Die ungarische Sprache (ungarisch magyar nyelv) weist mehrere regionale Unterschiede in der Aussprache auf. Daher sind Sprecher der verschiedenen ungarischen Sprachvarianten in der Lage, auch die anderen ungarischen Dialekte zu verstehen. Der einzige ungarische Dialekt (im Sinn eines deutschen Dialektes) ist der nördliche Csángó-Dialekt der Moldau).
Linguistische Klassifikation
Das ungarische Wort für die Sprachvarianten, nyelvjárás, ist ein Kompositum aus nyelv („Sprache“ oder „Zunge“) und járás, abgeleitet vom Verb jár, das u. a. die Bedeutungen „gehen, laufen, durchstreifen, durchwandern“ trägt. Das Substantiv járás kann als Einzelwort mit „Gang, Gangart“, aber auch mit „Bewegung“ oder in bestimmten Kontexten mit „Bezirk“ übersetzt werden. In einigen Fällen ist ihr Status als Dialekt oder eigenständige Sprache auch unter Linguisten umstritten (z. B. der Csángó-Dialekt der Moldau).
Daneben gibt es die Bezeichnung tájszólás, die ein Kompositum aus táj („Gegend“) und szól („sprechen“) ist.
Nach der klassischen Theorie werden im ungarischen Sprachraum acht große Dialekte unterschieden:
- die westliche Aussprache, nyugati nyelvjárás
- die transdanubische Aussprache, dunántúli nyelvjárás
- die südliche Aussprache, déli nyelvjárás - häufige Benutzung des Selbstlauts ö (ö-zni)
- die nordwestliche Aussprache, palóc nyelvjárás - häufige Benutzung des Selbstlauts á (á-zni)
- die nordöstliche Aussprache, északkeleti nyelvjárás
- die Aussprache der Theiß-Gegend, tiszai nyelvjárás
- die mittelsiebenbürgische Aussprache, mezőségi nyelvjárás
- die Székler Aussprache, székely nyelvjárás
Hinzu kommt der überwiegend in Rumänien gesprochene Csángó-Dialekt (csángó nyelvjárás), der durch sprachliche Isolation vom ungarischen Mutterland viele rumänische Wörter anstelle anderer Fremdwörter aufgenommen hat.
Einleitung
Die Amtssprache Ungarns ist die ungarische Sprache. In Ungarn wurde der erste Versuch einer größer angelegten Untersuchung, die zugleich dialektale und sprachhistorische Merkmale berücksichtigte, in Szeged unternommen. Es handelt sich um die Arbeiten zu Antal Horgers Monographie A magyar nyelvjárások (deutsch „Die ungarischen Dialekte“) von 1934, die vor allem eine korrekte, dem Niveau der Zeit gemäße Bestandsaufnahme der ungarischen Dialekte ist, aber auch viele bemerkenswerte sprachgeschichtliche Ausführungen enthält.
Ein deutlicherer Fortschritt war – trotz verschiedener anerkennenswerter früherer Versuche (denn Horger war hier nicht der einzige) – erst nach der Integration der sprachgeographischen Prinzipien sowie der Fertigstellung eines zeitgemäßen, zuverlässigen und das gesamte Sprachgebiet umfassenden Sprachatlasses zu erwarten. Hinsichtlich all dieser Anforderungen hat sich die Arbeitsgruppe von A magyar nyelvjárások atlasza (deutsch „Atlas der ungarischen Dialekte“) wichtige Verdienste erworben.
Auf der Sprachgeographie basierende Abhandlungen zur historischen Morphologie des Ungarischen gibt es nur wenige. Die umfassende Untersuchung des gesamten ungarischen Sprachgebietes wurde bis jetzt auch dadurch erschwert, dass der ungarische Sprachatlas nur sehr lückenhaftes Material aus Rumänien enthielt.
Betrachtet wurden: Infinitive als Grundwort, Bedeutungsveränderungen, das sprachliche Fortleben, die Silbenzahl, Art der Suffigierung, Betonung, Zusammen- oder Getrenntschreibungspraxis der Sprachdenkmale, die Gestaltung der Syntagmen mit den Adjektivableitungssuffixen -s, -i, -ú/-ű am Grundwort.
In der Fachliteratur wird die Bedeutungsveränderung als das prägnanteste Merkmal erwähnt. Diese ist aber in frühen Epochen (in Fall in der ur- und altungarischen Zeit) kaum verwendbar, da die Daten größenteils in lateinischen Texten zerstreut sind. Man ist meist nicht in der Lage, die genaue Bedeutung, bzw. den Eintritt der Bedeutungsveränderung festzustellen, denn wer könnte sagen, daß beispielsweise eine Person namens Jambor und eine andere, die Joember hieß, einen Bedeutungswechsel erlitten hätte. - Jambor aus "jó ember" bedeutet später 'fromm', jö ember, als Syntagma 'guter Mensch'. - Es ist auch zu erwähnen, daß sich parallel mit den Wortverschmelzungen nicht immer eine Bedeutungsveränderung vollzog. Das Wort némber aus nö + ember hatte sich als Kompositum schon verdunkelt, als es erstmals im Becsi-Kodex auftauchte, . Seine Bedeutung ist aber immerhin 'Frau, Weib, weibliche Person, weiblicher Mensch', also dieselbe, was ihre Teile zusammen bedeuten, Die heutige pejorative Bedeutung ('Frauensperson') ist erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts belegt.
