Rieppeleon brevicaudatus ist eine kleine Chamäleonart aus der Unterfamilie der Stummelschwanzchamäleons (Brookesiinae). Die Art ist endemisch im Nordosten Tansanias.
Rieppeleon brevicaudatus | ||||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||||
Rieppeleon brevicaudatus | ||||||||||||||
Matschie, 1892 | ||||||||||||||
Verbreitung | ||||||||||||||
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Namensherkunft
Der lateinische Artname brevicaudatus bedeutet übersetzt "kurzschwänzig" (von lat. brevis = kurz und cauda = Schwanz). Ein eindeutiger deutscher Name ist nicht etabliert, die Art wird meist als "Erd-" oder "Stummelschwanzchamäleon" bezeichnet, dieser Name bezeichnet aber auch alle anderen Vertreter der gleichnamigen Unterfamilie.
Verbreitung und Lebensraum
Das Vorkommen von Rieppeleon brevicaudatus beschränkt sich auf die (Uluguru- und Usambara-Berge) im Nordosten Tansanias, wo die Art in den durch Rodung nur noch spärlich vorhandenen und Bergregenwäldern in Höhenlagen zwischen 300 und 900 m vorkommt.
Das Klima ist dort überwiegend feuchtwarm mit maximalen Tagestemperaturen bis 25 °C im geschlossenen Wald bei konstant sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Die Tiere bewohnen in erster Linie die untere Strauchschicht des Waldes und finden sich nur selten in höherem Geäst.
Merkmale
Rieppeleon brevicaudatus bleibt mit einer Gesamtlänge von ungefähr 90 mm, von der 1/5 auf den Schwanz entfällt wie die meisten Stummelschwanzchamäleons sehr klein. Die Art imitiert in ihrem äußeren Erscheinungsbild ein vertrocknetes Blatt (Blattmimese). Der Körper ist blattförmig, hoch und seitlich stark abgeflacht, die Beine sind sehr grazil und beweglich. Die Zehen haben jeweils zwei Krallent, die dem Tier einen sehr guten Halt auf dünnen Ästen gewähren. Der Kopf ist klein und kaum vom Körper abgesetzt, ein kleiner Helmansatz zeichnet sich bei beiden Geschlechtern ab. Das Maul läuft relativ spitz zu und kann sehr weit geöffnet werden, um auch große Beutetiere zu verschlingen. Der Schwanz ist dreieckig und sehr kurz, seine Greiffunktion ist nur von rudimentärer Bedeutung.
Auffallend sind die großen Augen, die - von einer faltigen Lidhaut geschützt - sehr weit aus den Höhlen hervortreten und unabhängig voneinander bewegt und bei Gefahr in die Augenhöhle eingezogen werden können. Dabei liefert jedes Auge für sich durch einen speziellen Linsenaufbau ein dreidimensionales Bild, mit dem Entfernungen sehr genau abgeschätzt werden können. Die Augenbewegungen sind oft das einzige Zeichen, das ein ansonsten perfekt getarntes Rieppeleon brevicaudatus verrät. Wie alle Chamäleons ist auch diese Art dazu fähig, ihre Körperfarbe binnen Sekunden zu verändern, allerdings ist diese Eigenart bei Rieppeleon brevicaudatus nur eingeschränkt vorhanden. Das vorhandene Farbspektrum reicht von verschiedenen Gelb-, Braun- und Grautönen über ein blasses Grün bis zu einer fast schwarzen Körperfärbung.
Abhängig von Stimmung, Temperatur und Gesundheitszustand ist R. brevicaudatus zu einem begrenzten Farbwechsel fähig. Im Folgenden sind einige Bildbeispiele typischer Färbungsvarianten angeführt.
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♂ Flechtenzeichnung
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♂ dunkle Streifenzeichnung
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♂ mit einzelner Seitenlinie
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♂ einfärbig
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♂ in abklingender Erregungsfärbung
Je nach Stimmung und Gesundheitszustand tragen insbesondere die Männchen häufig ein marmoriert wirkendes Flechtenmuster aus verschiedenen Braun- und Grüntönen. Die Beschuppung setzt sich aus unterschiedlich großen Kornschuppen zusammen, die der Art ein raue Oberfläche verleihen. An der Kehle befindet sich ein Längsreihe von 2 -3 großen, zipfelförmigen Schuppen, die den Eindruck eines Kinnbärtchens ergeben, welches Rieppeleon brevicaudatus von allen anderen Erdchamäleons unterscheidet und der Art den englischen Trivialnamen "bearded leaf-chameleon" (zu Deutsch: "bärtiges Blattchamäleon") eingebracht hat.
