Benutzer:Tets/D.d.P

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Januar 2007 um 00:58 Uhr durch Tets (Diskussion | Beiträge) (Zum Begriff der Diktatur des Proletariats). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Diktatur des Proletariats ist ein in unterschiedlichen Phrasen nachweislich zu Mitte des 19. Jahrhunderts in allen gesellschaftlichen Kreisen aufkommender, positiv wie negativ besetzter und unterschiedlich genutzer Begriff, der die politische Herrschaft der bis dahin noch nicht im Staat repräsentierten Gesellschaftsgruppen beschreibt, speziell der aufkommenden Arbeiterklasse.

Der Begriff wurde durch die Rezeption des Werkes von Karl Marx und Friedrich Engels geprägt. Während bei ihnen einzig unumstritten ist, dass sie unter der Diktatur des Proletariats die Herrschaft der Arbeiterklasse verstanden, mit der der Übergang von einer bürgerlichen Gesellschaft zur klassenlosen, daher herrschafts- und staatslosen Gesellschaft, vollzogen wird, war die Frage Wie dies geschehen sollte, und wie Marx und Engels dies beurteilten, Gegenstand andauernder Kontroversen und Auseinandersetzungen. Festzuhalten ist, dass entgegen der zentralen Stellung des Begriffs in der Rezeption der Theorien von Marx und Engels der Begriff der Diktatur des Proletariats in ihren Schriften keine zentrale Rolle einnahm und die Begriffsnutzungen einzeln darstellbar sind.

Georgi Walentinowitsch Plechanow führte den Begriff der Diktatur des Proletariats in das Programm der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands ein. In der daraus entstehenden Kommunistischen Partei Russlands spielte der Begriff nach den Aprilthesen eine bedeutende Rolle, im Zeitraum zwischen der Oktoberrevolution und dem Bürgerkrieg in der Russischen Sozialistischen Förderativen Sowjetrepublik wurde die theoretische Vorstellung der Diktatur des Proletariats prinzipiell zu verwirklichen versucht. Nach 1925 in seiner Bedeutung immer mehr uminterpretiert, wurde der Begriff in den stalinistisch geprägten Ostblockstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg neben der wohl ansprechenderen Bezeichnung sozialistische Demokratie verwendet.

In den 70er Jahren des 20. Jahrhundertes distanzierten sich einige eurokommunistische Parteien von der Parole der Diktatur des Proletariats, auch um sich von den realsozislistischen Staaten abzugrenzen.

Fälschlicherweise wurde der Begriff des öfteren auch Louis-Auguste Blanqui zugerechnet, in seinen Schriften findet er jedoch keine Erwähnung. [1] Das Konzept einer Diktatur des Proletariats war jedoch für blanquinistische Strömungen von zentraler Bedeutung.

Zum Begriff der Diktatur des Proletariats

Während der Begriff des Proletariats eine ziemlich einheitliche Nutzung erfuhr, muss der Begriff der Dikattur näher betrachtet werden um die unterschiedlichen Verständnisse einer Diktatur des Proletariats nachvollziehen zu können.

Proletariat

Das Proletariat (vom lat. proletarius „der untersten Volksschicht angehörend“) bezeichnete in diesem Zusammenhang zuerst die Industriearbeiterschaft zur Zeit der Industriellen Revolution.

Nach Karl Marx ist das Proletariat oder die Arbeiterklasse diejenige Klasse, die innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaftsformation als doppeltfreier Lohnarbeiter ihre Arbeitskraft verkaufen müssen um zu überleben.

Diktatur

Ursprünge und Begriffsnutzung um das 19. Jahrhundert

Der Begriff Dikatur kam erstmals in Zusammenhang mit der Römischen Republik auf, in der die Möglichkeit bestand dass Konsul und Senat zeitlich begrenzt einen Diktator ernannten, dem alle Ämter unterstanden. Eine Analogie zum Kriegsrecht besteht, da beide Formen einer Krisenregierung innerhalb des institutionellen Systems darstellen. Dementsprechend wurde der begriff lange Zeit genutzt um einen Ausnahmezustand politischer Gewalt zu beschreiben.

