Sarin

organische Phosphor-Verbindung, chemischer Kampfstoff
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Strukturformel
Strukturformel von Sarin
Allgemeines
Name Methylfluorphosphonsäureisopropylester
Andere Namen Sarin
Summenformel CH3P(O)(F)OCH(CH3)2
CAS-Nummer 107-44-8
Kurzbeschreibung stark flüchtige, farb- und geruchlose Flüssigkeit
Eigenschaften
Molmasse 140,1 g·mol-1
Aggregatzustand flüssig
Dichte Vorlage:Unbekannter Wert kg·m-3
Schmelzpunkt -56 °C
Siedepunkt 158 °C
Dampfdruck 2,9 Pa (25 °C)
Löslichkeit gut in Alkoholen, Chlorkohlenwasserstoffen, Aceton, Toluol, Benzol
Sicherheitshinweise
Sehr giftig
Sehr giftig
(T+)
R- und S-Sätze

R:
S:

MAK Vorlage:Unbekannter Wert
LD50 (Mensch) 0,75 mg / kg
Vorlage:SI-Chemikalien

Sarin ist ein chemischer Kampfstoff. Die systematische Bezeichnung ist Methylfluorphosphonsäureisopropylester. Seinen Trivialnamen hat er von seinen Erfindern Schrader, Ambros, Rüdiger und Linde.

Geschichte

Die Substanz wurde 1938 während der Forschung an Phosphorverbindungen für den Einsatz als Insektenvernichtungsmittel von einer Forschungsgruppe um den Chemiker Gerhard Schrader entdeckt. Auftraggeber der Forschung war wie auch bei Tabun und Soman die I.G. Farben.

Eingesetzt wurde Sarin bisher im Golfkrieg Irak gegen den Iran, sowie 1988 gegen kurdische Minderheiten im Irak (siehe Giftgasangriff auf Halabdscha). Bei zwei terroristischen Anschlägen der japanischen Aum-Sekte (1994 in Matsumoto und 1995 in Tokio) wurde ebenfalls Sarin verwendet.

Wirkungsweise

 
Schematische Wirkungsweise von Sarin.
Sarin (rot), Acetylcholinesterase (gelb), Neurotransmitter (blau)


Die Aufnahme von Sarin ist über die Haut und die Atmung möglich, wobei die Aufnahme über die Atemwege den weit überwiegenden Anteil ausmacht, da Sarin wegen seines Dampfdruckes in unserem Klima als flüchtiger Kampfstoff gilt. Nur ein Ganzkörperschutz verhindert sicher eine Aufnahme des Stoffes. Im Körper blockiert Sarin die Acetylcholinesterase (AcChE) in den Synapsen des parasympathischen vegetativen Nervensystems, den acetylcholinvermittelten Synapsen des sympatischen Anteils des vegetativen Nervensystems (Sympathikus) und an der neuromuskuären Endplatte (Motorische Endplatte). Es kommt dadurch zu einem Anstieg des Neurotransmitters Acetylcholin in der Synapse und damit zu einer Dauerreizung der betroffenen Nerven.

Daher kommt es je nach Stärke der Vergiftung zu folgenden Symptomen: Nasenlaufen, Sehstörungen, Pupillenverengung, Augenschmerzen, Atemnot, Speichelfluss, Muskelzucken und Krämpfe, Schweißausbrüche, Erbrechen, unkontrollierbarer Stuhlabgang, Bewusstlosigkeit, zentrale und periphere Atemlähmung und letztendlich zum Tod. Die Wirkung am Auge tritt bereits bei geringeren Konzentrationen ein, als die Wirkung im Respirationstrakt. Daher treten Akkomodationsstörungen und eine Miosis bereits bei Konzentrationen und Expositionszeiten auf, bei denen andere Vergiftungszeichen noch nicht zu beobachten sind.

Die Wirkung ähnelt den verwandten chemischen Kampfstoffen Tabun, Soman und VX, aber auch Vergiftungen mit verschiedenen Insektiziden wie Parathion (E605).

Herstellung

Durch Einwirken von Methyliodid CH3I wird aus dem Phosphorigsäureester der Phosphonsäureester Sarin hergestellt.

(CH3)2CH - O
            \
             P - F     +     CH3I     ---------> Sarin + (CH3)2CH - I
            /
(CH3)2CH - O

Phosphorigsäureester      Methyliodid

Die amerikanische Methode Sarin herzustellen benutzt als Ausgangsstoff Dimethyl-methylphosphonat (DMMP; CAS 756-79-6).

             CH3                                     CH3    
             |         Thionylchlorid                |   
       CH3-O-P-O-CH3   --------------->         Cl - P - Cl 
             ||                                      ||    
             O                                       O    

            DMMP                       Methylphosphonsäuredichlorid

             CH3                                     CH3
             |              Flusssäure               |
        Cl - P - Cl         ---------->          F - P - F
             ||                                      ||
             O                                       O

Methylphosphonsäuredichlorid           Methylphosphonsäuredifluorid

Nun liegt der Binärkampfstoff vor und kann durch Hinzufügen von Isopropanol "scharf" gemacht werden.

             CH3                              CH3                 
             |                               /                     
         F - P - F                 +   HO - CH        --------->   Sarin   +   HF
             ||                              \          
             O                                CH3 

Methylphosphonsäuredifluorid       Isopropanol

Schutzmaßnahmen

Nervenkampfstoffe sind bereits in kleinsten Mengen tödlich. Angriffsfläche ist der gesamte Körper. Deshalb bietet auch nur ein Ganzkörper-Schutzanzug mit Schutzmaske ausreichenden Schutz. Vor einem Kampfstoffeinsatz können Oxim-Tabletten eingenommen werden. Bei einer Vergiftung spritzt man Atropin (vgl. Hyoscyamin, Gift der Tollkirsche), ein Parasympatolytikum, das die Wirkung des Überangebotes von Acetylcholin an den Rezeptoren aufheben soll. Im Verlauf der wochenlangen Nachbehandlung kann man versuchen man mit einem Oxim die AcChE zu regenerieren. Im deutschsprachigen Raum wird Obidoxim bevorzugt, im anglo-amerikanischen Sprachraum wählt man eher Pralidoxim. Für die Dekontamination kann man Oxidationsmittel und alkalische Lösungen verwenden, da die Hydrolyse von Nervenkampfstoffen im basischen Milieu beschleunigt wird. Bewährt haben sich auch Chlorkalk für unempfindliche Oberflächen und Natriumcarbonatlösungen für empfindliche Gegenstände.

Siehe auch