Als Streaming Audio bezeichnet man die kontinuierliche Übertragung von Audiodaten über ein Computer-Netzwerk, insbesondere als Internet-Streaming über das öffentliche Internet. Das Verfahren ist eine Variante von Streaming Media und zählt damit also zu den potenziellen neuen Massenmedien; in der Form des lokalen Streamings ist Streaming Audio dagegen – wie die Stereoanlage – eine Komponente der privaten "Unterhaltungselektronik".
Übersicht
Während der traditionelle Hörfunk analoge Signale aussendet, operiert Streaming Audio mit digitalisierten Daten; diese Signale werden in ein spezielles Format gewandelt, das in Datenpakete zerlegt werden und über ein Netzwerk übertragen werden können; eine Folge von zusammengehörenden Datenpaketen bezeichnet man als Stream.
Die Wandlung in ein spezielles Streaming-Format wird beim Streaming-Anbieter durch einen so genannten Encoder durchgeführt; dieser ist in erster Linie dafür zuständig, die Datenrate massiv zu verringern, so dass die typische schmalbandige Internet-Anbindung des Heimbenutzers ausreicht: Der digitale Audio-Datenstrom einer Audio-CD (CD-DA) hat eine Datenrate von 176 kByte/s (= 1.408 kBit/s); Modem-Benutzer sind dagegen häufig noch mit etwa 14,4 oder 28,8 kBit/s mit dem Internet verbunden; auch ein einzelner ISDN-Kanal bietet nur 64 kBit/s, und selbst ein normaler breitbandiger T-DSL-Anschluss mit seinen 768 kBit/s reicht also nicht aus, um ein Tonsignal in voller CD-Qualität zu empfangen.
Spezielle psychoakustische Kompressionsverfahren reduzieren die Datenmenge drastisch; allerdings geht diese für das Audio-Streaming erforderliche Kompression noch deutlich über die von MP3 hinaus. Selbst bei MP3-Dateien sind bei bestimmten Musikstücken noch bei Datenraten von 128 kBit/s störende Verzerrungen hörbar, weshalb die Encodierung mit 192 kBit/s oder höher empfohlen wird. Da beim Audio-Streaming über das Internet noch deutlich geringere Datenraten benötigt werden – eben so, dass eine möglichst breite Zielgruppe mit schmalbandiger Internet-Anbindung erreicht werden kann –, ist also prinzipbedingt mit einer vergleichsweise bescheidenen Tonqualität zu rechnen.
Diese Einschränkungen gelten vor allem für die Übertragung von Musik, bei menschlicher Sprache reichen geringere Datenraten aus. Irrelevant sind die Beschränkungen des Internet-Streamings beim lokalen Streaming, also beispielsweise vom heimischen PC auf die Stereoanlge; hier stehen volle Netzwerkbandbreiten im Bereich von zehn bis 100 MBit/s zur Verfügung, die qualitativ hochwertige Audio-Streams erlauben.
Die zu streamenden Daten können entweder über einen normalen Webserver ausgeliefert werden (HTTP-Streaming), oder über einen speziellen Streaming-Server mit erweiterten Möglichkeiten. Der Hörer benötigt eine Software (Streaming-Client) oder ein streamingfähiges Gerät, welches die Datenpakete wieder zusammenfügt und die Angebote navigierbar macht (Senderauswahl, Starten und Stoppen des Streams etc.).
Da jegliches Streaming ein verfügbares Netzwerk voraussetzt, muss der Streaming-Audio-Hörer entweder einen Streaming-Anbieter in seinem lokalen Netz haben, oder für die Dauer des Stream-Hörens mit dem Internet verbunden sein.
Streaming Audio ist einerseits abzugrenzen von Streaming Video, der Übertragung von Bilddaten, und andererseits vom Download von Musikdateien, beispielsweise über einen kommerziellen Bezahldienst oder ein Peer-to-Peer-Netzwerk, wobei sich während des Herunterladens ein mehr oder minder deutlicher Zeitversatz ergibt.
Das Live-Streaming unterscheidet sich für den Endbenutzer in der Praxis kaum von einem konventionellen Hörfunkprogramm. Der Benutzer benötigt lediglich andere Endgeräte – im Regelfall wird dies ein Personal Computer und eine möglichst breitbandige Internet-Anbindung sein – und erhält dafür ein potenziell erheblich vielfältigeres Spektrum an Internetradio-"Sendern". Erkauft wird dieser Mehrwert vor allem mit einem drastischen Verlust an Mobilität: Ein PC mit Netzanschluss ist eben empfindlicher, schwerer und weniger portabel als ein Kofferradio.