Der Begriff wurde auch zur politischen Agitation genutzt. Während der Französischen Revolution wurde die konstitutionelle und legislative Versammlung, der Nationalkonvent, von Gegnern ebenso als Diktatur bezeichnet wie es das Britische Parlament Jahrhunderte lang wurde oder die Pariser Kommune von 1871. Im 19. Jahrhundert war in reaktionären Kreisen der Begriff der Diktatur für nach heutigen Verständnis eher demokratischen Regierungsformen duchaus üblich. Das Wort Diktatur hatte noch nicht seine heutige Bedeutung, und kann nicht mit Begriffen wie Despotismus, Tyrannis, Absolutismus oder Autokratie gleichgestzt werden, es war ebenso noch kein Gegenbegriff zur Demokratie. Ideengeschlichtlich lässt sich eine negative Nutzung des Begriffs der Demokratie als Tyrannei der Vielen bis zu den Staatstheorien Platons oder Aristoteles zurückführen, wobei hervorzuheben ist dass diese den Begriff Demokratie anders nutzten als heute gebräuchlich ist. Die bürgerlichen Revolutionen der 1848er Jahre waren in reaktionären Kreisen eine „Tyrannei der Demokratie“ oder „Tyrannei der Massen“. [2] So stellte Juan Donoso Cortés (1809-53), der heute als politischer Vordenker moderner Diktaturen gilt, noch um diese Zeit bezüglich des englischen Parlaments fest:

„Wer, Gentlemen, hat jemals solch eine kollosale Diktatur gesehen?“

Juan Donoso Cortés [3]
Frühe Diktaturkonzepte aus dem politisch linken Spektrum

Die Verbindung des Begriffs Diktatur mit der politisch linken Seite lässt sich erstmals auf François Noël Babeuf (1760-97) und seine Gemeinschaft der Gleichen zurückführen. Zu einer Zeit, wo auch erstmals der Begriff der politischen Linken aufkam. Die Ansätze der Gemeinschaft machte Babeufs Weggefährte Filippo Buonarroti (1761-1837) fast 30 Jahre später wieder publik. Die revolutionäre Regierung, in Form einer Diktatur einer kleinen revolutionären Gruppe, sollte die Massen zur Demokratie erziehen (vgl. Erziehungsdiktatur). Dieses Konzept wurde für die Blanquinisten der 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts bestimmend. Wilhelm Weitling (1808-71) trat für eine Personendiktatur ein, Bakunin (1814-76) vertrat das Konzept einer geheimen Diktatur (en:Invisible dictatorship). All diese politischen Konzepte lassen sich unter der heutigen Begrifflichkeit einer Diktatur subsumieren.

Begriff der Diktatur zur Zeit der bürgerlichen 1848er Revolutionen

Auch für die bürgerlichen und gemäßigten linken Kräfte wie Louis Blanc (1811-82) war die Durchsetzung der Demokratie mit einem diktatorischen Moment verbunden, muss doch jedes fundamental neue Herrschaftssystem die Gesetze des alten Herrschaftssystem ausser Kraft setzen und neue einsetzen. [4] Engels hielt in selben Zusammenhang fest:

Das Recht auf Revolution ist ja überhaupt das einzige wirklich "historische Recht", das einzige, worauf alle modernen Staaten ohne Ausnahme beruhen.“

In diesem Sinne sprach auch Karl Marx erstmals von einer Diktatur, als er in der Neuen Rheinische Zeitung für einen härteren Kurs der bürgerlichen Kräfte für Demokratie und gegen die alten absolutistisch-feudalistischen Verhältnisse eintrat:

Jeder provisorische Staatszustand nach einer Revolution erfordert eine Diktatur, und zwar eine energische Diktatur. Wir haben es Camphausen [Anm. preußischer Ministerpräsident in der Revolutionszeit von März bis Juli 1848] von Anfang an vorgeworfen, daß er nicht diktatorisch auftrat, daß er die Überbleibsel der alten Institutionen nicht sogleich zerschlug und entfernte.

Lorenz von Stein (1815-90), der eine eigenständigen, antirevolutionären Standpunkt formulierte, entwickelte einen theoretischen Ansatz der sich mit dem Klassenkampf und dem Begriff der Diktatur auseinandersetzte.

