Quantenfeldtheorie
Eine Quantenfeldtheorie (QFT) kombiniert Prinzipien klassischer Feldtheorien (zum Beispiel der Elektrodynamik) und der Quantenmechanik zur Bildung einer erweiterten Theorie.
Man unterscheidet zwischen relativistischen Quantenfeldtheorien, die die spezielle Relativitätstheorie berücksichtigen und häufig in der Elementarteilchenphysik Anwendung finden, und nicht-relativistischen Quantenfeldtheorien, die beispielsweise in der Festkörperphysik relevant sind.
Quantenfeldtheorien gehen über die (nichtrelativistische wie relativistische) Quantenmechanik hinaus, indem sie nicht nur eine Quantisierung von Observablen wie Energie oder Impuls beschreiben, sondern die die Wechselwirkung vermittelnden Felder selbst quantisieren. Die Quantisierung der Felder bezeichnet man auch als Zweite Quantisierung. Diese berücksichtigt explizit die Entstehung und Vernichtung von Elementarteilchen (Paarerzeugung, Annihilation).
Die störungstheoretische Behandlung von Quantenfeldtheorien erfolgt in der Regel mit Hilfe von Feynmandiagrammen. Eine weitere, weniger bekannte Methode kommt in der finiten Quantenfeldtheorie, zur Anwendung, und wurde von Henri Epstein und Vladimir Jurko Glaser entwickelt.
Einleitung
Die Quantenfeldtheorien sind Weiterentwicklungen der Quantenphysik über die Quantenmechanik hinaus. Die vorher existierenden Quantentheorien waren ihrem Aufbau nach Theorien für System mit wenigen Teilchen. Um Systeme mit vielen Teilchen zu beschreiben ist zwar prinzipiell keine neue Theorie nötig, doch die Beschreibung von 1023 Teilchen in einem Festkörper ist mit den Methoden der Quantenmechanik aufgrund des hohen Rechenaufwands rein technisch unmöglich.
Ein Problem der relativistischen Quantenmechanik sind Lösungen der relativistischen Klein-Gordon-Gleichung und der Dirac-Gleichung mit negativer Energie. Dies würde es Teilchen erlauben, zu unendlicher negativer Energie abzusteigen, was in der Realität nicht beobachtet wird. In der Quantenmechanik löst man dieses Problem, indem man die entsprechenden Lösungen willkürlich als Entitäten mit positiver Energie interpretiert, die sich rückwärts in der Zeit bewegen; man überträgt also in der Wellenfunktion das negative Vorzeichen von der Energie auf die Zeit. Paul Dirac interpretierte diese Lösungen als Antiteilchen.
Ein fundamentales Problem der Quantenmechanik ist jedoch ihre Unfähigkeit, Systeme mit variierender Teilchenzahl zu beschreiben. Nach der relativistischen Klein-Gordon-Gleichung und der Dirac-Theorie gibt es jedoch die oben erwähnten Antiteilchen-Lösungen. Bei ausreichender Energie ist es dann möglich, Teilchen-Antiteilchen-Paare zu erzeugen, was ein System mit konstanter Teilchenzahl unmöglich macht.
Zur Lösung dieser Probleme behandelt man das Objekt, das in der Quantenmechanik als Wellenfunktion eines Teilchens interpretiert wurde, als Quantenfeld. Das heißt, dass man es ähnlich behandelt, wie eine Observable der Quantenmechanik. Dies löst nicht nur die zuvor genannten Probleme, sondern beseitigt auch Inkonsistenzen der klassischen Elektrodynamik, wie sie z. B. in der Abraham-Lorentz-Gleichung auftreten. Außerdem erhält man Begründungen für das Pauli-Prinzip und das allgemeinere Spin-Statistik-Theorem.
