Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), englisch: Common Foreign and Security Policy (CFSP), französisch: Politique étrangère et de sécurité commune (PESC), wurde mit dem Vertrag von Maastricht 1992 als zweite Säule der drei Säulen der Europäischen Union errichtet. Als eine intergouvernementale (zwischenstaatliche) Kooperation auf Regierungsebene definiert die GASP einen Rahmen für die Zusammenarbeit der EU-Staaten in der Außen- und Sicherheitspolitik. Zur unterscheiden ist sie von der ebenfalls die Außenbeziehung der EU regelnden, aber zur ersten Säule gehörenden Gemeinsamen Handelspolitik und der Entwicklungspolitik.

Geschichte der GASP
Die Außenpolitik wird traditionell als Kernstück der staatlichen Souveränität betrachtet. Von jeher bestanden deshalb auf diesem Gebiete erhebliche Vorbehalte der Mitgliedstaaten gegen eine europäische Integration. Diese begann vielmehr durch Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Europäischen Wirtschafts- sowie der Europäischen Atomgemeinschaft im wirtschaftlichen Bereich.
Der 1953 angestrebten Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) blieb infolge Einspruchs der französischen Nationalversammlung der Erfolg ebenso versagt wie ihrem militärischen Gegenstück, der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft.
Sehr bald stellte sich aber heraus, dass die Gemeinschaft in vielen Bereichen ihres politischen Wirkens wie etwa der Handels-, Entwicklungspolitik der Europäischen Union und Umweltpolitik in einem derartig starken Maße außenpolitischen Verflechtungen unterliegt, dass die Abstinenz von einer gemeinsamen Außenpolitik wenig realistisch erscheint.
Am 27. Oktober 1970 veröffentlichte daher ein vom Rat eingesetzter und von dem belgischen Diplomaten Etienne Davignon geleiteter Ausschuss den sog. Davignon-Bericht, der Perspektiven für eine künftige außenpolitische Zusammenarbeit der EG-Mitgliedstaaten aufzeigte und ihnen insbesondere empfahl, auf internationaler Bühne so weit wie möglich mit einer Stimme zu sprechen. In der Folge wurde mit dem Luxemburger Bericht die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) institutionalisiert.
Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) vom 17. Februar 1986 machte die EPZ zu einer festen Einrichtung der Europäischen Gemeinschaften und weitete sie auf alle außenpolitischen Fragen von allgemeinem Interesse aus. Am 1. November 1993 trat der Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) in Kraft. Damit wurde die EPZ zur GASP und wurde durch Titel V als 'Zweiter Pfeiler' in das rechtliche Rahmenwerk der EU eingebunden.
Unterz. In Kraft Vertrag |
1948 1948 Brüsseler Pakt |
1951 1952 Paris |
1954 1955 Pariser Verträge |
1957 1958 Rom |
1965 1967 Fusions- vertrag |
1986 1987 Einheitliche Europäische Akte |
1992 1993 Maastricht |
1997 1999 Amsterdam |
2001 2003 Nizza |
2007 2009 Lissabon |
|||||||||||
Europäische Gemeinschaften | Drei Säulen der Europäischen Union | ||||||||||||||||||||
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) | → | ← | |||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) | Vertrag 2002 ausgelaufen | Europäische Union (EU) | |||||||||||||||||||
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) | Europäische Gemeinschaft (EG) | ||||||||||||||||||||
→ | Justiz und Inneres (JI) | ||||||||||||||||||||
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) | ← | ||||||||||||||||||||
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) | → | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) | ← | ||||||||||||||||||
Westunion (WU) | Westeuropäische Union (WEU) | ||||||||||||||||||||
aufgelöst zum 1. Juli 2011 | |||||||||||||||||||||
Ziele
Ziele der GASP sind nach Art. 11 EUV
- Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheit der Union,
- Stärkung der Sicherheit der Union,
- Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechend der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge
- Förderung der internationalen Zusammenarbeit,
- Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Akteure
Zentrales Gewicht kommt im Bereich der GASP dem Europäischen Rat sowie dem Rat zu. Intern sind sie nach Art. 13ff. EUV für den Beschluss über die Maßnahmen der GASP zuständig. Extern vertritt der "Vorsitz" des Rates nach Art. 18 EUV die EU gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen.
Dabei wird er nach Art. 18 Abs. 3, 26 EUV von einem Generalsekretär unterstützt, der in Personalunion die Aufgabe des Hohen Vertreters für die GASP wahrnimmt. Dieses Amt wurde erst mit dem Vertrag von Amsterdam geschaffen und wird seit 18. Oktober 1998 durchgehend von Javier Solana bekleidet. Soweit zusätzlich noch der Präsident oder Außenkommissar der Kommission in Erscheinung trit, spricht man von der hohen Troika.
