Geschichte der Stadt Stettin

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Altes Stadtwappen
Otto von Bamberg
Datei:Bogislaw X. (Pommern).jpg
Herzog Bogislaw X.

Vorzeit

Schon für das 8. Jahrhundert ist eine slawische Siedlung auf einem Hügel oberhalb des linken Ufers der Odermündung in das Stettiner Haff nachgewiesen. Im Laufe des 9. Jahrhunderts entwickelte sich daraus ein mit Palisaden geschützter Burgwall. Weitere hundert Jahre später war unterhalb der Burg eine neue wendische Siedlung namens Kessin entstanden, die rasch zu einem bedeutenden Handels- und Hafenplatz wurde. Zu dieser Zeit war das umliegende Land Teil des polnischen Königreiches, von dem es 1091 erobert worden war. Die Polen riefen Anfang des 12. Jahrhunderts Bischof Otto von Bamberg ins Land, um die heidnischen Wenden zum Christentum zu bekehren. Von 1124 bis 1128 kam er zweimal ans Stettiner Haff, und bei seiner letzten Visite zerstörte er die heidnischen Tempel, um an ihrer Stelle eine hölzerne Kirche zu errichteten. Während des Wendenkreuzzuges des Bischofs Anselm von Havelberg wurde die Burg 1147 belagert, die Einnahme konnte aber durch das Eingreifen des Camminer Bischofs abgewendet werden. Er hatte geltend gemacht, dass die Bewohner bereits zum Christentum übergetreten waren. 1173 eroberten jedoch die Dänen die Burg, zerstörten sie, bauten sie 1190 aber wieder auf. Die Dänen herrschten bis 1227 im Land.

Mittelalter

Inzwischen hatten sich südlich und westlich der Wendensiedlung deutsche Siedler niedergelassen, die zuerst die so genannte Oberstadt, später die Unterstadt gründeten. In der Oberstadt wurde von 1180 bis 1187 die St. Jakobikirche erbaut, gestiftet von dem Kaufmann Beringer von Bamberg. Mit dem Machtantritt der Herzöge aus dem Geschlecht der Greifen im zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts hatte sich Pommern mehr und mehr zu einem eigenständigen Staatsgebilde entwickelt, dessen Politik unter Barnim I. von 1226 bis 1278 einen ersten Höhepunkt erreichte. Barnim I. ging als Städtegründer in die Geschichte ein und verlieh auch der Wendensiedlung Kessin zusammen mit den deutschen Vorstädten als „oppidum Stetin“ 1243 das Stadtrecht, eine Stettiner Variante des Magdeburger Stadtrechtes. Die Tatsache, dass bereits 1220 mit Bogislaw II. erstmals ein pommerscher Herzog in der Jakobikirche beigesetzt worden war, belegt die Sonderstellung Stettins als Machtzentrum Pommerns. Sie wurde unter Barnim I. durch Zollerlass, Handelsprivilegien und Fischereirechte weiter gefördert, sodass die Stadt auch wirtschaftlich erstarkte. Zusätzlich wurde in Stettin der Oberhof für alle Städte mit Magdeburgisch-Stettiner Stadtrecht eingerichtet. 1245 erlaubte der Herzog den Bau eines Rathauses. Auf dem alten Burgwall wurde 1263 mit dem Bau der Marienkirche als Zeichen des vollendeten Zusammenwachsens der drei Siedlungen begonnen. Der Bau eines Hafens gab der Stadt einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung, der 1278 zur Mitgliedschaft in der Hanse führte. Die 1295 erfolgte Teilung Pommerns mit der Errichtung des Herzogtums Pommern-Wolgast, das Stettin von der Küste abschnitt, brachte zunächst wirtschaftliche Nachteile mit sich, die sich unter anderem in dem schwindenden Einfluss in der Hanse bemerkbar machten.

