Denkfabrik

projektorientierte Sozial- und Politikforschung
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Januar 2007 um 12:33 Uhr durch Esiweb (Diskussion | Beiträge) (Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Eine Denkfabrik (nach engl. Think tank; auch: Public Policy Institution, PPI) ist ein Forschungsinstitut oder eine informelle Gruppe meist von Politikern, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern oder Unternehmern, die gemeinsam politische und wirtschaftliche Konzepte oder Strategien entwickeln und entsprechende öffentliche Debatten fördern. Denkfabriken werden meistens von Unternehmen(-sverbänden), privaten Stiftungen oder Einzelpersonen finanziert, um neue Ideen in Bereichen wie zum Beispiel Außen- und Innenpolitik, bzw. Wirtschafts- und Sozialpolitik zu erarbeiten. Da Denkfabriken private Einrichtungen sind, haben sie meist mehr Freiheiten, neue Ideen vorzuschlagen und zu diskutieren, als Mitglieder oder Arbeitsgruppen der Regierung.

Viele Denkfabriken verstehen sich als politisch neutral. Andere werden von Interessengruppen ins Leben gerufen und haben eine klare gesellschafts- und wirtschaftspolitische Ausrichtung. Die Neutralität der Ergebnisse dieser Forschungseinrichtungen wird deshalb oft angezweifelt. Manche Denkfabriken betreiben Öffentlichkeitsarbeit, um für ihre Ziele zu werben, andere versuchen eher hinter den Kulissen Einfluss auszuüben (Lobbyismus).

Geschichte

Zu den ältesten Denkfabriken gehört die bereits 1916 gegründete Brookings Institution in Washington. Die liberale Mont Pèlerin Society wurde 1947 gegründet, 1948 die Rand Corporation.

Bis dahin wurden Denkfabriken auch nicht als solche bezeichnet, die wenigen Dutzend Institute waren schlicht unter ihrem Namen bekannt. Erst während des Zweiten Weltkriegs bildeten sich Gruppenbezeichnungen heraus, zuerst als "Brain Box" ("Gehirnkiste"). Die Bezeichnung "Think Tank" ist erst seit 1945 für Vorläufer der Rand Corporation belegt.

Bis in die 1970er blieb es bei den wenigen Dutzend bekannter Denkfabriken, die für allgemeine und unabhängige Beratung von politischen und militärischen Stellen in den USA herangezogen wurden. Dazu standen ihnen meist viel Personal und Geld zur Verfügung. Erst danach explodierte die Anzahl der Denkfabriken, und es bildeten sich viele kleinere Institutionen heraus, die häufiger zur Unterstützung zielgerichteter Lobbyarbeit gegründet wurden.

Von den circa 4.500 Denkfabriken, die heute auf der Welt existieren, sind die Hälfte nach 1980 gegründet worden. Nach 1989 wurden vermehrt, meist mit amerikanischer finanzieller Unterstützung, (wirtschafts-)liberale Denkfabriken in Osteuropa gegründet. Im westlichen Europa wurden die beratenden Funktionen der Denkfabriken lange von Institution mit Hochschulstatus übernommen, sodass Bedeutung bestehender und die Gründung neuer unabhängiger Denkfabriken später anwuchs, und teils als Reaktion auf das weltweite Anwachsen der Gründung von Denkfabriken verstanden werden kann.

Bekannte Denkfabriken

International

Deutschland

Schweiz

Siehe auch

Literatur

  • Thunert, Martin: Think Tanks als Ressourcen der Politikberatung in FJ NSB, Jg. 12 03/99, S. 10-19, 1999.
  • Donald E. Abelson: Do Think Tanks Matter? Assesing the Impact of Public Policy Institutes. Montreal, 2002.
  • Konrad Becker (Hrsg.): Die Politik der Infosphäre. World-Information.org. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2002.
  • Keith Dixon: Die Evangelisten des Marktes ISBN 3-896-69951-2
  • Martin Gehlen: Politikberatung in den USA. Der Einfluss von Think Tanks auf die amerikanische Sozialpolitik. Frankfurt, 2005.
  • Karen Horn, "Die wirtschaftlichen Freigeister stellen sich auf die Hinterbeine. Selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten entstehen auf der Welt immer mehr 'Think Tanks', Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. August 2005, S.11
  • Manuel Lianos: Think Tanks in Deutschland. In: politik&kommunikation, 20, 10/2004. [1]