Mehr Komfort bietet das On-demand-Streaming, bei dem der Endbenutzer gezielt und zeitversetzt auf archivierte Programmbeiträge zurückgreifen kann. Theoretisch wäre so eine universelle Jukebox Millionen von Musikstücken und Wortbeiträgen realisierbar, in der Praxis wird diese Utopie jedoch durch wirtschaftliche Verwertungsinteressen und rechtliche Schranken verhindert. Die Realität des On-demand-Streaming begrenzt sich daher auf vertstreute Programmauszüge, die sich der Streaming-Hörer aktiv mit Hilfe von Multimedia-Suchmaschinen zusammensuchen muss.
Ausgefeilte Kombinationen von Streaming Audio mit anderen multimedialen Elementen zu Web-basierten Präsentationen oder Konferenzen gehen i.d.R. über die Fähigkeiten einfacher Streaming-Geräte hinaus und setzen proprietäre Streaming-Clients und einen PC voraus. Die Möglichkeiten solcher Kombinationen gehen dann auch weit über einfache Hörfunk- oder Fernsehangebote hinaus, sind jedoch ausserordentlich kostspielig in der Produktion und werden daher nur selten realisiert.
Technik
Grundlagen
Prinzipiell umfasst Streaming immer folgende drei Schritte:
- Produktion: Bei der Streaming-Produktion wird ein Ausgangssignal mit dem Encoder unter Verwendung spezieller Streaming-Codecs in ein Streaming-Format umgewandelt;
- Distribution: Der fertige Stream wird entweder direkt über einen Streaming-Server oder über eine komplexere Form der Streaming-Distribution verteilt;
- Wiedergabe: Der Stream wird von einem Streaming-Client empfangen.
Die Technik hinter gestreamten Audio-Angeboten ist in den Grundzügen recht einfach: Benötigt wird ein analoges Tonsignal, an dessen Tonqualität keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden müssen. Dieses Signal wird entweder in einem handelsüblichen Computer oder über eine Spezialhardware digitalisiert, geschnitten und ggf. nachbearbeitet.
Das digitale Tonsignal wird anschließend in einem Encoder in ein stream-fähiges Format umgewandelt; auch hier können handelsübliche Computer mit den verbreiteten Betriebssystemen Microsoft Windows, GNU/Linux oder Mac OS eingesetzt werden. Die Encoder benötigen eine Software wie den Real Producer von Real Networks, welche die Arbeit des Encodierens erledigt.
Die encodierte Datei wird im On-demand-Streaming auf einem Dateiserver abgelegt oder im Live-Streaming direkt an den Streaming Server weitergereicht.
Die grundlegende Technik hinter dem Streamen ist so einfach, dass sie heutzutage mit prinzipiell jedem Personal Computer durchgeführt werden kann. Die Anforderungen steigen jedoch überproportional, sobald die Komplexität des zu Streamenden Contents zunimmt. Wer beispielsweise mehrere Dutzend Live-Streams parallel übertragen muss, benötigt einen ganzen Encoder-Park; sollen die Streams zeitgleich nicht nur an eine Handvoll Teilnehmer sondern an ein Massenpublikum ausgeliefert werden, reichen die Kapazitäten der leistungsfähigsten ISPs nicht mehr aus. In diesem Nischenbereich haben spezialisierte Anbieter wie Akamai ausgefeilte Lösungen entwickelt, die – zu entsprechenden Preisen – vermarktet werden.
Produktion
Gelangt das Audiosignal über eine Telefonleitung in das Sendezentrum, kann eine speielle Hardware, ein so genannter Telefonhybrid wie das Magic ISDN von AVT zur Verarbeitung eingesetzt werden, der bereits diverse verbreitete Codierverfahren eingebaut hat. Diese Geräte setzen einen ankommenden Telefonanruf in einen für die Studiotechnik passendes Audiosignal um, was dem Streaming-Anbieter die Konfiguration und Warung von Encoder-PCs erspart.
