Stammzelltransplantation
Unter Stammzelltransplantation (genauer hämatopoetische Stammzelltransplantation; HSZT) versteht man die Übertragung von Blutstammzellen von einem Spender zu einem Empfänger. Dabei kann es sich bei Spender und Empfänger um ein und dieselbe Person handeln (autologe Transplantation) oder um zwei verschiedene Personen (allogene Transplantation).
Im Rahmen von klinischen Studien wurden bereits andere, nicht blutbildende Stammzellen übertragen, etwa mesenchymale Stammzellen. Diese Transplantationen sind jedoch derzeit noch nicht von praktischer Bedeutung für die Medizin (siehe hierzu Regenerative Medizin, Stammzelltherapie etc.). Im Folgenden ist daher nur von der Transplantation von Blutstammzellen die Rede.
Indikation für eine Stammzelltransplantation
Eine autologe Transplantation kann notwendig werden, wenn z. B. aufgrund einer Krebserkrankung eine Chemotherapie und/oder Bestrahlung notwendig wird. Da diese aber das eigene blutbildende System schwer schädigen können, werden dem Patienten vor Beginn der Behandlung gesunde Stammzellen entnommen, die ihm zum Schluss wieder zurückgegeben werden und das zerstörte Knochenmark wieder aufbauen. Eine weitere Anwendung ist die Entnahme von erkrankten Stammzellen zur Behandlung außerhalb des Körpers des Patienten.
Allogene Stammzelltransplantationen werden vor allem bei den verschiedenen Formen der Leukämie eingesetzt, wenn andere Behandlungsmethoden nicht zum Erfolg geführt haben, aber auch bei verschiedenen anderen Erkrankungen wie z. B. malignen Lymphomen. Oftmals ist eine Transplantation für den Patienten die einzige Möglichkeit für eine vollständige Heilung.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transplantation
Spenden kann grundsätzlich jede gesunde Person im Alter von 18 bis ca. 60 Jahren.
Wie bei sonstigen Organtransplantationen müssen jedoch auch hier bei Spender und Empfänger bestimmte Gewebemerkmale übereinstimmen, damit das Immunsystem die fremden Organe nicht als fremd erkennt und angreift. Bei der Stammzelltransplantation ist das Problem aber quasi „umgekehrt“: Während z. B. bei einer Nierentransplantation das fremde Organ vom Immunsystem des Patienten angegriffen und abgestoßen werden kann, wird bei einer Stammzelltransplantation auch das Immunsystem des Spenders auf den Patienten übertragen. Im Falle einer Nichtübereinstimmung von Gewebemerkmalen würde dann das transplantierte Immunsystem alle anderen Organe des Patienten als fremd erkennen und bekämpfen. Der Mediziner spricht hier von einer Graft-versus-Host-Reaktion.
Entgegen der landläufigen Meinung muss bei der Blutstammzelltransplantation die Blutgruppe zwischen Spender und Empfänger jedoch nicht unbedingt übereinstimmen. In diesen Fällen hat der Patient nach einer erfolgreich verlaufenen Transplantation eine andere Blutgruppe als vorher, nämlich die des Spenders.
Ein kompatibler Spender kann durch Bluttests gefunden werden. Beim "perfekten Spender" passen die insgesamt sechs HLA-Typen (die Gewebemerkmale) genau zum Empfänger, wodurch die Transplantation in der Regel erfolgreich ist. Wenn nur vier oder fünf Merkmale passen, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Transplantation geringer, jedoch trotzdem noch gegeben. Da die Gewebemerkmale durch ihre Vielfalt millionenfache Kombinationen ermöglichen, gestaltet sich die Suche nach dem "perfekten Spender" oder auch "genetischen Zwilling" als überaus schwierig, ähnlich der Suche nach "der Nadel im Heuhaufen".
Spendersuche und Spenderregister
Nur etwa 30 % aller Patienten, die eine Stammzellspende von einer anderen Person benötigen, finden einen geeigneten Spender im eigenen Verwandtenkreis. Die übrigen sind auf einen Fremdspender angewiesen. Für die Vermittlung solcher Spender haben sich weltweit zahlreiche Organisationen gegründet und zu einem großen Netzwerk zusammengeschlossen. Unterstützt wird deren Arbeit durch verschiedene Stiftungen, deren bekannteste von dem Sänger José Carreras gegründet wurde.