1309 begann Herzog Otto I. mit dem Bau eines Schlosses und machte damit Stettin offiziell zur Residenzstadt Pommerns. Sein Nachfolger Barnim III. geriet mit der Stettiner Bürgerschaft in Streit, als er begann, auf dem den Bürgern vorbehaltenen Burgplatz ebenfalls ein Schloss zu errichten. Erst mit dem Vertrag vom 24. August 1346 kam es zu einer Einigung, und es entstand ein fester Steinbau, der Ursprung des heute noch bestehenden Stettiner Schlosses. Zu Ehren des Bischofs Otto von Bamberg stiftete der Herzog die Schlosskirche St. Otto, die gemeinsam mit dem Schloss errichtet wurde. Am 15. Juli 1345 erwarb die Stadt vom Herzog die Münze und konnte damit seine hervorragende Stellung in Pommern weiter ausbauen. Zum Ende des 14. Jahrhunderts kam es zu einem weiteren Anschub für Stettins Wirtschaft, als im Zuge des Konflikts zwischen Polen und dem Deutschen Orden sowohl Polen als auch Pommern der Stadt weitgehende Handelsprivilegien einräumten, um das vom Orden beherrschte Danzig als Handelsmetropole ablösen zu können.

Im 15. Jahrhundert stand Stettin weitgehend im Zeichen sich wiederholender Pestepidemien, denen 1451 und 1464 auch die Stettiner Herzöge Joachim der Jüngere und Otto III. zum Opfer fielen. Das 16. Jahrhundert begann mit einem neuerlichen Streit zwischen Herzog und Stadt. Die Einführung neuer Zölle und die Beschneidung des Münzrechtes durch Bogislaw X. brachte 1503 die Stettiner Bürgerschaft so sehr auf, dass sie den herzoglichen Rat unter Arrest stellten. Erst als Bogislaw die Stadt durch seine Truppen belagern ließ, fügte sich der Stadtrat. Schon 1512 waren die Parteien so weit versöhnt, dass Herzog Bogislaw mit dem Vertrag von Fraustadt vom 18. April 1512 der Stadt zur Hilfe eilte, als deren Handel durch weitgehende brandenburgische Privilegien für Frankfurt/Oder in Gefahr geriet. Durch den Vertrag musste Brandenburg seine Aktivitäten wieder rückgängig machen. 1532 wurde der der Kunst und den Wissenschaften zugetane Barnim IX. Herzog von Pommern-Stettin. Er berief den bekannten Baumeister Caspar Teiß an seinen Hof und beauftragte ihn 1538 mit dem Ausbau des Ostflügels des Schlosses. Barnim IX. war maßgeblich an der Einführung der Reformation in Pommern beteiligt, und in deren Folge gründete er 1543 als erste weltliche Hochschule in Stettin das Pädagogium, allerdings nicht als Universität, sondern als ein Mittelding zwischen Hoch- und Lateinschule. Die Förderung der Wissenschaften wurde auch deutlich durch die Einrichtung der ersten pommerschen Druckerei in Stettin, mit der 1569 Franz Schlosser beauftragt wurde. Im Dezember 1570 wurde in Stettin der „Friedenskongress“ abgehalten, der zum Ende des Nordischen Siebenjährigen Krieges führte. Einen herben Rückschlag musste die Stadt hinnehmen, als 1572 das Handelshaus Loitz in Konkurs ging und damit als wichtiger Finanzier ausfiel. Nur mit Hilfe des Herzogs konnte der völlige finanzielle Zusammenbruch der Stadt vermieden werden, unter anderem auch dadurch, dass 1580 Stettin das Privileg erhielt, die für Pommern neu eingeführten Münzen zu schlagen. In den Jahren 1575 bis 1577 wurde auf Veranlassung des seit 1560 herrschenden Herzogs Johann Friedrich das Herzogsschloss im reinen Renaissance-Stil umgebaut. Zu weiteren Bauarbeiten am Schloss kam es unter der Regentschaft von Herzog Philipp II., die dieser 1606 angetreten hatte. Er war im hohen Maße wissenschaftlich und künstlerisch interessiert und hatte eine umfangreiche Bibliothek und Kunstsammlung angelegt. Zu deren Unterbringung fügte er dem Schloss einen Westflügel an. Zusätzlich baute er 1612 anstelle des ehemaligen Klosters Gottesgnade das Sommerschloss Oderburg, in der er eine Bildergalerie einrichtete. Dies alles ließ sich nur durch erhöhte Abgaben der pommerschen Städte finanzieren, die Stettin durch die Einführung einer Biersteuer kompensieren wollte. Das veranlasste vom 16. bis 18. Juli 1616 einen Volksaufstand, in dessen Folge die Steuer wieder zurückgenommen und eine herzogliche Finanzkommission für die Stadt eingesetzt wurde.

