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Film | |
Titel | Wut |
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Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahre | 2006 |
Länge | 90 Minuten |
Stab | |
Regie | Züli Aladağ |
Drehbuch | Max Eipp |
Produktion | Christian Granderath |
Musik | Johannes Kobilke |
Kamera | Wojciech Szepel |
Schnitt | Andreas Wodratschke, Dora Vajda |
Besetzung | |
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Wut (dt. Alternativtitel: Can) ist ein deutscher Fernsehfilm (2005) des Regisseurs Züli Aladağ.
Er verursachte unmittelbar vor der Erstausstrahlung im September 2006 eine Kontroverse über Gewalt in den Medien. Der vom Westdeutschen Rundfunk als Beitrag zur Integration gedachte Film sollte ursprünglich am 27. September 2006 (Mittwoch) zur Hauptsendezeit mit anschließender Diskussionssendung im Ersten gezeigt werden, wurde jedoch kurzfristig auf den 29. September (Freitag) in das Spätprogramm verschoben. Diese Programmänderung wurde allgemein kritisiert.
Handlung
Das Filmdrama spielt in Berlin und beschreibt die Eskalation eines Konflikts zwischen einer Familie des Bildungsbürgertums und einem türkischstämmigen Jugendlichen. Daneben thematisiert der Film das Scheitern der Kommunikation sowohl innerhalb der deutschen als auch der türkischen Familie.
Der angehende Literaturprofessor Simon Laub und seine Frau Christa, Immobilienmaklerin, ermöglichen ihrem Sohn Felix ein Leben in Wohlstand und Bildung, doch Felix hat Probleme mit dem türkischstämmigen Jugendlichen Can, dem er regelmäßig Marihuana abkauft. Dieser ist als Sohn eines Gemüsehändlers weniger gut gestellt und zeigt sich seinem wohlhabenden deutschen Freund gegenüber bisweilen neidisch und missgünstig. Aber erst als Cans Gang Felix seine neuen Markenturnschuhe „abzieht“ und der Junge barfuß nach Hause kommt, bemerkt Felix' Vater, dass sein Sohn ein Problem hat.
Gegen Felix' Willen versucht Simon nun, Can durch Zureden dazu zu bewegen, seinen Sohn in Ruhe zu lassen, verhält sich dabei allerdings wenig einfühlsam. Durch ein Gespräch mit Cans Vater verspricht er sich, die Situation endgültig zu bereinigen. Can bringt schließlich auch wirklich die Schuhe zurück, trumpft dabei aber überheblich auf und lässt kein Bedauern erkennen. Die Liberalität des Literaturprofessors, die sich bereits zuvor schon als nur vorgeblich erwiesen hatte, erhält dieser nun nicht einmal mehr zum Schein aufrecht. Vielmehr lässt er sich zu einer Herrenmenschenpose hinreißen, indem er den Jugendlichen mit bewusst gewählten Worten herabsetzt: „Sagen wir, Sie hatten die Schuhe zum Putzen“.
Schritt für Schritt setzt sich eine Rache- und Gewaltspirale in Gang. Vater Laub, der durch die immer bedrohlicher werdenden Attacken Cans allmählich auch seine letzten Skrupel verliert, greift zu drastischen Gegenmaßnahmen: So zeigt er den Jungen wegen seines Drogenhandels bei der Polizei an – Can wird nach der polizeilichen Hausdurchsuchung von seinem Vater verstoßen – und lässt ihn später durch einen Freund zusammenschlagen. Felix sieht derweil Can weiterhin als seinen Freund an und versucht in einer schwierigen Gratwanderung, einen Standpunkt zwischen den beiden Streithähnen zu finden. Stolz und Arroganz der Kontrahenten stehen einer konstruktiven Lösung jedoch im Weg; der Konflikt mündet in einer Katastrophe.
Informationen zum Film
Gedreht wurde Wut im Herbst 2005 in Berlin.
Oktay Özdemir („Ich hätte auch gern den Felix gespielt“) spielt den Jugendlichen Can, der Professorensohn Felix Laub wird von Robert Höller dargestellt. August Zirner und Corinna Harfouch sind in den Rollen seiner Eltern zu sehen.
