Web 2.0

Schlagwort, das für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets verwendet wird
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Web 2.0 ist ein Oberbegriff für die Beschreibung einer Reihe neuer interaktiver Techniken und Dienste des Internets – speziell des WWW – und einer geänderten Wahrnehmung des Internets. Der Begriff wurde durch den O’Reilly-Verlag und Konferenzveranstalter MediaLive International (heute CMP Technology) für die gleichnamige Konferenzreihe geschaffen.

Web 2.0 als Inbegriff eines neuen Netzverständnisses

Der Begriff Web 2.0 beschreibt eher vage eine veränderte Wahrnehmung und Benutzung des WWW. Hauptaspekt aus organisatorischer Sicht: Benutzer erstellen und/oder bearbeiten im Internet bereitgestellte Inhalte in zunehmendem Maße selbst. Typische Beispiele hierfür sind Wikis, Weblogs sowie Bild- und Video-Sharing-Portale.

Der zunächst als Marketing-Instrument eingeführte Begriff hatte relativ großen Widerhall in der Öffentlichkeit. Das kann belegen: Eine größere Gruppe von Menschen empfindet das damit verbundene Gefühl einer einschneidenden Veränderung ebenso, ohne sie auf eine bestimmte Technologie oder eine einzelne Entwicklung zurückführen zu können. Web 2.0 ist ein beschreibender Begriff für bestimmte Entwicklungen. Er existiert nicht wirklich (anders als z. B. eine bestimmte Software-Version). Er ist das Ergebnis eines Synergieeffektes. Die beteiligten technischen Mittel können im Einzelnen oft verhältnismäßig unbedeutend erscheinen. Daher wird auch kritisiert, der Begriff wäre unscharf und nahezu beliebig verwendet („Schlagwort“), um die Popularität von Angeboten oder Techniken zu fördern oder vielleicht nur vorübergehende Trends wichtiger erscheinen zu lassen.

Aus technischer Sicht bezeichnet der Begriff Web 2.0 oft eine Kombination von bereits Ende der 1990er Jahre entwickelten Technologien, die die große Zahl an breitbandigen Internetzugängen erst jetzt großflächig verfügbar macht.

Anwendungen, die Web 2.0 zugerechnet werden, verwenden oft Web Service APIs (ca. 1998), Ajax (1998 – Asynchronous Javascript and XML, bis 2005 XmlHttpRequest genannt) und Abonnement-Dienste wie RSS (1997). Die Integration von so genannter sozialer Software wie Blogs und Wikis wird ebenso im Zusammenhang mit Web 2.0 genannt. Wegen der per Definition unscharfen Trennung zwischen tatsächlich fundamentalen Techniken und Entwicklungen des Web 2.0, Rand- und Sekundärerscheinungen und zu Privatzwecken gehypten Spielereien ist die tatsächliche Bedeutung einzelner Entwicklungen immer wieder Anlass zu Diskussionen.

Hintergrund

Das World Wide Web basierte ursprünglich auf statischen HTML-Seiten, die ins Netz eingestellt und gelegentlich bearbeitet bzw. erneuert wurden. Um die wachsende Menge an Seiten effizient bearbeiten und – auch in Teams – managen zu können, wurden Content-Management-Systeme und Datenbank-basierte Systeme entwickelt, die während der Laufzeit dynamische Seiten mit aktuellen Inhalten erzeugen.

Neue Software-Technologien und Anwendungen im Internet haben dazu geführt, dass sich die Wahrnehmung von dem, was wir „Internet“ nennen, seit etwa 2005 zu verändern beginnt. Lange Zeit erlebten wir das Internet als technisches System, das Daten, Informationen oder Medien publizieren und distribuieren lässt. Die Datenspeicherung erfolgte entweder lokal auf dem eigenen Rechner oder auf einem Server im Internet, wobei Publizieren „private“ Daten vom lokalen PC auf einen „öffentlichen“ Server kopiert. Auch die Rollenverteilung der Personen war zweiteilig: Es gab zum einen „Editoren“ (aktive Teilnehmer und Ersteller von Inhalten im WWW, teils kommerziell, teils privat, die Informationen einstellen und publizieren), und zum anderen „Benutzer“ (zumeist passive User und Konsumenten, die sich lediglich die bereitgestellten Inhalte der „Editoren“ ansehen und auch gar keine andere Option hatten, als die Informationen zu empfangen und zu konsumieren).

