Geschichte von Bündnis 90/Die Grünen

Wikimedia-Geschichts-Artikel
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. September 2004 um 17:57 Uhr durch Lley (Diskussion | Beiträge) (umformuliert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Bündnis 90/Die Grünen (offizielle Kurzform: Grüne) ist eine in Deutschland auf Bundesebene organisierte grüne Partei, die 1993 aus dem Zusammenschluss der Parteien Die Grünen und Bündnis 90 entstanden ist.

Geschichte

Die Grünen entstanden in der alten Bundesrepublik Deutschland Mitte bis Ende der 1970er Jahre als Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Gruppierungen, deren gemeinsamer politischer Schwerpunkt die Umweltpolitik war. Wichtige Quellen der Neugründung waren außerparlamentarische Bewegungen mit den Schwerpunkten Umwelt-, Friedens, Menschenrechts- und Frauenpolitik (siehe auch unter Neue soziale Bewegungen und Alternativbewegung). 1979 wurde für die Europawahl die Sonstige politische Vereinigung DIE GRÜNEN gebildet, aus der am 18. Januar 1980 in Karlsruhe die Bundespartei DIE GRÜNEN gegründet wurde, die sich als ökologisch, basisdemokratisch und gewaltfrei bezeichnete.

In den 1980er Jahren konsolidierten sich die Grünen. 1980 traten sie das erste Mal bei einer Bundestagswahl an, scheiterten aber an der Fünf-Prozent-Hürde. Viele Anhänger der Grünen aus dem eher linken Spektrum hatten noch die SPD mit Bundeskanzler Helmut Schmidt gewählt, um einen rechtskonservativen Kanzler Franz Josef Strauß von der CSU zu verhinderen. Innerhalb der Partei trennten sich die Grünen von ihrer kleinen rechten und rechtskonservativen Fraktion um den Ökobauern Baldur Springmann und Herbert Gruhl. Gruhl gründete darauf in München die ökologisch konservative Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die politisch bis dato aber relativ bedeutungslos blieb.

1983 zogen Die Grünen schließlich zum ersten Mal in den Bundestag ein, nachdem es vorher schon Erfolge bei Landtagswahlen und der Europawahl gegeben hatte. Mit Herbert Rusche aus Offenbach zog auch der erste öffentlich bekennende schwule Bundestagsabgeordnete in den Bundestag ein. Die 1980er Jahre waren von teilweise heftigen internen Flügelkämpfen zwischen so genannten "Fundis", und "Realos" gekennzeichnet. Die "Fundis" (abgeleitet von Fundamentalisten) vertraten im Wesentlichen eine radikal systemkritische Position und lehnten Kompromisse mit den etablierten Parteien, damit auch mögliche Regierungsbeteiligungen ab, wohingegen die "Realos" (abgeleitet von Realpolitikern) zunehmend Arrangements mit den Etablierten und mögliche Koalitionen anstrebten, um Reformen im Sinne Grüner Politik auch in Ansätzen durchzusetzen, wofür sie auch verstärkt zu Kompromissen bereit waren. Weitere Streitpunkte waren unter anderem das Rotationsprinzip oder die Trennung von Amt und Mandat. Im Zuge dieser Konflikte wurde der ursprüngliche Anspruch der Grünen, parlamentarisches Spielbein der außerparlamentarischen Neuen sozialen Bewegungen zu sein, zusehends aufgeweicht. Aus Protest gegen diese Entwicklung traten im Lauf der Jahre auch prominente linke Protagonisten, zumeist Angehörige der parteiinternen Gruppe der Ökosozialisten, wie zum Beispiel Jutta Ditfurth, Thomas Ebermann und Rainer Trampert zwischen 1989 und 1991 aus der Partei aus. Jutta Ditfurth gründete in Frankfurt am Main die Partei Ökologische Linke, die jedoch bundesweit parlamentarisch nicht Fuß fassen konnte. Sie gab die neue Zeitschrift "Ökolinx" heraus und machte sich in den kommenden Jahren als kritische Autorin einen Namen. In verschiedenen Publikationen setzte sie sich mit der weiteren Entwicklung der Grünen und Teilen der Neuen sozialen Bewegungen auseinander, wo sie Tendenzen der Anpassung ans herrschende System und teilweise auch reaktionäre Entwicklungen ausmachte.

Am 12. Dezember 1985 wurde Joschka Fischer Umweltminister in Hessen; die rot-grüne Koalition dort hielt 452 Tage. 1989 kam es zu einer rot-grünen Koalition in Berlin. Weitere Koalitionen -- erneut in Hessen, als "Ampel" mit SPD und FPD in Bremen, in Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg folgten.

Am 24. November 1989 gründete sich die Grüne Partei der DDR, die sich bereits Ende 1990 mit den westdeutschen Grünen vereinigte. Das Bündnis 90 hat seine Wurzeln in der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung der DDR. Es wurde 1990 zunächst als Listenvereinigung der Bürgerbewegungen Neues Forum, Demokratie jetzt und Initiative für Frieden und Menschenrechte zur ersten freien Volkskammerwahl gegründet und in der Folge zur eigenständigen Partei, die große Teile der drei Bürgerbewegungen vereinigte. Im Januar 1993 vereinigten sich Bündnis 90 und Die Grünen zu Bündnis 90/Die Grünen.