Ebenfalls unterstützend tätig wird das Politische und Sicherheitspolitische Komitee nach Art. 25 EUV. Es verfolgt die internationale Lage im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik und richtet von sich aus oder auf Anfrage Stellungnahmen an den Rat. Auch überwacht es die Durchführung der GASP-Politiken und kann mit der Kontrolle und Leitungen von Krisenbewältigungs-Operationen beauftragt werden.
Nach Art. 18 Abs. 5 EUV kann der Rat für bestimmte Aufgaben und Handlungsfelder Sonderbeauftragte ernennen. Zur Zeit sind dies 10 Personen mit Einsatzgebieten insbesondere auf dem Balkan, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Ostafrika.
Die Rolle der Kommission ist in der GASP weitaus schwächer ausgeprägt als in der 1. Säule der EU. Sie besitzt lediglich nach Art. 22 Abs. 1 EUV ein Initiativrecht und kann den Rat mit Fragen der GASP befassen oder entsprechende Vorschläge unterbreiten. Nach Art. 27 EUV wird sie an der GASP "in vollem Umfang (...) beteiligt".
Das Europäische Parlament verfügt nur nach Art. 21 EUV ein Anhörungs- und Informationsrecht. Es kann "Anfragen und Empfehlungen" an den Rat richten und führt einmal jährliche eine Aussprache zu den Fortschritten der GASP durch.
Die GASP unterliegt anders als die Politiken der 1. Säule und bestimmte Bereiche der 3. Säule in keiner Weise der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs
Instrumente
Zur Erreichung der genannten Ziele steht der EU ein umfangreiches spezifisches Instrumentarium zur Verfügung:
Den Rahmen der GASP bestimmt der Europäische Rat durch den einstimmigen Beschluss von
- Grundsätzen und Allgemeinen Leitlinien sowie
- Gemeinsamen Strategien
Die genannten Maßnahmen sind stets langfristig angelegte politische Konzepte die verschiedene Aktionen auf mehreren Handlungsebenen beinhalten. Gemeinsame Strategien sind für die übrigen EU-Organe und insbesondere den Rat rechtlich verbindlicher als Grundsätze und Leitlinien.
Auf der Grundlage der Vorgaben des Europäischen Rats obliegt die weitere Steuerung der GASP dem Rat der Europäischen Union in seiner Zusammensetzung als „Rat der allgemeinen Angelegenheiten“, in dem die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten vertreten sind. Der Rat kann tätig werden durch:
- Gemeinsame Standpunkte - Sie definieren ein „Konzept der Union für eine bestimmte Frage geographischer oder thematischer Art“. Sie gelten verbindlich für alle Mitgliedstaaten und sind primär auf deren Tätigwerden gerichtet.
- Gemeinsame Aktionen – Mit Ihnen wird die EU selbst auf einem bestimmten Gebiet der Außenpolitik tätig. Beispiele sind Sanktionen gegen andere Staaten oder die Entsendung von Wahlbeobachtern
- Erklärungen – Mit Ihnen bezieht die Union zu aktuellen politischen Ereignissen Stellung und bindet die Mitgliedstaaten politisch.
Beschlüsse im Rahmen der GASP werden vom Rat nach Art. 23 EUV grundsätzlich einstimmig gefasst. Enthaltung von Mitgliedstaaten verhindern das Zustandekommen des Beschlusses nur dann, wenn die Staaten im Rat gemeinsam über mehr als ein Drittel der nach Art. 205 EGV gewichteten Stimmen verfügen. Für sich enthaltende Mitgliedstaaten sind die betreffenden GASP-Beschlüsse nicht bindend, sie dürfen aber deren Durchführung nicht behindern. Soweit der Rat lediglich Vorgaben des Europäischen Rates konkretisiert oder Sonderbeauftragte ernennt, so genügt - falls der zu fassende Beschluss keine militärischen oder verteidungspolitischen Bezüge aufweist - nach Art. 23 Abs. 2 EUV die Qualifizierte Mehrheit. Allerdings hat jedes Ratsmitglied ein Vetorecht, soweit der Beschluss wichtigen, konkret zu benennenden Interessen seiner nationalen Politik zuwiderläuft.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist der Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen nach Art. 24 EUV. Zuständig für den Vertragsschluss ist der Rat. Anders als bei Verträgen innerhalb der 1. Säule werden die Verhandlungen aber nicht von der Kommission geführt, sondern vom Ratsvorsitz, der sich hierbei lediglich ggf. der Unterstützung durch die Kommission bedient.