Nutzung des Schlagwortes „Diktatur des Proletariats“

Ausführlich dokumentiert ist die Nutzung des Begriffes der Diktatur und der Diktatur des Proletariats bei Marx und Engels, die unter zweiteren die Herrschaft der Arbeiterklasse verstanden, jedoch keine spezielle Organisations oder Regierungsform, also Diktatur im heutigen Sinne. In welchem Sinne Marx und Engels, wie andere sich auf sie beziehende Theoretiker, den Begriff der Diktatur des Proletariats im Kontext einer marxistischen Theorie nutzten, wird im Abschnitt (→ Bedeutung im Marxismus ) ausführlich thematisiert.

Plechanow und vor allem Lenin verschafften den Begriff Diktatur des Proletariats zu Beginn des 20 Jahrhunderts eine Renaissance. Er wurde in das Parteiprogramm der russischen Kommunisten aufgenommen und sollte bis zum Zusammensturz der Sowjetunion 1991 ein zentraler Begriff bleiben, sowohl auf Seiten der Unterstützer wie Gegner des politischen Systems, wobei er demgemäß in ganz unterschiedlicher Weise genutzt wurde.

Heutiges Verständnis des Begriffs Diktatur

Heute bezeichnet der Begriff der Diktatur die Herrschaft durch einen einzelnen Diktator, eine politische Partei, eine Minderheit oder Gruppe von Menschen, die sich die Macht über ein Volk aneignet, sie monopolisiert und ohne Einschränkungen ausübt, im Gegensatz zur Demokratie, in der die Herrschaft vom Volk ausgeht. Der Ursprung dieses Begriffsverständnis lässt sich..

Bedeutung im Marxismus

Begriffsentwicklung bei Marx und Engels

Nutzung des Begriffs „Diktatur“ bei Marx und Engels

Beide nutzten den Begriff in vielfälltiger Weise, besonders in metaphorischen Sinne, und auch in nicht ganz ernstgemeinter Weise; nicht unbedingt in dem Sinne, eine bestimmte Regierungsform eines Staates zu beschreiben. In Bezug auf die mittelalterliche Kirche oder die Reihe von Päpsten sprachen sie von einer “geistigen Dikatur”. Die Kleinstaaten Deutschlands standen unter der „Diktatur“ Preußens oder der Habsburger Monarchie; die Berliner Regierung stimmte einer “Franko-Russischen Diktatur” zu; ganz Europa war unter “Moskauer Diktatur”; oder es wurde Marx Redaktionsleitung in der Neuen Rheinischen Zeitung von Engels als diktatorisch bezeichnet [5], usw...

Der Begriff ‘Militärdiktatur’ wurde hingegen höchstwahrscheinlich ausschliesslich negativ verwendet. Ebenfalls negativ verwendete wurde der Begriff Diktator in journalistischer Arbeit gegen politische Gegner, auch wenn diese tatsächlich keine diktatorischen Vollmachten besaßen, zum Beispiel gegen Parnell, Bismarck, Lord Palmerston und anderen. Innerhalb der Arbeiterbewegung setzten sich Marx und Engels in diesem Sinne besonders mit Ferdinand Lassalle und Bakunin auseinander, die, ihrer Meinung nach, geheime Diktaturbestrebungen hegten. Mit Bakunin kam es innerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation zur Spaltung, mit Lassalle nachdem dieser mit Bismarck geheime Verhandlungen führte. Auguste Comte wurden ebenfalls diktatorische Züge vorgeworfen, wie auch Ernest Charles Jones, von dem sie sich in Laufe der Zeit Aufgrund dessen abwandten.

Zum Begriff „Diktatur des Proletariats“

   
Marx und Engels
 
Pariser Kommune

Karl Marx und Friedrich Engels entwickelten während ihrer Schaffenszeit ihre Vorstellung von der Aufhebung der herrschenden Klassengesellschaft in eine herrschaftsfreie klassenlose Gesellschaft weiter. Während im Kommunistischen Manifest von 1848 noch die Rede davon ist, dass „das Proletariat (...) seine politische Herrschaft dazu nutzen wird“, „alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren“ [6], und andere „revolutionäre Maßregeln“ [7] ausgerufen werden, äussern Marx und Engels 25 Jahre später in einem Vorwort zur deutschen Wiederveröffentlichung des Manifests, dass dieser Abschnitt „heute in vieler Beziehung anders lauten“ [7] würde, auch Aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Realität. Dabei formulieren sie, dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann“ [8]. Für die Neubewertung spielte neben den fehlgeschlagenen Revolutionen von 1848 vor allem die Pariser Kommune von 1871 eine entscheidende Rolle.

