Akrobatik

Sportart, Zirkusdisziplin und Oberbegriff für viele artistische Anteile anderer Sportarten
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Unter Akrobatik (über Französisch acrobate, von griechisch άκρόβατος „auf Zehenspitzen gehen“, aus άκρος „hoch“ und βαίνειν „gehen“), versteht man allgemein körperliche Bewegungen, die hohe koordinative und konditionelle Anforderungen an den Ausübenden stellen. Dazu gehören beispielsweise Überschläge, Salti und komplizierte Sprünge bzw. statische Figuren wie menschliche Pyramiden. Fast jede mögliche Leistung oder Sportart, die den gesamten Körper miteinbezieht - insbesondere bei kurzen, im hohem Grade kontrollierten Bewegungen - kann als Akrobatik gelten. Als Akrobat, oder auch Artist, wird ein Künstler bezeichnet, der in Varietés und Zirkussen turnerische Elemente und spektakuläre Tricks vorführt.


Akrobatische Breakdance-Vorführung von ungarischen Jugendlichen am Stephansplatz in Wien

Akrobatische Elemente

Hierbei werden einzelne Übungselemente einer Sportart mit dem Begriff Akrobatik zusammengefasst. Diese Elemente werden in den verschiedenen Sportarten fast identisch verwendet und mit den jeweiligen grundlegenden Übungen kombiniert. Eine häufig derart eingesetzte Übung ist die Schwalbe, hier trägt die stehende Unterperson über ihrem Kopf die Oberperson, mit den Händen an deren Hüfte. Seitlich gesehen ergibt sich ein Bild ähnlich des Buchstabens "T". Diese Figur kann sowohl beim Eiskunstlauf, beim Rollsport, als Abschlusspose beim Tanz z.B. Rock ’n’ Roll, beim Voltigieren oder beim Cheerleading eingesetzt werden. Bei den dynamischen Elementen sind z.B. die "Stunts" beim Cheerleading teilweise identisch mit dem "Einsteiger" beim Rock ’n’ Roll.

Balance über die Wippe auf der Kugel

Der Einsatz dieser Elemente erfolgt auch im erweiterten Gebiet der Unterhaltungsbranche. Für viele spektakuläre Filmszenen sind akrobatische Stunts ein wichtiger Bestandteil. Neben den häufigen "Unfallszenen" werden besonders in Martial-Arts-Filmen regelmäßig akrobatische Elemente verwendet.

Das Stelzenlaufen wird unterschiedlich eingesetzt, als Kinderspiel, früher auch als Hilfsmittel zur Bewachung der Herden, oder als Element bei Umzügen und Auftritten von Jongleuren.

Akrobatik-Sportarten und Kunstformen

Parallel zu den Sportarten mit akrobatischen Elementen existieren eigene Akrobatik-Formen, welche auf die bereits genannten Grundübungen (wie Schlittschuhfahren, oder Reiten. etc.) verzichten. Diese Akrobatik-Formen lassen sich grob in die Klassen Bodenakrobatik und Luftakrobatik einteilen. Besonders erfolgreiche Darstellungen verwenden jedoch häufig Präsentationen in den Übergangsbereichen, wie z.B. Kontorsionistik (Boden) mit Trapez (Luft). Der Begriff Equilibristik lässt sich hier für viele Gebiete verwenden: jegliche Balancierung des eigenen Körpers oder von Objekten.

Luftakrobatik

Luftakrobaten finden sich in sehr unterschiedlichen Bereichen. Während beim Seiltanz meist einzelne Personen, aber auch ganze Personengruppen, mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden und Hilfmitteln das gespannte Seil überwinden, sind auf dem Schlappseil häufig dynamische Darbietungen von Einzelpersonen zu sehen. Auf dem hängenden Trapez, oder mit dem Vertikaltuch werden üblicherweise eine Vielzahl schwieriger Hänge gezeigt. Beide Geräte können auch für Duo's verwendet werden. Das fliegende Trapez wird meist von einer Gruppe von Artisten präsentiert. Hier sind Würfe und Salti die häufigsten Übungen. Das Erklettern senkrechter Pfähle, diverse Hänge an diesen und Sprünge um von Pfahl zu Pfahl zu wechseln, laufen unter dem Begriff pole climbing.