Atlas der ungarischen Dialekte in Rumänien
Nachdem unter der Leitung der Ungarischen Sprachwissenschaftlichen Gesellschaft mit der Publikation von A romániai magyar nyelvjárások atlasza (in deutsch: „Atlas der ungarischen Dialekte in Rumänien“) begonnen wurde, ist das bisher größte sachliche Hindernis einer einheitlichen Betrachtung des ungarischen sprachgeographischen Materials überwunden.
Die Form vom Typ várjuk azt in determinierter Konjugation kann vielleicht schon in einigen Dialekten der landnehmenden Ungarn vorhanden gewesen sein, sie breitete sich jedoch als eine vom zentralen Sprachgebiet ausgehende Neuerung aus, die immer größere Gebiete eroberte. Neben der konzentrischen Verbreitung ist auch eine Bewegung von Westen nach Osten anzunehmen, wobei die Gegend Mezőség auch von Osten her unter dem Einfluss der -juk/-jük-Formen der Székler stand. (Bei den Széklern wiederum handelt es sich um eine Eigenheit, die sie aus der westungarischen Region mitgebracht haben.)
Die ungarischen Dialekte Siebenbürgens können in zwei große Gruppen geteilt werden. Die eine ist der Dialekt der Landschaft Mezőség, die das Flachland im mittleren Teil des Landes umfasst und zu dem auch der Dialekt von Kalotaszeg gerechnet wird. Die Székler Dialekte dagegen bilden einen einheitlichen Block am westlichen Fuß und im Becken der Ostkarpaten. Die komplizierten und verschieden gearteten Dialekte Siebenbürgens können nur sehr schwer unter einheitlichen phonetischen Merkmalen zusammengefasst werden, da die Ungarn dort in zahllosen, zwar über einen großen Raum verteilten, aber kleinen Sprachinseln leben. Auch deswegen haben sich viele archaische Züge erhalten, während neuerdings der starke rumänische Einfluss besonders in den Wörtern, die mit modernen Entwicklungen zusammenhängen, zur Geltung kommt.
Während die Personalendungen der determinierten und der indeterminierten Konjugation im Singular eine regelmäßige Verteilung aufweisen – indem die ersteren aus Personalpronomen, die letzteren aus Formantien abgeleitet sind (várom, várod, várja, várok, vársz bzw. hízol „du nimmst zu“), haben sich im Plural deutliche, aber nicht bis ins letzte Detail erforschte Umstrukturierungen vollzogen.
Die grammatischen Verhältnisse in den determinativen Zusammensetzungen dieser Zeit sind im allgemeinen merkmallos. Wenn dem Kompositum eine Terminusrolle zufällt, kann das grammatische Verhältnis markiert sein, z. B. füvönosztás „Aufteilung des Ackers durch unbeackerte Grasstreifen“, wörtlich eigentlich „Teilung auf dem Gras“.
Csángó-Dialekt der Moldau (Rumänien)
Die Gesetze der Form- und Satzlehre sind sogar im heutigen Sprachgebrauch der Tschango (Csángó-Dialekt der Moldau) noch lebendig, die seit Jahrhunderten getrennt vom Mutterland leben und deren Sprache sonst die größten historisch-phonetischen Abweichungen aufweist. Diese Dialekt unterscheidet sich von den übrigen durch den Reichtum an rumänischen Lehnwörtern. Doch die Bewohner der zwei am weitesten voneinander entfernten ungarischen Sprachgebiete – um bei unserem Beispiel zu bleiben –, die Tschangos der Moldau und die Ungarn von Felsőőr (Oberwart, Burgenland), verstehen sich im wesentlichen und können – abgesehen vom Gebrauch einiger ungewohnter Wörter – ohne besondere Schwierigkeit miteinander reden.
Literatur
- Loránd Benkő: Magyar nyelvjárástörténet (deutsch „Ungarische Dialektgeschichte“). Tankönyvkiadó, Budapest 1957.
- Loránd Benkő: Új módszerbeli lehetöségek a magyar nyelvjárástörténeti vizsgálatokban (deutsch „Neue methodische Möglichkeiten in den Untersuchungen zur ungarischen Dialektgeschichte“), 1961. In: Magyar Nyelv 57, S. 401–413.
- József Végh: Őrségi és hetési nyelvatlasz. (deutsche „Sprachatlas von Őrség und Hetés“). Akadémiai Kiadó, Budapest 1959.
- Pais, D. 1951. Kerdesek es szempontok a szoosszetetelek vizsgalatahoz, (deutsche "Fragen und Aspekte zur Untersuchung der Wortzusammensetzungen") In: Magyar Nyelv 47: 135-54.