Insolvenzrecht (Deutschland)

gesetzliche Regelungen zur Durchführung von Insolvenzverfahren in Deutschland
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Insolvenz (lat. insolvens, "nicht-lösend", hier im Sinne von: "Schuldscheine nicht einlösen könnend") bezeichnet die Eigenschaft eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nicht erfüllen zu können. Gründe für eine Insolvenz sind entweder Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Rechtsgrundlage in Deutschland ist die Insolvenzordnung (InsO).

Deutsches Recht

Bekannte Unternehmens-Insolvenzen in Deutschland
Oktober 1961 Borgward (Autobauer)
Juni 1974 Herstatt-Bank (Bank)
August 1982 AEG-Telefunken (Elektrokonzern)
November 1983 IBH-Holding (Baumaschinen)
April 1994 Schneider-Gruppe (Baukonzern)
Juni 1994 Balsam AG (Sportböden)
Februar 1996 Bremer Vulkan (Schiffbauer)
März 2000 FlowTex (Bohrsystemvermieter)
September 2000 Gigabell (Internet Service Provider)
November 2001 Kinowelt (Filmkonzern)
Januar 2002 Schneider Techn. (Fernsehgeräte)
März 2002 Philipp Holzmann AG (Baukonzern)
April 2002 Fairchild Dornier (Flugzeugbauer)
April 2002 Herlitz (Schreibwaren)
April 2002 Kirch-Media (Fernsehkonzern)
Juni 2002 Photo Porst (Fotokette)
Juli 2002 Babcock Borsig (Maschinenbau)
April 2003 Grundig (Elektrokonzern)
April 2003 B.TV (Fernsehsender)
Oktober 2003 Aero Lloyd (Fluglinie)
April 2004 Senator (Filmkonzern)
Mai 2004 UFA Theater (Filmkette)
September 2004 Salamander (Schuhhersteller)
Dezember 2004 BTV4U (Fernsehsender)
Februar 2005 Walter Bau AG (Baukonzern)
April 2005 100,6 (privater Radiosender)
Mai 2005 AgfaPhoto (Foto-Unternehmen)
Mai 2005 Interflug (Reiseveranstalter)
Februar 2006 Heros (Geldtransporte)
Mai 2006 Mega/VISION (Fernsehsender)
Juni 2006 FEAG (Siemens-Tochter)
Juni 2006 Georg von Opel (Fahrzeughändler)
September 2006 BenQ Mobile Deutschland (Mobiltelefone)

Rechtsfolgen der Insolvenz

Die Insolvenz des Schuldners muss sowohl im materiellen Zivilrecht als auch im Zwangsvollstreckungsrecht einkalkuliert werden. Im Zivilrecht stellt sich beispielsweise in Mehrpersonenverhältnissen die Frage, wer das Risiko der Zahlungsunfähigkeit, das sog. Insolvenzrisiko, tragen soll.

Im Zwangsvollstreckungsrecht muss die Möglichkeit geregelt werden, dass zahlreiche/alle Gläubiger zu einer Lösung (zusammen) kommen (daher der Ausdruck Konkurs von lat. concurrere), auch wenn das Schuldnervermögen nicht für die Summe der Ansprüche genügt. Dann soll nicht der Schnellste seine Forderungen zu Lasten der übrigen durchsetzen können, sondern alle Gläubiger sollen den gleichen Anteil ihrer Forderungen erhalten, die sog. Insolvenzquote. Dazu genügt es nicht, in einzelne Vermögensbestandteile des Schuldners zu vollstrecken ("Einzelzwangsvollstreckung"), sondern das gesamte Schuldnervermögen muss verwertet werden. Diese "Gesamtvollstreckung" geschieht im Insolvenzverfahren, das in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt ist. Unter bestimmten Umständen besteht die Pflicht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, vgl. Vorlage:Zitat de § HGB, Vorlage:Zitat de § GmbHG und Vorlage:Zitat de § Abs. 2 AktG. Die Pflichtverletzung kann über § 823 Abs. 2 BGB zur zivilrechtlichen Haftung sowie zur Strafbarkeit gem. §§ 84 Abs,1 Ziff.2 GmbHG, 401 Abs. 1 Ziff. 2 AktG und § 130b HGB führen.

Allerdings ist das Vermögen des Schuldners (Insolvenzmasse) (früher: Gemeinschuldner) häufig so gering, dass es nicht einmal die Kosten des Insolvenzverfahrens decken würde. Dann wird der Antrag, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, abgewiesen (Abweisung mangels Masse). Den Gläubigern bleiben bei Abweisung mangels Masse nur die Einzelzwangsvollstreckung, die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz und die strafrechtliche Verfolgung des Schuldners. Der Rechtsverkehr wird vor insolventen Kapitalgesellschaften geschützt, indem sie bei Vermögenslosigkeit gemäß § 141 a FGG von Amts wegen gelöscht werden.

Für natürliche Personen besteht in Deutschland die Möglichkeit der gerichtlichen Restschuldbefreiung. Damit soll verhindert werden, dass Schuldner bis zum Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist nur vom pfändungsfreien Teil ihres Vermögens leben müssen, ohne Hoffnung auf Besserung oder Anreiz zu weitergehender Erwerbstätigkeit. Dem redlichen Schuldner soll vielmehr eine Perspektive geboten werden. Um den besonders hoch Verschuldeten, die dieser Chance am meisten bedürfen, die Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen, können die Verfahrenskosten gestundet werden.

Bestimmtes Verhalten des Schuldners in und vor der Insolvenz kann strafbar sein (vgl. Bankrott, § 283 StGB).

