Differentialgeometrie

Teilgebiet der Mathematik
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Die Differentialgeometrie beschäftigt als Teilgebiet der Mathematik sich mit der Anwendung der Analysis auf die Geometrie. Insbesondere behandelt sie den Begriff des Differentials und wie mit seiner Hilfe geometrische Strukturen beschrieben werden können.

Die Differentialgeometrie ist auf geometrische Strukturen anwendbar, für die eine Metrik definiert ist. Über eine Metrik können Abstände und Verbindungslinien zwischen Punkten definiert werden. Die Differentialgeometrie liefert Werkzeuge, wie Längen von Kurven oder Inhalte gekrümmter Flächen berechnet werden können. Insbesondere liefert sie Hilfsmittel, wie eine gekrümmte Fläche in einer Ebene dargestellt werden kann.

Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit komplizierten geometrischen Objekten wie beispielsweise gekrümmte Flächen oder mit Räumen, die mehr als 3 Dimensionen haben. Dadurch bietet sie sich als Werkzeug für Gebiete wie die Theoretische Physik, die Topologie, die Vermessungskunde oder die Getriebelehre an.

Eine Verallgemeinerung der Differentialgeometrie ist die Differentialtopologie. In allgemeinen topologischen Räumen entfällt der Abstandbegriff, da dort keine Metrik definiert ist.

Das Differential

Der Begriff des Differentials soll hier nicht exakt definiert werden, stattdessen appellieren wir an die Anschauung, indem wir Differentiale als infinitesimale (sehr kleine) Differenzen betrachten.

Als Beispiel betrachte man den euklidischen Abstand in der Ebene, er wird in der Differentialgeometrie folgendermaßen ausgedrückt:  .

Ein wichtiger Begriff der Differentialgeometrie ist der Metrische Tensor. In dem Abschnitt Metrischer Tensor der Ebene wird gezeigt, wie sich Abstände in der Ebene mit Hilfe des metrischen Tensors ausdrücken lassen.

Eine weitere Anwendung des Differentials ist die Darstellung von Ableitungen einer Funktion.

Im folgenden werden einige Beispiele angegeben, um die Bedeutung und Verwendung des Differentials im Zusammenhang mit Ableitungen zu verdeutlichen.

Man betrachte z.B. eine differenzierbare, reellwertige Funktion f einer reellen Variablen x.

Für diese Funktion ist die Ableitung

 

definiert. Die Gleichung

 

drückt das Differential df der Funktion f mit Hilfe ihrer Ableitungsfunktion f' und des Differentials dx aus.

Oft wird auch das Argument x der Funktion f mit angegeben:

 

Man bezeichnet das Symbol d auch als Differentialoperator.

Damit kann d in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutung haben, d kann einen infinitesimalen Abstand beschreiben oder als Differentialoperator auf eine Funktion angewendet werden.

Für reellwertige Funktionen f(x1,x2,x3), die von mehreren reellen Parametern xi abhängen, wählt man oft die Darstellung

 

wobei über den Index i summiert wird.

Die partielle Ableitung von f nach xi wird beschrieben durch   Dabei werden alle Variable mit Ausnahme von xi als konstant betrachtet, nach xi wird unter diesen Voraussetzungen differenziert.

In der mathematischen Theorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten werden Differentiale präzise definiert, allerdings ist der verwendete Formalismus sehr abstrakt.

Das Rechnen mit Differentialen wird im so genannten Differentialformenkalkül präzisiert.

Koordinatentransformationen

Koordinatentransformationen sind ein wichtiges Werkzeug der Differentialgeometrie, um die Anpassung einer Problemstellung an geometrischen Objekte zu ermöglichen.

Will man Abstände auf einer Kugeloberfläche untersuchen, so wird man Kugelkoordinaten verwenden, betrachtet man euklidische Abstände im Raum, so verwendet man kartesische Koordinaten.

Ein einfacheres Beispiel ist der Übergang von kartesischen Koordinaten in der Ebene zu Polarkoordinaten, mit denen man eine Kreislinie einfacher beschreiben kann.

 

Die Koordinaten (x,y) berechnen sich aus   folgendermaßen:

  •  
  •  

x und y werden auch als Komponentenfunktionen von f bezeichnet. Hierfür lassen sich die (totalen) Differentiale angeben:

 
 

Man bezeichnet dx,dy,dr,   als Koordinatendifferentiale. Bei diesem Beispiel fällt die Bedeutung von d als Differentialoperator mit der Bedeutung eines infinitesimalen Abstandes zusammen.

Kugelkoordinaten werden auch als krummlinige Koordinaten bezeichnet, da sie die Abstandberechnung auf einer gekrümmten Fläche, der Kugeloberfläche, ermöglichen.

Ein wesentliches Hilfsmittel der klassische Differentialgeometrie sind Koordinatentransformationen zwischen beliebigen Koordinaten, um geometrische Strukturen beschreiben zu können. Oft werden krummlinige Koordinaten verwendet.

Die aus der Analysis bekannten Differentialoperatoren werden auf krummlinige Differentialoperatoren erweitert.

kovariante Ableitung

Ein krummliniger Differentialoperator ist z.B. die kovariante Ableitung, die im Riemannschen Raum verwendet wird.

