Sūnzǐ (chinesisch 孫子 / 孙子 – „Meister Sun“, eigentlich: 孙武 Sūn Wŭ; alternative Transkription: Sun Tsu, Sun Tzu, Sun Tse, Ssun-ds ´, * um 500 v. Chr. in Wu) war ein chinesischer General und Militärstratege.
Sein Buch „Die Kunst des Krieges“ (chinesisch 孫子兵法, Pinyin Sūnzǐ bīngfǎ – „Sunzis Kampfkunst“) gilt als frühestes Buch über Strategie und ist bis zum heutigen Tage eines der bedeutendsten zu diesem Thema.
Über das Leben von Sūnzǐ ist nicht viel bekannt. Er wurde im antiken China als Sohn einer adeligen Familie im damaligen Reich Qi in Lean geboren, dem heutigen Kreis Huimin in der Provinz Shandong. Er lebte zwischen ca. 534 v. Chr. und ca. 453 v. Chr., also in der Übergangsperiode der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen (770 - 476 v. Chr.) und der Zeit der Streitenden Reiche (475 - 221 v. Chr.)
Der Fürst He-lü, Herrscher des Teilfürstentums Wu, für den Sunzi das Traktat über die Kriegskunst verfaßt hatte, lud Sunzi ein, um mit ihm über das Buch zu diskutieren. Der Fürst stellte Sunzi auf die Probe, indem er befahl, dass er aus seinen 180 Hofdamen furchterregende Kriegerinnen machen sollte. Sunzi teilte daraufhin die Frauen in zwei Abteilungen auf und ernannte die beiden Lieblingskonkubinen des Fürsten zu Gruppenführerinnen. Er erklärte ihnen einige Befehle, um sie dann exerzieren zu lassen. Als Sunzi fertig war und den ersten Befehl gab, fingen die Mädchen an zu lachen. Sunzis Antwort darauf: "Wenn die Kommandoworte nicht klar und deutlich sind, wenn die Befehle nicht richtig verstanden werden, dann trifft die Schuld den General." Sunzi gab den Frauen einen weiteren Befehl, doch diese fingen wieder nur zu lachen an. Sunzi darauf: "Wenn die Kommandos nicht klar und deutlich sind, wenn die Befehle nicht richtig verstanden werden, dann trifft die Schuld den General. Sind die Befehle jedoch klar und die Soldaten gehorchen dennoch nicht, dann ist das die Schuld der Offiziere!" und gab den Befehl, die beiden Anführerinnen der Kompanien zu enthaupten. Nach den Enthauptungen folgten die Hofdamen seinen Kommandos.
Der Fürst war erschüttert über diese Tat, doch er erkannte, dass Sunzi ein fähiger Mann war, der es verstand, eine Armee zu führen, und ernannte ihn zum Heerführer seiner Truppen.
Sunzi war anschließend an einer Reihe von Feldzügen beteiligt, u.a. wird von einer Schlacht im Reich Chu berichtet, in der seine 30.000 Soldaten gegen eine zehnfache Übermacht siegten. Es ist nicht klar, ob sich Sunzi schließlich zurückgezogen hat oder ob er gewaltsam umgekommen ist.