Grundlagen der Theorie
Lagrangedichte
Der erste Schritt zu einer Quantenfeldtheorie besteht darin, Lagrangedichten für die Quantenfelder zu finden. Diese Lagrangedichten müssen als Euler-Lagrange-Gleichung die zuvor bekannte Differentialgleichung für das Feld liefern. Das ist für ein skalares Feld die Klein-Gordon-Gleichung, für ein Spinorfeld die Dirac-Gleichung und für das Photon die Maxwellgleichungen.
colspan="3" align="center" Vorlage:Highlight3|Lagrangedichten verschiedener Felder | ||
---|---|---|
Vorlage:Highlight1 |Feld | Vorlage:Highlight1 |Gleichungen | Vorlage:Highlight1 |Lagrangedichte |
Skalar (Spin = 0) | ||
Spinor (Spin = 1/2) | ||
Photon (Spin 1) |
Dabei bezeichnet die Dirac-Matrizen. In allen Formeln wurde die Kurzschreibweise für Differentiale und die Summenkonvention verwendet. ist der sogenannte adjungierte Spinor. sind die Komponenten des Feldstärketensors. Die hier herangezogenen Maxwellgleichungen sind die inhomogenen Maxwellgleichungen mit verschwindender Ladungs- und Stromdichte in kovarianter Formulierung.
Feldquantisierung
Bisher wurde noch keine Aussage über die Eigenschaften der Felder gemacht. Um Aussagen über das Verhalten der Felder im Vakuun oder über die Wechselwirkungen der Felder zu machen, muss man zunächst einen Mechanismus entwickeln, um die Auswirkungen der Quantennatur der Felder zu beschreiben. Die Entwicklung eines solchen Mechanismus bezeichnet man als Feldquantisierung und ist der erste Schritt um das Verhalten der Felder berechenbar zu machen. Es gibt dabei zwei verschiedene Formalismen, die unterschiedliches Vorgehen beinhalten.
- Der ältere kanonische Formalismus lehnt sich an den Formalismus der Quantenmechanik an. Er ist gut geeignet um fundamentale Eigenschaften der Felder, wie das Spin-Statistik-Theorem zu zeigen. Sein Nachteil ist jedoch, dass viel Aspekte in diesem Formalismus recht willkürlich wirken. Außerdem ist die Berechnung von Wechselwirkungsamplituden und die Feldquantisierung bei nicht-abelschen Eichtheorien recht kompliziert.
- Der neuere Pfadintegral-Formalismus baut auf dem Prinzip der kleinsten Wirkung auf. Der Vorteil dieses Formalismus ist, dass sich die Berechnung von Wechselwirkungsamplituden als vergleichsweise einfach darstellt. Der schwerwiegende Mangel dieses Formalismus ist, dass die Konvergenz des Pfadintegrals und damit das Funktionieren der Methoden des Formalismus nicht mathematisch bewiesen ist. Er wird daher häufig als heuristisch abgelehnt.
Im Folgenden werden die Grundlagen der Feldquantisierung in beiden Formalismen erklärt.
Kanonischer Formalismus
Für die Feldquantisierung im kanonischen Formalismus benutzt man den Hamilton-Formalismus der klassischen Mechanik. Man ordnet dabei jedem Feld ein kanonisch konjugiertes Feld analog dem kanonischen Impuls zu. Das Feld und sein kanonisch konjugiertes Feld sind dann im Sinne der Quantenmechanik konjugierte Operatoren und erfüllen damit eine Relation wie die Kommutatorrelation von Ort und Impuls in der Quantenmechanik. Gleichzeitig muss man allerdings darauf achten, dass diese Relation einen positiven Hamiltonoperator ergibt, da dieser die Energie des Systems charakterisiert und das Problem der negativen Energien vermieden werden soll. Den Hamiltonoperator erhält man, indem man die Hamilton-Funktion bildet und dann die Felder als Operatoren behandelt.
Für das skalare Feld erhält man als kanonisch konjugiertes Feld zu und als kanonisch konjugiertes Feld zu . Die geforderte Kommutatorrelation lautet dann . Es ist üblich, in Quantenfeldtheorien im Impulsraum zu rechnen. Dazu betrachtet man die Fourierdarstellung des Feldoperators, die für das Skalarfeld lautet
Dabei ist mit k der Impuls bezeichnet, ist die Stufenfunktion, die bei negativem Argument 0 und sonst 1 ist. Es ist klar, dass auch a(k), a+(k), b(k) und b+(k) Operatoren sein müssen, wenn man und als solche behandelt. Indem man nun die Kommutatoren des Feldoperators anwendet, kann man Kommutatorrelationen für a(k), a+(k), b(k) und b+(k) berechnen. Diese ermöglichen es a+(k) als Operator zu interpretieren, der ein Teilchen mit Impuls k erzeugt und b+(k) entsprechend als Operator, der ein Antiteilchen mit Impuls k erzeugt. Man erhält mittels dieser Kommutatorrelationen auch einen positiv definiten Hamiltonoperator.