Erstmals schriftliche Erwähnung findet eine „Klassendiktatur des Proletariats“ [9] 1850 in Marx Schrift Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850. 1852 erwähnte Marx in einem privaten Brief an Joseph Weydemeyer erstmals dezidiert den Bergiff der Diktatur des Proletariats. Dort hielt er ausschliesslich fest, „dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zur klassenlosen Gesellschaft bildet“; dieser Brief wurde erstmals 1930 veröffentlicht [10]. Während den Jahren 1871-75 sind weitere Nutzungen des Begriffes dokumentiert. Dort orientierte sich der Begriff der Diktatur des Proletariats dann stark an der Pariser Kommune. In veröffentlichten Schriften trat der Begriff danach wieder um 1890 auf, wirkungsmächtig in der posthum von Engels herausgegebenen Schrift Marxens, der „Kritik des Gothaer Programms“ von 1875, sowie der Einleitung Engels zu „Der Bürgerkrieg in Frankreich 1848-1850“.

Hal Draper geht aufgrund seines Quellenstudiums, dass folgend dargestellt wird, davon aus, dass der Begriff der Diktatur des Proletariats metaphorisch zu verstehen ist. [11] Nach Draper bezeichnete der Begriff für Marx keine Regierungsform, sondern einen sozialen Inhalt von Politik und einen Klassencharakter politischer Macht. [12] Er unterscheidet die Nutzung und Entwicklung des Begriffs in drei Perioden: [13]

Dokumentierte Nutzungen des Begriffs „Diktatur des Proletariats“ bei Marx und Engels:


  • Die post-revolutionäre Zeit nach den 48er Revolutionen 1850-52
  1. Marx, „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850“, drei Erwähnungen, veröffentlicht Januar - März 1850 (lesen)
    1. Marx, Auseinandersetzung mit Lüning, "Neue Deutsche Zeitung" vom 4. Juli 1850, verfasst Juni 1850 (lesen)
    2. Marx, „Brief an Joseph Weydemeyer“, datiert mit 15. März 1852 (lesen)
  2. Marx & Engels, Statut der „Société Universelle des Communistes Révolutionnaires“, April 1850 (lesen)
  • Die post-revolutionäre Zeit nach der Pariser Kommune 1871-75
  1. Marx, Erstes Treffen der IAA nach der Pariser Kommune, Londoner Konferenz, 17-23. September 1871 (Journalistenzitat) [14]
  2. Marx, „Der politische Indifferentismus“ datiert mit Januar 1873 (lesen)
  3. Engels, „Zur Wohnungsfrage“, 3.Abschnitt, zwei Erwähnungen, 1872/73 (lesen)
  4. Engels, „The Program of the Blanquist Fugitives from the Paris Commune“, 26. Juni 1874 (lesen)
  5. Marx, „Kritik des Gothaer Programms“, verfasst von April bis Anfang Mai 1875, in kleinem Kreis veröffentlicht (lesen)
  • Die Wiedereinführung des Begriffes durch Engels nach Marx Tod, ab 1890
  1. Engels, „Brief an Konrad Schmidt, datiert mit 27. Oktober 1890 (lesen)
  2. „Kritik des Gothaer Programms“ veröffentlicht in "Die Neue Zeit", Nr. 18, 1. Band, 1890-91 (lesen)
  3. Engels, Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich von Karl Marx , zwei Erwähnungen, datiert mit 18. März 1891 (lesen)
  4. Engels, „Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891“ verfasst von 18-29. Juni 1891 (lesen)
  5. Engels, Gespräch mit A. M. Voden (unsicher) [15]

  • Gesamt: 13 | Marx: 7 | Engels: 7 | Mehrfachnennungen in Schriften einzeln gerechnet: 17 | Wortwörtliche Nutzungen des Begriffs insgesamt: 9
  • Quelle: Zeitschriften: 7 ; private Briefe: 2 ; Von dritten Wiedergegeben: 2 ; Statuten: 1 ; Vorworte: 1

1. Phase 1850-52

1852 verwandte ihn Karl Marx in einem Brief [10], um die Herrschaft der Arbeiterklasse zu bezeichnen, mit der der Übergang von einer bürgerlichen Gesellschaft zur klassenlosen, daher herrschafts- und staatslosen Gesellschaft vollzogen wird. Der Begriff beinhaltete zunächst keine konkreten Vorstellungen von Organisation, sondern bezog sich auf die politische Herrschaft der Arbeiterklasse, die bislang nicht im Staat repräsentiert war.