Über die Kriegskunst
Kernaussagen
Über die Kriegskunst besteht aus 13 Kapiteln. Die folgenden Überschriften sind zitiert nach der Ausgabe von James Clavell, den das Werk in seinem Roman Noblehouse inspiriert hat, der Text in Klammern sind dieselben Überschriften in der moderneren Übersetzung von Zhong Yingjie (Verlag Volkschina):
- Planung (Strategem)
- Über die Kriegskunst (Kriegführung)
- Das Schwert in der Scheide (Angriff mit Strategem)
- Taktik (Disposition militärischer Stärke)
- Energie (Nutzung der Kraft)
- Schwache und starke Punkte (Schwächen und Stärken)
- Manöver (Kampf um die Initiative)
- Taktische Varianten (Neun Varianten der Taktiken)
- Die Armee auf dem Marsch (Marsch)
- Terrain (Gelände)
- Die neun Situationen (Neun Varianten der Gebiete)
- Angriff durch Feuer (Feuerangriff)
- Der Einsatz von Spionen (Einsatz von Spionen)
Sunzis Buch ist im Gegensatz zum europäischen Pendant Vom Kriege von Carl von Clausewitz recht dünn, aber nicht weniger aussagekräftig. Sunzi verzichtet auf lange Argumentationsketten und Begründungen und stellt seine Ansichten eher in der Form von Postulaten und Aphorismen dar, was dem typisch chinesischen Stil entspricht. Das Buch ist ganz klar taoistisch beeinflusst, der Daodejing von Laozi stammt etwa aus derselben Zeit. Im Gegensatz zu Clausewitz, dessen erster Kernsatz lautet, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (eigentlich: "unter Beimischung anderer Mittel") sei, beginnt Sunzi mit der Mahnung, dass der Krieg ein großes Wagnis sei, Ausgangspunkt für Leben und Tod, Weg zum Weiterbestehen oder zum Untergang. Damit bewegt sich Sunzi im Rahmen der für China charakteristischen Tradition, jeder kriegerischen Auseinandersetzung distanziert und mit Vorsicht gegenüber zu treten.
Sunzi legt sehr viel Wert darauf, dass der Krieg und der Kampf möglichst vermieden werden sollte, da er den Staat und das Volk ruiniert. Seiner Ansicht nach ist es am Besten, die Strategie des Feindes zu vereiteln, als zweitbester Ansatz empfiehlt er, die Bündnisse des Feindes aufzubrechen, erst an dritter Stelle folgt kämpfen und siegen.
Sunzis Buch soll laut Clavell Basis für Mao Zedongs Kriegsstrategien und Pflichtlektüre für die politisch-militärische Hierarchie der Sowjetunion gewesen sein.
Erst 1972, als im Rahmen von Ausgrabungen eine ca. 2000 Jahre alte noch teilweise erhaltene Abschrift von Sunzis Werk zusammen mit einer Abschrift von Sun Bin Über die Kriegskunst gefunden wurde, konnte nachgewiesen werden, dass es sich dabei tatsächlich um zwei verschiedene Werke handelt. Sun Bin war ziemlich sicher ein direkter Nachfahre von Sunzi, wahrscheinlich dessen Urenkel.
Übersetzung
Ein wesentliches Problem ist die Übersetzung aus dem Chinesischen. Die vermutlich erste Übersetzung in eine europäische Sprache war die des Jesuitenpaters Jean Joseph Marie Amiot aus dem Jahr 1782 in die französische Sprache. Als eine noch frühere Quelle wird das Jahr 1772 angegeben, in dem Amiot die Abhandlungen übersetzt hat. Napoleon I. hat laut einer Legende diese Übersetzung genutzt. Im Jahr 1905 wurde das Buch von dem zu dieser Zeit in Japan lebenden britischen Offizier P. F. Calthrop erstmals ins Englische übersetzt. Diese Übersetzung wurde von dem Sinologen Lionel Giles, der 1910 ebenfalls eine Übersetzung ins Englische vorlegte, stark kritisiert. Im gleichen Jahr veröffentlichte Bruno Navarro ein Bändchen mit einer Übertragung von Sunzi und Wuzi (ein weiterer Militärklassiker des chinesischen Altertums), bei dem es sich um die erste deutsche Übersetzung handelte. Einer Legende zufolge soll nach dem Ersten Weltkrieg der deutsche Ex-Kaiser Wilhelm II. Sunzi gelesen und sein Bedauern geäußert haben, das Buch nicht früher gekannt zu haben. Der US-amerikanische Militär Samuel B. Griffith legte im Jahre 1963 im Rahmen seiner Doktorarbeit eine eigene Übersetzung vor, die lange Zeit als die Beste galt und in die Liste der UNESCO Collection of Representative Works aufgenommen wurde. Es erschienen im Zusammenhang mit dem Sunzi-Boom der späten 1980er und frühen 1990er-Jahre noch weitere Übersetzungen, die allerdings nicht von wissenschaftlichem Interesse sind. 1993 publizierte Roger T. Ames eine Neuübersetzung des Werks, welche die Funde aus der oben genannten Ausgrabung berücksichtigt und verfasste eine sehr lesenswerte und ausführliche Einleitung dazu. 1994 erschien im Verlag Volkschina eine direkte Übersetzung ins Deutsche (s. Literatur) in einem Band mit dem Werk Sun Bin: Über die Kriegskunst. Was wir sonst im Buchhandel erhalten, sind Weiterübersetzungen aus dem Englischen - mit allen damit verbundenen Problemen der möglicherweise fehlenden Treue zum Original. Die drei (mit einer nicht mehr in Druck befindlichen Ausgabe aus den späten sechziger Jahren vier) in deutscher Sprache erhältlichen Texte weichen erheblich voneinander ab.
