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Transvestitismus

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Unter Transvestitismus (lat.: trans [hinüber]; vestire [kleiden]) wird das Tragen der Bekleidung eines anderen Geschlechts als Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität verstanden. Transvestitismus ist unabhängig von der sexuellen Orientierung und keine spezifisch homosexuelle Erscheinung.

Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen
ICD-10-Code:
F64.1

DSM-IV-Code:
302.3

Transvestitismus ist laut ICD-10 eine psychische Störung, und wird dort unter dem Code F64.1 (Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen) geführt. Zur Diagnose dieser Störung werden hauptsächlich drei Kriterien herangezogen:

  • Tragen der Kleidung des anderen Geschlechtes, um sich vorübergehend dem anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen.
  • Fehlen jeder sexuellen Motivation für das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechtes.
  • Kein Wunsch nach endgültiger Geschlechtsumwandlung.

Von dieser Diagnose ist „transvestitischer Fetischismus“ ausgenommen. Er wird unter den Paraphilien (F65.1) Diagnostiziert. Die Diagnosen sind umstritten, da die meisten Betroffenen bei denen die Diagnose F64.1 (Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen) sowie die Diagnose F65.1 (Transvestitischer Fetischismus) gestellt werden kann, ein ganz normales Leben führen. Die meisten Transvestiten sind verheiratet, gehen einer Arbeit nach, und verkleiden sich nur privat. Aus diesem Grund wird ausschließlich dann eine psychische Störung diagnostiziert, wenn die Betroffenen darunter leiden (Davison und Neale 2002).

Geschichte

Transvestitismus ist ein von Magnus Hirschfeld 1910 geprägter Begriff. Er beschrieb damit alle Menschen, die, gleich aus welchen Gründen, freiwillig Kleidung trugen, welche üblicherweise von dem Geschlecht, dem sie körperlich zugeordnet waren, nicht getragen wurde; und zwar sowohl Männer als auch Frauen. Heute entspricht dieser Begriff am ehesten dem Begriff Transgender.

Eine erste Unterscheidung zwischen Transvestitismus und seelischem Transsexualismus traf Hirschfeld selbst im Jahr 1923 in der letzten Ausgabe seines Jahrbuches für sexuelle Zwischenstufen, um das Begehren einiger Transvestiten nach körperlicher Anpassung an das andere Geschlecht zu beschreiben. 1953 griff Harry Benjamin diese Unterscheidung in seinem Artikel Transvestism and Transsexualism (Intl. Journal of Sexology) auf und etablierte sie 1966 mit seiner Veröffentlichung The Transsexual Phenomenon in der Sexualmedizin. Diese beiden Kategorien sind auch heute noch die bekanntesten aus dem Transgender-Spektrum. Seit den späten 1970er Jahren ist auch der Begriff Cross-Dressing geläufig, dazu kommen noch die Begriffe Travestie und Drag.

Unterschiedliche Formen des Transvestitismus

Drag Queen Olivia Jones auf dem Christopher Street Day Hamburg, Juni 2005
Cross-Dressing
Das Tragen von Kleidung eines anderen Geschlechts in der Öffentlichkeit oder privat. Üblicherweise nicht in übertriebener Form wie beim Drag. Männer, die heterosexuell und/oder bisexuell als Cross-Dresser aktiv sind, werden z.T. als Damen-Wäsche-Träger (Abk. DWT) bezeichnet.
Transvestitismus im engeren Sinne
Meist im Sinne von Cross-Dressing gebraucht, oder als Beschreibung von Cross-Dressing plus sexueller Befriedigung durch Cross-Dressing.
Drag
Zu unterscheiden ist hier zwischen Drag Queens und Drag Kings:
Drag Queens sind anatomische Männer, die Frauen in einer extrem überzeichneten Weise darstellen.
Drag Kings hingegen wird häufig für alle Menschen mit einem weiblichen Körper, die in irgendeiner Form Männlichkeit darstellen, benutzt. Dies schließt das gesamte Spektrum des Transvestitismus und einen großen Teil des Transgender-Spektrums ein.
Travestie
Überzeichnete Darstellung von Rollen oder Personen eines Geschlechts durch Mitglieder eines anderen Geschlechts. Davon abgeleitet auch überzeichnete oder misslungene Darstellungen von Dingen.

Anders als die vier oben genannten Begriffe meist nicht zum Transgender-Spektrum gerechnet wird

Transvestitischer Fetischismus
Fetischismus, der auf die Bekleidung oder Bekleidungsstücke eines anderen Geschlechts gerichtet ist. In der ICD-10 wird Transvestitischer Fetischismus unter dem Code F65.1 (Störung der Sexualpräferenz) geführt.

Üblicherweise besteht bei all diesen Formen (außer unter Umständen bei Drag Kings) nicht der Wunsch nach einem vollständigen Wechsel der Geschlechtsrolle, die Übergänge dazu, ebenso wie die Übergänge zwischen den obengenannten Formen, sind aber in der Praxis sehr fließend.
Insbesondere ist es nicht selten, dass der Wunsch nach einem vollständigen Geschlechtsrollenwechsel durch intensives Cross-Dressing für lange Zeit kompensiert werden kann, ehe dieser durchbricht und nicht mehr kompensiert werden kann, und ein vollständiger Wechsel der Geschlechtsrolle angestrebt wird.

Rollen- und Namenstransvestitismus
Bei einigen Transvestiten ist der Fetisch im Hintergrund und sie fühlen sich TEMPORÄR wohl in der entgegengesetzten Geschlechtsrolle. Sie wollen in dieser Zeit auch im Gegengeschlecht wahrgenommen und behandelt werden. Kennzeichnend ist bei dieser Variante, daß es selten zu Rollenüberzeichnungen kommt. Natürlichkeit wird angestrebt. Dennoch nicht der komplette Wechsel wie bei der Transsexualität, sondern nur temporär. Es besteht jedoch eine Grauzone und eine Schnittmenge hin zur Transsexualität. Viele dieser Transvestiten „werden“ später transsexuell (latentente Transsexualität).

Diese Variante des Transvestitismus ist weitgehend unabhängig von der sexuellen Präferenz; im Gegenteil sind die meisten dieser Transvestiten heterosxuell veranlagt. Oft leben sie ihr zweites Dasein heimlich aus, ohne daß ihre Partnerin etwas davon mitbekommt. Es bestehen häufig Scham und Schuldgefühle.

Literatur

  • Magnus Hirschfeld (1910): Die Transvestiten. Über den erotischen Verkleidungstrieb. Berlin: Med. Verlag Alfred Pulvermacher.
  • J. J. Allen (1996): The Man in the Red Velvet Dress. Inside the World of Cross-Dressing. Ohne Ort. ISBN 1559723386
  • Hautzinger (Hrsg.): Davison und Neale (2002): Klinische Psychologie. Weinheim: BelzPVU. ISBN 3621274588

Siehe auch