Bahnstrom

Energieversorgung elektrischer Bahnen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. Januar 2007 um 10:28 Uhr durch 85.212.25.202 (Diskussion) (Umformerwerk). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unter Bahnstrom versteht man den elektrischen Strom, der für den Antrieb elektrischer Bahnen, insbesondere Eisenbahnen, verwendet wird. Der Strom wird den Fahrzeugen entweder über eine Oberleitung mit Stromabnehmern oder mittels einer Stromschiene zugeführt.

Bahnstrom-Oberleitung an Portalmasten (Schweizer Bundesbahnen)
Stromschienen bei der Hamburger S-Bahn

Historisch entwickelten sich in den verschiedenen Ländern oder bei unterschiedlichen Bahngesellschaften verschiedene Stromsysteme.

Stromarten

Gleichstrom

Gleichstrom ist fahrzeugseitig die einfachste Lösung. Es ist kein (schwerer) Transformator notwendig. Zudem sind Gleichstrommotoren bei gleicher Leistung kleiner als Wechselstrommotoren, was insbesondere bei beengten Raumverhältnissen günstig ist. Die Leistungssteuerung der Motoren kann zudem recht einfach über Vorwiderstände, über die die Motorspannung reguliert wird, erfolgen.

Gleichstromsysteme eignen sich daher besonders für Untergrund- und Straßenbahnen. Bei U-Bahnen werden in der Regel Stromschienen verwendet, weil eine Oberleitung ein größeres Tunnelprofil erfordern würde. Stromschienen können aber, schon aus Sicherheitsgründen, nur mit niedrigen Spannungen (in der Regel 500 bis 750 V) betrieben werden. Bei Straßenbahnen spielen neben den technisch einfacheren Fahrzeugen ebenfalls Sicherheitsgründe eine Rolle, denn ein Hochspannungs-Oberleitungsnetz über Straßen und zwischen Gebäuden wäre zu gefährlich.

Für Vollbahnen sind Gleichstromnetze weniger geeignet, finden aber trotzdem in vielen Ländern Verwendung, z. B. in Italien, den Niederlanden, Belgien, Osteuropa, Spanien, Südfrankreich, Südafrika und Japan (meist 1.500 oder 3.000 V). Die Nachteile ergeben sich hier aus der im Vergleich zu Wechselstromsystemen geringeren Spannung und den damit verbundenen höheren Strömen: Gleichstrommotoren können maximal mit etwa 1.500 V betrieben werden; bei einer Fahrspannung von 3.000 V müssen deshalb jeweils zwei Motoren in Reihe geschaltet werden. Auch 3.000 V sind jedoch – verglichen mit Wechselstromsystemen – eine relativ niedrige Spannung, weswegen für eine gegebene Leistung höhere Ströme notwendig sind. Dies erfordert auch eine andere Konstruktion der Oberleitung (oft mit mehreren Leitern) und der Stromabnehmer oder sogar die Verwendung von zwei Stromabnehmern gleichzeitig.

Auch die (konventionelle) Leistungssteuerung über Vorwiderstände ist entsprechenden Regelungssystemen bei Wechselstrom unterlegen, da sie deutlich stärker verlustbehaftet ist: Die Widerstände heizen sich auf und werden deshalb oft auf dem Dach der Fahrzeuge angeordnet.

Dieser Nachteil entfällt bei neueren Fahrzeugen, in denen die Gleichspannung mit Hilfe von Leistungselektronik umgeformt und sogar in Drehstrom umgewandelt werden kann, so dass die einfachen und robusten Asynchronmotoren verwendet werden können. Dennoch fällt bei modernen Mehrsystem-Triebfahrzeugen die Leistung unter Gleichstrom in der Regel geringer aus, weil der Nachteil der hohen zu übertragenden Ströme unverändert besteht.

Einphasiger Wechselstrom

Wechselstrom mit Standard-Industriefrequenz

Die weltweit größte Verbreitung bei Bahnen hat Wechselstrom mit der landesüblich verbreiteten Netzfrequenz (meist 50 Hz, in den USA 60 Hz).

Die Betriebsspannung ist dabei meist 25.000 V, in den USA (Lake Powell Railway) und Südafrika (Erzbahn Sishen – Saldanha Bay) gibt es Bahnen, die sogar mit 50.000 V fahren.