Distribution
Streaming Audio kann – je nach Fähigkeit des eingesetzten Servers und des dazugehörigen Clients – prinzipiell über die verbreiteten Protokolle HTTP und FTP übertragen werden. Live-Streaming (Real time streaming) setzt dagegen grundsätzlich Echtzeit-fähige Protokolle wie RTP voraus.
Die wichtigste Anforderung an spezielle Streaming-Protokolle ist die Fehlertolerenz; bei einer schlechten Verbindung müssen mindestens fünf Prozent Verluste an Datenpaketen unhörbar und etwa zehn Prozent Verluste in akzeptabler Qualität ausgeglichen, d.h. irgendwie interpoliert, werden.
Grundsätzlich ist bei der Übertragung zu unterscheiden zwischen Unicast- und Multicast-Streaming. Diese grundlegenden Funktionsmodi von Netzwerken sind unterschiedlich gut geeignet für die Verbreitung von Daten an mehrere Empfänger: Während beim Unicating immer Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aufgebaut werden müssen, kann beim Multicasting eine größere Anzahl von Empfängern mit demselben Datenstrom versorgt werden. Daher ist Multicasting theoretisch weitaus besser für massenmediales Streaming geeignet, wird jedoch nur in Ausnahmefällen von Routern weitergelietet, weshalb Multicasting bestenfalls in lokalen Netzwerken, nicht jedoch im öffentlichen Internet genutzt werden kann.
Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen drahtgebundenem und drahtlosem Streaming. Das drahtgebundene Streaming setzt dieselbe Infrastruktur wie ein entsprechendes lokales Netzwerk voraus, während das drahtlose Streaming das Wiedergabegerät weitgehend vom Standort des PCs entkoppelt. Insbesondere seit 2003 kommen zahlreiche Lösungen auf Basis dieser Technologie auf den Markt, beispielsweise die Devolo Microlink-Produktfamilie oder Apples AirPort Express.
= Wiedergabe
Die Wiedergabe von gestreamten Übertragungen erfolt mit einem Streaming-Client; dabei kann es sich um eine Software für den PC handeln, oder aber auch um ein Hardware-Gerät.
Standards und Protokolle
Siehe Streaming-Protokoll
Datentypen und -formate
Siehe Streaming-Format
Vor- und Nachteile
Vorteile
- Empfängerseite:
- Der zeitliche Versatz durch den vollständigen Download einer Datei entfällt;
- Es muß keine komplette Datei heruntergeladen werden, ein "Reinhören" wird möglich;
- Senderseite:
- Die Einstiegsinvestitionen sind im Vergleich zu einem klassischen Sendestudio mit assoziiertem Rundfunksender zunächst vergleichsweise moderat;
- Nach einer Analyse von Wolfgang Zieglmeier ermöglicht eine Bandreite von ISDN 1-B Channel (64 kBit/s) eine nahezu transparente Mono-Audioübertragung; eine der verbreiteten breitbandidgen Anbindungen von Endkunden über DSL reicht somit heute aufgrund verbesserter Codecs für qualitativ hochwertiges Ausdio-Streaming;
- Die Flexibilität in der Gestaltung des Formats nimmt gegenüber dem Download zu; sowohl Live-Übertragungen als auch beispielsweise Preroll Advertising werden möglich;
- Eine Markenverlängerung auf neue mobile Endgeräte erschließt gegenüber dem konventionellen Radio – zumindest theoretisch – neue Einsatzmöglichkeiten.
Nachteile
- Empfängerseite:
- Auf Seite des Hörers ist die Wiedergabequalität im Vergleich zu UKW-Radio vergleichsweise schlecht; nach Analysen von Wolfgang Zieglmeier hat die Modemgeschwindigkeit bei sehr niedrigen Bitraten (unter 64 kBit/s) einen sehr großen Einfluß auf die Klangqualität; bei Bitraten bis 28.8 kbit/s ist eine [[Broadcast-Qualität noch nicht annähernd erreicht (ebenso bei 64 kbit/s, stereo);
- Eine schnelle und zuverlässige Internetverbindung ist notwendig, während kabelloser Hörfunk überall mit einem preiswerten und handlichen Radioapparat empfangen werden kann;
- Die Internet-Anbindung darf nicht ausgelastet sein und muss Bandbreitenreserven bieten, sonst kommt es zu einer "Netzwerkverstopfung" (Network Congestion) und die Übertragung stockt;
- Senderseite:
- Auf Seite des Produzenten ist ein spezieller Streaming-Server erforderlich, der durch Lizenzkosten um so teurer wird, je mehr gleichzeitige Nutzer bedient werden sollen;
- Es stehen zahlreiche inkompatible Produkte für das Streaming zur Verfügung; teilweise gibt es bei gleicher Bitrate erhebliche qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen. Anbieter, die eine möglichst große Zielgruppe erreichen möchten, müssen daher für mehrere Ausgangsformate encodieren, was den Produktionsaufwand vervielfacht;
- Das gestreamte Signal erfordert große bis enorme Übertragungsbandbreiten oder ein Overlay-Netzwerk à la Akamai; in jedem Fall wird die Übertragung um so teurer, je mehr Rezipienten erreicht werden, während die Ausstrahlungskosten beim konventionellen Rundfunk weitgehend unabhängig von der Anzahl der Rezipienten sind.