Die Deutschlandpolitik innerhalb der westdeutschen Grünen war umstritten; der Slogan der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 war daher: "Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Klima." Zu dieser Wahl traten Bündnis 90 und die Grünen als Listenvereinigung an. Am 2. Dezember kam dann das schockierende Wahlergebnis: Die westdeutschen Grünen scheiterten an der 5%-Hürde. Von 1990 bis 1994 waren Bündnis 90/Die Grünen nur durch acht ostdeutsche Abgeordnete der Gruppe Die Grünen/Bündnis 90 vertreten, weil bei der ersten gesamtdeutschen Wahl die 5%-Hürde in Ost- und Westdeutschland getrennt galt.

1994 wurde die bundesweite Jugendorganisation Grüne Jugend -- damals noch unter dem Namen Grün-Alternatives Jugendbündnis -- gegründet. Die Partei professionalisierte sich zunehmend. Bei den Europawahlen wurden 10% erreicht, bei den Bundestagswahlen am 3. Oktober 1994 gelang mit 7,3% der Wiedereinzug in den Bundestag. Politisch zeichnete sich eine zunehmend realpolitische Orientierung ab; unter anderem wurden militärische Mittel in Ex-Jugoslawien gebilligt.

1996 wurden die bis dahin getrennten Parteienstiftungen -- Buntstift, Frauenanstiftung und Heinrich-Böll-Stiftung -- zur heutigen Heinrich-Böll-Stiftung vereinigt.

Ein Kapitel der bundesdeutschen Parteiengeschichte wurde mit der Bildung der ersten rot-grünen Bundesregierung nach der Bundestagswahl 1998 (6,7 % für Bündnis 90/Die Grünen) abgeschlossen. Neben Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer (in der Wahlperiode zuvor Fraktionsvorsitzender im Bundestag) wurde Andrea Fischer Gesundheitsministerin und Jürgen Trittin Umweltminister.

Nach dem BSE-Skandal im Januar 2001 kam es zu einer Rochade: Andrea Fischer trat zurück und wurde durch die SPD-Politikerin Ulla Schmidt ersetzt, dafür beerbte die Grüne Renate Künast den Landwirtschaftsminister Funke als Ministerin für das um den Verbraucherschutz erweiterte Ressort Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

In der Legislaturperiode 1998-2002 wurden unter anderem die Ökosteuer (allerdings in einer gegenüber grünen Vorstellungen reduzierten Form), einige Reformen des Staatsbürgerschaftsrechts bezüglich der Erleichterung von Einwanderung, die Möglichkeit eingetragener Lebenspartnerschaften, der langsame Ausstieg aus der Atomenergie und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschlossen. Während diese als grüne Erfolge gesehen wurden, gab es auch Kritik: Insbesondere an der Re-Militarisierung der Außenpolitik mit der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg und an vielen Kompromissen mit der SPD. Die Befürwortung einer Kriegsbeteiligung führte zu einer größeren Austrittswelle von enttäuschten Grünen aus dem pazifistischen Umfeld. Kurz vor der Bundestagswahl gab sich Bündnis 90/Die Grünen ein neues Grundsatzprogramm.

Bei der Bundestagswahl im September 2002 erreichten die Grünen 8,6% der Stimmen; damit reichte es erneut für eine Regierungsbildung mit der geschwächten SPD. Christian Ströbele, einer der noch verbliebenen linken Grünen in der Bundestagsfraktion, errang dabei in Berlin-Kreuzberg das erste Direktmandat für Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene.

Bei der Europawahl 2004 konnte die Partei einen der größten Wahlerfolge ihrer bisherigen Geschichte feiern; sie erreichte mit 3.079.728 Stimmen 11,94 %; in Berlin wurden sie stärkste Partei, im ehemaligen Berliner Bezirk Kreuzberg bekamen sie die absolute Mehrheit der Stimmen.

Bei den Landtagswahlen am 19. September 2004 in Sachsen erreichten die Grünen 5,1 % und zogen damit das erste Mal seit 1998 wieder in ein Landesparlament auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein. Bei den zeitgleichen Wahlen in Brandenburg verfehlte die Partei den Wiedereinzug ins Landesparlament. 1998 waren die Grünen auch in Sachsen-Anhalt an der [[Fünf-Prozent-Hürde] gescheitert, nachdem sie schon vorher aus den anderen ostdeutschen Landesparlamenten gefallen waren.

Die Geschichte der Grünen und der Neuen Sozialen Bewegungen wird unter anderem im Archiv "Grünes Gedächtnis" erforscht.

Bundesvorstand

Das Tagesgeschäft der Bundespartei wird durch den sechsköpfigen Bundesvorstand bestritten, der aus einer Doppelspitze im Vorsitz (Angelika Beer und Reinhard Bütikofer), der politischen Geschäftsführerin Steffi Lemke, dem Bundesschatzmeister Dietmar Strehl und zwei Beisitzern im Vorstand (Katja Husen und Omid Nouripour) besteht.

Die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn traten im Dezember 2002 zur Neuwahl des Vorstands nicht wieder an, nachdem die Parteibasis einen Antrag auf Abschaffung der Trennung von Amt und Mandat mit knapper Sperrminorität abgelehnt hatte.

Prominente Mitglieder

Ehemalige Mitglieder

Siehe auch

Politische Parteien in Deutschland