Aktualität
Über die Aktualität des Werkes werden gegensätzliche Auffassungen vertreten, wie z. B. ein Blick auf die Kommentare zu diesem Buch bei Amazon zeigt. Eine sehr wörtliche Betrachtung ist nach zweieinhalb Jahrtausenden nicht mehr aktuell. Mit einigem Abstraktionsvermögen jedoch merkt man sehr schnell, wie zeitlos gültig die Aussagen dieses Buches sind. Sunzi gehört daher neben Carl von Clausewitz heute zu den bedeutendsten Strategietheoretikern. An den meisten Militärakademien und in vielen Managementschulen wird Sunzi gelehrt. Im wirtschaftlichen Bereich sind seine Lehren häufig an die Zielgruppe angepasst, so dass die Analogien einfacher verständlich werden. Auf dem LinuxTag 2001 wurde z. B. das Kongressthema Sun Tsu, die Kunst des Krieges und Open Source behandelt.
Größte Bekanntheit hat Sunzis Aussage "Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen" bekommen. Eine der beiden deutschen Ausgaben trägt sogar diesen Titel ("Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft"). Sunzi erlebt derzeit einen großen Aufschwung an US-amerikanischen Strategieschulen. Auch viele Partisanentheorien gehen auf Sunzi zurück. Von Mao Zedong ist bekannt, dass er ein exzellenter Kenner Sunzis war.
Zuletzt wurde das Buch in der Öffentlichkeit am 19. April 2006 erwähnt, nachdem Chinas Präsident Hu Jintao eine seidenbestickte Ausgabe des Werkes bei seinem USA-Besuch dem amerikanischen Präsidenten Bush mitbrachte.[1]
Literatur
- Ssun-ds ´ : Traktat über die Kriegskunst, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin (DDR), 1957
- Sunzi: Die Kunst des Krieges, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., 1988 und weitere Auflagen, ISBN 3426666456
Diese Ausgabe beruht auf der Übersetzung von Lionel Giles, herausgegeben und verändert von James Clavell - Sun Tsu: Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft. Die Kunst des Krieges, Piper, 2001, ISBN 3492233309
herausgegeben von Thomas Cleary (enthält viele Kommentare alter Chinesen, die aber direkt in den Text eingestreut sind; der Originaltext kann also nicht flüssig gelesen werden) - Sun Tsu: Über die Kriegskunst, Übersetzung Klaus Leibnitz, Karlsruhe, 1989, ISBN 3-88190-038-1 (erste deutsche Direktübersetzung, vergriffen)
- Sunzi: Über die Kriegskunst, Sun Bin: Über die Kriegskunst, in der Übersetzung von Zhong Yingjie, Verlag Volkschina. ISBN 7800655083 (mit einer Übersetzung ins moderne Chinesisch)
- Ames, Roger T.: Sun-Tzu The Art of Warfare - Translated with an Introduction and Commentary New York: Ballantine, 1993, ISBN 0-345-36239-X
- Navarra, Bruno: Das Buch vom Kriege: der Militär-Klassiker der Chinesen - mit Bildern nach chinesischen Originalen, Berlin: Boll und Pickardt, 1910
Weblinks
Siehe auch
Personendaten | |
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NAME | Sunzi |
ALTERNATIVNAMEN | 孙子 (vereinfach); 孫子 (traditionell), eigentlich 孙武 (Sūn Wŭ) |
KURZBESCHREIBUNG | chinesischer General und Militärstratege |
GEBURTSDATUM | um 500 v. Chr. |
GEBURTSORT | Wu |