Exzellenzinitiative

deutsches Förderprogramm für Wissenschaft und Forschung
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Die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder – so der vollständige Name – ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern in Deutschland. Ursprünglich war es das Ziel, die Universitätslandschaft in Deutschland mit einem kräftigen Schub aus dem Geldsegen der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von ca. 1,9 Mrd. Euro über 4 Jahre verteilt (ca. 470 Millionen pro Jahr) nachhaltig zu verändern. Am 23. Juni 2005 wurde dann ein Kompromiss geschlossen, der auch die Unterstützung von Forschung an kleineren oder stark diversifizierten Hochschulen ermöglicht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat wurden mit der organisatorischen Abwicklung und der wissenschaftlichen Begutachtung bzw. Begleitung beauftragt. Die Exzellenzinitiative wird in einem mehrstufigen Antrags- und Begutachtungsverfahren in zwei Runden (1. Runde im Jahr 2005/2006; 2. Runde 2006/2007) durchgeführt. Vornehmlich internationale Gutachter bewerten die Qualität der eingereichten Antragsskizzen und geben Empfehlungen hinsichtlich der Förderfähigkeit ab. Die endgültige Entscheidung über die Aufforderung zur Antragsstellung und die Förderung trifft ein gemeinsames Gremium aus DFG und Wissenschaftsrat auf Basis der Gutachterempfehlungen.

Die Exzellenzinitiative ist dabei als ein Wettbewerb von thematisch geschlossenen Forschungskonzepten zu sehen; sie wurde bewusst als solcher konzipiert. Die Lehre als solche, ihre Qualität und ihre unterschiedliche Ausprägung je nach Hochschule spielt in diesem Verfahren keine Rolle; dies war auch bei der Konzipierung des Wettbewerbs zu keinem Zeitpunkt vorgesehen. Einzig in der Förderlinie Graduiertenschulen kommt der Lehre als spezifischem Element einer strukturierten Doktorandenausbildung eine gewisse Bedeutung zu, diese hat jedoch nicht den Stellenwert wie bei einem grundständigen Studiengang und ist in ihrer Ausrichtung nicht vergleichbar.

Förderlinien

Die Exzellenzinitiative umfasst insgesamt drei Förderlinien:

Diese sind wie folgt zu charakterisieren:

Graduiertenschule

Die Förderlinie Graduiertenschulen dient der Ausbildung von Doktoranden in einem eingegrenzten Themenspektrum unter exzellenter wissenschaftlicher Begleitung und hervorragenden Randbedingungen. Die Forschung der beteiligten Professoren tritt in den Hintergrund, während die Forschung der Doktoranden im Vordergrund steht. Für jede Graduiertenschule stehen pro Jahr ungefähr 1 Mio. Euro zur Verfügung.

Exzellenzcluster

Die Exzellenzcluster genannte Förderlinie der Exzellenzinitiative stellt die wissenschaftliche Forschung zu einem weitergefassten Themenkomplex an einem Standort in den Vordergrund und wird mit ca. 6,5 Mio. Euro pro Jahr gefördert. Es geht nicht darum, ein bestimmtes Teilgebiet eines Faches zu bearbeiten, sondern vielmehr 25 hervorragend ausgewiesene Wissenschaftler zu einem Thema von gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Relevanz zusammenzubringen, das gemeinsam bearbeitet wird. Dabei sind strukturelle Auswirkungen auf das organisatorische Gefüge einer Universität ausdrücklich gewollt.

Zukunftskonzepte

Das Zukunftskonzept beschreibt die langfristige Entwicklung einer Universität in der Forschung. Es umfasst die Fokussierung auf bestimmte Themengebiete, die Zieldefinition für die gesamte Universität sowie die Beschreibung des „Weges dorthin“ – also der strategischen Entwicklung. Diese werden in den Medien fälschlicherweise als Förderung von „Eliteuniversitäten“ wahrgenommen, was jedoch aufgrund des relativ geringen Volumens als unwahrscheinlich gilt. Eine erfolgreiche Bewerbung setzt die Einwerbung von mindestens einem Exzellenzcluster und einer Graduiertenschule voraus.

Erste Runde der Exzellenzinitiative

Termine

Vorlage:Highlight| Datum Vorlage:Highlight| Beschreibung
30. September 2005 Einreichung der Antragsskizzen
20. Januar 2006 Beschlussfassung über Aufforderung zur Antragstellung
20. April 2006 Abgabe der Anträge
13. Oktober 2006 Entscheidung über die Förderung
November 2006 Beginn der Förderung

Ergebnis

Aus den zehn Universitäten, die in der ersten Runde zur Antragsstellung für die Förderlinie „Zukunftskonzept“ aufgefordert wurden, wurden am 13. Oktober 2006 die LMU München, die TU München und die Universität Karlsruhe (TH) ausgewählt. Sie werden in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt jeweils 21 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Voraussetzung waren positive Bewertungen von mindestens einem Exzellenzcluster und mindestens einer Graduiertenschule.