Probleme und Lösungen
Zu geringe Bandbreite
Mit Bündelung von zwei ISDN-B-Kanälen, wie sie bei jedem ISDN-Anschluss zur Verfügung stehen, erreicht man nominell eine Datenrate von 128 kBit/s; durch den Protokolloverhead reicht diese redoch nicht aus, um einen mit 128 kBit/s encodierten Audio-Stream unterbrechungsfei zu hören.
Wer derartige Streams dennoch ohne ungewollte Pausen anhören möchte, muss die Streaming-Nechanismen des Servers aushebeln und die gestreamten Dateien herunterladen; dazu gibt es bei MP3-Streams prinzipiell zwei Möglichkeiten:
- Entweder man kann auf die M3U-Playlist direkt zugreifen, in der Hyperlinks auf die jeweiligen MP3-Dateien stehen; die Links kann man dann über einen Web-Browser oder mit Wget etc. herunterladen.
- Werden die Verweise auf die MP3-Dateien jedoch von einem serverseitigen Skript generiert, muss man Hilfsprogramme wie den Total Recorder von High Criteria (Shareware, [1]) einsetzen, welche die Audiosignale direkt von der Soundkarte abgreifen und in eine Datei auf dem lokalen Rechner schreiben.
Ein mit 256 kBit/s encodierter MP3-Stream läßt sich so über eine Modem- oder ISBN-Leitung nutzen; das Herunterladen eines Sechs-Minuten-Stücks kann dann allerdings durchaus eine halbe Stunde dauern.
Mit diesen Methoden lassen sich beliebige MP3-Streams selbst mit schmalbandigen Internet-Anbindungen nutzen; der eigentliche Vorteil des Streaming gegenüber dem Download – die Umgehung von Wartezeigen – entfällt dabei natürlich. Andererseits hebelt diese Methode prinzipiell jeden DRM-Kopierschutz von Audio-Dateien aus.
Urheber-/ Verwertungsrechte und Rechteverwaltung
Rechteinhaber an Content wie Bertelsmann/BMG im Musikbereich oder DFL/DFB im Bereich der Fußball-Bundesliga sind daran interessiert, ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen. Werden Inhalte an kommerzielle Anbieter lizenziert, sollen Dritte nicht unentgeltlich partizipieren können. Zu diesem Zweck wurden Methoden wie das Digital Rights Management (DRM) entwickelt, mit denen die Nutzung und Verbreitung von Inahlten besser kontrolliert werden kann.
Gestreamte Daten sind zwar prinzipiell besser geschützt vor einer illegalten "Zweitverwertung" als Downloads, allerdings wurden bisher alle Kopierschutzverfahren der verbreiteten Streaming-Formate entschlüsselt oder umgangen; grundsätzlich gilt, dass Audio-Inhalte immer zumindest analog abgegeriffen werden können, so lange irgendwo eine transparente Digital-Analog-Wandlung stattfindet, also spätestens am Audio-Ausgang der Soundkarte.
Für das Aufzeichnen (Rippen) von gestreamten Inhalten werden teilweise sogar kommerzielle Produkte wie den Streaming Audio Ripper RipCast von Xoteck angeboten ([2]).
Lizenzgebühren
Während sich Internetradios jahrelang in einem faktisch rechtsfreien Raum bewegten, hat sich die Situation zwischen 2001 und 2003 grundlegend gewandelt. Webcaster müssen Lizenzgebühren für ihre Programme abführen.