Der Produktionsfirma Colonia Media, die Wut für den WDR produzierte, stand - für späte Sendetermine unüblich - ein größeres Budget zur Verfügung, weil die Produktion ursprünglich für die Hauptsendezeit angesetzt war.
Das Drehbuch von Max Eipp galt schon vor seiner Verfilmung als äußerst heikler Stoff und wurde deshalb von Fernsehverantwortlichen mehrfach abgelehnt. Der ursprüngliche Schreibanlass war ein eigenes Erlebnis des Autors aus dem Bereich Jugendgewalt, welches er im Drehbuch dramatisch zuspitzt.
Bei dem Fernsehfilm handelt es sich um ein um Realitätsnähe bemühtes Filmdrama. Die Dramaturgie des Filmes folgt von Beginn an der erzählten Rache- bzw. Gewaltspirale und lässt dabei deutlich Anleihen an der Struktur und Rhetorik der Novelle Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist (nicht zufällig Gegenstand der Antrittsvorlesung Simons) erkennen. Vorherrschend ist ein episodenhafter Aufbau: Während eine Sequenz die Aktion zeigt, zeigt die nächste oft ohne Umschweife die Reaktion bzw. Gegenaktion, wodurch die Handlung ein großes Tempo erhält. Die Schauplätze sind dabei abwechselnd den entgegengesetzten Milieus der Protagonisten zuzuordnen. Was in den Zwischenzeiten geschieht bleibt im Detail im Unklaren, lässt sich aber grob aus dem Gezeigten erschließen. So wird z. B., nachdem zu sehen war, wie Can in seiner Wohnung verhaftet wird, gezeigt, wie Cans Gang Felix auflauert. In der nächsten Einstellung finden Felix' Eltern ihren Sohn bewusstlos und verletzt vor der Haustür. Völlig unklar bleibt dagegen durch die episodenhafte Erzählstruktur, ob Felix und Can in derselben Gegend wohnen, vielleicht sogar auf dieselbe Schule gehen, oder sie in völlig unterschiedlichen Stadtteilen aufwachsen und nur Felix' Drogenkonsum (Can dealt) die beiden immer wieder zusammenführt. Der Film zeigt zudem so gut wie keine Motive für die Handlungen, sondern vornehmlich die Handlungen selbst und lässt dadurch viel Raum für eigene Interpretationen des Zuschauers.
Die Filmerzählung weist dabei durchweg eine merkwürdige Fokussierung auf die Hauptdarsteller auf: mit Felix, seinen Eltern (inklusive ihrer beiden Verhältnisse), Can und dessen Vater ist das Repertoire an nicht nur schemenhaft gezeichneten Figuren bereits komplett. Außer Cans Jugendbande erscheinen zum Beispiel auch keine weiteren Jugendlichen, z. B. Mitschüler oder Freunde von Felix und selbst Cans Gangmitglieder, obwohl sie häufig zu sehen sind, werden in keiner Weise charakterisiert.
Äußerlich ist der Film an einer kommerziellen Spielfilmästhetik orientiert, benutzt teilweise verfremdende Effekte wie Slowmotion, lässt aber auch zeitweilig Einstellungen wie Dokumentaraufnahmen erscheinen. Neben der deutschen Sprache sind auch türkische Ausdrücke und Dialoge zu hören, die aber nur untertitelt werden, sofern es für das Verständnis der Handlung unbedingt notwendig ist. Die Sprache der jugendlichen Rollen spiegelt dabei den tatsächlichen Code unter Halbwüchsigen auf der Straße wider. Eine Besonderheit in dem auch ansonsten realistisch erzählten und chronologisch strikt auf das Ende zusteuernden Film, der auf motivklärende Stilmittel wie innerer Monolog oder Rückblende verzichtet, ist eine kurze Traumsequenz des Simon Laub.
Die knapp gehaltene musikalische Untermalung des Filmsoundtracks spiegelt wie die Dramaturgie den Gegensatz zwischen den beiden Familien wider: Sie reicht von türkischer Folklore über deutschsprachigen Hip-Hop deutsch-türkischer Rapper (der auch von Felix gehört wird) bis hin zu klassischer Musik von Schubert.