Die Geräte Trampolin, Schleuderbrett und russischer Barren werden als Hilfsmittel verwendet, um sich selbst oder andere Personen in die Höhe zu schleudern. Auch hier werden häufig Salti vorgeführt. Ikarier (oder Antipodisten) erreichen vergleichbare Effekte, jedoch werden hier die Flieger von Unterpersonen direkt, ohne Hilfsmittel, in die Höhe katapultiert. Die Unterperson liegt hierbei mit dem Rücken auf einem Gestell und träg den Flieger (oder Jonglage-Objekte) mit den Füßen, bzw. kickt ihn in die Luft. Die Salti und Schrauben eines Turmspringers erfordern ebenfalls ein hohes Maß an akrobatischen Fertigkeiten.

Auf technische Hilfsmittel wird bei dem Knoten- oder Mattenwerfen verzichtet. Der Name leitet sich von dem Griff der beiden Unterpersonen ab, die mit ihren Händen eine Standfläche für den Flieger bilden. Jede Unterperson umfasst mit der rechten Hand ihr eigenes linkes Handgelenk, danach umfassen beide mit der linken Hand, das rechte Handgelenk des Gegenüber. Die Oberperson wird in die Luft katapultiert kann dort die typischen, oben genannten Figuren springen. Als Abschluss wird der Flieger üblicherweise von einer oder beiden Unterpersonen gefangen, verschiedene Positionen sind hierbei möglich: aufrecht, quer liegend, oder im Handstand.

Bodenakrobatik

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Darstellung einer morera (Maulbeerbaum)

Die Boden- oder Parterre-Akrobatik beschreibt Übungen mit einem oder mehreren Partnern (Partner-, Duo- und Gruppen-Akrobatik) und umfasst die Bereiche Varieté, Ausgleichs- und Wettkampfsport (Sportakrobatik). Dies ist eine Form der Balance mit mehreren Personen, wobei mindestens eine Person in Verbindung mit dem Boden (auch Bühne, oder Podest) bleibt.

Adagio ist der Name für eine Unterkategorie der (Boden-)Partner-Akrobatik oder für Akrobatik-Übungen. Adagio-Akrobatik entstand in Osteuropa und wurde allgemein von Zirkus-Akrobaten unterrichtet. Es werden hierbei Übergänge zwischen verschiedenen stationären Balancen einbezogen. Die Übungen müssen nicht, wie der Name andeutet, unbedingt langsam ausgeführt werden. Die beteiligten Personen werden als Flieger (Flyer, Oberperson) und Basis (Base, Unterperson) bezeichnet. Bei Gruppenakrobatik treten zusätzlich zu mehreren Unter- und Oberpersonen auch Mittelpersonen auf.

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Acht Ebenen hoher Turm der Castellers de Barcelona, am Plaça Sant Jaume.

Die bei der Adagio-Akrobatik verwendeten Figuren werden kategorisiert, indem zuerst die Position der Unterperson beschrieben wird (Liegen, Hocken, Stehen, Knien oder Handstand). Im zweiten Schritt wird festgelegt, auf welchen Körperteilen der Unterperson sich die Oberperson befindet (Füßen, Händen, Schultern, Knien, Oberschenkeln, Rücken oder einer Kombination). Die Orientierungen der Oberperson (horizontal, vertikal oder kopfüber) ist die letzte Festlegung für Duo-Figuren. Übungen mit mehr als zwei Personen, können als Kombination der bereits vorgestellten Duo-Figuren beschrieben werden. Genaue Darstellungen dieser Figuren, sowie die möglichen Übergänge zwischen ihnen, sind in dem Buch "Het grote duo acrobatiek trukenboek" (K. Kloosterboer) beschrieben.

Viele Übungen sind einfacher auszuführen, sobald die Flieger leichter und die Unterpersonen schwerer und stärker sind. Dieses ist jedoch keine Notwendigkeit, es werden oft gleiche Gewichte, oder sogar die Umkehrung diese Prinzips für besondere Showeffekte verwendet. Diese Form der Akrobatik wird oft als publikiumswirksamer Zirkusauftritt, oder auch als Hobby ausgeübt. Der Hobby-Bereich wird häufig in Zirkus- und Universitäts-Gruppen ausgeübt.

Akrobatik findet sich in vielen reginonalen Traditionen wieder. Häufig werden Sprünge und diverse dynamische Geschicklichkeitsbeweise im Rahmen von Volksfesten und Bräuchen demonstriert (Beispiel: Düsseldorfer Radschläger). In Spanien wird eine Form der Bodenakrobatik zur Perfektion entwickelt. Die in der Provinz Katalonien vorgeführten Menschenpyramiden, Castelle und Muixeranga genannt, beziehen neben der sportlichen Komponente auch religiöse und politische Hintergründe mit ein.