Wenn man für das Spinorfeld identisch vorgeht, erhält man als kanonisch konjugiertes Feld zu und als kanonisch konjugiertes Feld zu . Damit ergeben sich die geforderten Kommutatorrelationen zu . Dabei sind i und j Spinorindices. Man betrachtet dann wieder analog die Fourierdarstellung des Feldoperators und berechnet den Hamiltonoperator. Dabei ergibt sich jedoch, dass dieser nicht positiv definit ist. Ein positiver Hamiltonoperator ist aber ein zentrales Ziel der Feldquantisierung und lässt sich für das Spinorfeld nur erreichen, indem man statt Kommutatoren der Felder entsprechende Antikommutatoren fordert. Aufgrund dieser Antikommutatoren ergibt sich, dass die Anwendung von zweimal demselben Erzeugungsoperator auf einen Zustand 0 ergibt. Das bedeutet, dass nie zwei Fermionen denselben Impuls haben können, was genau dem Pauli-Prinzip entspricht.
Die Quantisierung von Eichfeldern ist nur bei Festlegung einer Eichbedingung möglich, um unphysikalische Lösungen wie longitudinal polarisierte Photonen auszuschließen. Die Festlegung einer geeigneten Eichbedingung, die den Zugang über Kommutatorrelationen von Feldern ermöglicht und gleichzeitig die Lorentzinvarianz der Lagrangedichte erhält, ist dabei kompliziert.
Konkrete Quantenfeldtheorien
-Theorie
Diese Quantenfeldtheorie besitzt große theoretische Bedeutung, da sie die einfachste denkbare Quantenfeldtheorie mit einer Wechselwirkung ist und hier im Gegensatz zu realistischeren Modellen einige exakte mathematische Aussagen über ihre Eigenschaften gemacht werden können. Sie beschreibt ein selbstwechselwirkendes reelles oder komplexes Skalarfeld. In der statistischen Physik spielt sie eine Rolle als effektive Theorie für das Ordnungsparameter-Feld in der Landau-Theorie der Phasenübergänge. Auch das Higgsfeld des Standardmodells hat eine -Selbstwechselwirkung, die allerdings noch um Wechselwirkungen mit den anderen Feldern des Standardmodelles ergänzt wird.
Quantenelektrodynamik
Das Paradebeispiel einer Quantenfeldtheorie ist die Quantenelektrodynamik (QED). Sie entsteht aus der Elektrodynamik durch Quantisierung der Maxwellschen Gleichungen, und war die erste erfolgreiche QFT. Die Quantenelektrodynamik erklärt mit hoher Genauigkeit die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen (zum Beispiel Elektronen, Myonen, Quarks) mittels Austausch von virtuellen Photonen sowie die Eigenschaften von elektromagnetischer Strahlung.
Dadurch lassen sich etwa die chemischen Elemente, ihre Eigenschaften und Bindungen und das Periodensystem der Elemente verstehen. Auch die Festkörperphysik mit der wirtschaftlich bedeutsamen Halbleiterphysik leiten sich letztendlich von der QED ab. Konkrete Rechnungen werden allerdings in der Regel im vereinfachten, aber ausreichenden Formalismus der Quantenmechanik durchgeführt.
Schwache Wechselwirkung
Die schwache Wechselwirkung, deren bekanntester Effekt der Betazerfall ist, nimmt eine physikalisch geschlossene Formulierung nach Vereinheitlichung mit der QED im elektroschwachen Standardmodell an. Die Wechselwirkung wird hier durch Photonen, W- und Z-Bosonen vermittelt. In dieser Theorie tritt auch das bislang noch nicht bestätigte Higgsteilchen auf.
Quantenchromodynamik
Ein anderes Beispiel einer QFT ist die Quantenchromodynamik (QCD), welche die Starke Wechselwirkung beschreibt. In ihr wird ein Teil der im Atomkern auftretenden Wechselwirkungen zwischen Protonen und Neutronen auf die subnukleare Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen reduziert.