Der Film erreichte bei seiner Erstausstrahlung am 29. September 2006 2,67 Millionen Zuschauer (Marktanteil 12,5 Prozent). Die anschließende Diskussionsendung verfolgten 1,27 Millionen Zuschauer (10,8 Prozent Marktanteil). Der WDR aber auch die Tagespresse nannten die Quoten angesichts der Thematik der Sendungen „hervorragend“. Das „rege Interesse“ an den Sendungen drückte sich auch in 1500 Zuschaueranrufen aus, die der WDR nach den Sendungen zu Wut entgegennahm.
Eine Wiederholung des Films um 20:15 Uhr hätte prinzipiell schon 2006 im Rahmen der Filmsendungen 3sats zum Zuschauerpreis 2006 in der Kategorie „Bester Fernsehfilm“ stattfinden können, die die nominierten Werke, zu denen auch Wut gehörte, an elf Sendeterminen (sechs davon zur Hauptsendezeit) vor der Wahl durch Fernsehzuschauer per Telefon oder Internet noch einmal zeigen. Allerdings erhielt der Film bei einer Zulosung der Termine unter notarieller Aufsicht wiederum einen ungünstigeren Sendeplatz am 29. November 2006 um 22:25 Uhr. Bereits am Tag nach der Ursendung lief eine erste Wiederholung des Films um 22.00 Uhr auf EinsPlus.
Wut erhielt beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2006 von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste als erste Produktion überhaupt einen neu geschaffenen Team-Preis, der die Arbeit aller an der Produktion Beteiligten mit einer „besonderen Anerkennung“ würdigt. Um ein Haar hätte die Akademie den Film sogar zusammen mit der Culture-Clash-Komödie Meine verrückte türkische Hochzeit (2005) als „Besten Fernsehfilm des Jahres“ ausgezeichnet:
- Die Jury hätte, aus Respekt vor beiden Stücken, in dieser Konstellation am liebsten beide auf Platz 1 gesetzt, ganz einfach deshalb, weil es sehr selten eine solche Möglichkeit gibt, aus einem wichtigen Thema und seinen unterschiedlichen Umsetzungen einen Erkenntniswert zu schaffen.
Wut war zuvor bereits das Prädikat „besonders wertvoll“ der Filmbewertungsstelle Wiesbaden mit der Begründung verliehen worden, der Filmtitel übertreibe nicht, das Filmende halle lange. Der „mutige, fast dokumentarische Film“ erzähle „jenseits des Fernseh-Üblichen von der Gewalt in unserer Gesellschaft.“
Wut wurde auch schon vor der Ausstrahlung von der Kritik hoch gelobt. So nannte z. B. Peter Luley von der Süddeutschen Zeitung Wut „den mit Abstand beste[n] Fernsehfilm der Saison“. [1] Selbst die Katholische Nachrichtenagentur konstatierte, dass der als „hartes TV-Drama“ (TV Hören + Sehen) angekündigte Film „zu den herausragenden Fernsehereignissen des Jahres“ gezählt werden müsse.[2]
Kontroverse
Während das WDR-Presseheft zu Wut den Film in eine Reihe mit Meilensteinen der Fernsehgeschichte wie Das Millionenspiel oder Smog stellte, übten Jugendschützer wegen harter Gewaltszenen und gewalttätiger Sprache Kritik an der Produktion, die vorab innerhalb des Medienforums NRW zu sehen war.