Die Geschlechter von R. brevicaudatus lassen sich anhand sekundärer Geschlechtsmerkmale bestimmen. So besitzen adulte Männchen einen längeren Schwanz und eine deutlich gezacktere Rückenlinie als ihre weiblichen Artgenossen. Auch die höhere Körperform der Weibchen kann Aufschluss über das Geschlecht des jeweiligen Tieres geben.
Verhalten und Ernährungsweise
Das tagaktive Rieppeleon brevicaudatus verbringt den Großteil des Tages damit, passiv auf Beute zu lauern. Die Tiere verharren oft stundenlang völlig regungslos an einem günstigen Standort, die enorm beweglichen Augen beobachten dabei aufmerksam die Umgebung.
Entdeckt das so getarnte Tier eine passende Beute (im Regelfall ein kleines Insekt oder Spinnentier) wird dieses mit beiden Augen ins Visier genommen und regungslos beobachtet, bis es sich in Reichweite der langen Fangzunge des Chamäleons befindet. Sobald dies der Fall ist, schiebt das Erdchamäleon seine Zunge zu einem kleinen Teil aus dem Maul, visiert seine Beute noch einen Moment lang an und schleudert dann im Bruchteil einer Sekunde zielsicher seine Zunge auf das Beutetier. Durch den Mechanismus (siehe Chamäleons) des verdickten Zungenendes bleibt das entsprechende Insekt am Fangapparat des Chamäleons kleben und kann so zum Maul befördert und unzerkaut geschluckt werden.
Die Schluckbewegungen werden instinktiv und deshalb auch im seltenen Fall eines Fehlschusses ausgeführt. Nur sehr hungrige Rieppeleon brevicaudatus durchsuchen die Umgebung aktiv nach geeigneter Beute. Als Trinkwasserquelle nutzen die Tiere in der Natur vermutlich Tau- und Regentropfen, die sich auf Blättern und Zweigen sammeln und direkt von diesen aufgeleckt werden. Es ist zu beobachten, dass die Art manchmal auch trockene Äste kurz mit der Zunge beleckt - diese Verhaltensweise scheint der Aufnahme von Gerüchen bzw. Geschmäckern und somit der Orientierung zu dienen.
Insbesondere männliche R. brevicaudatus verhalten sich gegenüber Geschlechtsgenossen sehr territorial und verteidigen ihr Revier durch Drohgebärden. Über tatsächliche Kämpfe zwischen Vertretern der Art ist nichts bekannt.
Eine sehr interessante Verhaltensweise der Art ist ein hochfrequentes Vibrieren des Körpers bei Gefahr. Vermutlich dient diese Vibration aber nicht nur der Abschreckung von Beutegreifern sondern auch der innerartlichen Kommunikation, da sich die Vibrationen im dünnen Geäst übertragen und damit anderen R. brevicaudatus die Anwesenheit eines Artgenossen signalisieren können. Besonders in der Kommunikation zwischen Männchen und Weibchen spielen darüber hinaus die Körperhaltung und die Färbung eine große Rolle. Die Nacht verbringen die Tiere meist schlafend in höherem Geäst.
Fortpflanzung
Balzverhalten
Rieppeleon brevicaudatus zählt zu den eierlegenden Chamäleons. Der Kopulation geht ein ausgiebiges Balzverhalten voraus, bei dem das Männchen durch ein prächtiges Farbenspiel, Körpervibrationen und ausgiebiges Kopfnicken versucht, die Aufmerksamkeit des Weibchens auf sich zu ziehen. Nicht paarungsbereite Weibchen entziehen sich diesen Annäherungen durch Flucht oder abwehrendes Körpervibrieren. Unter beengten Verhältnissen (wie in der Terrarienhaltung) werden auch nicht paarungsbereite Weibchen von sexuell aktiven Männchen festgehalten und bestiegen. Zu einer tatsächlichen Kopulation kommt es in diesen Fällen nur selten, da sich das betroffene Weibchen durch windende Körperbewegungen und Wegdrehen der Genitalregion gegen den Übergriff des Männchens wehrt.[1] Lässt das Weibchen die Annäherungsversuche des Männchens zu, wird es von diesem zum Teil mehrere Male umrundet, ehe das Männchen auf den Rücken seiner Partnerin steigt und es zur Paarung kommt.
