Blide

größte und präziseste Wurfwaffe unter den mittelalterlichen Belagerungsgeräten und eine Unterform des Katapults
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Das Trébuchet, auch Tribok oder Blide genannt, war die größte und präziseste Wurfwaffe unter den mittelalterlichen Belagerungsmaschinen. Sie funktioniert nach dem Prinzip des Hebelwurfs. Die Maschine bestand fast vollständig aus Holz und war transportabel. Ihr Gewicht wurde nach wissenschaftlichen Rekonstruktionsversuchen auf bis zu 12 Tonnen geschätzt. Meist wurde sie zerlegt und direkt vor Ort errichtet. Auch der Neubau aus behauen Baumstämmen vor Ort war mit einem Team von ca. einem Dutzend Holzfällern und Zimmerleuten die mit Äxten ausgestattet waren in 2-3 Tagen möglich. Lediglich für die Endmontage der schwereren Teile waren zusätzliche Helfer nötig, wie Versuche gezeigt haben.

Trebuchet aus dem 12. Jahrhundert
Trebuchet (Rekonstruktion) auf Schloss Veldenz schleudert einen Kürbis
Trebuchet mit beweglichem Gegengewicht im Château des Baux, Frankreich (Rekonstruktion)
Munition

Die Vorstellung von mobilen Bliden, die auf Rädern von Ort zu Ort zu manövriert wurden, ist falsch. Vermutlich wurden sie mit Rädern ausgestattet um das Justieren und Zielen zu erleichtern. Außerdem wurde der enorme Rückstoß aufgefangen, was im Vergleich zur statischen Konstruktion die Reichweite erhöhte. Praktische Experimente haben gezeigt, dass beide Methoden funktionieren.

Für den Einsatz einer Blide war ein ebener und fester Untergrund notwendig. Bei einer schief stehenden Blide war es möglich, dass das Gegengewicht beim Wurf die schräg stehenden Stützen treffen und das Gerät beschädigen konnte. Auf weichem Boden konnte sie durch ihr hohes Gewicht einsinken und manövrierunfähig werden.

Der lange Hebelarm des Trébuchet wird durch ein Gewicht auf der kurzen Armseite bewegt. Durch die bewegliche Aufhängung des Gewichts erhöht man die Wucht des Wurfes. An der langen Armseite befindet sich eine Schlinge, in der sich das Geschoss befindet. Es gab auch Trebuchets mit fest angebrachtem Gegengewicht, teilweise mit beweglichem Gegengewicht oder Seilzug ergänzt.

Die Wurfweite wurde durch Verändern der Schlingenlänge und / oder des Gegengewichtes justiert. Durch den sehr langen Wurfarm (vier- bis sechsmal so lang wie der kurze Arm, wobei das physikalische Optimum zwischen vier und fünf mal dem Kraftarm liegt) konnte man mehrere Zentner schwere Steine je nach Quelle 200-500 Meter weit schleudern. Für damalige Verhältnisse stellte das eine äußerst große Reichweite dar (Langbogen erreichten gezielt etwa 200 m). Andere Katapulte konnten nicht annähernd so viel Gewicht schleudern.

Da das Tribok nur zu einem hohen Bogenwurf und nicht zu einem flachen Schuss wie die ab dem 14. Jahrhundert aufkommenden Belagerungswaffen fähig war, vermutet man, dass lediglich Wehrgänge, Zinnen und Dächer einer belagerten Burg hätten zerstört werden können. Das Schlagen einer Bresche in die Burgmauern wäre somit unwahrscheinlich gewesen. Praktische Versuche mit Nachbauten zeigen jedoch durchaus gute Brauchbarkeit für die Demolierung von Burgmauern. So ist es möglich, innerhalb einer Stunde bis zu rund ein Dutzend sehr gut gezielter Schüsse auszuführen. Da ein übliches Geschoss recht hart ist und damit sehr viel Impuls-Energie punktuell abgibt, ergeben sich für zeitgenössiche Wehrmauern (zwei begrenzende Steinmauern mit einer Sandfüllung) ständig stärker werdende Deformationen. Bereits nach kurzer Zeit brechen die Steine auf und der Sand tritt aus. Historische Berichte, dass innerhalb von ein bis zwei Tagen die Wehrhaftigkeit einer Feste durch den zeitgleichen Einsatz mehrerer solcher Waffen entscheidend beschädigt wurde, gewinnen angesichts solcher Versuchsergebnisse deutlich an Glaubwürdigkeit. Auch haben die Versuche gezeigt, dass das Abschussmoment sowie die daraus resultierende Flugbahn zum einen sehr präzise einstellbar ist und zum anderen eine doch überraschend flache Flugbahn auch über größere Entfernungen erreichbar war.