Krummlinige Differentialoperatoren ermöglichen die Definition von Verbindungslinien in gekrümmten Räumen, z.B. die Definition von Geodäten im Riemannschen Raum. Geodätische Linien sind die kürzesten Verbindungen zwischen zwei Punkten, auf der Kugeloberfläche sind die Längenkreise Beispiele für geodätische Liníen, nicht aber die Breitenkreise (Ausnahme: Äquator).

Mit Hilfe allgemeiner Koordinatentransformationen werden im Riemannschen Raum die Christoffelsymbole   definiert.

Die Christoffelsymbole gehen in die Definition der kovarianten Ableitung eines Vektorfeldes ein.

Die kovariante Ableitung ist eine Verallgemeinerung der partiellen Ableitung des flachen (euklidischen) Raumes für gekrümmte Räume. Sie reduziert sich im euklidischen Raum zur partiellen Ableitung. Im gekrümmten Raum sind die kovarianten Ableitungen eines Vektorfeldes im Allgemeinen nicht miteinander vertauschbar, ihre Nichtvertauschbarkeit wird zur Definition des Riemannschen Krümmungstensors verwendet.

Ein weiterer wichtiger Begriff im Zusammenhang mit gekrümmten Räumen ist die Parallelverschiebung. Die Parallelverschiebung eines Vektors entlang einer geschlossenen Kurve führt im gekrümmten Raum dazu, dass sich der verschobene Vektor mit seinem Ausgangsvektor nicht deckt.

Anwendungsfelder

Anwendung findet die klassische Differentialgeometrie in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie ermöglicht die Voraussage von Phänomenen, die durch das Experiment bestätigt werden (Lichtablenkung, Periheldrehung des Merkur).


Koordinatentransformationen entsprechen in der Relativitätstheorie Wechsel von Bezugssystemen, aus denen heraus ein Phänomen beobachtet wird. Dies entspricht unterschiedlichen Sichtweisen auf ein Ereignis.


Die klassische Differentialgeometrie wurde auch schon früher in der Geodäsie und Kartographie angewendet. Beispiel ist hier unter anderem die Kartenprojektionslehre aus der die Begriffe geodätische Linie und Gauss'sche Krümmung stammen.

Literatur

  • T. Fliessbach: Allgemeine Relativitätstheorie, BI Wissenschaftsverlag, 1990
Verwendet Differentialgeometrie ohne Bezug auf Mannigfaltigkeiten. Die Form der Darstellung wird von manchen Autoren auch als "klassische Differentialgeometrie" bezeichnet. Das Buch ist komprimiert geschrieben und übersichtlich gegliedert. Zum tieferen Verständnis sind die Bücher von Stephanie, Weinberg und Wheeler hilfreich.
  • Norbert Straumann: Allgemeine Relativitätstheorie und relativistische Astrophysik, Springer-Verlag, 1988
Zum Verständnis benötigt man Kenntnisse über Topologie und Metrische Räume und über differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Vorbereitende Literatur ist das Studium des Tensorkalküls der multilinearen Algebra und das nachfolgend angegebene Buch über Differentialformen.
  • E. Heil: Differentialformen, BI Wissenschaftsverlag, 1974
Eine Einführung in die Analysis und wie sie mit Hilfe von Differentialformen beschrieben werden kann. Das Buch ist hilfreich für das Verständnis differenzierbarer Mannigfaltigkeiten. Es ist (relativ) leicht verständlich geschrieben.
  • Rolf Walter: Differentialgeometrie, BI Wissenschaftsverlag, 1989
Differentialgeometrie aus dem Blickwinkel der modernen Mathematik. Mit einem Kapitel über Riemannsche Geometrie.
  • Charles W. Misner, Kip.S.Thorne, John Archibald Wheeler: Gravitation, W.H.Freeman and Company, New York, 1973
Eine Einführung in die Allgemeine Relativitätstheorie auf der Basis des Differentialformenkalküls (auf Englisch). Ein sehr umfassendes Werk mit mehr als 1000 Seiten.
  • Steven Weinberg: Gravitation and Cosmology, John Wiley & Sons, New York, 1972
Ein sehr umfassendes Werk (auf Englisch). Im Gegensatz zu "Wheeler" verwendet Weinberg die geometrische Interpretation der Relativitätstheorie nicht.
  • Hans Jörg Dirschmid: Tensoren und Felder; Springer; Wien, New Yorg; 1996.
Ausgehend von der Theorie der linearen Räume wird Schritt für Schritt die Differentialgeometrie entwickelt, insoweit sie für die Allgemeine Relativitätstheorie Nötig ist. Das letzte der sechs Kapitel beschäftigt sich mit der Allgemeinen Relativitätstheorie.


  • Manfred P.do Carmo: Differentialgeometrie von Kurven und Flächen, Vieweg & Sohn, 1983
Beschreibt die so genannte elementare Differentialgeometrie. Enthält einen Abschnitt über Parallelverschiebung.
  • H. Stephani: Allgemeine Relativitätstheorie : eine Einführung in die Theorie des Gravitationsfeldes. Berlin: Dt. Verl. d. Wiss. 1977.
Mit Kapiteln über Riemannsche Geometrie, Tensoralgebra und Kovariante Ableitung, Krümmungstensor und Differentialoperatoren.