Eiablage und Entwicklung
Die Weibchen tragen das befruchtete Gelege etwa 30 Tage lang im Körper und setzen die in der Regel 2 - 6 Eier dann in einer vorher ausgehobenen Grube im feuchtwarmen Bodensubstrat ab. Abhängig von Temperatur und Feuchtigkeit des Substrates schlüpfen aus den Eiern nach 40 - 90 Tagen Jungtiere mit einer Gesamtlänge von ungefähr 20 mm, die nach ungefähr 9 Monaten die Geschlechtsreife erreichen. Weibchen können das bei der Paarung aufgenommene Sperma über längere Zeit im Körper speichern und damit auch ohne weitere Paarungen Gelege befruchten. Dies scheint eine Anpassung an die sehr versteckte Lebensweise dieser Art zu sein, die garantiert, dass ein Weibchen auch nach längerer vergeblicher Partnersuche in der Lage ist, weiterhin befruchtete Eier zu produzieren.
Tarnung und Feindabwehr
Zusätzlich zu der bereits erwähnten Mimese verfügt R. brevicaudatus noch über weitere Möglichkeiten, Fressfeinde abzuwehren. So schützt sich die Art bei einem direkten Griff um den Körper durch das bereits erwähnte, hochfrequente Vibrieren. Viele Beutegreifer lassen von einer derart vibrierenden Beute augenblicklich ab. Daneben kann sich die Art hervorragend totstellen (Akinese) - die Tiere lassen sich fallen, ziehen ihre Augen ein, flachen ihren Körper ab und verfallen in völlige Bewegungslosigkeit. Zusätzlich verändern sie ihre Farbe meist in dunkle Töne um die Täuschung zu perfektionieren.
Taxonomie und Systematik
Bereits im Jahre 1892 beschrieb Paul Matschie die Art und stellte sie in die bis 2004 gültige Gattung Rhampholeon (Günther, 1874). Durch eine gründliche taxonomische Revision der Stummelschwanzchamäleons (Brookesiinae) durch Matthee, Tilbury & Townsend im Jahre 2004 wurde R. brevicaudatus gemeinsam mit den Arten R. brachyurus und R. kerstenii aus der Gattung Rhampholeon ausgegliedert und in die neue Gattung Rieppeleon überführt, die nun neben den Gattungen Rhampholeon und Brookesia die dritte Gattung innerhalb der Brookesiinae darstellt. Grund für diese Revision war eine klare Trennung zwischen Arten mit Nasenfortsatz (wie z.B. Rhampholeon (Rhampholeon) temporalis) und solchen ohne dieses besondere Merkmal.
Systematische Stellung von Rieppeleon brevicaudatus
nach Matthee, Tilbury & Townsend, 2004 Vorlage:Familytree/start Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree Vorlage:Familytree/end
Terrarienhaltung
Rieppeleon brevicaudatus ist ein relativ heikler Pflegling, der selten zum Verkauf angeboten und deshalb nicht häufig gehalten wird. Darüber hinaus wird die Art nur selten nachgezüchtet, weshalb die meisten angebotenen Tiere Wildfänge aus Tansania sind.
Unterbringung
Zur Haltung eines Pärchens oder eines Männchen mit zwei Weibchen sollte ein dicht bepflanztes Terrarium mit den Mindestmaßen L 60 x T 30 x H 40 cm gewählt werden. Die mindestens 3 cm hohe Bodensubstratschicht kann aus Walderde, einem Sand-Torf-Gemisch oder ähnlichen Materialen bestehen und sollte mit einer mindestens 5 cm hohen Laubschicht (z.B. Eiche) abgedeckt werden. Die weitere Einrichtung sollte viele Klettermöglichkeiten umfassen, die sich an der Größe der Tiere orientieren. Besonderes Augenmerk sollte auf gut strukturierte Versteckplätze gelegt werden, damit sich die Tiere bei Bedarf vollständig aus dem Weg gehen und jeden Sichtkontakt vermeiden können.
