Thomasevangelium

Pseudoepigraph, apokryphe Sammlung von Aussprüchen und Dialogen von Jesus von Nazareth
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Das Thomasevangelium ist eine unverbundene Sammlung von Jesusworten, kurzen Szenen, die in einem Jesuswort gipfeln und Dialogen. Es gibt keinen äußeren Rahmen, keine fortlaufende Erzählung und keine Passionsgeschichte. Von der Gattung her ist es daher kein Evangelium sondern eine Spruchsammlung. Das Thomasevangelium wurde von keiner Kirche in den Kanon aufgenommen.

Text

Die griechischen Fragmente wurden um die Jahrhundertwende in Oxyrhynchus (Ägypten, durch Grenfell & Hunt) gefunden und später anhand des koptischen Texts identifiziert. Sie werden in das 3. Jhd datiert.

In vollständiger Fassung wurde das Thomasevangelium 1945/46 in koptischer Sprache in Ägypten bei Nag Hammadi gefunden. Der Text ist eine Übersetzung aus dem Griechischen. Das Manuskript wird auf das späte 4. Jahrhundert datiert.

Verfasser

Laut Prolog ist die Sammlung von Didymus Judas Thomas verfasst (wobei Didymus das griechische und Thomas das aramäische Wort für "Zwilling" ist). Über diesen Didymus Judas Thomas ist nichts bekannt. Im Neuen Testament kommt ein Thomas Didymus in Johannes 21,2 vor, in einer syrischen Handschrift auch in Johannes 14,22 ein Judas Thomas. Außerhalb des Neuen Testaments findet sich ein Judas Thomas in den apokryphen Thomasakten aus dem 3. Jahrhundert. Andererseits gibt es im Neuen Testament fünf Männer namens Judas, es ist jedoch nicht bekannt, ob einer von ihnen den Beinamen Didymus oder Thomas hatte.

Datierung

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass das Thomasevangelium in Syrien entstanden ist. Die Mehrheit von Autoren datiert es auf 150-180, einzelne Autoren gehen von einer Entstehung im 1. Jahrhundert aus.

An historischen nachweisbaren Anhaltspunkten für eine Datierung gibt es nur ein griechisches Fragment, das auf ca. 200 datiert wird und eine Erwähnung bei Hippolytus in der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts.

Beziehungen zu den neutestamentlichen Evangelien

Das Thomasevangelium enthält neben eigenständigem Material ebenso viel Material aus sämtlichen Schichten von Evangeliums-Traditionen, aus Markus, aus den Parallelel von Matthäus und Lukas, aus dem Sondergut von Matthäus und von Lukas und aus dem Johannesevangelium. Da es unwahrscheinlich ist, dass sich alle diese Traditionen unabhängig voneinander aus dem Thomasevangelium bedient haben, ist anzunehmen, dass das Thomasevangelium alle vier Evangelien benützt hat, also nach diesen zu datieren ist. Diskutiert wird auch eine Abhängigkeit vom Diatesseron, das um die Mitte des 2. Jahrhunderts in Syrien entstanden ist.

Das eigenständige Material weist deutlich auf einen gnostischen Hintergrund hin.


Textbeispiele

Ein bekannter Spruch aus dem Thomasevangelium ist z.B. "Jesus sagte: Ich bin das Licht, das über allen ist. Ich bin das All; das All ist aus mir hervorgegangen, und das All ist zu mir gelangt. Spaltet das Holz, ich bin da. Hebt einen Stein auf, und ihr werdet mich dort finden." Es finden sich darin aber auch so eigenartig anmutende Zitate wie: "Jesus sagte: Wer den Vater und die Mutter kennt, wird Sohn einer Hure genannt werden." oder: "(...) Denn jede Frau, die sich männlich macht, wird in das Himmelreich gelangen."


Das Thomasevangelium wurde 1999 durch den Film "Stigmata" einer breiten Öffentlichkeit bekannt.