WDR-Intendant Fritz Pleitgen gab schließlich die Verschiebung durch einen Beschluss der Intendanten der ARD bekannt, dem er als Vertreter des WDR nicht zugestimmt hätte: „Man glaubt, dass dieser Film zu gewalttätig sei und nicht um 20.15 Uhr ausgestrahlt werden sollte – in einer Zeit, wo noch viele Jugendliche an den Fernsehschirmen sitzen könnten.“ Pleitgen jedoch hätte der ARD „ein bisschen mehr Courage zugetraut“. Der Film sei ein Film für Jugendliche und zeige die Realität, wie Jugendliche sie heutzutage erleben – nicht, wie ältere Erwachsene sie gern hätten.[3] MDR-Intendant Udo Reiter behauptete hingegen später, die Entscheidung zur Verschiebung von Wut sei einstimmig gefallen: "Sich hinterher öffentlich davon zu distanzieren und sich von Journalistenkollegen als einzig Couragierten unter lauter Waschlappen feiern zu lassen, (sei) zumindest Geschmackssache" [4]
Andere Stimmen – auch zahlreiche Zuschauerstimmen in Internetforen – vermuten, die Gewaltdarstellungen seien gar nicht der Hauptgrund für die Verschiebung (das Drama erhielt schließlich auch eine Altersfreigabe der FSK „ab 12 Jahren“), sondern dass der Film mit seinem Titelhelden Can einen kriminellen Migrantenjugendlichen und sein Milieu realistisch darstelle und daher von gewissen Kreisen als ausländerfeindlich oder rassistisch eingestuft werden könnte. Drehbuchautor Max Eipp wurde dagegen in verschiedenen Printmedien zitiert, dass das im Film Dargestellte „nicht repräsentativ“ zu verstehen sei.[5]
„Es gibt Opfer und Täter in allen Ethnien, auch unter Türken. Man muss das erzählen dürfen, ohne sofort die Erklärung für die Sozialisierung einer Figur mitzuliefern“ warb in diesem Zusammenhang der Regisseur Züli Aladag, selbst als Kind aus der Türkei nach Deutschland eingewandert, den Film verteidigend gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger für mehr Selbstverständlichkeit und Normalität in der Diskussion auch über negative Seiten der Migration. Man solle die Diskussion über den Umgang mit Fremdheit und damit verbundene Schwierigkeiten nicht nur den Rechten überlassen. Hierzu sei der Film ein Beitrag. Die Dinge beim Namen nennen zu können und den Unmut über bestimmte Zustände zu formulieren habe zudem laut Aladag „für eine bestimmte Schicht der Deutschen etwas sehr Befreiendes.“[6]
Die deutsche Wochenzeitschrift Der Spiegel hatte dagegen zuvor die Absicht des Films „mit dem gutmenschlichen linksliberalen Köhlerglauben (zu) brechen, eigentlich seien Ausländer immer nur Opfer“ als „Spiel mit dem Feuer“ bezeichnet und damit laut WDR-Redakteur Wolf-Dietrich Brücker („stattdessen läuft jetzt Paradies in den Bergen“) den Anlass zu der Verschiebung gegeben. Der Spiegel kritisierte weiter, der Film Wut erwecke den falschen Eindruck, „die bisherige Debatte um die Integration der Ausländer (sei) von Tabus geprägt, von falscher deutscher Rücksichtsnahme.“[7] Das Nachrichtenmagazin bezeichnete den Schluss des Films, der Selbstjustiz propagiere, als „fahrlässig“. Andere Blätter dagegen wie das Hamburger Abendblatt lobten, dass der Zuschauer gerade aufgrund so eines Endes „kaum umhinkann, sich zu positionieren und mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen – was eine tabufreie Diskussion über Migrationsprobleme und vorgetäuschte Liberalität mit sich bringen könnte.“ [8]
Die beiden Springer-Blätter Die Welt und die Bild-Zeitung hielten noch weitere Beweggründe für die Verschiebung von Wut für möglich, nämlich die Angst der ARD vor islamistischem Terror. Damit sahen sie die Entscheidung im Zusammenhang mit den Ausschreitungen nach einem Vortrag von Papst Benedikt XVI., in welchem er eine islamkritische Äußerung zitiert, sowie der annähernd zeitgleichen Absetzung einer Inszenierung der Mozart-Oper Idomeneo, in der abgetrennte Köpfe von Religionsstiftern – darunter der von Mohammed – gezeigt werden. So malte z. B. der Publizist Hajo Schumacher in der Welt ein überspitztes Szenario aus: Was wäre, wenn islamistische Hysterisierungsprofis den WDR zum Ziel erklären würden: Dänemark, Regensburg, Köln? Würden in Syrien Pleitgen-Puppen an Galgen baumeln, in Indonesien die Hauszeitschrift „WDR print“ abgefackelt?[9] Da sich der Film des türkischstämmigen Regisseurs Aladag jedoch weder religiös noch islamkritisch gibt und die Verschiebungsentscheidung der ARD ihm zudem vielmehr eine weiter verstärkte Aufmerksamkeit beschert hat, als dass die Filmthematik an sich dadurch entschärft worden wäre und dennoch eine Nichtausstrahlung nie zur Debatte stand, muss man derartige Spekulationen einem unseriösen Meinungsjournalismus zuordnen.
