Egerland

Region im Westen Tschechiens
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Das Egerland (Eghaland, tschechisch Chebsko) ist im engeren Sinne eine Region im Westen Tschechiens. Ihre Zugehörigkeit zu Böhmen ist strittig, da das vorher zur Oberpfalz gehörige Gebiet erst 1322 durch Verpfändung zum Königreich Böhmen kam und auch danach noch lange Zeit eigenständige Institutionen hatte. Benannt ist das Egerland nach der Stadt Eger (tschechisch Cheb). Im weiteren Sinne werden zum Egerland auch das fränkische Einzugsgebiet der Eger in Deutschland und das alttschechische Gebiet um Karlovy Vary (Karlsbad) gerechnet.

Geographie

Das Gebiet des historischen Egerlandes ist fast deckungsgleich mit dem Okres Cheb, im Habsburgerreich Bezirk Eger.

Kern des Egerlandes ist das Egerer Becken (Chebská panev). Im Osten wird es durch den Kaiserwald (Slavkovský les) vom eigentlichen Böhmen getrennt. Das Tal der Eger (Ohře) trennt den Kaiserwald vom Erzgebirge (Krušné hory), dessen westlichster Teil das Elstergebirge (Smrčiný) ist. Hier verläuft, teilweise im Zickzack, die Grenze zum sächsischen Vogtland. Im Westen reicht das tschechische Gebiet bis in die ersten Ausläufer des Fichtelgebirges. Das Gebirge im Süden des Egerlandes heißt auf deutscher Seite Oberpfälzer Wald, auf tschechischer Český les, nicht zu verwechseln mit dem weiter südlich gelegenen Böhmerwald; dieser heißt auf tschechisch Šumava.

Geschichte

Römerzeit und Völkerwanderung

In römischer Zeit war das Egerland von Kelten bewohnt. Die Germanen scheinen bei ihrer Ausbreitung nach Süden westlich (Sueben im heutigen Süddeutschland) und östlich (Markomannen in Zentralböhmen) daran vorbeigezogen zu sein. In der Völkerwanderungszeit wurde es von Slawen besiedelt.

Heiliges Römisches Reich

Das Egerland kam in den Besitz der Pfalzgrafen von Vohburg an der Donau. Von Deutschen besiedelt wurde es im Zuge der bayerischen Ostkolonisation. Es kam durch Erbschaft an das Haus der Hohenstaufen, blieb kaiserlicher Besitz und war daher reichsunmittelbar. Daher ist Eger der einzige Ort der tschechischen Republik mit einer Kaiserpfalz. Das reichsunmittelbare Land wurde nach dem Sturz der Staufer aufgeteilt.

In den Chroniken der Zeit wurde es als Regio Egire (1135) oder Provincia Egrensis (1218) erwähnt.

Die historisch korrekte Bezeichnung für das Egerland ist Reichspfandschaft Eger. Die reichsunmittelbare Stadt Eger und das dazugehörende Landgebiet wurden von Kaiser Ludwig dem Bayer 1322 dem König von Böhmen verpfändet „bei Garantie der völligen Unabhängigkeit vom Königreich Böhmen“. Dieses Pfand wurde niemals eingelöst. Nachdem die Krone des Deutschen Reiches und Böhmens unter dem Geschlecht der Luxemburger in einer Hand vereinigt waren, war für eine Einlösung des Pfandes kein Grund mehr gegeben. Wegen des Pfändungsvertrages aber besaß das Egerland lange Zeit einen eigenen Landtag und galt nicht als staatsrechtliches Territorium Böhmens. Die verbreitete bezeichnung des Egerlandes als böhmisch ist wissenschaftlich unzutreffend. Verpfändungen von Herrschaften waren im Mittelalter und der frühen Neuzeit gang und gäbe aufgrund einer Art von Staatsprivatrecht.

Im Dreißigjährigen Krieg war die garantierte Unabhängigkeit von Böhmen immer schwieriger zu bewahren. Als 1628 die staatliche Einheit Bayerns formal wiederhergestellt wurde, verblieb das Egerland als nichteingelöstes Reichspfand bei Böhmen.

Österreich und Tschechoslowakei

Erst bei der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches wurde das Gebiet 1806 staatsrechtlich ein Teil Österreich-Ungarns, das es dem Kronland Böhmen angliederte.

Als 1997 der österreichische Ministerpräsident Graf Badeni mit seiner Sprachenverordnung die vollständige Gleichberechtigung der Tschechen mit den Deutschen in Böhmen und Mähren herzustellen versuchte, reagierte der deutsche Bevölkerungsteil mit massiven Boykottmaßnahmen gegen die Regierung, die so zum Rücktritt gezwungen wurde. Nach den Wahlen von 1907 saßen im österreichischen (cisleithanischen) Reichsrat mehr Slawen als Deutsche. Danach gelang keine konstruktive Zusammenarbeit von Reichsrat und Regierung mehr und seit 1909 wurde Österreich autoritär regiert.

