Zum Inhalt springen

Der Fischer (Goethe)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. Januar 2007 um 17:49 Uhr durch 81.14.221.207 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Fischer ist eine kurze Ballade von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahre 1778 in Kreuzreimen und drei- bis vierhebigen Jamben.

Ein Fischer angelt einsam, kühl bis ans Herz hinan. Doch unversehens taucht ein feuchtes Weib aus der Flut, verweist ihm sein Tun und betört ihn. Die Schlussverse sind zum geflügelten Wort geworden:

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.

Die naturdämonisch faszinierende Ballade wurde mehrfach vertont, unter anderem von Carl Loewe (1796-1869), Franz Schubert (1797-1828) und Achim Reichel (CD Regenballade).

Kompletter Text

Der Fischer

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

Ein Fischer saß daran,

Sah nach dem Angel ruhevoll,

Kühl bis ans Herz hinan.

Und wie er sitzt und wie er lauscht,

Teilt sich die Flut empor:

Aus dem bewegten Wasser rauscht

Ein feuchtes Weib hervor.


Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:

»Was lockst du meine Brut

Mit Menschenwitz und Menschenlist

Hinauf in Todesglut?

Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist

So wohlig auf dem Grund,

Du stiegst herunter, wie du bist,

Und würdest erst gesund.


Labt sich die liebe Sonne nicht,

Der Mond sich nicht im Meer?

Kehrt wellenatmend ihr Gesicht

Nicht doppelt schöner her?

Lockt dich der tiefe Himmel nicht.

Das feuchtverklärte Blau?

Lockt dich dein eigen Angesicht

Nicht her in ew'gen Tau?«


Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

Netzt' ihm den nackten Fuß;

Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll

Wie bei der Liebsten Gruß.

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;

Da war's um ihn geschehn;

Halb zog sie ihn, halb sank er hin

Und ward nicht mehr gesehn.


Text online