Der Vorteil der Verwendung der Netzfrequenz besteht darin, dass eine Speisung aus dem öffentlichen Stromnetz zumindest theoretisch leicht möglich ist. In der Praxis besteht dabei jedoch die Gefahr von Schieflasten im Industrienetz.

Der Nachteil dieser Systeme war anfangs die Notwendigkeit von Leistungselektronik, da die Motoren für die hohe Frequenz nicht geeignet waren und der Wechselstrom deshalb gleichgerichtet werden musste. Dafür wurden Leistungsgleichrichter benötigt, eine Technik, die erst Anfang der 1940er Jahre beherrscht wurde. Anfangs kamen dabei noch Quecksilberdampfgleichrichter zum Einsatz; erst in den 1960er Jahren setzten sich Halbleitergleichrichter durch.

Die Spannungsregelung erfolgte anfangs wie bei mit den mit reduzierter Frequenz betriebenen Lokomotiven über Stelltransformatoren, später kam auch eine Regelung über Phasenanschnittsteuerung zum Einsatz. Das typische Bauelement dabei ist der Thyristor.

Wechselstrom mit verminderter Frequenz

In einigen europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden, Norwegen) fahren die Eisenbahnen mit Einphasenwechselstrom mit einer gegenüber der Öffentlichen Stromnetze verminderten Frequenz von 16,70 Hz statt 50 Hz. Auch Systeme mit 25 Hz sind in Verwendung.

Da Wechselstrom eine Transformierung der Fahrdrahtspannung auf die für die Motoren geeignete Spannung zulässt, kann eine deutlich höhere Fahrdrahtspannung gewählt werden als bei Gleichstrombetrieb (anfangs ca. 5.000 V, heute in den oben genannten Ländern 15.000 V). Die Transformatoren sind als Stelltransformator ausgeführt (siehe auch Stufenschalter für Leistungstransformatoren) und ermöglichen eine Spannungsregelung ohne die Verwendung von Widerständen. Das Gewicht dieser Transformatoren ist der leistungsbegrenzende Faktor bei Elektrolokomotiven.

Die gegenüber den öffentlichen Stromnetzen verminderte Frequenz wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gewählt, weil es nicht möglich war, große Einphasen-Elektromotoren mit hohen Frequenzen zu betreiben, da es dabei zu übermäßiger Funkenbildung am Kommutator kam. Historisch bedingt wurde mit Maschinenumformern oder Generatoren gearbeitet, durch deren Polteilung die Netzfrequenz von 50 Hz gedrittelt wurde, also 16⅔ Hz als Frequenz des Bahnstroms ergab. Der tatsächliche Wert der Frequenz schwankte jedoch abhängig von der Drehzahlkonstanz des Generators. Die Sollfrequenz des Bahnstroms in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde 1995 auf 16,70 Hz geändert, um unerwünschte Gleichströme in den Umformerwerken zu vermeiden, die durch die exakte Drittelung der Frequenz des öffentlichen Netzes entstanden. Der tatsächliche Wert weist allerdings weiterhin Schwankungen auf.

Bei der Umformung der Bahnenergie mittels Synchron-Synchron-Umformern beträgt die Frequenz des Bahnstroms exakt ein Drittel der Frequenz des speisenden Landesnetzes. Derartige Umformer sind u. a. in Schweden und im Nordosten Deutschlands in Betrieb.

Die verminderte Netzfrequenz hat jedoch auch Nachteile. Zum einen müssen die Transformatoren größer sein, zum anderen kann Strom aus dem öffentlichen Stromnetz nicht direkt bzw. durch einfache Herabtransformierung verwendet werden. Oft werden aus diesem Grund völlig unabhängige Netze mit Bahnstromleitungen unterhalten.

Drehstrom

Drehstrom ist aufgrund der guten Eigenschaften des Drehstrommotors geradezu prädestiniert für den Eisenbahnantrieb: Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass die sehr robusten und wartungsarmen Asynchronmotoren verwendet werden können, die ohne Bürsten auskommen und bezogen auf ihre Leistung ein relativ geringes Gewicht haben.