Gründe für die Insolvenz Selbstständiger und Freiberufler

Eine Vielzahl von Gründen führt zur Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit selbstständiger Unternehmer oder freiberuflicher Existenzen. Ein wichtiger Grund ist in der fehlenden Trennung der Vermögensmassen zu erkennen. Wenn eine private Vermögensanlage scheitert, wird meist die Liquidität der beruflichen Existenz in Mitleidenschaft gezogen. Ein Schutz der Unternehmung einer natürlichen Person ist meist nicht möglich, da die Gläubiger im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung den Zugriff auf alle Vermögensgegenstände veranlassen. Hierdurch entstehen Reibungsverluste und die tägliche Arbeit wird erschwert. Andererseits wirken sich auch geschäftliche Verluste negativ auf die privaten Vermögensstrukturen aus.

Mangels rechtlicher Trennung zwischen den Positionen entsteht ein Zwang zum Einsatz privater Mittel, wenn die Unternehmung nicht aufgegeben werden soll. Im Gegensatz zum Inhaber einer haftungslimitierten Gesellschaft kann der Einzelunternehmer/Freiberufler zwar auch die Insolvenz seines Unternehmens beantragen, wenn er zahlungsunfähig geworden ist. Durch die Einheit von Firmenvermögen und privatem Vermögen fällt er jedoch mit seinem gesamten Vermögen (Firma und privat) in die Insolvenz. Viele Existenzgründungen leiden besonders unter zu geringem Eigenkapital. In Krisenzeiten führt die Kapitalschwäche schnell zu einer verschleppten Insolvenz. Zwar ist diese mangels Antragspflicht nicht per se strafbar, führt aber immer an den Rand der Legalität bei Inanspruchnahme neuer Leistungen, die für den Betrieb erforderlich sind. Auch die Fehleinschätzung des Unternehmers bei der Preisbildung führt schnell dazu, dass sich zunächst unbekannte oder vernachlässigte Steuer- und Abgabenlasten zu einem Problem auswachsen. Gerade die Existenzgründung in Krisenzeiten bietet bei großen Marktchancen das Risiko der Fehlkalkulation.

Aus traditionellen Gründen wird in Deutschland die freiberufliche Tätigkeit nicht im Rahmen einer limitierten Gesellschaft, sondern als Einzelunternehmen oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben. Im Insolvenzfalle ist also immer das Regelinsolvenzverfahren, nicht das Verbraucherinsolvenzverfahren einschlägig.

Solvenz

Das Gegenteil von Insolvenz wird als Solvenz bezeichnet. Solvenz ist die Fähigkeit einer zahlpflichtigen Person, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.

Solvenz im weiteren Sinne besteht aus folgenden beiden Komponenten:

  1. Sicherung der Zahlungsfähigkeit (Liquidität) ZLF
  2. Sicherung der Schuldendeckungsfähigkeit (Liabilität) SDF

Solvenz im weiteren Sinne fordert also auch die Fähigkeit, Schulden mit vorhandenem Geld- und Sachvermögen zu decken (Schuldendeckungsfähigkeit).

Resolvenz

Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung in der BRD und der Regelungen über die Zahlungs-Entpflichtung durch Gerichtsbeschluss „Restschuldbefreiung“ werden zunehmend die durch die Zahlungs-Entpflichtung wiederhergestellte Schuldenfreiheit und Zahlungsfähigkeit als Resolvenz bezeichnet. Dieser Begriff ist allerdings zur Zeit noch als Wortmarke zu Gunsten des Resolvenz-Bund e.V. geschützt.

Österreichisches Recht

In Österreich gibt es zwei Arten des Insolvenzverfahrens, das Konkurs- und das Ausgleichsverfahren. Ausgangspunkt beider Verfahrensarten ist die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung des Gesamtschuldners.

Konkurs

Das Konkursverfahren hat traditionellerweise die Liquidierung des insolventen Rechtsträgers zum Ziel. Jedoch besteht durch Abschluss eines Zwangsausgleiches auch hier die Möglichkeit der Sanierung. Der Schuldner muss in letzterem Fall bei Zustimmung der Gläubiger nur 20% seiner Schulden in einem Zeitraum von zwei Jahren begleichen.

Für natürliche Personen bestehen zusätzlich weitere Möglichkeiten im Privatkonkurs. Mit Zustimmung der Gläubiger kann ein Zahlunsplan, ähnlich dem Zwangsausgleich, zur Sanierung führen. Eine Mindestquote besteht nicht. Bei derem Scheitern ist wieder nur mit Zustimmung ein Abschöpfungsverfahren möglich, indem der Schuldner alle seine Einkünfte über dem Existenzminimum einem Treuhänder verpfändet und jeder sich bietenden Arbeit nachgehen muss.

Ausgleich

Das Ausgleichsverfahren zielt auf die Sanierung des insolventen Rechtsträgers ab. Die Mehrheit der Gläubiger stimmt einem teilweisen Forderungserlass zu und stundet ggf. den verbleibenden Restschuldbetrag.

Vorteile des Ausgleichsverfahrens gegenüber dem Konkursverfahren sind geringere Kosten und im Ergebnis meist höhere Rückzahlungen an die Gläubiger.

Siehe auch

Literatur

  • Harz, Michael/Hub, Heinz-Günter/Schlarb, Eberhard: Sanierungs-Management. Unternehmen aus der Krise führen, 3. Aufl., Düsseldorf 2006, ISBN 3-87881-184-5
  • Koark, Anne: Insolvent und trotzdem erfolgreich. Insolvenzverlag, ISBN 3981095405
  • Möhlmann, Th./Schmitt, Jens: Sanierung in der Insolvenz, NWB Verlag Herne
  • Siegel, Christiane: Die 2. Chance – Rahmenbedingungen für den Restart nach der Pleite, Leitfaden; Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH, Bottrop, August 2005
  • Veit, Klaus-Rüdiger: Sonderbilanzen, Kiel 2004.