Am Tag vor dem ursprünglichen Sendetermin stellte der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber in München noch einmal offiziell klar, dass allein die Bindung der ARD an den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sowie an weitere ARD-Richtlinien und Kriterien zum Jugendschutz der Grund für die Verschiebung war: „Das und nur das ist der Grund, weshalb die vom WDR eingebrachte Produktion Wut nicht vor 22.00 Uhr im Ersten gezeigt werden kann“.[10]
Ungeachtet dieser Erklärung berichteten tags darauf deutsche Medien, dass Politiker aus SPD wie CDU die Verschiebung als „Selbstzensur“ verurteilen: Während Johannes Kahrs gegenüber der Bild den späteren Sendeplatz als „indiskutabel“ bezeichnete – man könne „als Demokratie nicht dauernd irgendwelchen Radikalen nachgeben und […] Werte […] einfach aufgeben“, sah Bernd Neumann auch im Zusammenhang mit der Absetzung von Idomeneo „die demokratische Kultur in Gefahr“.[2] Mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber setzte sich neben anderen schließlich auch ein CSU-Mitglied öffentlich für den Film des türkischstämmigen Einwanderers Aladag ein und bezeichnete dessen Verschiebung als „fatales Signal. (…) Die Wahrheit (habe) Anspruch darauf, ohne Wenn und Aber gezeigt zu werden.“[11]
Fritz Pleitgen hatte unlängst mit dem Verschwinden von Film und Diskussion im späten Abendprogramm die Sendungen um ihre mögliche Wirkung auf die Gesellschaft beraubt gesehen: „Um Mitternacht eine gesellschaftlich wichtige Diskussion zu führen, ist natürlich eine vertane Chance.“[12]
Diskussion
Eine Live-Diskussion, die mit Sandra Maischberger und Asli Sevindim von einer deutsch- und einer türkischstämmigen Journalistin geleitet werden sollte und im direkten Anschluss an die Filmsendung unter dem Titel „Tatort Schulweg: Hilflos gegen Jugendgewalt?“ geplant war, kam nicht zustande. Durch die Verschiebung des Filmes auf den späteren Sendetermin am Freitag hätte sie erst gegen 23.30 Uhr beginnen können. Stattdessen wurde eine aufgezeichnete Sendung gezeigt. Das eigentliche Thema des Films Jugendgewalt kam dabei gleichermaßen aus der Sicht von Politikern, Experten und Betroffenen zur Sprache. Die Dauer der Sendung war zunächst auf 45 Minuten angesetzt, währte schließlich jedoch eine Stunde.
Die Presseinladung zur Aufzeichnung der Diskussionsendung, die am ursprünglich vorgesehenen frühen Termin am Mittwoch im Zusammenhang mit einer Filmvorführung von Wut vor einem teils jugendlichen Publikum stattfand, nannte ausdrücklich neben dem in Programmzeitschriften ausgedruckten Thema „Jugendgewalt“ auch Probleme der Integration ausländischer Jugendlicher in die deutsche Gesellschaft als eines der zentralen Themen, wie auch die verbreitete Wahrnehmung auf deutscher Seite, dass „jugendliche Migranten besonders häufig an solchen Gewalttaten beteiligt zu sein scheinen“.[13]
Das Publikum bestand vorwiegend aus Lehrern, Eltern und vor allem Schülern verschiedener Schulen aus Mönchengladbach, aber auch Lehrern und Schülern der GHS Alfred-Teves-Schule im niedersächsischen Gifhorn. Gäste waren darüber hinaus der Regisseur des Films, Züli Aladag, sowie der Hauptdarsteller Oktay Özdemir. Als Diskutanten waren Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen, Armin Laschet, Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, der Jugend-Kriminologe Christian Pfeiffer und ein türkischstämmiger Leiter eines Kölner Jugendtreffs geladen.