Interessant ist in der QCD, dass die Gluonen, welche die Wechselwirkung vermitteln, selbst miteinander wechselwirken. (Das wäre etwa so, als ob sich zwei durchdringende Lichtstrahlen direkt beeinflussen würden.) Eine Konsequenz dieser gluonischen Selbstwechselwirkung ist, dass die elementaren Quarks nicht einzeln beobachtet werden können, sondern immer in Form von Quark-Antiquark-Zuständen oder Zuständen dreier Quarks (oder Antiquarks) auftreten (Confinement).
Standardmodell
Durch Kombination des elektroschwachen Modells mit der Quantenchromodynamik entsteht eine vereinte Quantenfeldtheorie, das so genannte Standardmodell der Elementarteilchenphysik. Es enthält alle bekannten Teilchen und kann alle bekannten Vorgänge erklären.
Gleichzeitig ist aber bekannt, dass das Standardmodell nicht die letztendliche Theorie sein kann. Zum einen ist die Gravitation nicht enthalten, zum anderen gibt es eine Reihe von Beobachtungen (Neutrinooszillationen, Dunkle Materie), nach denen eine Erweiterung des Standardmodells notwendig scheint.
Quantengravitation
Versuche, diese Quantenfeldtheorien mit der allgemeinen Relativitätstheorie (Gravitation) zur Quantengravitation zu vereinen, sind bisher ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht vieler Forscher erfordert die Quantisierung der Gravitation neue, über die Quantenfeldtheorie hinausgehende Konzepte.
Beispiele aus der aktuellen Forschung sind die Stringtheorie, die M-Theorie und die Loop-Quantengravitation. Weiter liefern die Supersymmetrie, die Twistor-Theorie und die Finite Quantenfeldtheorie wichtige konzeptionelle Ideen, die zur Zeit in der Fachwelt diskutiert werden.
Weiterführende Aspekte
Axiomatische Quantenfeldtheorie
Bei der axiomatischen Quantenfeldtheorie handelt es sich um eine relativistische Quantenfeldtheorie, die ausgehend von einem Satz möglichst weniger, als mathematisch oder physikalisch unumgänglich angesehener Axiome, eine konsistente Beschreibung der Quantenmechanik versucht und dabei gleichzeitig die in der konventionellen Quantenfeldtheorie auftretenden Schwierigkeiten (Erfordernis der Renormierung etc.) zu vermeiden trachtet. Zu diesem Zweck wird eine relativistische Quantentheorie ohne Benutzung von Feldgleichungen konstruiert.
Die axiomatische Quantenfeldtheorie wurde u.a. aus den Wightman-Axiomen, entstanden im Jahr 1956 (allgemeine Quantenfeldtheorie), begründet. Andere wichtige Marksteine waren die 1955 von Lehmann, Symanzik und Zimmermann begründete axiomatische S-Matrix oder LSZ-Theorie, die Osterwalder-Schrader-Axiome und die Haag-Kastler-Axiome. Außerdem existiert ein von Bogolubov, Medvedev und Polianov begründeter funktionalanalytischer Zugang zur S-Matrix-Theorie (auch BMP-Theorie genannt), sowie schließlich die von Haag und Araki 1962 formulierte algebraische Quantenfeldtheorie (Haag-Araki-Felder).
Etliche konkrete Ergebnisse konnten mit dieser Herangehensweise erzielt werden, zum Beispiel die Herleitung des Spin-Statistik-Theorems und des CPT-Theorems alleine aus den Axiomen, d.h. unabhängig von einer speziellen Quantenfeldtheorie.
Weitere Anwendungen im Bereich der klassischen Statistik und der Quantenstatistik sind schon sehr weit fortgeschritten. Sie reichen von der allgemeinen Ableitung der Existenz thermodynamischer Größen, Satz von Gibbs, Zustandsgrößen wie Druck, innerer Energie und Entropie bis zum Beweis der Existenz von Phasenübergängen und der exakten Behandlung wichtiger Vielteilchensysteme:
- des Bardeen-Cooper-Schrieffer-Modells der Supraleitfähigkeit
- des Heisenbergschen Ferromagneten
- des idealen Bose-Gases.
Weblinks
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.