Verwendung von extern erzeugtem Drehstrom

Die bisher meisten Anwendungen des Drehstromantriebes erfolgten aus der Zuleitung über mehrpolige Oberleitungen. Dem standen mehrere Nachteile gegenüber: Zunächst einmal kann ein Asynchronmotor nur mit einer bestimmten, von der Frequenz abhängigen Drehzahl wirtschaftlich betrieben werden. Theoretisch muss also zur Regelung der Fahrgeschwindigkeit die Stromfrequenz kraftwerkseitig verändert werden, was sich aber nur für Versuche eignet und nicht für den praktischen Betrieb. Durch eine besondere Schaltung der Motoren (Polumschaltung) können diese zwar für mehrere Drehzahlen ausgelegt werden, eine feine Regelung wie bei Gleichstrommotoren ist jedoch nicht möglich.

Ein weiterer Nachteil eines Drehstrom-Bahnsystems ist die Notwendigkeit einer dreipoligen Stromzufuhr, was mit der Verwendung der Schienen als einer der Pole eine zweipolige Oberleitung erfordert. Eine solche ist jedoch kompliziert (vor allem an Weichen und Kreuzungen) und störanfällig (Kurzschlussgefahr).

Tatsächlich fanden Drehstrom-Bahnstromnetze daher nur sehr begrenzt Verwendung: In Norditalien hat es von 1912 bis 1976 längere Zeit ein größeres Drehstromsystem gegeben (3.600 V, 16 2/3 Hz). Die Gornergratbahn und die Jungfraubahn fahren noch heute mit Drehstrom (750 V, 50 Hz).

In den Jahren 1901 bis 1903 gab es Versuchsfahrten mit Drehstrom-Schnelltriebwagen in der Nähe von Berlin. Dabei wurden drei übereinanderliegende Oberleitungen verwendet, die seitlich abgegriffen wurden. Am 28. Oktober 1903 wurde mit 210,2 km/h ein Geschwindigkeitsweltrekord aller Verkehrsmittel aufgestellt, der erst 1931 mit dem Schienenzeppelin gebrochen wurde, der 230 km/h erreichte.

Drehstrom-Antrieb mit bordeigener Drehstrom-Umwandlung

Durch die Verwendung von Leistungselektronik können moderne Lokomotiven in beliebigen Bahnstromnetzen die Vorteile des Drehstroms nutzen, ohne dessen Nachteile bei der Zuführung zum Fahrzeug in Kauf nehmen zu müssen. Spannung und Frequenz können dabei auf elektronischem Weg stufenlos geregelt werden (Frequenzumrichter). Die erste Lokomotive, die Einphasen-Wechselstrom an Bord in Drehstrom umgewandelt hat, war die Baureihe 120 der Deutschen Bundesbahn.

Infrastruktur

Bahnstrom wird selten direkt aus der Umwandlung anderer Energieträger in einem Bahnkraftwerk gewonnen, sondern meist in einem Bahnstromumformerwerk, durch Umrichten des Stromes aus dem öffentlichen Hochspannungsnetz erzeugt.

Häufig gibt es innerhalb des Bahnstromnetzes Hochspannungsleitungen für die übergeordnete Versorgung der Strecken, sowie Mittelspannungsleitungen, die direkt zur Versorgung der Triebfahrzeuge über Oberleitungen oder Stromschienen dienen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden die Bahnstrom-Hochspannungsnetze mit 110 kV betrieben, die Mittelspannungsleitungen mit 15 kV, die Frequenz beträgt jeweils 16,70 Hertz.[1]

Die Trassen des Hochspannungsnetzes verlaufen in Deutschland, Österreich und der Schweiz meist völlig unabhängig von den Schienentrassen.

Umformerwerk

Ein Umformerwerk ist die Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Hoch- bzw. Höchstspannungsnetz und dem Bahnstrom-Hochspannungsnetz. Während für das öffentliche Höchstspannungsnetz Dreiphasen-Wechselstrom mit Spannungen wie 220 kV oder 380 kV und einer Frequenz von 50 Hertz üblich sind, bestehen Bahnstrom-Hochspannungsnetze fast überall aus nur einer Wechselstrom-Phase, wobei in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Frequenz 16,70 Hertz und die Spannung 110 kV üblich sind. Neben Umformern, bei denen die Netze zwischen Generator und Motor mechanisch durch rotierende Massen zwischen den beiden Stromsystemen gekoppelt sind, gibt es dabei auch Systeme ohne mechanische Teile, die alleine mit elektronischen Bauteilen den Strom wandeln. In diesem Fall spricht man von Umrichtern[1].