Die Diskussion endete mit deutlicher Kritik des Hauptdarstellers Özdemir an Armin Laschet, Integrationsminister NRW: Dieser sei viel zu selbstgefällig und verstehe die wahre Situation nicht (Darauf gab es von den anwesenden Jugendlichen großen Beifall). Die Situation sei viel negativer und dramatischer, worauf der Hauptdarsteller, als Veranschaulichung für die Konsequenzen des Nicht-Handelns (für die Verelendung) und Dramatik, das „Kaputtgehen“ der Jugendlichen (Teile seines Umfelds) durch Drogenkonsum beschrieb. Des weiteren würden die Pädagogen nicht dem wirklichen Wesen der Situation gerecht werden und könnten deshalb letztlich nicht helfen („Sie (die Pädagogen) haben kein Herz“).
Peer Schader vom Stern hob später Özdemirs Schlussmeldung als einzigen Höhepunkt der „mutlosen ARD-Runde“ hervor und bezeichnete die Diskussion ansonsten als „danebengegangen“:
- „Als der 20-Jährige Hussein im Publikum erzählte, dass er gerade mal zwei Monate aus dem Knast raus sei und schon wieder dieselben Probleme mit anderen Jugendlichen hätte wie vorher, als er laut und deutlich sagte: ‚Ich bekomme überhaupt keine Hilfe‘, und dass er obwohl in Deutschland geboren ohne richtige Aufenthaltsgenehmigung ja nicht einmal einen Job annehmen könne, wie sich das die Herren Politiker denn bitte schön mit der Re-Integration vorstellten, da ging Maischberger über all das einfach hinweg und fragte in ihre Expertenrunde: ‚Sind wir zu tolerant?‘[14]
lastete er das Misslingen zu einem großen Teil der Moderatorin Sandra Maischberger an, übte aber auch Kritik am Sendekonzept: „Wieso ließ man nicht Schüler und Lehrer über die Probleme diskutieren und setzte die Experten ins Publikum, um sie bei Bedarf nach kurzen Statements zu fragen?“. Ähnliches äußerte auch der Spiegel, der die Talkrunde als „eine Ansammlung von Stereotypen“ bezeichnete, bei der man „bis zum Ende nicht weiß, was das Thema ist“[15].
Wirkung
Ob und in wieweit der Fernsehfilm Wut Einfluss auf Kultur und Gesellschaft in Deutschland haben wird, ist heute noch nicht abzusehen. Das Fernsehkabarett hatte das Filmdrama zumindest noch vor seiner Sendung als Gegenstand der Satire entdeckt: So entschuldigte Harald Schmidt am 27. September 2006 den aufgrund der Programmänderungen im Zusammenhang mit der Nichtaustrahlung früheren Beginn seiner Sendung Harald Schmidt in seinem Eröffnungswitz mit „Gründen des Jugendschutzes“.
