicht auf überkommene Grenzen nahm.

1941 wurde das Königreich Jugoslawien von Deutschland und Italien besetzt und aufgelöst: Während Serbien militärisch besetzt blieb, wurde Slowenien zwischen Deutschland und Italien geteilt, Kroatien (mitsamt großen Teilen Bosnien-Herzegovinas) zu einem schein-unabhängigen faschistischen Vasallenstaat namens Unabhängiger Staat Kroatien, während Montenegro und einige weitere südliche Gebiete, die zu Albanien geschlagen wurden, italienisch besetzte Vasallenstaaten wurden. Gliederung:

  • 1918–1921 7 Länder (Pokrajine)
  • 1921–1929
  • 1929–1939 9 Banschaften (Banovine)
  • 1939–1941 7 normale Banschaften und die autonome Banschaft Kroatien (Banovina Hrvatska)

Föderative Volksrepublik Jugoslawien (1945-1963) und Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (1963–1992)

 
Jugoslawien 45-91

Gliederung

6 Teilrepubliken (Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Slowenien) und 2 Autonome Provinzen innerhalb Serbiens (Kosovo, Vojvodina)

Bevölkerung

Serben, Kroaten, Slowenen, Slawische Mazedonier, Bosniaken (Muslimani, wurden 1968 zu einer eigenen Nationalität und zum sechsten konstitutiven Volk Jugoslawiens erklärt), Jugoslawische Roma und Sinti, Montenegriner, Albaner, Rumänen, Ungarn, Türken, sehr wenige Deutsche

Religionen

Serbisch-Orthodoxe, Katholiken, Muslime,

Größte Städte (über 100.000 Einwohner, Stand 1991)

Beograd ca. 1.130.000 Einw., Zagreb 706.000 Einw., Skopje 443.000 Einw., Sarajevo ca. 416.000 Einw., Ljubljana ca. 276.000 Einw., Split ca. 189.000 Einw., Novi Sad ca. 177.000 Einw., Niš ca. 173.000 Einw., Rijeka ca. 167.000 Einw., Priština ca. 155.000 Einw., Kragujevac ca. 144.000 Einw., Banja Luka ca. 143.000 Einw., Titograd ca. 117.000 Einw., Maribor ca. 108.000 Einw., Osijek ca. 104.000 Einw.,

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte Jugoslawiens

 
Beschluss der zweiten Sitzung des antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens über die Errichtung Jugoslawiens nach dem föderativen Prinzip, 29. November 1943

Mit den AVNOJ-Beschlüssen vom 23. November 1943 wurde während des Zweiten Weltkrieges der Grundstein für eine neue Föderation südslawischer Völker unter der Führung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) gelegt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Jugoslawien als sozialistischer Bundesstaat aus 6 Teilrepubliken (Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien und Mazedonien) gegründet. Es hieß vom 10. August 1945 bis 29. November 1945 zunächst Demokratisches Föderatives Jugoslawien (Demokratska Federativna Jugoslavija, DFJ). Am 29. November 1945 wurde die Föderative Volksrepublik Jugoslawien (Federativna Narodna Republika Jugoslavija) proklamiert, die am 31. Januar 1946 eine nach dem Vorbild der UdSSR gestaltete Verfassung erhielt. Am 7. April 1963 wurde der Staat in Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija/SFRJ) umbenannt.

1974 wurden die Provinzen Vojvodina und Kosovo in einer neuen Verfassung zu autonomen Provinzen innerhalb Serbiens erklärt (Artikel 2). De facto wurden die Provinzen dadurch informell zu Republiken aufgewertet, die Serbien nur formell unterstanden. Doch wurde ihnen im Gegensatz zu Republiken kein Recht auf Selbstbestimmung (einschließlich des Rechts auf Sezession) eingeräumt.

Im Laufe der Jahre 19901992 erklärten nach den ersten demokratischen Wahlen und einem Referendum alle Teilrepubliken bis auf Serbien und Montenegro ihre staatliche Unabhängigkeit. Die Referenden in Kroatien und Bosnien-Herzegowina wurden jedoch von den Serben boykottiert, weil sie in der jugoslawischen Verfassung als „konstitutives Volk“ beider Teilrepubliken mit Kroaten bzw. bosnischen Moslems gleichberechtigt waren, aber dennoch nach ihrer Auffassung einseitig und verfassungswidrig zu Minderheiten degradiert werden sollten. Im Gegenzug organisierte die serbische Minderheit in Kroatien vom 19. August bis 2. September 1990 ein eigenes Referendum, in dem sie sich von Kroatien unabhängig erklärten, die Republik Serbische Krajina ausriefen und einen Zusammenschluss mit den an der Fortführung der Föderation interessierten Teilrepubliken Serbien und Montenegro anstrebten. Im November 1991 hielten die Serben in Bosnien ebenfalls ein Referendum ab und gründeten am 9. Januar 1992 die Republika Srpska, die das gleiche Ziel verfolgte. Diese Ereignisse führten zum gewaltsamen Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und mündeten in die so genannten Jugoslawienkriege.