Interessierte Spender können sich bei einer dieser Organisationen (weblinks siehe unten) typisieren lassen, am einfachsten bei einer vor Ort durchgeführten Typisierungsaktion. Dabei wird eine kleine Blut- oder Speichelprobe entnommen und mit deren Hilfe im Labor die wichtigsten Gewebemerkmale bestimmt. Diese werden zusammen mit dem Namen und der Anschrift des potentiellen Spenders bei der jeweiligen Organisation gespeichert. Die persönlichen Daten dienen nur dazu, später mit dem Spender Kontakt aufnehmen zu können. In die nationalen und internationalen Datenbanken gelangen alle Informationen nur in anonymisierter Form. Mit der Aufnahme in ein Spenderregister verpflichtet sich aber noch niemand, später tatsächlich zu spenden.
Benötigt ein Patient eine Fremdspende, so richten die behandelnden Ärzte eine Anfrage an die Spenderregister, wo anhand der gespeicherten HLA-Werte eine Vorauswahl getroffen wird. Grundsätzlich in Frage kommende Spender werden dann gebeten, sich noch einmal Blut abnehmen zu lassen, damit die Verträglichkeit mit dem Patienten genauer bestimmt werden kann.
Mit Hilfe internationaler Spenderegister ist es heute möglich, für etwa 70% der Bedürftigen, die keinen geeigneten Spender bereits in der Familie haben, diesen "genetischen Zwilling" zu finden.
Besonders negativ wirkt sich in manchen Fällen das Fehlen von Meldegesetzen in den USA aus. Es ist bereits vorgekommen, dass trotz sehr seltener Gewebemerkmale bereits ein geeigneter Spender in den dortigen Datenbanken vorhanden war, aber aufgrund eines Umzugs nicht mehr ausfindig gemacht werden konnte.
Ist schließlich ein passender Spender gefunden, so wird dieser nochmals gründlich medizinisch untersucht, um alle Risikofaktoren ausschließen zu können, die später den Spender oder den Empfänger gefährden könnten.
Bis zum Beginn der Vorbehandlung des Patienten (siehe unten) kann der Spender jederzeit noch von der Spende zurücktreten. Nach Möglichkeit sollte dies zu einem so späten Zeitpunkt jedoch vermieden werden, da bis dahin bereits viel Zeit und Geld in die Spendersuche investiert worden ist.
Grundsätzlich bekommen Spender ab dem Zeitpunkt, an dem sie um einem erneuten Bluttest gebeten werden, alle Kosten erstattet. Dies schließt auch die Fahrtkosten zu Voruntersuchungen und zur Spende selbst sowie den Verdienstausfall für diese Tage mit ein. Bei Arbeitnehmern wird üblicherweise der Lohn weitergezahlt und der Arbeitgeber kann dann der jeweiligen Spenderorganisation diesen Betrag in Rechnung stellen.
Auch während der Durchführung der Transplantation erfahren weder der Empfänger bzw. seine Ärzte die Identität des Spenders, noch weiß der Spender, wer der Patient ist (dies gilt natürlich nicht für Spenden unter Familienangehörigen). Nach einer gewissen Wartezeit, die je nach Spenderorganisation ein bis zwei Jahre dauert, können sich Spender und Empfänger kennen lernen, wenn beide dies wünschen.
Methoden der Stammzellgewinnung
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Methoden der Stammzellgewinnung, nämlich die klassische Knochenmarktransplantation und die Periphere Blutstammzellspende. Die Entscheidung für diese oder jene Methode hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der genauen Art der Erkrankung, und wird von den behandelnden Ärzten getroffen.
Daneben besteht mit gewissen Einschränkungen auch die Möglichkeit, Stammzellen aus Nabelschnurblut zu gewinnen.
Knochenmarktransplantation
Die klassische Methode der Stammzelltransplantation ist die Übertragung von rotem Knochenmark. Dem Spender wird dabei aus den platten Knochen, in der Regel dem Beckenkamm, durch eine große Nadel etwa 1 Liter Knochenmark-Blut-Gemisch entnommen und das daraus gewonnene Knochenmark dem Empfänger später transfundiert. Die Prozedur der Entnahme dauert etwa 1-2 Stunden und erfolgt stationär unter Vollnarkose, wobei mit einem Krankenhausaufenthalt von 2-3 Tagen zu rechnen ist. Entnommenes Knochenmark regeneriert sich beim Spender innerhalb von etwa zwei Wochen.
Häufig wird der Begriff Knochenmark mit Rückenmark verwechselt. Dies ist jedoch falsch; bei einer Knochenmarktransplantation wird kein Eingriff an der Wirbelsäule vorgenommen. Einschränkungen der Empfindungsfähigkeit oder gar eine Querschnittslähmung sind deswegen grundsätzlich nicht zu befürchten.