Bei der Auflösung der Donaumonarchie 1918/19 wurde das Egerland (Chebsko) Teil der Tschechoslowakei. Die Egerländer Deutschen waren mehrheitlich über die Zugehörigkeit des Egerlandes zur Tschechoslowakei verärgert, die, wenn auch nach dem Gesichtspunkt des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zweifelhaft, Teil der gültigen Friedensverträge war. In der ersten tschechoslowakischen Republik hatten sie die gleichen Rechte wie Tschechen und Slowaken.

Zwei Tage nach dem Münchener Abkommen vom 29. September 1938 begann am 1. Oktober 1938 der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in die tschechischen Grenzgebiete, die am 21. November 1938 als Sudetenland dem Deutschen Reich einverleibt wurden. Keine vier Monate später, am 15. März 1939, wurde die Tschechsolowakei durch den Einmarsch der Wehrmacht zerschlagen und der tschechische Landesteil zum Reichsprotektorat Böhmen und Mähren gemacht. Den Beitrag einer nicht geringen Zahl ihrer Politiker zum Untergang der ersten tschechoslowakischen Republik mussten die Sudetendeutschen 1945 mit dem Verlust ihrer Heimat und ihres gesamten Vermögens bezahlen.

Einige Weiler wurden nach der Vertreibung der Deutschen nicht wieder besiedelt. Bisher sind sie auf tschechischen wie deutschen Landkarten weiterhin verzeichnet, obwohl die Häuser längst abgerissen wurden.

Im Raum Sokolov (Falkenau) ist der Bevölkerungsanteil der deutschen Minderheit heute wohl am größten in Tschechien.

Man kann in Tschechien übrigens nicht strikt aus dem Namen auf die Nationalität schließen: Als in der Gegenreformation die hussitischen (zumeist tschechischen) Großgrundbesitzer enteignet wurden, nahmen viele der neuen katholischen deutschen Grundbesitzer die Namen ihrer neu erworbenen Ländereien als Familiennamen an. Bevor Mitte des 19. Jahrhunderts die Tschechen den Deutschen in Böhmen und Mähren beinahe gleichgestellt wurden, nahmen tschechische Bürger nicht selten aus beruflichen Gründen deutsche Namen an.


Tschechien und das wiedervereinte Deutschland

In den letzten Jahren gibt es bei Deutschen wie bei Tschechen zunehmend Ansätze, die Leiden der jeweils anderen und die Schuld der jeweils eigenen Seite anzuerkennen.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Der historische Begriff Regio Egrensis wird neuerdings von der grenzüberschreitenden Landesplanung reaktiviert.

Unter dem Begriff Euregio Egrensis ist eine gesellschaftlich anerkannte Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Mitteleuropa entstanden. 1991 gegründet, wurde die Organisation zu einem Wegbereiter für Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tschechien. Neben der Euregio Egrensis haben sich die grenznahen Orte um das vogtländische Dreiländereck - Ortschaften des Böhmischen Vogtlands und des Vogtlandkreises - zur tschechisch-deutschen Mikroregion Freunde im Herzen Europas zusammengeschlossen.

Wirtschaft

Im Egerbecken gibt es vor allem Getreideanbau. Der Obstanbau hat, wie in den meisten Gegeden der ehemaligen CSSR, in den Jahren der Kollektivwirtschaft gelitten. Das Gebiet um (Asch) ist reich an Textilindustrie. Die Braunkohleförderung im Falkenauer Becken (Sokolovská panev) hat zu erheblichen Umweltproblemem geführt, die erst seit 1990 ernsthaft angegangen werden. In Stará- und Nová Role (Alt- und Neurohlau), Nové Sedlo (Neusattl) und Chodov (Chodau) war die Porzellanindustrie dominierend. Auch einige Handwerke erreichten überregionale Bedeutung. Luby (früher Schönbach) wurde wegen seiner Herstellung von Saiteninstrumenten das Cremona Österreichs genannt. Außer der Produktion gibt es in Luby auch eine Fachschule für den Instrumentenbau.

Tourismus

Beliebt und berühmt ist das Egerland auch wegen seiner salzhaltigen Thermalbäder. Da Karlsbad, älter und bedeutender als Marienbad und Franzensbad, eigentlich außerhalb des Egerlandes liegt, ist die offizielle Bezeichnung westtschechische Bäder die sinnvollste.

Kultur

Typisch für das Egerland sind die stattlichen Fachwerkhöfe mit großen Speicherbauten.

1907 wurde der Bund der Eghalanda Gmoin e. V. gegründet, der sich der Pflege der Egerländer Mundart widmet und heute von Deutschland aus weitergeführt wird.

Musik

Ernst Mosch, geboren am 7. November 1925 in Zwodau (heute: Svatava) bei Falkenau (heute Sokolov), gründete 1956 die Original Egerländer Musikanten. Er wird auch als König der Blasmusik bezeichnet. Mit seinem berühmten Orchester spielte er Polkas, wie die Amboss-Polka, Märsche wie den Egerländer Musikantenmarsch oder Wir sind Kinder von der Eger. Außerdem beeindruckte er mit Walzern wie Abschied vom Liebchen.

Darüber hinaus war das Egerland das letzte deutschsprachige Gebiet, in dem der traditionelle tschechische Dudelsack („böhmischer Bock“ genannt) gespielt wurde.

Literatur

Siehe auch