Handstand-Artisten verwenden meistens ein Podest, oder einen Handstandständer um ihre unterschiedlichen Handstandfiguren zu präsentieren.

Obwohl beim Tumbling schnelle Folgen von Salti und anderen Überschlägen geturnt werden fällt es in den Bereiche der Bodenakrobatik.

Auch Kontorsionisten ("Schlangenmenschen") werden häufig in dem Bereich der Bodenakrobatik präsentiert.

Akrobatische Manipulation von Objekten

Die akrobatische Handhabung diverser Objekte, welche von Jongleuren gezeigt wird, ist als eigener Bereich anzusehen.

Die Leiterakrobatik, bei welcher auf einer frei im Raum balancierten, einfachen Leiter, verschiedene Positionen gezeigt werden, ist eine Übergangsform zur Luftakrobatik.

Die Antipodisten können dann unter den Begriff Jongleur fallen, wenn nur Objekte wie Tonnen oder Teppiche für die Balancen eingesetzt werden.

Entwicklung der Akrobatik

Europäische Geschichte

Akrobatische Traditionen werden in vielen Kulturen gefunden. In Europa findet man in der minoischen Kultur um ca. 2.000 v. Chr. Beschreibungen von akrobatischen Kunststücken: In Abbildungen des Stiersprungs aus dieser Zeit überwanden Jugendliche mit akrobatischen Sprüngen das Tier.

In der Geschichtsschreibung des europäischen Mittelalters werden häufig akrobatische Leistungen zusammen mit Lieddarbietungen, Jonglagen und weiteren Tätigkeiten kombiniert.

Obwohl die Bezeichnung zuerst nur für Hochseil-Akrobatik verwendet wurde, begann man sie ab dem 19. Jahrhundert, auf Formen der darstellenden Kunst, einschließlich Gymnastik und Zirkuskünste, auszuweiten. Am Ende des 19. Jahrhundert wurden Tumbling und Rhythmische Sportgymnastik Wettkampfsport in Europa.

Asiatische Geschichte

In China war Akrobatik (als Teil der "Hundert Spiele") seit der Han-Dynastie, (206 v. Chr bis 220 n. Chr.) ein Teil der Kultur dörflicher Erntefeste.

Während der Tang-Dynastie (618 bis 907 n. Chr) erlebte Akrobatik größtenteils die gleiche Art der Entwicklung, wie die europäische Akrobatik während des Mittelalters. Noch heute ist sie Teil der verschiedenen Lokalopern und insbesondere der Peking-Oper.

Risiken und Sportmedizinische Aspekte der Akrobatik

Dieser Abschnitt bezieht sich auf Adagio-Akrobatik, für andere Akrobatikformen sind die Aussagen möglicherweise anzupassen. Obwohl viele Figuren der Akrobatik sehr spektakulär wirken, ist die Sportart selbst nicht sonderlich gefährlich oder zwangsläufig mit langfristigen gesundheitlichen Risiken verbunden.

Vermeidung akuter Risiken

Die Verletzungsgefahr durch mögliche Stürze aus den hohen, und daher schwierigen Figuren muss natürlich beachtet werden. Ein verantwortungsvolles Training und entsprechende Vorbereitungen reduzieren diese Gefahren.

Um später auch komplexe Akrobatikfiguren auszuführen, ohne sich dabei zu verletzten, muss der Aufbau der hierzu nötigen, körperlichen Fähigkeiten durch einen langsamen Anstieg der Anforderungen erfolgen. Dieser Aufbau wird duch eine Auswahl der Figuren nach dem passenen Schwierigkeitsgrad erreicht. Hierzu werden zuerst stabile Figuren mit vielen Abstützpunkten zwischen den Partnern und in geringer Höhe eingeübt. Für jede Akrobatikfigur sind Hilfestellungen durch zusätzliche Personen klar festgelegt und müssen gleichzeitig mit unterrichtet werden. Bei höheren Figuren wird häufig eine Longe (Hüftgurt mit zwei Halteseilen), oder auch Niedersprungmatten zur Absicherung verwendet.