Die Nebenwirkungen für den Spender beschränken sich in der Regel auf leichte bis mäßige Schmerzen (ähnlich einem Muskelkater ) sowie Hämatome im Bereich der Einstichstellen, die jedoch nach einigen Tagen wieder verschwinden. Durch die notwendige Vollnarkose kann es unter Umständen auch zu vorübergehender Übelkeit o.ä. kommen. Das Risiko, dass es durch die Narkose oder durch das Punktieren des Knochenmarkraumes zu ernsteren Komplikationen kommt, liegt etwa bei 1:20.000.
Periphere Blutstammzellspende
Inzwischen wurde die klassische Knochenmarkspende von der Peripheren Blutstammzellspende weitgehend abgelöst. Dabei wird dem Spender etwa eine Woche lang das Hormon (G-CSF) gespritzt, welches bewirkt, dass Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut übergehen. Dort können sie dann mittels Stammzellapherese herausgefiltert werden (genauere Beschreibung siehe dort).
Als Nebenwirkungen treten beim Spender oft mehr oder weniger stark ausgeprägte grippeähnliche Symptome auf, die durch das verabreichte Medikament verursacht werden und nach dessen Absetzung schnell wieder verschwinden. Durch die gleichzeitige Gabe z.B. von Paracetamol können aber auch diese Symptome stark gelindert werden.
Nabelschnurblutspende
Eine besondere Form der Stammzelltransplantation ist die Verwendung von Nabelschnurblut. Direkt nach der Geburt wird aus der abgeklemmten Nabelschnur das dort befindliche Blut abgesaugt (es würde sonst weggeworfen) und im Labor die Stammzellen extrahiert. Die so gewonnenen Stammzellen sind besonders gut verträglich, stehen aber naturgemäß nur in geringerer Menge zur Verfügung. Eltern können Nabelschnurblut ihrer Kinder spenden oder kostenpflichtig zum eigenen Gebrauch einfrieren lassen.
Ablauf der Transplantation beim Patienten
Grundsätzlich werden die gewonnenen Stammzellen dem Patienten intravenös übertragen. Dazu muss jedoch zunächst das eigene, kranke Knochenmark mit Bestrahlungen und/oder Chemotherapie zerstört werden. Je gründlicher dies geschieht, desto schwerer sind die Nebenwirkungen, aber desto geringer ist die Gefahr eines Rückfalls. Die Entscheidung über die Intensität der Vorbehandlung treffen die behandelnden Ärzte. Die verbleibenden Reste des alten Knochenmarks werden dann vom neuen Immunsystem, das vom Spender stammt, zerstört. Aus diesem Grund sind eineiige Zwillingsgeschwister nicht unbedingt die idealen Spender: zwar ist hier die Verträglichkeit der übertragenen Stammzellen besonders gut, aber möglicherweise werden die Reste des kranken Knochenmarks nicht vollständig beseitigt. Gleiches gilt für autologe Transplantationen.
Die eigentliche Transplantation ist unspektakulär: das Transplantat wird direkt aus dem Beutel (s. Bild) über einen Katheter in den Empfänger übertragen. Das neue Knochenmark findet selbst den Weg in den Knochen und fängt nach ca. 10 Tagen mit der Produktion der Blutzellen an.
Nach der Transplantation ist der Patient erhöhter Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Dies liegt zum einen an der notwendigen Immunsuppression und zum anderen daran, dass zwar das Immunsystem des Spenders in den neuen Körper übertragen wird, aber nicht die Informationen über bereits durchgestandene Krankheiten. Das Immunsystem des Patienten entspricht quasi wieder demjenigen eines Säuglings, und tatsächlich erkranken viele Stammzellempfänger in der Folge an typischen Kinderkrankheiten, auch wenn sie diese schon einmal hatten. Erst nach einigen Jahren entsprechen die Abwehrkräfte wieder denjenigen eines gesunden Erwachsenen.
Weblinks
Weitere Informationen zur Stammzellspende und -transplantation:
- DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei gGmbH
- Bayerische Knochenmarkspenderdatei und Bayerische Stammzellbank
- Stiftung Schweizer Register für Knochenmarkspender
- Knochenmarkspenderzentrale Essen
- Stefan Morsch Stiftung
- Zentrales Knochenmarkspenderregister Deutschland
- Norddeutsches Knochenmark- und Stammzellspender-Register
- Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V.