Neben den Zukunftskonzept wurden in den beiden anderen Förderlinien 18 weitere Universitäten jeweils in Millionenhöhe berücksichtigt.

In den Medien wurde über einen Streit zwischen den Vertretern des Bundes und der Länder und dem Gremium aus DFG und Wissenschaftsrat berichtet. Die dabei anwesenden Politiker seien darüber unglücklich gewesen, dass sie in der endgültigen Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel keinen Einfluss nehmen konnten.[1]

Graduiertenschulen

Quelle: Bundesbildungsministerium[2]

Vorlage:Highlight4 width="45%" | Sprecherhochschule (alphabetisch nach Ort) Vorlage:Highlight2 width="65%" | Titel der Graduiertenschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Aachen Institute for Advanced Studies in Computational Engineering Science
Freie Universität Berlin Graduate School of North American Studies
Humboldt-Universität zu Berlin Berlin School of Mind and Brain
Technische Universität Berlin Berlin Mathematical School
Ruhr-Universität Bochum Ruhr University Research School
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Bonn Graduate School of Economics
Universität Bremen Global Change in the Marine Realm
Technische Universität Dresden Dresden International Graduate School for Biomedicine and Bioengineering
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Molecular Cell Research in Biology and Medicine
Justus-Liebig-Universität Gießen International Graduate Centre for the Study of Culture
Medizinische Hochschule Hannover Hannover Biomedical Research School
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Heidelberg Graduate School of Fundamental Physics
Universität Karlsruhe (Technische Hochschule) Karlsruhe School of Optics and Photonics
Universität Mannheim Empirical and Quantitative Methods in the Economic and Social Sciences
Ludwig-Maximilians-Universität München Graduate School of Systemic Neurosciences
Technische Universität München International Graduate School of Science and Engineering
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg Graduate School for Life Sciences

Exzellenzcluster

Vorlage:Highlight4 width="45%" | Sprecherhochschule (alphabetisch nach Ort) Vorlage:Highlight3 width="65%" | Titel des Exzellenzclusters
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Integrative Production Technology for High-Wage Countries [1]
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Ultra High-Speed Mobile Information and Communication [2]
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Mathematics: Foundations, Models, Applications
Technische Universität Dresden From Cells to Tissues to Therapies: Engineering the Cellular Basis of Regeneration
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Macromolecular Complexes
Justus-Liebig-Universität Gießen Cardio-Pulmonary System
Georg-August-Universität Göttingen Microscopy at the Nanometer Range
Medizinische Hochschule Hannover From Regenerative Biology to Reconstructive Therapy
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Cellular Networks: From Analysis of Molecular Mechanisms to a Quantitative Understanding of Complex Functions
Universität Karlsruhe (Technische Hochschule) Center for Functional Nanostructures
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel The Future Ocean
Universität Konstanz Cultural Foundations of Social Integration
Ludwig-Maximilians-Universität München Munich Center for Integrated Protein Science
Ludwig-Maximilians-Universität München Munich Centre for Advanced Photonics
Ludwig-Maximilians-Universität München Nanosystems Initiative Munich
Technische Universität München Cognition for Technical Systems
Technische Universität München Origin and Structure of the Universe - The Cluster of Excellence for Fundamental Physics

Zukunftskonzepte

Vorlage:Highlight4 width="45%" | Sprecherhochschule (alphabetisch nach Ort) Vorlage:Highlight width="65%" | Titel des Zukunftskonzeptes
Universität Karlsruhe (Technische Hochschule) A Concept for the Future of the University of Karlsruhe.

The Foundation of the Karlsruhe Institute of Technology (KIT)

Ludwig-Maximilians-Universität München LMUexcellent : Working brains – Networking minds – Living knowledge
Technische Universität München TUM. The Entrepreneurial University


Zweite Runde der Exzellenzinitiative

Termine

Vorlage:Highlight| Datum Vorlage:Highlight| Beschreibung
15. September 2006 Einreichung der Antragsskizzen
12. Januar 2007 Beschlussfassung über Aufforderung zur Antragstellung
13. April 2007 Abgabe der Anträge
Oktober 2007 Entscheidung über die Förderung
November 2007 Beginn der Förderung

Pro und Contra Exzellenzinitiative

Vorteile

Als Vorteile der Exzellenzinitiative gelten:

  • erhebliche zusätzliche Finanzmittel für die Forschung, die jedoch im internationalen Vergleich als gering einzustufen sind
  • direkter Wettbewerb zwischen Universitäten um die besten Konzepte für thematisch fokussierte Initiativen, dieser entstand

allerdings auch schon bei der Einwerbung um Drittmittel in sehr hohem Maße

  • Dynamisierung der Hochschullandschaft; Aufbruchstimmung an den Universitäten. „Der Exzellenzwettbewerb hat die Universitäten, ja das ganze Wissenschaftssystem in Bewegung gebracht.“ (Ernst-Ludwig Winnacker[3])
  • „Erstmals haben viele Hochschulen die eigenen Stärken und Schwächen analysiert und eine Gesamtstrategie für die Zukunft entworfen.“ (ebenda)
  • mehr Leistungsorientierung an den Hochschulen
  • stärkt die Vernetzung von universitärer und außeruniversitärer Forschung, und bricht damit die „Versäulung“ des deutschen Wissenschaftssystems teilweise auf. Jedoch ist diese Vernetztung weiter als verschwindend gering zu sehen.