Ohne dass man es an einer bestimmten Technologie oder einem einzelnen Ereignis festmachen kann, bahnt sich seit etwa 2005 ein Gefühl einer wesentlichen Veränderung an. Etwa folgende Entwicklungen charakterisieren, wie das Netz gesehen und benutzt wird.

  • Die Trennung von lokaler und zentraler Datenhaltung schwindet: „Normale“ User benutzen Datenspeicher im Internet (z. B. für Fotos). Lokale Anwendungen greifen auf private Anwendungen im Netz zu. Suchmaschinen greifen auf lokale Daten zu: Der Desktop wächst ins Netz und das Netz wächst in den privaten PC.
  • Die Trennung von lokalen und netzbasierten Anwendungen schwindet: Software-Programme aktualisieren sich selbstständig per Zugriff auf das Internet, laden Module bei Bedarf darüber nach und nutzen zunehmend den Internet-Browser als universelle Benutzerschnittstelle für Anwendungen.
  • Die Trennung von Editoren und Nutzern schwindet: User stellen eigene Beiträge auf Servern ein (siehe User Generated Content). Weblogs verlagern das Private ins Öffentliche.
  • Die Trennung zwischen einzelnen Diensten schwindet: Bestehende Webinhalte verschiedener Dienste werden über offene Programmierschnittstellen nahtlos in Form von Mashups zu neuen Diensten (re-)kombiniert.
  • Durch die oben genannten APIs und Neuerungen beim Programmieren von browsergestützten Applikationen ist es dem allgemeinen User, der über gar keine oder lediglich geringe Programmierkenntnisse verfügt, um ein Vielfaches leichter geworden, aktiv am Prozess der Informationsverbreitung/Meinungsverbreitung teilzuhaben.

Durch diese Entwicklung ist eine Kategorie an netzbasierten Anwendungen entstanden, die der – ebenfalls vage – Begriff social software umschreibt.

Entstehung des Begriffs

Datei:Web20 de.png
Am 30. September 2005 schrieb Tim O'Reilly einen Artikel[1], der das Thema grundlegend erklärt. Die hier abgebildete Mindmap zeigt die Prinzipien des Web 2.0.
Datei:Web20 en.png
Die englischsprachige Mindmap beinhaltet zudem Beispiele von entsprechenden Websites und Diensten. Sie wurde von Markus Angermeier am 11. November 2005 veröffentlicht.[2]

Der Begriff „Web 2.0“ wird Dale Dougherty (O'Reilly-Verlag) und Craig Cline (MediaLive) zugeschrieben, die gemeinsam eine Konferenz planten. Dougherty meinte, das Web sei in einer Renaissance, bei der sich die Regeln und Geschäftsmodelle verändern. Er stellte eine Reihe von Vergleichen an: „DoubleClick war Web 1.0; Google AdSense ist Web 2.0. Ofoto war Web 1.0; Flickr ist Web 2.0.“. Dougherty bezog John Battelle ein, um eine geschäftliche Perspektive zu erarbeiten. Daraufhin veranstalteten O'Reilly Media, Battelle und MediaLive die erste Web-2.0-Konferenz im Oktober 2004. Die Konferenz findet seitdem jährlich im Oktober statt.

CMP Technology (heutiger Eigentümer von MediaLive) hat den Begriff in den USA als sogenannte Service Mark (Dienstleistungsmarke) angemeldet. In diesem Zusammenhang erregte der Begriff im Frühjahr 2006 Aufregung: Eine nichtkommerzielle Organisation verwendete den Begriff für eine eigene Konferenz und wurde von CMP anwaltlich abgemahnt. Insbesondere in Weblogs wurde diese Maßnahme zum Teil scharf kritisiert.