Auseinanderbrechen Jugoslawiens

Hauptartikel: Jugoslawienkriege

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Die Bevölkerungsgruppen Jugoslawiens 1991

Außer in Serbien wurden in allen ehemaligen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien nach durchgeführten demokratischen Wahlen Referenden über die staatliche Souveränität abgehalten.

Bei jeweils sehr hohen Wahlbeteiligungen stimmten für die jeweilige staatliche Souveränität:

Serbien und Montenegro, das sich nach 1992 als "Föderative Republik Jugoslawien" bezeichnete (die Bezeichnung "Sozialistisch" also tilgte), und diese Staatsbezeichnung bis 2003 weiterführte (z.B. auch die Domain "yu" erwarb) wurde von manchen als „Restjugoslawien“ bezeichnet. Auch sah sich die "Föderative Republik Jugoslawien" als im völkerrechtlichen Sinne identisch mit der "Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien" an. Dies wurde jedoch international weitgehend nicht anerkannt. So forderte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die "Föderative Republik Jugoslawien" ausdrücklich auf, eine Neumitgliedschaft bei den Vereinten Nationen zu beantragen. Auch die Bundesrepublik Deutschland erkannte diesen Kontinuitätsanspruch nicht an, die Frage blieb jedoch umstritten. Jedoch ist mit der am 23. Februar 2003 erfolgten Umbenennung Jugoslawiens in "Serbien und Montenegro" inzwischen davon auszugehen, dass auch der betroffene Staat selbst den Anspruch auf Kontinuität aufgegeben hat.

In Serbien und Montenegro gab es in jüngster Zeit erneute Abspaltungstendenzen, die nach einer Volksabstimmung am 21. Mai 2006 zur Unabhängigkeit von Montenegro und somit auch zur Auflösung des Staatenbundes Serbien und Montenegro führten. Am 3. Juni 2006 rief das montenegrinische Parlament in Podgorica offiziell die Unabhängigkeit Montenegros aus. Derzeit werden intensive Verhandlungen auf internationaler Ebene über die weitere Stellung der serbischen Provinz Kosovo und Metochien (serb. Kosovo i Metohija) geführt.

„Bundesrepublik Jugoslawien“ (1992–2003) bzw. „Serbien und Montenegro“ (2003–2006)

Hauptartikel: Serbien und Montenegro

Im Jahre 1992 bildeten die Republiken Serbien und Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien (Savezna Republika Jugoslavija), auch Rest-Jugoslawien genannt. Diese wurde am 4. Februar 2003 durch den Staatenbund Serbien und Montenegro (Srbija i Crna Gora) abgelöst.

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen beschloss am 22. September 1992 durch Mehrheitsbeschluss (Billigung von 127 Ländern bei 26 Enthaltungen und sechs Gegenstimmen), dass die aus Serbien und Montenegro bestehende Bundesrepublik Jugoslawien nicht automatisch die Rechtsnachfolge der SFRJ als Mitgliedstaat der UN antreten könne, sondern sich ebenso wie die anderen Nachfolgestaaten der SFRJ neu um die Mitgliedschaft bewerben müsse. Die Bundesrepublik Jugoslawien dürfe deshalb den Sitz der SFRJ in der UN-Vollversammlung nicht mehr wahrnehmen. Da die Bundesrepublik Jugoslawien sich weigerte, diesen Beschluss zu akzeptieren, verlor sie de facto ihren Sitz in der Vollversammlung. Erst im Jahre 2000 wurde die Bundesrepublik Jugoslawien, nachdem sie sich wie gefordert neu beworben hatte, wieder in die UN aufgenommen und auch der frühere jugoslawische UNO-Sitz übertragen. Mit der Annahme einer neuen Verfassung im Jahre 2003 benannte sich die Bundesrepublik Jugoslawien um in „Serbien und Montenegro“. Diese Staatenunion zerfiel 2006, als sich die Bevölkerung Montenegros mit einer knappen Mehrheit von 55,5% für die Unabhängigkeit aussprach. Damit übernimmt Serbien rechtlich die Nachfolge des gemeinsamen Staatenbundes mit Montenegro, während Montenegro sich um die Mitgliedschaft in der UNO Vollversammlung neu bewerben musste.

Literatur

  • Johannes Grotzky: Balkankrieg. Der Zerfall Jugoslawiens und die Folgen für Europa. Serie Piper, München 1993
  • Diana Johnstone: Fools' Crusade: Yugoslavia, NATO and Western Delusions. Monthly Review Press, New York 2002. ISBN 1-58367-084-X
  • Peter Radan: The Break-up of Yugoslavia and International Law. Routledge, New York/London 2002. ISBN 0-415-25352-7 [1] [2]
  • Holm Sundhaussen: Experiment Jugoslawien. Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall. BI-Taschenbuchverlag, Mannheim 1993. ISBN 3-411-10241-1

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