Klimabedingungen
Rieppeleon brevicaudatus bevorzugt Tagestemperaturen zwischen 20 und 25°C mit einer Nachtabsenkung um 2 - 3°C. Die Luftfeuchtigkeit sollte dabei konstant hoch sein (70 - 100%) was durch tägliches Besprühen des Terrariums erreicht wird. Wichtig ist außerdem eine ausreichende Frischluftzufuhr um Stickluft und Staunässe zu vermeiden. Die Tiere zeigen sich anfällig gegenüber dauerhaft hohen Temperaturen und werden unter diesen Umständen meist nicht sehr alt.
Futter
Wie in der Natur ernährt sich die Art auch im Terrarium von kleinen Insekten und Spinnentieren bis zu einer Größe von 2 cm. Entsprechende Futtertiere sind z.B. mittelgroße Heimchen, Fliegen und Drosophila. Eine abwechslungsreiche Fütterung steigert das Wohlbefinden der Tiere, um Mangelerscheinungen vorzubeugen sollten die Insekten vor dem Verfüttern gut ernährt und zeitweise mit Mineral- und Vitaminpräparaten bestäubt werden. Als Flüssigkeitsquelle nutzen die Chamäleons Wassertropfen, die nach dem täglichen Sprühen an Einrichtungsgegenständen haften bleiben.
Verhalten in Gefangenschaft
Die Art ist als sehr ruhig und verträglich bekannt. Weibchen lassen sich zumeist sehr gut miteinander vergesellschaften, während Männchen nie zusammen in einem Terrarium gepflegt werden sollten, da sie sich durch ihr ausgeprägtes Territorialverhalten gegenseitig unter Stress setzen, was auf Dauer zu Gesundheitsschäden führen kann.
Nachzucht
Die Nachzucht von Rieppeleon brevicaudatus in Menschenhand ist schon mehrmals und auch über mehrere Generationen hinweg gelungen. Bei richtiger Haltung paaren sich die Tiere bereitwillig und vergraben ihre Gelege im Bodensubstrat. Die Eiere können sowohl im Hälterungsbecken als auch separat bei Zimmertemperatur (22- 24°C) gezeitigt werden. Die etwa 20 mm großen Jungtiere schlüpfen bei diesen Temperaturen nach ungefähr 50 - 70 Tagen und können bereits kurz nach dem Schlupf mit Drosophila und Microheimchen ernährt werden.
Eine Beratung durch Fachleute und die Weiterbildung durch geeignete Literatur vor der Anschaffung dieser Tiere ist trotz der hier dargestellten Angaben unbedingt notwendig.
Gefährdung
Über den Bestand der Art ist wegen der versteckten Lebensweise und der nur spärlichen wissenschaftlichen Untersuchungen wenig bekannt. Da die Regenwälder der Uluguru- und Usambara-Region aber bereits zu großen Teilen gerodet wurden und diese Entwicklung auch weiterhin voranschreitet ist eine Gefährdung von R. brevicaudatus in seinem natürlichen Lebensraum nicht auszuschließen. Zusätzlich wird saisonabhängig eine große Anzahl von Exemplaren dem der Natur entnommen, um den Bedarf von Reptilienhaltern in Europa, Asien und Amerika zu decken. Ein seit 1999 existierendes Projekt der Wildlife-Conservation-Society zum Schutz der verbliebenen Urwälder in den Uluguru-Bergen verfolgt Schutzmaßnahmen für die dort ansässigen Populationen der Art.
Weblinks
Literatur
- P. Necas & W. Schmidt: Stummelschwanzchamäleons - Miniaturdrachen des Regenwaldes. Edition Chimaira, ISBN 3930612488
- G. Masurat: Vermehrung von Chamäleons. Verlag Herpeton, ISBN 3936180067
- D. Kieselbach, R. Müller & U. Walböl: Ihr Hobby - Chamäleons. BeDe-Verlag, ISBN 3933646340
Einzelnachweise
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