In Deutschland führte die Verwertungsgesellschaft GEMA bereits im Juni 2001 pauschale Monatsgebühren für Webradios ein, deren monatliche Kosten – nach der Anzahl der Empfänger gestaffelt – zwischen 25 und 3.000 Euro liegen ([3], [4]).
Der Musikverband International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) bietet seit Ende 2003 eine weltweit gültige Lizenz für Webradios an ([5]).
Eine vergleichbare internationale Lizenz gibt es schon länger für konventionelle Hörfunksender, die ihre Programme zusätzlich online anbieten: Die so genannte Simulcast-Lizenz.
Im Februar 2004 einigten sich verschiedene Interessenverbände der Wirtschaft mit Internet-Radios über die Höhe der zu entrichtenden Lizenzgebühren: Die Webradios müssen rund 0,07 US-Cent pro Musiktitel und Zuhörer zahlen oder alternativ 1,17 US-Cent pro Sendestunde; als dritte Alternative können Anbieter, die ihre Programme als Abonnement vermarkten, pauschal 10,9 Prozent der Umsätze an die Musikindustrie abführen.
Nach Angaben der IFPI übertrugen Ende 2003 allein in den USA rund 1.250 Internetradios ihre Programme mit IFPI-Lizenzen.
Patente
Auch im Software-Bereich entstehen zunehmend Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Trivialpatenten; so beansprucht beispielsweise die Firma Acacia Research unter der Bezeichnung Digital Media Transmission (DMT) diverse Patente für die die die Übertragung von Streaming-Angeboten via Kabel, Satellit oder LAN ([6]) und versucht diese seit Juli 2003 vor Gericht durchzusetzen.
Anwendungen
Es gibt zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für gestreamtes Tonmaterial; nicht alle denkbaren Anwendungen sind dabei bereits refinanzierbar, viele Anwendungen bewegen sich auch im Grenzbereich zur Illegalität. Die Anwendungsfelder lassen sich nach den jeweiligen Zielgruppen unterscheiden.
B2B
Im Bereich von B2B – gewerbliche Angebote von gewerblichen Anbietern an gewerbliche Anwender – sind dies hauptsächlich die Finanzkommmunikation, beispielsweise die Übertragung von Hauptversammlungen, IPO-PKs sowie Bilanzpresse- oder Analystenkonferenzen, die Übertragung von Kongressen, die Content-Lizenzierung (Syndication), sowie Schulungen und Trainings, Web-Conferencing und Web-Präsentationen.
B2C
Im Bereich von B2C – gewerbliche Angebote an Konsumenten – lassen sich vor allem die Erst- und Zweitverwertung von Content unterscheiden, weiterhin verschiedene Anwendungen im Bereich des E-Commerce wie Hörproben, Audio on demand und Pay-per-listen (Paid Content), das interaktive und/oder personalisierte Radio, Zusatz- und Hintergrundinformationen, Online-Archive sowie verschiedene Formen der Online-Werbung wie Markenverlänerung, Cross-Promotion und -marketing, Rich Media Ads undPreroll Advertising.
C2C
Der Bereich C2C – Konsumenten an andere Konsumenten – bewegt sich beim Streaming häufig jenseits des rechtlich zulässigen, da Konsumenten in der Regel nur über äußerst begrenzte Nutzungsrechte an Tonmaterialien verfügen; gestreamte Campus-Radios sind beispielsweise in den meisten Ländern der Welt faktisch illegal, ähnliche Anwendungen bewegen sich häufig in der Grauzone des Peer-to-Peer.
Ein Beispiel für eine solche Peer-to-Peer oder besser Person-to-Person-Anwendung von Streaming Audio ist das P2P-Radio von Mercora ([7]); der US-amerikanische Anbieter stellte im Juni 2004 eine Software vor, mit der ein weltumspannendes Netzwerk von privaten MP3- und WMA-Webcasts aufgebaut werden kann; der Internetradio-Client bietet ausserdem noch einen Instant Messenger, Chat- und Blog-Funktionen sowie einen eigenen Mediaplayer (Download). Finanziert werden soll das Vorhaben über eine Affiliate-Programm.