Dreißigjähriger Krieg bis zum Frieden von Stockholm

Der 1616 ausgebrochene Dreißigjährige Krieg berührte Stettin zunächst nicht. Erst am 11. Juli 1630 besetzten die Schweden unter Gustav Adolf die Stadt und richteten in der Oderburg ihr Quartier ein. Während ihrer Besatzungszeit verstärkten die Schweden die Befestigungsanlagen rund um die Stadt. Auch nach dem Westfälischen Frieden von 1648 blieb Stettin in schwedischer Hand. Dies wollte der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm I. nicht hinnehmen, denn nach dem Aussterben des Greifengeschlechts nach dem Tode von Bogislaw XIV. 1637 hätte Hinterpommern und damit auch Stettin an Brandenburg fallen sollen. Deshalb zog der Kurfürst im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg 1676 mit seinen Truppen nach Stettin, belagerte es zwei Jahre lang und zwang die Stadt am 6. Januar 1678 zur Kapitulation. Der Friedensvertrag von St. Germain zwang den Kurfürsten jedoch schon 1679 wieder zum Abzug. Während des Nordischen Krieges zwischen Schweden und Russland wurde Stettin 1713 von den Russen belagert. Mit dem Frieden von Stockholm 1720 gelang es dem König Friedrich Wilhelm I. endlich, Stettin für Preußen zu erwerben.

Preußische Zeit und Drittes Reich

Durch die Einrichtung bedeutender Verwaltungen wie die pommersche Kriegs- und Domänenkammer, des Hofgerichts und des evangelischen Konsistoriums erlangte Stettin schnell wieder eine hervorgehobene Stellung. Zugleich wurde die Stadt in den Jahren 1724 bis 1740 zu einer Festung ausgebaut. Die für die östlichen Provinzen von Friedrich II. in Gang gesetzten Förderpläne ließen auch Stettins Wirtschaft wieder aufblühen. So profitierte der Handel ab 1746 von der Wiederherstellung des Finowkanals nach Berlin, und durch die Entwässerung des Oderbruchs gewann Stettins Umland an Bedeutung. Durch den Wegfall der Oderzölle 1752 erlangten die Stettiner Reedereien freie Fahrt bis nach Schlesien. Durch den 1740 begonnenen Ausbau der Swine entwickelte sich Stettin zum Ende des 18. Jahrhunderts zum wichtigsten Hafen Preußens.

Nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon I. im Jahre 1806 wurde Stettin vorübergehend Exil für die Berliner Minister und Behörden. Obwohl Festungsstadt, fiel Stettin am 29. Oktober 1806 nach der Kapitulation des preußischen Generals von Romberg kampflos in französische Hände. Die Besatzung dauerte bis zum 5. Dezember 1813. Nach der Vertreibung Napoleons I. begann Preußen ab 1815 seine Verwaltung neu zu ordnen. So wurde unter anderem die Provinz Pommern errichtet, zu deren Hauptstadt Stettin ernannt wurde. Auch die Verwaltung des Regierungsbezirkes Stettin wurde in der Stadt angesiedelt. Im Rahmen der Kreiseinteilung erhielt die Stadt kreisfreien Status. Als Vorbote der sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Industrie wurde 1817 in Stettin die Zuckersiederei Dohm gegründet. Mit der Fertigstellung der Chaussee nach Berlin 1827 begann der Anschluss an das moderne Verkehrswegenetz, der 1843 mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Stettin - Berlin durch König Friedrich Wilhelm IV. einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Gleichzeitig wurde Hafen immer weiter ausgebaut. Trotz des industriellen Fortschritts kam es 1847 in Pommern zu einer Hungersnot, die auch in Stettin zu Krawallen führte. Bis 1870 dehnte sich Stettin im Süden durch die Errichtung der Neustadt erheblich aus. Die Aufhebung der Festungswerke 1873 ermöglichten neue Stadterweiterungen nach Westen hin. Auf den ehemaligen Festungsanlagen entstanden unter Führung des Pariser Architekten Haussmann moderne Wohnquartiere mit weiträumigen Boulevards. Mit der Fertigstellung eines privaten Elektrizitätswerkes wurde Stettin ab 1890 mit Strom versorgt. 1898 eröffnete Kaiser Wilhelm II. den neuen Freihafen.

