Die Thurzó (auch: Thurzó von Bethlenfalva; slowakisch heute auch: Turzo) waren eine wohlhabende mitteleuropäische Kaufmannsfamilie der Frühen Neuzeit.
Der Name taucht erstmals in einer bayerischen Urkunde aus der Mitte des 12. Jahrhunderts auf. Georg Thurzó († 1460) nannte sich seit 1430 Herr von Bethlenfalva. Die Familie gehörte zu den ältesten der „sedes decem lanceatorum“ in der Zips. Ihr Stammsitz war um 1430 in der Bergstadt Leutschau (ungarisch: Lőcse, polnisch: Lewocza, slowakisch: Levoča). Von dort siedelte Janos Thurzó 1464 ins polnische Krakau um, wo er 1465 das Bürgerrecht erwarb, bald das Amt eines Ratsherrn bekleidete und später Bürgermeister wurde.
Janos und einige seiner Söhne betrieben einen umfangreichen Rohstoffhandel in ganz Europa, vor allem mit Kupfer, Silber und Blei. Umfangreich engagierten sie sich im Bergbau, hauptsächlich in Oberungarn (der heutigen Slowakei), Ungarn, Böhmen und Schlesien. Vom Bergbau soll sich ihr Familienname Thurzó (= ungarisch Schürfer) ableiten.
Finanz- und Handelspartner der Thurzó waren neben wohlhabenden Krakauer Ratsherren vor allem die Augsburger Fugger, die sich auch auf diesem Gebiet kaufmännisch engagierten und durch Heiraten mit den Thurzós in verwandschaftliche Beziehungen traten. Es entstand ein Wirtschaftsimperium, das bis weit in den Westen des Kontinents reichte. Die Thurzó zählten zu den reichsten Kaufleuten Europas. Sie dominierten zeitweise das Wirtschaftsleben in Städten wie Nagybánya (Baia Mare), Neusohl (ung.: Besztercebánya; slow.: Banská Bystrica) und Kuttenberg (Kutná Hora), aber auch in der niederschlesischen Region des Reichensteiner Gebirges. Janos Söhne Aleksy und György Thurzó dehnten das Imperium bis nach Kleinpolen aus, erwarben zeitweise das Fürstentum Pleß in Oberschlesien und entwickelten enge Kontakte zum polnischen Königshof. Die für den geistlichen Stand bestimmten Söhne Johannes und Stanislaus wurden Bischöfe.
Die Familie trat außerdem als Förderin von Kunst und Kultur in Erscheinung, u. a. durch den engen Kontakt zum Humanismus.
Die zunehmende Polonisierung des Krakauer Bürgertums scheint die Thurzó dazu bewogen zu haben, wieder in ihre ungarische Heimat zurückzukehren. Nach 1525 scheinen sich die Geschäfte verschlechtert zu haben, die Verbindung mit den Fuggern wurde aufgelöst. Zudem veränderte die osmanische Besetzung eines Teils Ungarns nach der Schlacht von Mohács die geostrategische Lage Mitteleuropas entscheidend. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts starben die Hauptlinien der Familie aus.
Bedeutende Angehörige der Familie:
- Johann Thurzó (1437-1508), Krakauer Kaufmann und Kunstmäzen
Johanns Söhne:
- Johann(es) V. Thurzó (1466-1520), Professor und Rektor der Krakauer Akademie, Fürstbischof von Breslau
- Georg Thurzó (1467-1521), verh. mit Anna Fugger, Tochter des Ulrich Fugger. Oberster Münzmeister von Ungarn; führte die Geschäfte in Ungarn weiter.
- Stanislaus Thurzo (1470-1540), Bischof von Olmütz
- Alexius Thurzó (1490-1525), Hofrichter am ungarischen Hof; führte die Geschäfte in Krakau weiter.
- Hans Thurzó (*1492), Graf von Zips, Kammerpräfekt und Graf auf der Kremnitz, Freiherr von Pleß, Pfandherr von Wohlau mit Raudten und Steinau
Neffe von Johann:
- Sigismund Thurzó († 1512), 1503 Bischof von Neutra, 1506 Bischof von Transsilvanien und Großwardein
Urgroßneffe von Johann:
- František I. Turzo († 1557), Bischof von Neutra
Literatur
- Karen Lambrecht: Aufstiegschancen und Handlungsräume in ostmitteleuropäischen Zentren um 1500. Das Beispiel der Unternehmerfamilie Thurzó. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung 47 (1998), S. 317-346
- Oskar Paulinyi: Johann V. Thurzo, Bischof von Breslau. In: Schlesische Lebensbilder. Band 4, S. 1-5, Breslau 1931.
- Neue Deutsche Biographie, Band 10, S. 482