Weydemeyer veröffentlichte kurze Zeit zuvor einen Artikel mit dem Titel „Diktatur des Proletariats“, ob Marx in diesen Zusammenhang den Begriff nutzte ist unklar.

2. Phase 1871-75

3. Phase 1890-

Engels bezeichnete 1891 die „Pariser Kommune“ von 1871, die aus einer Wahl hervorgegangene und basisdemokratisch agierende Stadtverwaltung, als realisierte Diktatur des Proletariats. [16] In selben Jahr erschien, durch Engels publiziert, posthum Marxens Schrift Kritik des Gothaer Programms von 1875, die den Begriff ebenfalls beinhaltete.

Theorie

In der marxistischen Theorie gelten alle bisherigen Gesellschaftsformen seit der Auflösung der urkommunistischen Gemeinwesen als Diktaturen einer wohlhabenden Minderheit über eine unterdrückte Mehrheit. Der Staat mit seinem bürokratischen Apparat wird hierbei als Machtinstrument der wirtschaftlich herrschenden Klasse angesehen, der die niederen Klassenschichten durch seine Armee und Justiz unterdrückt und so die Ausbeutung zu erhalten versucht. „[Der] Staat ist nichts als eine Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere“. [16] „Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist [daher] die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen.“ [17]. Die bürgerliche Gesellschaft wird somit als Diktatur der Bourgeoisie mit abhängig von ihren Organisationsformen variierenden Proportionen der politischen und ökonomischen Repression charakterisiert. Die Aufhebung dieser Form der Diktatur und den Übergang zur klassenlosen Gesellschaft, in der Herrschaftsvehältnisse abwesend sind, bildet die sogenannte Diktatur des Proletariats. „Dieser Sozialismus ist die Permanenzerklärung der Revolution, die Klassendiktatur des Proletariats als notwendiger Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt, zur Abschaffung sämtlicher Produktionsverhältnisse, worauf sie beruhen, zur Abschaffung sämtlicher gesellschaftlicher Beziehungen, die diesen Produktionsverhältnissen entsprechen, zur Umwälzung sämtlicher Ideen, die aus diesen gesellschaftlichen Beziehungen hervorgehen.“ [18] In der Diktatur des Proletariats wird der Staat, Instrument einer Klassenherrschaft, daher aufgehoben: „Die [Pariser] Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst (...). Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen.“ [19]

Begriffsauslegungen und Umsetzungen

Datei:Lenin-1918.jpg  
Lenin Oktoberrevolution
  Datei:Karl Liebknacht 1918 Berlin in Tiergarten.jpg
Luxemburg Spartakusaufstand

Der Begriff wurde sehr unterschiedlich interpretiert. Lenin charakteriiserte die Diktatur des Proletariats als direkte Machtausübung der Massen „millionenfach demokratischer als die demokratischste bürgerliche Demokratie“. Sie würde in einer proletarischen Revolution errungen werden und als Stützpfeiler für die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft dienen. Noch unmittelbar vor der Revolution von 1917 definierte Lenin in „Staat und Revolution“ die Diktatur des Proletariats als eine kurze Übergangsphase bis zum „Absterben des Staates“ nach der Weltrevolution. In der russischen Revolution waren die Räte (Sowjets) der Arbeiter, Bauern und Soldaten auch für kurze Zeit in einer solchen Situation. Allerdings wurde durch den Bürgerkrieg und Missernten eine zunehmende Zentralisierung vorgenommen, welche schließlich ab 1923 als Sprungbrett für die erstarkende bürokratische Kaste unter Josef Stalin diente.