O'Reilly und Battelle fassten Schlüsselprinzipien zur Charakterisierung von Anwendungen zusammen, die dem Begriff „Web 2.0“ zugeordnet werden können:

  • das Web als Plattform (anstatt des lokalen Rechners)
  • Daten-getriebene Anwendungen (Inhalte sind wichtiger als das Aussehen)
  • Die Vernetzung wird verstärkt durch eine „Architektur des Mitwirkens“. (Jeder kann mitmachen.)
  • Innovationen beim Aufbau von Systemen und Seiten, durch die Verwendung von Komponenten, welche von verschiedenen Entwicklern erstellt worden sind und beliebig miteinander kombiniert werden können (ähnlich dem Open-Source-Entwicklungsmodell).
  • einfache Geschäftsmodelle durch das verteilte, gemeinsame Nutzen von Inhalten und technischen Diensten
  • Das Ende des klassischen Softwarelebenszyklus; die Projekte befinden sich immerwährend im Beta-Stadium.
  • Die Software geht über die Fähigkeiten eines einzelnen Verwendungszwecks hinaus.
  • Nicht nur auf die Vorhut der Web-Anwendungen abzielen, sondern auf die breite Masse der Anwendungen.

Tim O'Reilly zufolge unterscheiden sich „Web 2.0“ und „Web 1.0“ folgendermaßen:[1]

Web 1.0 Web 2.0 Anwendung
DoubleClick Google AdSense Werbung
Ofoto Flickr Fotoalben
Akamai BitTorrent Inhalte/Daten verbreiten
MP3.com Napster Musik online erwerben
BritannicaOnline Wikipedia Enzyklopädien
persönliche Webseite Weblogs persönlicher Webauftritt/Präsentation
Evite upcoming.org und EVDB Veranstaltungen
Domainnamen uneindeutig Suchmaschinen-Optimierungen Bekanntmachungen
Seitenbesuche Kosten pro Klick Bezahlwerbungs-Einheiten
Newsgroups Webforum Soziales-Netzwerk-Forum
Screen Scraping Web Services Inhaltsverbreitung
veröffentlichen teilnehmen Inhaltsverarbeitung
Content-Management-Systems Wikis Content Management
Ordner (Taxonomie) Tags („Folksonomy“) Klassifizierung von Inhalten
einzelne Artikel Verbreitung von Artikeln Interoperabilität
Browseroptimierung Webstandards Interoperabilität

Bei dieser Auflistung ist vor möglichen anderen Einwänden zunächst einmal festzustellen, dass einige Dienste (Usenet, P2P...) nicht einmal Teil des Webs sind, unabhängig von der zugeordneten Versionsnummer desselben.

Technologien

Die Entwicklungen der Technologien des Internet, die der Begriff Web 2.0 umschreibt, sind vielfältig und verändern sich – vor allem durch Aktivitäten der open source community – rasant. Typische Elemente von zuzuordnenden Internet-Anwendungen sind zum Beispiel:

  • Abonnementdienste mit RSS/Atom oder ähnlichem, bei denen Informationen zwischen Websites ausgetauscht werden
  • Techniken, die es ermöglichen, Web-Anwendungen bezüglich der Bedienbarkeit ähnlich zu gestalten wie „klassische“ Desktop-Anwendungen (z. B. Ajax)
  • Weblogs: persönliche „Tagebücher“ im Netz
  • Anwendungen, die die Bildung sozialer Netzwerke unterstützen
  • Anwendungen, die als Webservice im Netz funktionieren

Es ergeben sich typische Forderungen an Anwendungen, die dem Begriff Web 2.0 zugeordnet werden, und die sich u. a. folgendermaßen zusammenfassen lassen:

  • Die Anwendung ist netzbasiert, ein Browser genügt für die Benutzung.
  • Seiten werden dynamisch, nicht statisch, erzeugt. Sie verändern sich z. B. in Abhängigkeit von Benutzereingaben.
  • Benutzern wird die Möglichkeit gegeben, selbst Beiträge einstellen zu können.
  • Es besteht ein differenziertes Rollen- und Rechtesystem: Es kann differenziert werden, wer welche Beiträge von welchen Personen einsehen bzw. bearbeiten kann. Benutzer können zu Gruppen zusammengefasst werden.
  • Benutzer besitzen ihre „eigenen“ Daten und können sie selbst bearbeiten.
  • Seiten und Oberflächen können „personalisiert“, d. h. eigenen Vorstellungen angepasst werden.
  • Benutzer können Beiträge anderer Personen kommentieren.
  • Es entsteht unter den Benutzern das Gefühl der Zusammengehörigkeit (Community).

