Heimatvertriebener (Bundesvertriebenengesetz)
Als Heimatvertriebene wird ein Teil derjenigen Deutschen Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger bezeichnet, die als Folge des Zweiten Weltkrieges ihre angestammte Heimat verlassen mussten und in die Bundesrepublik Deutschland sowie die DDR und Österreich kamen. [1]
Rechtliche Stellung in Deutschland
Die Rechtstellung der Heimatvertriebenen ist durch das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) geregelt worden, das auch eine Legaldefinition des Begriffes "Heimatvertriebener" enthält, die von der Selbstbezeichnung der landsmannschaftlich organisierten Heimatvertriebenen abweicht.
§ 2 des BVFG sagt dazu aus:
- Ein Heimatvertriebener ist, wer am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher seinen Wohnsitz in dem Gebiet desjenigen Staates hatte, aus dem er vertrieben worden ist (Vertreibungsgebiet) und dieses Gebiet vor dem 1. Januar 1993 verlassen hat; die Gesamtheit der ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete und die Gebiete außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember 1937), die am 1. Januar 1914 zum Deutschen Reich oder zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder zu einem späteren Zeitpunkt zu Polen, zu Estland, zu Lettland oder zu Litauen gehört haben, gilt als einheitliches Vertreibungsgebiet.
- Als Heimatvertriebener gilt auch ein vertriebener Ehegatte oder Abkömmling, der die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Januar 1993 verlassen hat, wenn der andere Ehegatte oder bei Abkömmlingen ein Elternteil am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher seinen Wohnsitz im Vertreibungsgebiet (Absatz 1) gehabt hat.
Vertreibung und Situation in der Nachkriegszeit
Der Begriff Vertreibung bezeichnet in Bezug auf die deutsche Bevölkerung eine Vielzahl verschiedener Arten der Zwangsmigration am Ende und in Folge des Zweiten Weltkriegs.
Bereits vor Kriegsende kam es mit dem Vormarsch der Roten Armee zu großen Flüchtlingsströmen aus den Ostgebieten des Deutschen Reichs (Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg) und dem annektierten Sudetenland. Diese waren behördlicherseits angeordnet oder wurden ausgelöst durch Berichte über Plünderungen, gewaltsame Willkürakte sowie Massenvergewaltigungen durch die vorrückenden Soldaten.
Seit Oktober 1944 fanden die sog. wilden Vertreibungen durch die ortsansässige andersnationale Bevölkerung oder die nun ankommenden Neusiedler statt, die oft ihrerseits selbst vertrieben worden waren. Das Potsdamer Abkommen legte schließlich fest, dass die Ausweisung der Deutschen "in ordnungsgemäßer und humaner Weise" zu erfolgen habe, wodurch sich die Bedingungen der abschließenden, oft als 'organisiert' bezeichnete Vertreibung der deutschen Bevölkerung etwas besserten.
Nach dem Abschluss der Vertreibungsmaßnahmen wurden 1950 in der Bundesrepublik Deutschland 8,1 Mio. Heimatvertriebene gezählt, in der DDR 4 Mio. Insgesamt wurden ca. 15 Mio. Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben und deportiert, zwischen 2 und 3 Mio. Deutsche kamen bei dieser größten Vertreibung der Menscheitsgeschichte ums Leben.
Bald nach Ende des Krieges formierten sich in Deutschland und Österreich Gemeinschaften der Heimatvertriebenen. In der Regel bildete die gemeinsame Herkunft das verbindende und tragende Element. Es wurden Organisationen und Verbände gebildet (Landsmannschaften). In Deutschland bildete sich als Dachorganisation der Heimatvertriebenen der Bund der Vertriebenen. Er umfasst 21 Landsmannschaften, worunter die mitgliederstärksten die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Schlesische Landsmannschaft sind. Ab Ende der 40-er Jahre fanden dann auch in jährlicher Folge Bundestreffen der Vertriebenenverbände statt. Bekannt sind hier die großen Pfingsttreffen. In der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 verzichteten diese auf Rache und Vergeltung.
In Österreich fanden etwa 430.000 Vertriebene Aufnahme. Hier entstand bereits im Jahr 1945 der Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften.
Deutschland und Österreich sahen sich in der Pflicht, den Vertriebenen als besonders betroffener Bevölkerungsgruppe Hilfe zu leisten. In beiden Ländern wurden Lastenausgleichsgesetze erlassen (1952 und 1956).
Verteilung in Deutschland
Verteilung der 11.935.000 Vertriebenen in BRD und DDR (1950) | ||||
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Bundesland | Zone | Anzahl | % der Vertrieb. (in D) |
% der Wohnbev. |
Bayern | ABZ | 1.937.000 | 16,2% | 21 % |
Niedersachsen | BBZ | 1.851.000 | 15,5% | 27 % |
Nordrhein-Westfalen | BBZ | 1.332.000 | 11,2% | 10% |
Mecklenburg-Vorpommern | SBZ | 981.000 | 8,2% | 45% |
Sachsen-Anhalt | SBZ | 961.000 | 8,1% | 23% |
Baden-Württemberg | FBZ/ABZ | 862.000 | 7,2% | 13,5% |
Schleswig-Holstein | BBZ | 857.000 | 7,2% | 33% |
Sachsen | SBZ | 781.000 | 6,5% | 14% |
Hessen | ABZ | 721.000 | 6% | 16,5% |
Thüringen | SBZ | 607.000 | 5,1% | 20,5% |
Brandenburg | SBZ | 581.000 | 4,9% | 23% |
Rheinland-Pfalz | FBZ | 152.000 | 1,3% | 5% |
West-Berlin | ABZ/FBZ/BBZ | 148.000 | 1,2% | 6,9% |
Hamburg | BBZ | 116.000 | 1% | 7,2% |
Bremen | ABZ | 48.000 | 0,4% | 8,6% |
Das sind 1950 zusammen 11.935.000, davon 3.911.000 in der DDR und 8.024.000 in der Bundesrepublik
(d. h. später gekommene und SBZ/DDR-Flüchtlinge sind nicht enthalten).
(*) Das Saarland war 1950 noch autonome französische Region und wird daher nicht aufgelistet
Siehe auch
- Umsiedler
- Nachkriegszeit
- Kirchlicher Suchdienst (Hilfsdienst für Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler und deren Nachkommen)
Literatur
Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg): Dokumentation der Vertreibung der deutschen aus Ost-Mitteleuropa I: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße, 3 Bände, Band I+II, Bonn 1953
II: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn, Bonn 1956
III: Das Schicksal der Deutschen in Rumänien, Bonn 1957
IV: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, 2 Bände, Bonn 1957
V: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961
Stettin Szczecin 1945-1946 Dokumente - Erinnerungen Dokumenty - Wspomnienia, Rostock 1994