Das Hamburger Abendblatt sah bereits drei Tage nach der Ausstrahlung Aladags Ziel „ein Nachdenken (…) über (mögliche) Gewalt an deutschen Schulen, über missglückte Integration, unterschiedliche Wertevorstellungen und (darüber) wie man ein vernünftiges Miteinander gestalten kann (…) jenseits von politischer Korrektheit anzustoßen (…) gelungen“ und nannte das „ziemlich viel für einen Fernsehfilm“[16]
Robert Höller stellte im Zusammenhang mit der Filmsendung in einem Interview zum Tag der Deutschen Einheit zudem einen in der deutschen Diskussion meist vermiedenen Aspekt der Problematik heraus, nämlich den der Ausgrenzung von Einwanderern durch die deutschstämmige Gesellschaft:
- „Es ist ja einfach mal so, dass (…) Menschen mit Migrationshintergrund zwar offiziell von der Gesellschaft anerkannt werden, aber inoffiziell sind es dann halt doch nur „die Türken“. Ich habe das Gefühl, dass diese Menschen immer mehr von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, und immer seltener und schwieriger einen guten Job finden. Oft bekommen sie dann halt nur die Berufe, die kein Deutscher haben will, gehen putzen oder machen einen Dönerladen auf. Viele von denen sind ja auch in Deutschland aufgewachsen, werden von vielen aber gar nicht als Teil dieses Landes gesehen. Der Regisseur des Films Züli Aladag ist ja auch ein Türke, der hier aufgewachsen ist, und der heute als Regisseur arbeitet. Wenn man ihn aber auf der Straße sieht, ist er trotzdem nur ein ‚Türke‘ wie alle anderen.“[17]“
Auszeichnungen
- Prädikat „besonders wertvoll“ der Filmbewertungsstelle Wiesbaden
- Nominierung für den 3sat-Zuschauerpreis 2006
- „besondere Anerkennung“ durch die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste auf dem Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2006 für das gesamte Team von Wut
- Nominierung für die Kategorie ,,Bester Film" bei der Goldenen Kamera 2007
Quellen
- ↑ Peter Luley: „ARD verlegt Thriller. „Wut“ aus dem Migrantenmilieu“, Süddeutsche Zeitung, 27. September 2006
- ↑ a b „Warum dürfen wir heute diesen Film nicht sehen?“, Bild-Zeitung, 26. September 2006
- ↑ „Cosmo TV am 23.9.2006, 14.00-15.00 Uhr mit Schwerpunkt Jugendgewalt“, WDR-Pressestelle, 23. September 2006
- ↑ „MDR-Intendant kritisiert seinen WDR-Kollegen“, Digital Fernsehen, 22. Oktober 2006
- ↑ „«Wut»-Regisseur Aladag verteidigt seinen Film“, Schwabmünchner Allgemeine, 25. September 2006
- ↑ Michael Aust: „Wie tolerant bist du?“, Kölner Stadt-Anzeiger, 26. September 2006, Interview mit dem Regisseur Züli Aladag
- ↑ „Integration: Türkischer Teufel“, Der Spiegel, Nr. 38, 18. September 2006 (zahlungspflichtig)
- ↑ Maike Schiller: „Viel Wut, wenig Mut“, Hamburger Abendblatt, 26. September 2006
- ↑ Hajo Schumacher: „Fernsehen: Wut über die Verschiebung des Filmes „Wut“ “, Die Welt, 27. September 2006
- ↑ „Umstrittene Entscheidung. Gewalttätige Türken: ARD-Film „Wut“ wird verschoben“, Rheinische Post, 27. September 2006
- ↑ „«Wut»-Verschiebung für Stoiber falsches Signal“, Netzzeitung, 28. September 2006
- ↑ „Fritz Pleitgen: „Ich bin zornig“ “, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. September 2006
- ↑ „Presseeinladung zur Aufzeichnung der Diskussionssendung „Tatort Schulweg – Hilflos gegen Jugendgewalt“ “, WDR-Pressestelle, 25. September 2006
- ↑ Peer Schader: „Nee, wir reden erst über Strafen“, Stern, 30. September 2006
- ↑ Hani Yamak: „Die Wahrheit ist auf der Straße“, Spiegel, 30. September 2006
- ↑ „Wut – ein Fernsehfilm mit Nebenwirkungen“, Hamburger Abendblatt, 2. Oktober 2006
- ↑ „Robert Höller: ‚Die meisten Politiker haben viel zu wenig Umgang mit den Jugendlichen auf der Straße‘“, planet-interview, 3. Oktober 2006
Siehe auch
- Türken in Deutschland
- Liste türkischstämmiger Schriftsteller und Filmautoren Deutschlands
- Interkulturelle Kompetenz
- Knallhart
Weblinks
- Vorlage:IMDb Titel
- Presseheft zum Fernsehfilm (pdf-Datei) von coloniamedia.de
- „Umstrittener TV-Film. ARD zeigt „Wut“ später“, Spiegel Online, 22. September 2006
- „Wie tolerant bist du?“, Kölner Stadt-Anzeiger, 26. September 2006, Interview mit dem Regisseur Züli Aladag
- Knallhart vs. Wut – Eine Gegenüberstellung