Kleine Fabel

Kurzgeschichte von Franz Kafka
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Kleine Fabel ist eine sehr kurze Geschichte mit Fabelcharakter, die aber eigentlich eine Parabell ist von Franz Kafka, die 1920 entstand und postumvon Max Brod fälschlicherweise als Fabel veröffentlicht wurde, da Kafka ihr keinen Namen gegeben hatte, bot sich Max Brod der Name Kleine Fabelan.

Inhalt

Eine Maus klagt, dass die Welt immer enger würde. Früher sei sie allerdings beängstigend breit gewesen. Nur im kurzen Übergang zwischen diesen Zuständen war die Maus glücklich. Nun tauchen immer enger werdende Mauern auf und im hintersten Winkel steht die Falle, auf die die Maus zwangsläufig zuläuft. Die Katze rät ihr, doch einfach die Laufrichtung zu ändern und frisst sie.

Eine Deutung

Die Maus ist ein wirklich bedauernswertes, unfreies, verängstigtes Geschöpf. Fast nie ist die Welt so, wie sie sie haben möchte. Zwischen zu weit und immer enger werdend gibt es nur ein schmales Zustandsfenster der Behaglichkeit für sie, bezeichnenderweise der Anblick der in der Ferne auftauchenden begrenzenden Mauern.

Sie läuft wie hypnotisiert der Falle entgegen, als gäbe es keinen anderen Weg. Der Rat der Katze, doch die Richtung zu ändern, könnte an sich der Rat eines Freundes sein, der einen Ausweg aus festgefahrenem Denken zeigen möchte. Nur zu diesem Zeitpunkt und von der Katze vorgebracht ist er zynisch und sinnlos. Denn nicht die Falle ist die Gefahr, sondern die sich unbemerkt heranschleichende Katze selbst. Die Falle stand einfach nur da; hätte die Maus nicht die Entscheidungsmöglichkeit gehabt, ihr nicht nahe zu kommen? Aber die Frage ist ohnehin müßig. Das sich Nähern der Katze als die eigentliche Todesgefahr hat die Maus (und der Leser) gar nicht bemerkt, also hatte sie auch keine Gelegenheit, sich davor zu fürchten. Ansonsten ist die Maus ganz eingesponnen in ihre Ängste und Zwänge. Ist es da nicht fast eine Erlösung, wenn die Katze diese Existenz beendet?

Der Weg zwischen den enger werdenden Mauern auf die Falle zu könnte auch allgemein den Lebensweg mit dem zwangsläufigen Ende durch den Tod darstellen. Dann wäre gar keine freie Entscheidung möglich. Die Sorge wegen der Falle stellte dann die allgemeine Existenzsorge einschließlich der Angst vor dem Tod dar. Sie gehen aber durch ein ganz unerwartetes vorzeitiges Sterben völlig ins Leere.

Wie in vielen Kafka-Erzählungen ist hier die Fehleinschätzung der Realität und das Scheitern das Thema. Im Gegensatz zu diesen anderen Erzählungen wie z.B. Der Bau, Forschungen eines Hundes, Der Dorfschullehrer in denen abschließend ein gewisser unbefriedigender Schwebezustand bleibt, führt die vorliegende Geschichte abrupt in ein tödliches Ende. Und die Furcht der Maus bekommt so - allerdings ohne kausalen Zusammenhang - im Nachhinein ihre volle Berechtigung.

Quellen

  • Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen. Heraugegeben von Paul Raabe. Frankfurt am Main und Hamburg: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1970, ISBN 3-596-21078-X.
  • Franz Kafka: Der ewige Sohn, Peter-André Alt Verlag C.H. Beck München 2005 ISBN 3-406-53441-4
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