Sonderfälle
Ein Spezialfall gestreamter Tondaten ist die IP-Telefonie; hier geht es prinzipiell auch um eine kontinuierliche Übertragung von Audiodaten, die beteiligten Endpunkte der Kommunikation sind jedoch Endverbraucher, zwischen denen letztlich eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung aufgebaut werden muss. Daher unterscheiden sich die Anforderungen an die technischen Verfahren (z.B. Notwendigkeit eines Signalisierungsprotokolles) und auch die Software-Clients, mit denen der Endverbraucher den Dienst nutzt.
Geschichte und Entwicklung
Anbieter
Live-Streaming von Radioprogrammen
Zahlreiche deutschsprachige Radiosender bieten zumindest Teile ihrer Programme via Live-Streaming über das Internet an:
- Bayern 3: [8] (Real Networks Real Player, Microsoft Windows Media-Player)
- hr XXL: [9] (Real Networks Real Player, Microsoft Windows Media-Player)
- SWF 3: [10] (Real Networks Real Player)
Eine bruauchbare Übersicht zu deutschen Radiosendern, die ihr Programm live im Internet ausstrahlen, bietet [11].
Software
Clients: Player und Ripper
Siehe Streaming-Clients. gert
Produktionstools
Siehe Streaming-Produktion
Codecs
Siehe Audio-Codecs und Streaming-Codecs
Server
Siehe Streaming-Server
P2P-basierte Lösungen
Hardware
Neben Software-Clients gibt es mittlerweile auch einige streamingfähige Hardware, die unabhägig von einem Personal Computer arbeitet; ältere Produkte dieser Art vom Ende der 90er Jahre sind beispielsweise WebTV-Boxen, Navio und Audible-Handhelds. Auch Microsofts Xbox läßt sich mit Hilfe des Xbox Linux-Projektes in einen relativ preiswerten Streaming-Client umwandeln. Auch Linux-basierte Embedded-Geräte und PDAs lassen sich mit dem Open Palmtop Integrated Environment (Opie) seit Mitte 2003 streaming-fähig machen.
Ebenfalls seit etwa 2003 etablieren sich auch zunehmend streamingfähige "Stereoanlagen" für das Wohnzimmer, die so genannten AV-Streaming-Boxen, teilweise in Kombination mit WLAN-Technik. Beispiele für solche Streaming-Boxen sind das ShowCenter von Pinnacle Systems, MediaMVP von Hauppauge sowie der Audio-Server MS 300 von Ponti; diese Systeme nehmen über ein PC-Netzwerk gestreamte Daten entgegen, decodieren sie und bieten die entsprechenden Schnittstellen zur Anbindung an die Heimelektronik. Die einfachen Geräte sind reine Clients und können selbst weder CDs abspielen noch Musik oder Videos aufnehmen.
Pinnacle Systems ShowCenter bringt Videodateien vom PC über ein drahgebundenes 10/-MBit-Ethernet auf den Fernseher im Wohnzimmer und Audiodateien in den Formaten MP3, WAV und WMA via Streaming auf die Stereoanlage; ein WLAN-Adapter läßt sich über einen PC Card-Slot nachrüsten; in jedem Fall muss auf dem PC eine Server-Software laufen, welche die Multimedia-Dateien verwaltet. Ein ähnliches Konzept verfolgt Hauppauges MediaMVP. Pontis Audio-Server MS 300 unterstützt ausschließlich das Streaming von Audiodaten und nutzt den heimischen Fernseher nur zur Darstellung von Navigationsmenüs zur Steuerung.
Sony bemüht sich mit Produkten wie seinem Hifi Network Media Receiver (z.B. STR-LV700R) um eine besonders enge Verzahnung von konventioneller Unterhaltungselektronik mit PC-Technik; von einem Home-Server (z.B. Vaio PCV-RZ504) aus werden drahtlos oder drahtgebunden die dazugehörigen Endgeräte mit Musik, Fotos oder Videos versorgt. Vergleichbare Funktionalitäten lassen sich preiswerter auch im Eigenbau konstruieren – entsprechende PC-Kenntnisse und genügend Zeit vorausgesetzt; verschiedene PC-Fachzeitschriften haben entsprechende Bauanleitungen mit passender Software veröffentlicht (c't, PC Professionell u.a.).