Unterwerk

 
Unterwerk in Waiblingen
Datei:Unterwerk.jpg
Unterwerk in Wijhe, Niederlande

Ein Unterwerk entspricht etwa einem Umspannwerk im öffentlichen Netz. Ein Unterwerk koppelt das überregionale Hochspannungsnetz mit dem Mittelspannungsnetz zur Fahrzeugversorgung.

Es werden Wechselstrom-Unterwerke eingesetzt, die Strom mit Frequenzen von 16,7; 25; 50 oder 60 Hz und Spannungen zwischen 3000 und 50.000 Volt erzeugen. 16,7 und 25 Hz sind spezielle Bahn-Frequenzen, die in Verbindung mit der Antriebsmotoren-Technik der elektrischen Triebfahrzeuge stehen.

Bei einem Bahnstrom-Unterwerk der DB, SBB oder ÖBB wird einphasiger Strom mit 110 kV / 16,70 Hz in einphasigen Strom 15 kV / 16,70 Hz für die Einspeisung in den Fahrdraht umgewandelt.

In einigen Ländern finden auch fahrbare Unterwerke Verwendung. Sie sind so aufgebaut, dass sie ohne größere Anpassung auf dem Schienennetz verkehren können, so dass Wartungsarbeiten kostengünstig an einem zentralen Wartungsstandort oder beim Hersteller ausgeführt werden können.

Bei Gleichstrombahnen wird normalerweise von einer Gleichrichter-Station gesprochen. Dort wird der Drehstrom durch einen Gleichrichter in Gleichstrom umgerichtet. Hierfür kommen Siliziumgleichrichter zum Einsatz. Früher wurden hierfür rotierende Umformer und wasser- bzw. luftgekühlte Quecksilberdampfgleichrichter verwendet. Zur Vermeidung von Gleichstromkorrosion und Vormagnetisierung von Wechselstromanlagen durch vagabundierende Gleichströme ist die Fahrschiene als Rückleitung der Gleichstrombahn galvanisch von der Erde getrennt. Bei zu hohen Potentialunterschieden zwischen Rückleitung und geerdeten Anlagen kommen selbsttätige, sogenannte Erdungskurzschließer zur Anwendung.

Bahnkraftwerk

Ein Bahnkraftwerk ist ein Kraftwerk, welches Bahnstrom liefert. Reine Bahnkraftwerke sind selten. Weitaus verbreiteter sind Kraftwerke, in denen sich sowohl Industriestromgeneratoren als auch Bahnstromgeneratoren befinden. Bahnkraftwerke sind als Wasserkraftwerke, konventionelle Wärmekraftwerke und Kernkraftwerke ausgeführt. Wind- und Solarkraftwerke wurden für die alleinige Erzeugung von Bahnstrom noch nicht realisiert.

Die Bahnstromgeneratoren für Wechselstrom mit verminderter Frequenz sind erheblich größer als die fürs öffentliche Stromnetz, die zugehörigen Turbinen sind Sonderanfertigungen.

Kraftwerke in Deutschland, die ganz oder teilweise der Bahnstromerzeugung dienen:

Weiterhin bestehen Verbindungen zu den Kraftwerken der Österreichischen Bundesbahn und den Schweizerischen Bundesbahnen, über die mit dem deutschen Bahnstromnetz elektrische Energie ausgetauscht werden kann.

Prozentualer Anteil bei der Erzeugung von Bahnstrom in Deutschland
Kraftwerkstyp Installierte Leistung Erzeugte Energie
Dampfkraftwerk 42,2 % 66,0 %
Wasserkraftwerk 11,0 % 10,0 %
Umformer 34,3 % 14,6 %
Umrichter 11,9 % 9,4 %
Gesamt 3200 Megawatt 11.000 Gigawattstunden / Jahr

Siehe auch

Quellen

  1. a b Glossar von DB Energie