1900 dehnte sich Stettin erneut durch die Eingemeindung der Vororte Bredow, Grabow und Nemitz aus, denen 1911 weitere Ortschaften folgten. Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg hinterließ auch in Stettin ihre Spuren. Den größten Schaden richtete 1928 die Schließung der 1851 im damaligen Vorort Bredow gegründeten Vulkanwerft an.

Die Nationalsozialisten schufen 1939 Groß Stettin durch die Eingemeindung der Städte Altdamm und Pölitz sowie weiteren 36 Gemeinden, wodurch Stettin flächenmäßig zur drittgrößten Stadt Deutschlands anwuchs. Vom Oktober 1939 bis ins Frühjahr 1940 wurden die Patienten der psychiatrischen Anstalten in und um Stettin von der SS ermordet, um für die "Rücksiedlung" der sog. Baltendeutschen "Platz zu schaffen". Die rund tausend Stettiner Juden waren im Februar 1940 die ersten auf deutschem Gebiet, die deportiert wurden: sie mussten Volksdeutschen in "seenahen" Berufen weichen. Im Januar und August 1944 war Stettin Ziel schwerer Bombenangriffe, denen die Altstadt zu 90 Prozent, das übrige Stadtgebiet zu 70 Prozent zum Opfer fielen. Am 26. April 1945 eroberte die Rote Armee Stettin und setzte zunächst eine kommunitisch dominierte deutsche Stadtverwaltung ein. Erst am 5. Juli 1945 übergab die sowjetische Besatzungsmacht Stettin an polnische Stellen - im Rahmen sowjetischer Bestrebungen, die Westmächte in Bezug auf die deutsche Ostgrenze vor ein fait accompli zu stellen und unter Verletzung bestehender alliierter Vereinbarungen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute

Am Tage der Machtübernahme durch Polen, dem 5. Juli 1945, lebten in Stettin ca. 84.000 Deutsche, welche in der Folgezeit ausgewiesen wurden. Aus den an die Sowjetunion gefallenen polnischen Ostgebieten wurden polnische Neubürger in die Stadt umgesiedelt, so dass bereits im Dezember 1946 108.000 Polen in Stettin lebten . Der polnische Staat machte Stettin zur Woiwodschaftshauptstadt, daneben wurde die Stadt zum Hochschulstandort entwickelt, zwischen 1947 und 1955 wurden eine Handelsakademie, eine Ingenieurhochschule, eine Ärzteakademie, eine landwirtschaftliche Hochschule und eine technische Hochschule eröffnet. Der Hafen blieb zunächst in sowjetischer Hand, ehe er 1947 teilweise und 1955 vollständig an Polen übergeben wurde. Wegen des Hafens gab es mit der DDR bis in die achtziger Jahre hinein Spannungen, denn die Ostdeutschen sahen im Stettiner Hafen eine Konkurrenz für die eigenen Ostseehäfen. Das führte zu dem letztendlich vergeblichen Versuch der DDR, durch Erweiterung der Hoheitsrechte im Stettiner Haff dem Hafen buchstäblich das Wasser abzugraben. In den sechziger Jahren wurde Stettin auch als Industriestandort weiter ausgebaut, an dem die Werft, der Maschinenbau und die Lebensmittelindustrie den größten Anteil hatten. 1970 und 1980 war die Stadt Schauplatz von Streiks und Arbeiterunruhen und wurde neben Danzig Keimzelle der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc. Die katholische Kirche schuf 1972 das Bistum Szczecin, das 1992 zum Erzbistum erhoben wurde. 1985 begann die Universität Stettin ihren Lehrbetrieb. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Polen fand am 27. Mai 1990 die erste demokratische Kommunalwahl in Stettin statt.