Es wurden, wie mit anderen Wurfwaffen auch, oft auch zusätzlich Materialien wie z. B. Fäkalien oder Kadaver, Bienenstöcke oder lebende Gefangene in die feindlichen Festungen geschleudert, um den Gegner einzuschüchtern, Nahrungsvorräte belagerter Städte zu verunreinigen oder Krankheiten auf die belagerten Menschen zu übertragen.

Im Mittelmeerraum gab es diese Waffe (längs eingebaut) auch auf Schiffen, wobei das Gegengewicht durch eine Öffnung im Deck bis fast zum Kiel herunter schwang.

In Mitteleuropa tritt das Trebuchet ab etwa 1200 auf, wahrscheinlich handelt es sich um eine byzantinische Entwicklung, die von Kreuzfahrern und Arabern übernommen wurde. Vorgänger war die in Mitteleuropa bereits seit dem 10. Jahrhundert nachweisbare Zugblide, bei der bis zu 50 Mann mit Seilen den kurzen Hebelarm ruckartig nach unten zogen. Aufgrund der geringeren Zugkraft von Menschen gegenüber einem wahrscheinlich bis zu über 15 Tonnen schweren Gegengewicht beim Tribok konnte die Zugblide nur Geschosse deutlich geringeren Gewichts verschießen. Außerdem war sie weniger präzise, da die Zugleistung der Mannschaft von Wurf zu Wurf variierte.

Bau und Bedienung eines Trébuchet oder einer Blide setzte großes Fachwissen voraus. Der "Blidenmeister" war ein gut ausgebildeter Spezialist. Der spätgotische deutsche Maler Hans Pleydenwurff führt seinen Namen sicherlich auf einen solchermaßen spezialisierten Vorfahren zurück.

In Wolfram von Eschenbachs (um 1200) Willehalm wird ein "drîbock" (111,9) im Zusammenhang mit anderen Belagerungsmaschinen erwähnt – dies ist der früheste Beleg für diese Maschine. Nach Auskunft der "Marbacher Annalen" wurde sie zum ersten Mal von Kaiser Otto IV. bei der Belagerung der Stadt Weißensee in Thüringen im Jahr 1212 eingesetzt.

Skizze der Funktionsweise

Literatur

  • Mark Feuerle: Blide – Mange – Trebuchet. Technik, Entwicklung und Wirkung des Wurfgeschützes im Mittelalter. Eine Studie zur mittelalterlichen Innovationsgeschichte, Verlag für Geschichte der Naturwissenschaft und der Technik, Berlin 2005, ISBN 3-928186-78-7
  • Mark Feuerle: Das Hebelwurfgeschütz. Eine technische Innovation des Mittelalters, in: Technikgeschichte (TG), Bd. 69 (2002), S. 1-39
  • Peter V. Hansen: Experimental reconstruction of a medieval trebuchet, in: Acta archaeologica, Munksgaard, Kopenhagen 63 (1992), S. 189-208
  • Bernhard Rathgen: Das Geschütz im Mittelalter, VDI-Verlag, Düsseldorf 1987, ISBN 3-18-400721-9 (Repr. d. Ausg. Berlin 1928; Zum Trebuchet und anderen Fernwaffen vor Erfindung des Schießpulvers ab S. 578; in den Schlussfolgerungen nicht unbedingt mehr aktuell, aber eine einzigartige Quellensammlung)
  • Spektrum der Wissenschaft 09/1995: Das Trebuchet – die mächtigste Waffe des Mittelalters
Commons: Trebuchet – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien