Patientenverfügung

Willenserklärung in medizinischer Hinsicht
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Die Patientenverfügung ist juristisch gesehen eine Willenserklärung. Mit der Patientenverfügung weist der Patient für den Fall, dass er einwilligungsunfähig wird, nach seinen persönlichen Vorstellungen den Arzt an, bestimmte medizinische Maßnahmen vorzunehmen oder zu unterlassen. Auch ein gesetzlicher Betreuer oder Bevollmächtigter ist an die Patientenverfügung gebunden.

Die Verfügung wird in aller Regel in schriftlicher Form hinterlegt. Da die Partientenverfügung im geschriebenen deutschen Recht bislang nicht erwähnt wird, gibt es keine Formvorschriften für ihre Errichtung. Die gelegentlich festzustellende Beschränkung des Inhalts von Mustern für Patientenverfügungen auf den Fall des nahen Todes bezeichnet zwar den in der Praxis häufigsten Fall, setzt dem möglichen Inhalt einer Patientenverfügung aber rechtlich keine Grenze. Eine Patientenverfügung kann Art und Umfang der ärztlichen Behandlung auch für den Fall regeln, dass der Patient eine Genesung anstrebt. Eine Patientenverfügung kann jederzeit vom Verfasser - ebenfalls ohne bestimmte Form, also auch mündlich - aufgehoben oder abgeändert werden.

Die meisten Patientenverfügungen werden von älteren Menschen erstellt. Vor allem die Angst, ein Pflegefall zu werden, ist das Hauptmotiv dafür. Abgelehnt wird darin am häufigsten die Dialyse, die Beatmung und die künstliche Ernährung.

Die Patientenverfügung ist keine Arbeitserleichterung für Angehörige und Ärzte, sondern eine rechtlich verbindliche Anweisung. Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung kommt Angehörigen oder Ehegatten in diesem Zusammenhang keinerlei Entscheidungsbefugnis zu. Die Äußerungen dieser Personen können lediglich dann, wenn der wirkliche Wille nicht (z.B. durch eine Patientenverfügung) fest steht, herangezogen werden, um den mutmaßlichen Willen des Patienten zu erforschen. Ausschließlich der Wille des Patienten und nicht, was andere in seiner Situation tun würden, ist für die Behandlung und deren Abbruch nach geltendem deutschen Recht die alleinige Richtschnur. Der Bundesgerichtshof formuliert in seiner Grundsatzentscheidung vom 17. März 2003 (Aktenzeichen: XII ZB 2/03):

"Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung - geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen, die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist."
"Liegt eine solche Willensäußerung, etwa - wie hier - in Form einer sogenannten "Patientenverfügung", vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts, aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer; denn schon die Würde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt, daß eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwischen verloren hat."
"Die Willensbekundung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf deshalb vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen "korrigiert" werden, es sei denn, daß der Betroffene sich von seiner früheren Verfügung mit erkennbarem Widerrufswillen distanziert oder die Sachlage sich nachträglich so erheblich geändert hat, daß die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfaßt"

Ein praktisches Problem der rechtlich wirksamen Patientenverfügung liegt darin, das sie bei einem Notfall oft nicht vorliegt. Deswegen werden Wiederbelebungsmaßnahmen häufig auch dann durchgeführt, wenn der Betroffene dies gar nicht wollte. Allerdings ist beim Verbot der Wiederbelebung darauf zu achten, ob der Verfügende diese nicht nur für den Fall seines Siechtums verboten hat und keine Einwände gegen notärztliche Maßnahmen bei einem Unfall oder plötzlichen Anfall erhoben hat.

Im Fall der Entscheidung über Leben und Tod kann ein Arzt, ein Betreuer/Bevollmächtiger oder das Personal eine Patientenverfügung aus Gewissensgründen und nach Maßgabe des Rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) mißachten.

Nur im Zustand der Einwilligungsfähigkeit kann eine Patientenverfügung rechtswirksam eingerichtet werden. Von einer Einwilligungsfähigkeit ist auszugehen, wenn der Geschäftsfähigkeit gegeben ist. Aber auch bei nicht vorhandener Geschäftsfähigkeit ist die Einwilligungsfähig vorhanden, wenn Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der Maßnahme erfasst werden könen. Im Zweifel dürfte ein entsprechendes ärtzliches Attest von Vorteil sein.

Die Patientenverfügung ist von der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden, die nicht den eigenen Willen zum Ausdruck bringt, sondern einen Dritten ermächtigt, an der Stelle des einwilligungsunfähigen Patienten zu entscheiden. In der Vorsorgevollmacht sollte daher darauf veriesen werden, dass der Bevollmächtigte an die Patientenverfügung gebunden ist. Mit der Betreuungsverfügung unterbreitet der Verfügende dem Gericht lediglich einen Vorschlag für die Person des Betreuers. Dieser ist aber auch an eine Patientenverfügung gebunden.

Siehe auch