Diskussion:Politische Haft (DDR)
Frau Neubert als Quelle für einen NPOV ?
Frau Neubert habe ich als Quelle herausgenommen. Ich halte sie als Quelle eines NPOV für ungeeignet (z.B. deswegen: [[1]]).
Ihre zitierte Auffassung (hat sie die wirklich ?), politische Haft stelle auf Haftbedingungen ab, ist abwegig. Sie wird von keiner der nicht-staatlichen Menschenrechtsorganisationen („NGO“) geteilt. Auch nicht von amnesty international, die ich als Quelle angegeben habe. Hier will Frau Neubert vielleicht sogar bewusst etwas verschieben. Etwa die Tatsache dass amnesty international sich
- „ … für die Beachtung der Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung Gefangener ein (setzt)“
Das betrifft alle Gefangenen und definiert, jedenfalls nach amnesty international nicht politische Gefangene. Auch ist Frau Neuberts Manichäismus unnachahmlich, mit dem sie die ehemaligen Bediensteten der DDR und der DDR-staatlichen Einrichtungen heute unterteilt in „DDR-Oppositionelle“ (das ist z.B. sie selbst) und „Schergen des SED-Unrechtsstaates“ (das sind immer die, die was an ihr auszusetzen haben). Zu ersterem, ihrem eigenen Selbstverständnis, mit dem sie ihre Zeit als Chorsängerin beim DDR-staatlichen Nationaltheater Weimar als tatkräftige „DDR-Opposition [[2]] verstanden wissen will, kann ich nur noch in Sarkasmus verfallen. In die Worte etwa, die Werner Schulz dem bis 1990 gewesenen DDR-Staatsdiener und „ehemaligen DDR-Oppositionellen“ Günter Nooke gegenüber einmal im Bundestag fasste:
- „Ach, was müsste das für eine unglaublich freizügige DDR gewesen sein, in der man als Bediensteter eines Staatsbetriebes gegen seinen Dienstherrn hat herumopponieren können, ohne auch nur eine Abmahnung zu erhalten.“
Ja, wer heute im Osten Macht hat ( Frau Neubert ist Mitglied des CDU-Landesvorstandes in Thüringen [3]), schminkt sich halt den „DDR-Oppositionellen“ auf. Und beschimpft die, die ihrer politischen Diktion widersprechen als „Ewiggestríge“ und „vom PDS-Wahlkampfzentrum bezahlt“.
Noch sarkastischer könnte ich dann zu ihrem Ehemann und Erfinder der „DDR-Opposition“ werden [[4]], dem ehemals braven Mitglied in der DDR-CDU ( siehe: Blockparteien ) Ehrhart Neubert. Herr Neubert will ja gleich das gesamte CDU-Blockflötenorchester als „Gegner der SED und des MfS“ verstanden wissen [[5]]
Heimerod 23:00, 4. Jan. 2007 (CET)
aufgezählte Strafrechtsnormen
Die von Frau Neubert übernommene Aufzählung von Strafrechtsnormen, die politische Verfolgung markieren würden, ist einfach falsch. Ich habe deshalb überschrieben: Zu politischer Haft konnte in der DDR die Verurteilung aufgrund folgender Strafrechtsnormen führen. Im einzelnen ist z.B. die Aufzählung der folgenden DDR-Strafrechtsnormen Unsinn:
§ 225(StGB DDR). Unterlassung der Anzeige
– Das war in der DDR nicht per se eine Strafrechtsnorm der politischen Verfolgung. Die Norm lautet im hier relevanten Absatz I:
§ 225(StGB DDR). Unterlassung der Anzeige
(1) Wer von dem Vorhaben, der Vorbereitung oder der Ausführung
1. eines Verbrechens gegen den Frieden und die Menschlichkeit (§§ 85 bis 89, 91 bis 93);
2. eines Verbrechens gegen die Deutsche Demokratische Republik (§§ 96 bis 105, § 106 Absatz 2, §§ 107, 108, 110);
3. eines Verbrechens gegen das Leben (§§ 112,113);
4. eines Verbrechens oder Vergehens gegen die allgemeine Sicherheit oder gegen die staatliche Ordnung (§§ 185, 186, 190, 198, 213 Absatz 2 Ziffern 1 bis 4);
5. eines Vergehens oder Verbrechens des Mißbrauchs von Waffen oder Sprengmitteln (§§206, 207);
6. eines Verbrechens oder Vergehens der Fahnenflucht (§ 254)
vor dessen Beendigung glaubwürdig Kenntnis erlangt und dies nicht unverzüglich zur Anzeige bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.
Wer z.B. heute in Deutschland von dem Vorhaben, der Vorbereitung oder
der Ausführung eines Verbrechens gegen das Leben ( Mord, Totschlag )
Kenntnis hat und nicht anzeigt, wird ebenfalls mit Gefängnis bestraft
[6]
§ 249 (StGB DDR) Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten
– Auch das war in der DDR nicht per se eine Strafrechtsnorm zur politischen Verfolgung
Die Norm lautete im hier relevanten Absatz I:
§ 249. Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten.
(1) Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, dass er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist, oder wer der Prostitution nachgeht oder wer sich auf ändere unlautere Weise Mittel zum Unterhalt verschafft, wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Zusätzlich kann auf Aufenthaltsbeschränkung und auf staatliche Kontroll- und Erziehungsaufsicht erkannt werden.
Insbesondere war dieser Paragraph überhaupt keine Strafrechtsnorm zur
politischen Verfolgung in der gar nicht so seltenen Tateinheit mit
§ 141 (StGB DDR) Verletzung der Unterhaltspflicht.
(1) Wer sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern durch Nichtaufnahme von Arbeit, häufigen Arbeitsplatzwechsel oder auf andere Weise entzieht, wird von einem gesellschaftlichen Organ der Rechtspflege zur Verantwortung gezogen oder mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.
Wer sich z.B. heute in Deutschland seinen Unterhaltspflichten entzieht
(so behauptet jedenfalls das Gesetz) wird ebenfalls mit Gefängnis
bestraft [7]
( Meinen POV dazu: Ich kenne mehr als einen „Aufarbeiter des SED-Unrechts“, der die Sorge um den Unterhalt der in die Welt gesetzten Tochter oder des in die Welt gesetzten Sohnes den staatlichen Sozialbehörden überlässt und der 25 Stunden am Tag Zeit für ehrenamtliche Weltverbesserungsprojekte hat. )
§ 213 StGB DDR(Republikflucht), etwas zum hier angesprochenen Herrn Wagner
Die Norm lautete
§ 213 (StGB DDR). Ungesetzlicher Grenzübertritt.
(1) Wer widerrechtlich … ohne staatliche Genehmigung das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verläßt oder in dieses nicht zurückkehrt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder öffentlichem Tadel bestraft.
(2) …
(3) Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass ein Staat immer nur den
(missglückten) Versuch bestrafen kann, das Land zu verlassen. Wer weg
ist, ist ja weg und lacht den Staatsanwalt aus. Darauf hatte Cesare_Beccaria bereits in seinem 1764 erschienenen und in viele Sprachen übersetzten Buch „Dei delitti e delle pene“ (deutsch: „Von Verbrechen und Strafen“) hingewiesen und dringend davon abgeraten, die
Republikflucht unter Strafe zu stellen.
- „Das Verbot selbst, nicht außer Landes zu gehen, macht die Eingeborenen nur noch lüsterner, ihr Vaterland zu verlassen, und dient Ausländern zur Warnung, sich nicht darinnen niederzulassen. Was soll man von einer Regierung denken, die außer der Furcht und Strafe kein anderes Mittel hat, die Menschen im Schoße ihres Vaterlandes zu erhalten, an welches sie doch bereits ohnehin durch einen selbst eigenen Hang von erster Kindheit an, durch die Natur, gleichsam gefesselt sind?"
Eine solche Norm, so wußte Beccaria bereits 1764, setzt einen Zaun um das Land und eine flächendeckende Bespitzelung der Gedanken der Bürger voraus, denn:
- „Hat der Entwichene alles mit sich weggenommen, so kann er ja nicht mehr gestraft werden. Man kann ja die Entweichung nicht eher bestrafen als bis sie begangen und er außer unsren Händen ist..."
(alle Zitate nach Karl Ferdinand Hommel „Des Herrn Marquis von Beccaria unsterbliches Werk von Verbrechen und Strafen (Leipzig 1778), Ausgabe Berlin 1966, Akademie Verlag, Seite 141/142 [8])
Die Norm widerspricht in der Regel auch dem Art. 13 der <http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte> Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der <http://de.wikipedia.org/wiki/UN> UN, die die <http://de.wikipedia.org/wiki/Reisefreiheit> Reisefreiheit garantiert und lautet:
Artikel 13 Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.
In der Regel. Denn „Jeder“ meint hier bei Kindern zuerst die Eltern des Kindes und nicht das Kind selbst. Dieses ist in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt und kann nicht nur nach dem heutigen deutschen (bürgerlichen) Recht ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen eigenen Wohnsitz weder begründen noch aufheben [9]. Vielmehr steht auch nach heutigen deutschen (bürgerlichen) Recht den sorgeberechtigten Eltern das Recht zu, den Aufenthalt des Kindes, auch des 15jährigen Kindes zu bestimmen [10].
Heimerod 22:28, 4. Jan. 2007 (CET)
- Gerade das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde doch den Eltern in vielen Fällen durch den Staat abgeschnitten. --Hardenacke 22:35, 4. Jan. 2007 (CET)
- Rainer Wagners Vater lebt noch heute, über 80-jährig in Rainer Wagners Geburtsstadt Weißenfels. Wenn der alte Wagner heute noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht über seinen Sohn inne hätte, er würde heute noch bestimmen, dass dieser seinen Wohnsitz höchstens auf der anderen Strassenseite nimmt. Das ist alles sehr menschlich und das muss ein Kind eben aushalten bis zur Vollendung des 18ten Lebensjahres.