Kritikpunkte

Die Exzellenzinitiative wird in den Universitäten und der Öffentlichkeit jedoch auch kritisch diskutiert. Einige Kritikpunkte sind:

Das Auswahlverfahren

  • Die Auswahlverfahren der einzelnen Förderrichtlinien bauen kaum aufeinander auf.
  • Der Präsident der Entscheidungskommission, Ernst-Ludwig Winnacker, ist mit den maximal geförderten Münchner Universitäten verbunden. Auch der Vorsitzende der zweiten an der Auswahl beteiligten Institution, der Wissenschaftsrats-Vorsitzende Prof. Peter Strohschneider, ist mit der LMU München eng verbunden, die in der 3. Förderlinie erfolgreich war.
  • Ein Kriterium bei der Auswahl war die vergangene Drittmitteleinwerbung der Hochschulen. Damit ist eine Bevorzugung der Natur- und Ingenieurwissenschaften, die größere Mittel für die Forschung benötigen, geradezu vorprogrammiert. Die Geisteswissenschaften benötigen für die Forschung keine teuren Geräte, sind aber deshalb nicht weniger exzellent. Aufgrund des Drittmittelkriteriums haben sie aber geringere Chancen auf Förderung.
  • Fächer, in denen Deutschland schon eine Exzellenz besitzt und den Vorsprung ausbauen könnte, werden kaum berücksichtigt. Diese geraten dann im internationalen Vergleich in den Rückstand.
  • Die natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer sind in der Anzahl der Anträge viel stärker vertreten als die geisteswissenschaftlichen Fächer [4]. Dies spiegelt sich auch im Ergebnis des Auswahlverfahrens wieder. Nur ein einziger bewilligter Exzellenzcluster stammt aus den Geisteswissenschaften.
  • Es wurden Zukunftskonzepte gefördert, obwohl Hochschulen insgesamt wesentlich schlechter abgeschnitten haben als andere (z.B. Universitäts Karlsruhe)

Die Förderung

  • Die Exzellenzinitiative fördert allein die Forschung, nicht jedoch die Lehre an den Hochschulen. Die Exzellenzinitiative wirkt in Richtung auf die Einführung eines Zwei-Klassen-Gesellschaft von „Forschungsuniversitäten“ einerseits und „Lehruniversitäten“ andererseits. Dies steht im Widerspruch zum Prinzip der Einheit von Forschungs und Lehre.
  • Zusammenarbeit von Universitäten wird nicht gefördert, dies führt zum Nachteil für die deutschen Universitäten im Vergleich zu internationalen Universitäten.
  • Die Exzellenzinitiative fördert einseitig nur die Spitzenforschung. Dies ist durch die sehr restriktive Vergabe in der ersten Runde noch einmal stärker deutlich geworden. Es gilt jedoch, genau wie im Sport: „Ohne Breitensport kein Spitzensport“ - ohne Breitenforschung keine Spitzenforschung.
  • Die tatsächlichen strukturellen Auswirkungen sind nicht abzusehen.

Die Finanzierung

  • Eine Finanzierung der Förderung über das Jahr 2011 hinaus ist derzeit nicht absehbar. Die enge Begrenzung des Förderzeitraums kann daher zu einer Verschwendung der Mittel führen, wenn Mittel schnell ausgegeben werden (müssen).
  • Die zur Verfügung stehenden Mittel sind als viel zu gering einzustufen, wenn der Zweck ist, „ein deutsches Harvard“ neu zu schaffen.
  • Länder die seit Jahren bewusst Studienplätze einsparen, wie z.B. Baden-Württemberg und Bayern, und diese Studienplätze von anderen Ländern finanziert werden müssen, haben mehr Möglichkeiten

Literatur

Quellen

  1. Jan Friedmann: Knatsch bei Elite-Auswahl. In: Spiegel Online. 13. Oktober 2006, abgerufen am 23. November 2006.
  2. Bundesbildungsministerium: „Exzellenzinitiative“, Abschnitt Graduiertenschulen
  3. Ernst-Ludwig Winnacker: »Uns fehlt Fantasie«, Die Zeit, 19. Oktober 2006, Nr. 43
  4. Heike Schmoll: „Die Kür der Spitzenhochschulen.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. August 2006, Nr. 195, S. 1