Rolle der Mitgliedstaaten
Die Außen- und Sicherheitspolitik wird traditionell als Kernstück staatlicher Souveränität betrachtet. Dementsprechend haben sich die Mitgliedstaaten in diesem Bereich die stärksten Mitwirkungsrechte vorbehalten. Die Zusammenarbeit in der GASP erfolgt intergouvernemental; aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips bzw. des Vetovorbehalts für die mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Ratsbeschlüsse behält letztlich jeder Mitgliedstaat die volle Kontrolle über die Entwicklung der GASP.
Im Gegenzug haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 EUV die GASP der EU aktiv und vorbehaltslos zu unterstützen, untereinander solidarisch zusammenzuarbeiten und sich jeglicher Handlungen zu enthalten, die die Effizienz der GASP beeinträchtigen könnte. Nach Art. 14 Abs. 3, 7; 15 EUV sind sie an die im Rahmen der GASP erlassenen Gemeinsamen Strategien und Standpunkte gebunden. Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, 20 EUV haben Sie für diese auch auf internationalen Organisationen einzutreten. Art. 16, 19 sehen eine Zusammenarbeits-, Informations- und Koordinierungspflichten der Mitgliedstaaten sowie ihrer diplomatischen Vertretungen vor.
Auch im Bereich der GASP ist grundsätzlich eine Verstärkte Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten möglich. Art. 27a-27e EUV stellen hierfür jedoch besondere, über den allgemeinen Rahmen der Art. 43ff. EUV hinausgehende Anforderungen auf. In Fragen mit militärischen und verteidigungspolitischen Bezügen ist eine verstärkte Zusammenarbeit nach Art. 27b EUV ausgeschlossen.
Internationale Beziehungen der EU
Auch ohne den Status der juristischen Person unterhält die EU diplomatische Vertretungen in zahlreichen Staaten der Welt sowie bei internationalen Organisationen. Letzteren gehört sie häufig auch - teilweise neben ihren Mitgliedstaaten - als Vollmitglied an, so etwa der WTO und der FAO.
Überdies ist die EU mit den Drittstaaten und internationalen Organisationen über Verträge verbunden, von denen viele freilich nicht unter Art. 24 EUV und damit die GASP fallen, sondern unter Art. 300 EGV und damit in die 1. Säule der EU.
Finanzierung
Nach Art. 28 EUV werden Verwaltungsausgaben für die GASP vollständig vom Gemeinschaftshaushalt getragen. Operative Ausgaben gehen ebenfalls zulasten der EU, es sei denn sie betreffen Aufgaben mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen oder der Rat fasst einen entsprechenden einstimmigen Beschluss. In diesem Fall sind die operativen Ausgaben von den Mitgliedstaaten zu tragen.
Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Hauptartikel: Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Ein Teil der GASP ist die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik - (GSVP). Sie unterliegt - mit einigen Besonderheiten - demselben rechtlichen Rahmen, wird aber seit dem Gipfel von Nizza 2000 von einer ganzen Reihe zusätzlicher Akteure bestimmt.
Nachdem sich die Europäische Union in den blutigen Konflikten im zerfallenden Jugoslawien in den 1990er Jahren noch weitgehend handlungsunfähig erwiesen hatte, hat sich der Integrationsprozess im Rahmen der GSVP seit ca. 1998 erheblich beschleunigt. Auf den Gipfeln von Köln, Helsinki, Feira, Goeteborg und Laeken wurden die Ressourcen der GSVP erheblich gestärkt.
Während die WEU an Bedeutung verloren hat und weitgehend in die EU integriert worden ist, besteht weiterhin ein starkes Spannungsfeld zum Aktionsrahmen der NATO.
Literatur
- J. Michael Heynen, EU-Außenpolitik - Wille und Vorstellung globaler Interaktion , in: Euromission - Neue Perspektiven für das erweiterte Europa, Münster: Lit-Verlag 2004, S. 169 ff. (engl. Summary: http://www.eufpc.org/news.htm)
- Gisela Müller-Brandeck-Bocquet (Hg.): Europäische Außenpolitik. GASP- und ESVP-Konzeptionen ausgewählter EU-Mitgliedstaaten (Würzburger Universitätsschriften zu Geschichte und Politik, 3), Baden-Baden: Nomos 2002.
- Gisela Müller-Brandeck-Bocquet (Hg.): The Future of the European Foreign, Security and Defence Policy after Enlargement (Würzburger Universitätsschriften zu Geschichte und Politik, 9), Baden-Baden: Nomos 2006.
- Thomas Oppermann, Europarecht, München 2005, ISBN 3406535410, S. 637ff.
- Elfried Regelsberger: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik; in: Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hsg.), Europa von A bis Z, Berlin 2006, ISBN 3832913785, S. 265ff.
- Daniel Thym: Parlamentsfreier Raum? Das Europäische Parlament in der Außen- und Sicherheitspolitik, WHI-Paper 2/2005.