Abonnementdienste

Manche Betreiber von Websites, z. B. Zeitungen, stellen Inhalte der Website in einer Form zur Verfügung, die der Benutzer abonnieren kann. Neue Inhalte werden automatisch heruntergeladen und dem Benutzer durch ein geeignetes Programm angezeigt. Populäre Anwendungen hierfür sind z. B. das Anzeigen der neuesten Schlagzeilen der bevorzugten Zeitung auf dem Desktop oder Information über neu eingetroffene E-Mails in einem Webmail-Postfach. Derartige Abonnementdienste heißen üblicherweise Feed, die zu Grunde liegenden Protokolle sind i. d. R. RSS oder Atom.

Web Service

Als Web Service wird ein Dienst bezeichnet, den der Anbieter so zur Verfügung stellt, dass Programme Informationen automatisch und auf standardisierte Weise austauschen können. Ein Web Service ist nicht zur direkten Benutzung durch einen Menschen gedacht.

Im Kontext von Web 2.0 bedeuten Web Services das Integrieren von Diensten verschiedener Anbieter in einen neuen (oder in einen mächtigeren) Dienst für den Internet-Benutzer.

Beispiele:

  • Google ermöglicht jedem Internet-Benutzer über seine Website auf seine Suchmaschine zuzugreifen. Außerdem können auch Programme die Suchmaschine nutzen, indem sie auf den entsprechenden Web Service von Google zugreifen.
  • Websites, die dem Internet-Benutzer die Verwaltung seiner Bibliothek anbieten, nutzen die Web Services von Buchhändlern (z. B. Amazon.de), um eine komfortable Suche nach Büchern, Autoren etc. zu ermöglichen. Die Suchergebnisse, die sogar Abbildungen des Einbands enthalten können, liefert der Anbieter des Web Services.

Vergleich mit Semantic Web

Im Begriff Web 2.0 sind unter anderem Aspekte des Semantischen Webs enthalten: soziale Netzwerke wie FOAF und XFN, die Entwicklung von Folksonomy, Weblogs, Soziale Lesezeichen und Wikis. Die Herangehensweise ist aber verschieden: Die Folksonomy des Web 2.0 wird von den Usern entwickelt, nicht wie die Ontologien des Semantischen Webs von den Autoren.

Kritik

Tim Berners-Lee, der Begründer des WWW, bezeichnet den Begriff Web 2.0 in einem IBM-Developer-Works-Podcast[3] [4] als „Jargon, von dem keiner auch nur weiß, was er bedeuten soll“ (I think Web 2.0 is of course a piece of jargon, nobody even knows what it means). Er vertritt die Ansicht, dass das angeblich „neue Netzverständnis“ des Web 2.0 in Wahrheit nichts anderes als das ursprüngliche Netzverständnis ist, das bereits dem Web 1.0 zugrundelag (Web 1.0 was all about connecting people).

Im Grunde genommen ist an Web 2.0 nichts Neues. Folgende Abbildung illustriert das Aufkommen gängiger Begriffe, die dem Begriff Web 2.0 zugeordnet werden im Zeitverlauf.[5]

 

Quellen

  1. a b Tim O'Reilly: What Is Web 2.0: Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software. (deutsche Übersetzung)
  2. Markus Angermeier: Web 2.0 Mindmap.
  3. developerWorks Interviews: Tim Berners-Lee (Transkript als Textdatei, englisch)
  4. Telepolis: „Web 2.0 ist nutzloses Blabla, das niemand erklären kann“ von Wolf-Dieter Roth
  5. Jürgen Schiller García: Web 2.0 Buzz Time bar. 21. September 2006, abgerufen am 29. Oktober 2006.

Presseartikel