Rosa Luxemburg kritisierte das leninsche Verständnis der Dikatur des Proletariats ebenso wie das Karl Kautskys. Während Lenin eine Diktatur nach bürgerlichen Muster propagiere, will Kautsky die Diktatur in der bürgerlichen Demokratie verwirklichen. Beide Sichtweisen bilden für sie gleichweit entfernte Pole von der Dikatur des Proletariats, nach Luxemburg bedarf es einer "sozialistischen Demokratie" [20] (Demokratischer Sozialismus). "Jawohl: Diktatur! Aber diese Diktatur besteht in der ART DER VERWENDUNG DER DEMOKRATIE, nicht in ihrer ABSCHAFFUNG, in energischen, entschlossenen Eingriffen in die wohlerworbenen Rechte und wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ohne welche sich die sozialistische Umwälzung nicht verwirklichen läßt." [20] Sie verstand die Diktatur des Proletariats, seinen Wortursprung entsprechend, als "Diktatur der KLASSE, nicht einer Partei oder Clique, (...) d.h. in breitester Öffentlichkeit, unter tätigster ungehemmter Teilnahme der Volksmassen, in unbeschränkter Demokratie." [20]

Bedeutung im Blanquinismus

Datei:Blanqui-aged-sketch.jpg
Blanqui

der französischen Sozialisten um Louis-Auguste Blanqui: „Frankreich voller bewaffneter Arbeiter, das ist der Sozialismus.“ [21]


Bedeutung im Sowjetsozialismus

   
Sowjetunion

In der Sowjetunion (1922-91) und vergleichbaren politischen Systemen wurde der Begriff der Diktatur des Proletariats dahingehend verwendet, um zu beschreiben, dass das Proletariat, geführt durch die Kommunistische Partei, durch den Staatsapparat die Verhältnisse beseitigt, die die Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit bedingt. Also zum Beispiel die Verhältnisse zur Produktion von Gütern (Vgl. Produktionsweise). In diesem Sinne wurde dieses Herrschaftsverhältnis als ein demokratisches, und als ein Übergangsstadium verstanden. Einzig die Sowjetunion zu Zeiten Breschnews [22] beanspruchte für sich, die Diktatur des Proletariats überwunden und den Sozialismus erreicht zu haben.

Bedeutung im Eurokommunismus

In den 1970er Jahren entfernten die eurokommunistischen Parteien Italiens, Spaniens und Frankreichs den Begriff der Diktatur des Proletariats aus ihren Parteiprogrammen. Die Eurokommunisten verneinten den internationalen Führungsanspruch der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) über die anderen kommunistischen Parteien und proklamierten unter Verzicht auf die Parole der "Diktatur des Proletariats" einen demokratischen Weg zum Sozialismus innerhalb der pluralistischen parlamentarischen Systeme Westeuropas.

Kritik am Konzept der Diktatur des Proletariats

Zitate

Marx und Engels

„Was ich neu tat, war 1. nachzuweisen, dass die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. dass der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zur klassenlosen Gesellschaft bildet.“

Karl Marx: Brief an Joseph Weydemeyer, 15. März 1852 [10]

„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“

Karl Marx: Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei in der Kritik des Gothaer Programms 1875 (erstmals publiziert 1891)

„Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats.

Friedrich Engels: Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich von Karl Marx , 18. März 1891

„Und was tat die Kommune (...) ? (...) Gerade die unterdrückende Macht der bisherigen zentralisierten Regierung, Armee, politische Polizei, Bürokratie (...) sollte überall fallen, wie sie in Paris bereits gefallen war.“

Friedrich Engels: Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich von Karl Marx , 18. März 1891

Lenin

„Die Diktatur des Proletariats aber, d.h. die Organisierung der Avantgarde der Unterdrückten zur herrschenden Klasse, um die Unterdrücker niederzuhalten, kann nicht einfach nur eine Erweiterung der Demokratie ergeben. Zugleich mit der gewaltigen Erweiterung des Demokratismus, der zum erstenmal ein Demokratismus für die Armen, für das Volk wird und nicht ein Demokratismus für die Reichen, bringt die Diktatur des Proletariats eine Reihe von Freiheitsbeschränkungen für die Unterdrücker, die Ausbeuter, die Kapitalisten. Diese müssen wir niederhalten, um die Menschheit von der Lohnsklaverei zu befreien, ihr Widerstand muß mit Gewalt gebrochen werden, und es ist klar, daß es dort, wo es Unterdrückung, wo es Gewalt gibt, keine Freiheit, keine Demokratie gibt.“

Wladimir Iljitsch Lenin: Staat und Revolution, 5. Kapitel, 2. Abschnitt „Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus“