- Dann aber auch nicht länger.
- Bis dahin aber auch nicht kürzer.
- Heimerod 23:10, 4. Jan. 2007 (CET)
- Nun, Heimerod, ganz verstehe ich Deine Argumentation immer noch nicht. Willst Du sagen, dass es keine politische Haft ist, wenn ein 16-Jähriger wegen versuchter "Republikflucht" inhaftiert wird?
- --Hardenacke 08:43, 5. Jan. 2007 (CET)
- Was ist politische Haft ?
- Mit § 1 des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet, StrRehaG, ist das Strafurteil auf Antrag aufzuheben und für rechtsstaatswidrig zu erklären, wenn
- Letzteres liegt mit Sicherheit vor. Es ist völlig unverhältnismäßig, einen 15jährigen 1 1/2 Jahre einzusperren, nur weil er seinen Eltern entlaufen will. Ihn bei diesem Versuch zu fassen diente hier aber nicht per se der politischen Verfolgung, sondern (zumindest auch) ganz normalen Prinzipen des bürgerlichen Rechts der Erziehung.
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG war übrigens in der Gesetzgebung umstritten. Jörg Siegmund beschreibt in "Opfer ohne Lobby" [13], dass die Vereinigung der Opfer des Stalinismus, VOS forderte, diese Norm zu streichen. Sie befürchtete (mit Recht, wie man sieht), dass der Begriff des "politischen Gefangenen" dadurch verwässert wird. Rainer Wagners heutigen Kleinkrieg gegen die VOS fndest Du hier: Diskussion:Rainer_Wagner#Ausschlussantrag_VOS.
- Mein POV: selbstverständlich müssen auch Menschen, deren DDR-Haft in grobem Missverhältnis zur vorgeworfenen Tat steht, heute Entschädigungen erhalten.
- Dass jemand (anderes, nicht Rainer Wagner), der in der DDR wegen seiner Graffiti-Gemälde nach den DDR-Paragraphen Sachbeschädigung, asozialer Lebenswandel und Vernachlässigung der Unterhaltspflicht zu einer völlig überöhten Haftstrafe verurteilt wurde, dass dieser entschädigt werden muss, ist gerecht. Dass dieser sich dann heute als "Stasiopfer" schlechthin versteht und das als Internet-Domain belegt, ja wie soll man damit umgehen [[14]]? Es liegt in der Natur der Sache. Als "politische Gefangene" und "Stasiopfer" bezeichnen sich am lautesten immer die, die zuerst befürchten, dass dies jemand anzweifelt.
- --Heimerod 13:50, 5. Jan. 2007 (CET)
- Die Definition von politischer Haft, die derzeit im Artikel steht, bezieht sich aber nicht auf das StrRehaG. Nur so nebenbei gemerkt. Gerade weil wir wohl nicht mit den gleichen Definitionen arbeiten, finde ich diesen Artikel nützlich, um die Frage zu klären.--Bhuck 13:21, 5. Jan. 2007 (CET)
- o.k., das muss'sch heude abend machen. Danke.
- --Heimerod 13:50, 5. Jan. 2007 (CET)
zur Einengung des Begriffs „politische Haft“ auf die DDR
Natürlich ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte universell und gilt nicht nur für die DDR. amnesty international musste im Zusammenhang mit dem Recht, aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe zu verweigern, auch seine Aufmerksamkeit auf den Westteil Deutschlands legen.
Zur Kriegsdienstverweigerung notiert amnesty international zum Beispiel in seinem Jahresbericht für 1983 für (West-)Deutschland:
- amnesty international appellierte zugunsten mehrerer Personen, die wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen verurteilt wurden [15].
Ja, mir erscheint, insbesondere von Seiten der staatlich institutionalisierten „Aufarbeitung des SED-Unrechts“ die Tendenz, die Menschenrechte nicht mehr universell und für jeden Menschen direkt geltend zu definieren. Sondern statt dessen die Welt in „Rechtsstaaten“ (good Guys) und „Unrechtsstaaten“ (bad Guys) zu unterscheiden. Hier sei nur auf die Rede des Vorsitzenden der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ Rainer Eppelmann auf dem „Bausoldatenkongress“ ( 3. bis 5. September 2004, Potsdam [16]) hingewiesen. Rainer Eppelmann führte hier in seinem Grußwort allen Ernstes aus, dass alle Gewissensgründe, die gegen den Dienst mit der Waffe sprächen, nun mit dem Anschluss Ostdeutschlands an die Freiheitliche Demokratische Grundordnung entfallen seien. Und es eigentlich keinen Grund mehr zur Kriegsdienstverweigerung geben könne. Rainer Eppelmann wurde gehörig ausgepfiffen und ausgebuht. Heimerod 21:30, 5. Jan. 2007 (CET)