Weiterhin wird häufig die Einübung der schwierigen Bewqegungsabschnitten einer Figurenfolge in einer stabileren oder sicheren Position durchgeführt. Der "Hohe Handstand" ist eine dieser komplexen und risikoreicheren Duo-Figuren, bei der auf den Händern der stehenden Unterperson, ein Handstand der Oberperson erfolgt. Diese Figur lässt sich sehr gut mit dem Handstand auf den Händen der liegenden Unterperson trainiern. Hier ist die Gefahr soweit reduziert, dass sie nur noch dem Handstand einer Einzelperson auf dem Boden entspricht. Die Technik dieses Hand-in-Hand-Standes benötigt in der tiefen Position sogar eine technisch perfektere Ausführung als in der Aufrechten. Wechselt das Duo nun vom Liegen in den Stand, steigt zwar die potentielle Fallhöhe, aber das Risiko erhöht sich kaum, da die Unterperson nun viel besser ausgleichen kann indem sie zusätzlich Ihre Position verändert.

Vermeidung langfristiger Risiken

Das Tragen anderer Personen, oder auch das Halten des eigenen Gewichtes auf den Händen, sind relativ anspruchsvolle Belastungen für den Körper. Für die Mehrzahl der Akrobatik-Figuren ist es notwendig die Bewegungsradien vieler Gelenke möglichst in ihrem vollen Umfang nutzen zu können. Um hierbei Überlastungen zu vermeiden werden diese Bereiche recht intensiv gedehnt. Diese Dehnungen erzielen eine gute, aber in vernünftigem Rahmen beleibende Beweglichkeit, minimieren die Risiken von Zerrungen und ermöglichen es als Cool Down die belasteten Muskeln zu entspannen. Besonders die Handgelenke, mit ihrem komplexen Aufbau, sind für Überlastungen anfällig. Zur Vermeidung von Überlastungen werden die Gelenke häufig schon zwischen den Übungsabschnitten gelockert, zusätzlich wird am Ende der Übungseinheit durch Dehnen die umgebende Muskulatur entspannt.

Die Belastung der Wirbelsäule wird oft überschätzt, da die fachfremden Beobachter oft die Leistungen des Muskelkorsets (der Stabilisierung des Oberkörpers durch die Rumpfmuskulatur) nicht korrekt einschätzen konnen. Allerdings besteht hier ein großes Potential für Folgeschäden, falls die Anforderungen der Wirbelsäule mißachtet werden. Das Training eines Akrobatikanfängers belastet lange Zeit hauptsächlich nur die Arme und Beine. Bei diesen Übungen werden die Lasten über Beine, Becken und Schultern, aber nicht über die Wirbelsäule abgeleitet. Somit kann sich in dieser Zeit langsam die Rumpfmuskulatur durch die stabilisierenden Übungsanteile aufbauen, die später einen Großteil der Unterstützung der Wirbeläule übernimmt (siehe auch Muskuläre Dysbalance). Beim Einstieg in die höheren Figuren muss an Anfang auf eine geringe Belastung, d.h. eine leichte und möglichst erfahrene Oberperson geachtet werden. Kombinationen von Anfängern mit erfahrenen Partnern sind zu bevorzugen, da hier ein Aufschaukeln der instabilen Phasen meist unterbleibt. Zusätzlich wird die Dauer der Belastung möglichst kurz gehalten. Erst wenn über mehrere Trainingseinheiten keine Probleme erkennbar sind, kann mit etwas komplexeren Figuren fortgefahren werden. Besondere Aufmerksamkeit muss der Trainer der korrekten Körperhaltung unter Last widmen. Hängende Schultern und runde Rücken sind nicht nur bei Auftritten weniger vorteilhaft, mit einer aufrechten Haltung ist es für den Körper möglich die Belastung viel besser zu verteilen.

Siehe auch

Literatur

  • Bennie Huisman, Gerard Huisman: Akrobatik. Vom Anfänger zum Könner. Rowohlt TB-V., Rnb., 1988, ISBN 3-499-18628-4
  • Michael Blume: Akrobatik mit Kindern & Jugendlichen, in Schule und Verein. Meyer & Meyer Sport, 2005, 7. Aufl., ISBN 3-898-99033-8
  • Michael Blume: Akrobatik. Training - Technik - Inszenierung. Meyer & Meyer Sport, 2006, 4. Aufl., ISBN 3-898-99205-5
  • Ernst J. Kiphard: Die Akrobatik und ihr Training. Ruhrländische Verlagsgesellschaft, antiquarisch, 1961, ISBN B-000-0BK5T-E
  • Kees Kloosterboer: Het grote duo acrobatiek trukenboek vergriffen, Selbstverlag 1996
  • Ralf List: Das große Buch der Duo-Akrobatik-Tricks. Übersetzung aus dem Holländischen, pdf.-Datei, 1996