Luxemburg

„Es ist die historische Aufgabe des Proletariats, wenn es zur Macht gelangt, an Stelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jegliche Demokratie abzuschaffen. Sozialistische Demokratie beginnt aber nicht erst im gelobten Lande, wenn der Unterbau der sozialistischen Wirtschaft geschaffen ist, als fertiges Weihnachtsgeschenk für das brave Volk, das inzwischen treu die Handvoll sozialistischer Diktatoren unterstützt hat. Sozialistische Demokratie beginnt zugleich mit dem Abbau der Klassenherrschaft und dem Aufbau des Sozialismus. Sie beginnt mit dem Moment der Machteroberung durch die sozialistische Partei. Sie ist nichts anderes als die Diktatur des Proletariats. (...) [Diese] Diktatur muß das Werk der KLASSE, und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen der Klasse sein, d.h. sie muß auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, unter ihrer unmittelbaren Beeinflussung stehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen.“

Siehe auch

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. „Incidentally, the ascription of the term ‘dictatorship of the proletariat’ to Blanqui is a myth industriously copied from book to book by marxologists eager to prove that Marx was a putschist “Blanquist,” but in fact all authorities on Blanqui’s life and works have (sometimes regretfully) announced that the term is not to be found there.“
    H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 1. Abschnitt, 1987. (Lesen)
  2. Für eine ausführliche Darstellung siehe H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 3. Abschnitt, 1987. (Lesen)
  3. H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 3. Abschnitt, 1987. (Lesen)
  4. Für eine genauere Darstellung siehe H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 2. Abschnitt, 1987. (Lesen)
  5. „Die Verfassung der Redaktion war die einfache Diktatur von Marx. Ein großes Tageblatt, das zur bestimmten Stunde fertig sein muß, kann bei keiner anderen Verfassung eine folgerechte Haltung bewahren. Hier aber war noch dazu Marx' Diktatur selbstverständlich, unbestritten, von uns allen gern anerkannt. Es war in erster Linie sein klarer Blick und seine sichere Haltung, die das Blatt zur berühmtesten deutschen Zeitung der Revolutionsjahre gemacht haben.“ F. Engels, „Marx und die "Neue Rheinische Zeitung" 1848-49“, 1884, (Lesen)
  6. K. Marx, F. Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 481 (Lesen)
  7. a b K. Marx, F. Engels, Vorwort zu dem Kommunistisches Manifest, deutsche Ausgabe 1872. MEW 18, 95f. (Lesen)
  8. K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 336 (Lesen) ; Im Vorwort wird diese Schrift zitiert.
  9. K. Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850. 1850, MEW7, 89. (Lesen)
  10. a b c K. Marx, Brief an Weydemeyer (1852), erstmals publiziert 1930 in Jungsozialistische Blätter. MEW 28, 507f. Quelle (Lesen (englisch))
  11. „For Marx and Engels, from beginning to end of their careers and without exception, ‘dictatorship of the proletariat’ meant nothing more and nothing less than ‘rule of the proletariat,’ the ‘conquest of political power’ by the working class, the establishment of a workers’ state in the immediate postrevolutionary period.“ H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 4. Abschnitt 1987. (Lesen)
  12. „For Marx this was a statement about the societal content of the state, the class character of the political power. It was not a statement about the forms of the government machine or other structural aspects of government or policies.“ H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 6. Abschnitt 1987.
  13. Für eine genaue Beschreibung der Entwicklung des Begriffes bei Marx und Engels siehe H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 1987. (Lesen)
  14. H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 6.Abschnitt, 1987. (Lesen)
  15. H. Draper, The ‘Dictatorship of the Proletariat’ from Marx to Lenin, 1. Kapitel, 8.Abschnitt, 1987. (Lesen)
  16. a b F. Engels, Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich von Karl Marx , 18. März 1891, am zwanzigsten Jahrestag der Pariser Kommune, MEW 22, 188-199. (Lesen)
  17. K. Marx, F. Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482. (Lesen)
  18. K. Marx, Klassenkämpfe in Frankreich, MEW 7, 89. (Lesen)
  19. K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 541f. (Lesen)
  20. a b c R. Luxemburg, Zur russischen Revolution, Kapitel 4, 1918. (Lesen)
  21. L.-A. Blanqui, Warning to the People 1851. (Lesen (englisch))
  22. Implizit in der Verfassung festgehalten