Ein Beispiel für stärker an PC-Technik orientierten Angeboten ist Devolos Microlink-Produktfamilie. An den PC wird der Micolink dLAN Ethernet/USB-Adapter angeschlossen, dessen Signale vom Microlink dLAN Audio-Adapter drahtlos an einem anderen Standpunkt empfangen werden. Die Endgeräte benötigen nur einen Stromanschluss und empfangen beispielsweise gestreamtes Audio. Im Gegensatz zu einem normalen WLAN-Access Point bieten sie jedoch direkte Schnittstellen wie Cinch- oder Klinkenstecker zu anderen Audio-Endgeräten wie Aktivboxen, Subwoofersystemen oder Stereoanlagen.
Vergleichbare vom PC entkoppelte Streaming-Clients bieten beispielsweise auch Apple (AirPort Express, eine WLAN-Basisstation nach dem Standard 802.11g mit analogem und digitalem Audio-Ausgang; [12]) oder Creative (SoundBlaster Wireless Music) an.
Intel versucht, die verstreuten Initiativen der verschiedenen Hersteller in der Digital Home-Initiative zu bündeln ([13]); in Intel-Terminologie heißen die Endgeräte dann Digital Media Adapter (DMA; [14]).
Neben Streaming via WLAN existieren auch einige Lösungen, die Daten über Bluetooth übertragen; für derartige HiFi-Übertragungen wurde 2003 das Advanced Audio Profil (A2DP) spezifiziert. Erste marktreife Produkte wurden Mitte 2004 von den Unternehmen Air2U ([15]), Aiptek ([16]) und Sonorix ([17]) vorgestellt.
Dienstleistungen
- Apple: iTunes Music Store, ein Online-Musikshop
- Flatcast ([18]), ein WWW-Streamingportal
- Microsoft: MSN Radio, ein im September 2004 in den USA eingeführtes neues Angebot von MSN Music; Microsoft erwirbt dafür Playlists von Nielsen Broadcast Data Systems, welche die Programme von 1200 Radiostationen analysieren; Microsoft stellt daraus eigene Programme zusammen, die via Streaming verbreitet werden (vgl. [19]).
- Real Networks: RealPlayer Music Store, ein Online-Musikshop (ab 2004; Musikstücke im AAC-Format, kopiergeschützt durch Helix Digital Rights Management)
Siehe auch
Literatur
Deutschsprachig:
- Gerald Himmelein: Störungsfreie Ströme. Audio-Streams trotz geringer Bandbreite lückenlos genießen (Praxis). In: c't 7/2002, S. 216
- Tobias Künkel: Streaming Media in der Praxis. Technologien, Standards, Anwendungen. Addison-Wesley 2001. ISBN 3827317983
- Jürgen Mayer (Hrsg.): Streaming Media. Internet bewegter, bunter, lauter (new technology). Markt + Technik 2001. ISBN 3827261430 (Website)
- Klaus J. Schäfer, Andreas Hensel, Franz Lehner: Video- und Audio- Streaming im Internet. Universität Regensburg. ISBN 3932345924
- Axel Zerdick, Arnold Picot, Klaus Schrape et al.: Die Internet-Ökonomie. Strategien für die digitale Wirtschaft (European Communication Council Report). Berlin, Heidelberg, New York u.a.: Springer 1999. ISBN 3-540-64915-8
Englischsprachig:
- José Alvear: Web Developer.com Guide to Streaming Multimedia. New York. Chichester, Weinheim u.a.: Wiley 1998. ISBN 0-471-24822-3
- Eyal Menin: The Streaming Media Handbook. Prentice Hall 2002. ISBN 0130358134
- Peggy Miles: Internet Guide to Webcasting. New York. Chichester, Weinheim u.a.: Wiley 1998. ISBN 0-471-24217-9
- Jeannie Novak und Pete Mankiewicz: Web Developer.com Guide to Producing Live Webcasts. New York. Chichester, Weinheim u.a.: Wiley 1998. ISBN 0-471-29409-8
- Michael Topic: Streaming Media Demystified. McGraw-Hill 2002. ISBN 007138877X
Weblinks
- http://www.radiosites.de/senden.shtml - Formate und Möglichkeiten im Überblick: Die ersten Schritte zum eigenen Webradio (Radiosites.de)
- http://radio.irt.de/aida/docs/TMT98int.pdf - Streaming Audio @ Internet und Tonqualität: Wie weit sind wir heute? (von Wolfgang Zieglmeier, Berichtsband 20. Tonmeistertagung Karlsruhe, 20. - 23. November 1998, pp. 1101 - 1109)