Normalisierung der Gewinn- und Verlustrechnung (auch Ergebnisnormalisierung oder Ergebnisbereinigung) bezeichnet im Finanz- und Rechnungswesen den Prozess, die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eines Unternehmens um außerordentliche, einmalige oder nicht-operative Einflüsse zu bereinigen. Ziel der Normalisierung ist die Ermittlung eines nachhaltigen, operativen Ergebnisses (englisch sustainable earnings oder underlying profit), das die tatsächliche, wiederkehrende Ertragskraft des Unternehmens widerspiegelt.[1]
Dieses bereinigte Ergebnis, oft als normalisiertes EBITDA oder EBIT ausgewiesen, dient als verlässlichere Grundlage für die Unternehmensbewertung, die Finanzanalyse und den Vergleich mit anderen Unternehmen. Die Normalisierung ist ein zentraler Bestandteil der Due-Diligence-Prüfung, insbesondere der Financial Due Diligence, im Rahmen von M&A-Transaktionen.[2]
Grundlagen und Ziele
Die in der externen Rechnungslegung (nach Handelsgesetzbuch, IFRS oder US-GAAP) ausgewiesene Gewinn- und Verlustrechnung enthält häufig Positionen, die nicht aus dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb stammen oder deren Auftreten einmaligen Charakter hat. Solche Sondereffekte können das ausgewiesene Ergebnis erheblich verzerren und die Analyse der tatsächlichen Unternehmensleistung erschweren.[1]
Die Normalisierung verfolgt mehrere Hauptziele:
- Ermittlung der nachhaltigen Ertragskraft: Durch die Eliminierung von Sondereffekten soll das Ergebnis ermittelt werden, das das Unternehmen voraussichtlich auch in Zukunft wiederkehrend erzielen kann. Dies wird oft als „bereinigtes Ergebnis“ oder im angelsächsischen Raum als Quality of Earnings (QoE) bezeichnet.[3]
- Verbesserung der Vergleichbarkeit: Die bereinigten Ergebnisse ermöglichen einen aussagekräftigeren Vergleich der Unternehmensperformance über verschiedene Zeiträume (Zeitreihenanalyse) sowie mit anderen Unternehmen der gleichen Branche (Peer-Group-Analyse).
- Schaffung einer validen Prognosebasis: Ein normalisiertes Ergebnis bildet eine stabilere Ausgangsbasis für die Erstellung von Finanzprognosen (Planzahlen), da es nicht durch zufällige oder einmalige Ereignisse der Vergangenheit verzerrt ist.[4]
Abgrenzung zur Pro-forma-Anpassung
Die Normalisierung ist von der Pro-forma-Anpassung abzugrenzen. Während die Normalisierung Vergangenheitsdaten um nicht-wiederkehrende Effekte bereinigt, passt die Pro-forma-Analyse historische Daten an, um strukturelle Veränderungen abzubilden, die erst in der Zukunft wirksam werden. Dazu gehören beispielsweise der Carve-out eines Geschäftsbereichs, eine zukünftige Akquisition oder die Effekte aus Synergien. Ziel der Pro-forma-Anpassung ist es, eine vergleichbare Basis zwischen der historischen Entwicklung und der zukünftigen Planung (Business Plan) zu schaffen.[5] In der Praxis werden Normalisierung und Pro-forma-Anpassung oft kombiniert, um ein „normalisiertes Pro-forma-EBITDA“ zu ermitteln.
Methodik und Vorgehen
Die Normalisierung der GuV ist ein systematischer, mehrstufiger Prozess. Ausgangspunkt ist in der Regel das ausgewiesene Betriebsergebnis (EBIT) oder das EBITDA. Die Ergebnisse werden in einer Überleitungsrechnung (englisch Bridge) transparent dargestellt.[6]
- Identifikation von Normalisierungsposten: Zunächst werden alle potenziell nicht-wiederkehrenden, betriebsfremden oder außerordentlichen Aufwendungen und Erträge identifiziert. Informationsquellen hierfür sind die GuV selbst, der Anhang, der Lagebericht, Protokolle von Gremiensitzungen sowie Interviews mit dem Management.
- Quantifizierung und Analyse: Die identifizierten Posten werden quantifiziert. Dabei muss geprüft werden, ob es sich tatsächlich um Einmaleffekte handelt oder ob es eine wiederkehrende Komponente gibt. Beispielsweise können Restrukturierungskosten in manchen Branchen regelmäßig anfallen und sind dann nur teilweise zu normalisieren.
- Bereinigung des Ergebnisses: Die identifizierten Aufwendungen werden zum Ergebnis hinzuaddiert, die Erträge werden subtrahiert.
Die Dokumentation erfolgt typischerweise in einer Überleitungsrechnung, wie im folgenden vereinfachten Beispiel dargestellt:
Position | Betrag in T€ |
---|---|
EBITDA laut Jahresabschluss | 1.500 |
Normalisierungen (Aufwendungen) | |
+ Restrukturierungsaufwand (Schließung eines Standorts) | 250 |
+ Beratungskosten für M&A-Transaktion | 120 |
+ Außerordentlicher Forderungsausfall | 80 |
Normalisierungen (Erträge) | |
- Gewinn aus Verkauf von Anlagevermögen | (150) |
- Ertrag aus Auflösung einer nicht mehr benötigten Rückstellung | (50) |
Normalisiertes EBITDA | 1.750 |
Typische Normalisierungsposten
Die zu normalisierenden Positionen sind unternehmens- und branchenspezifisch. Es gibt keine abschließende Liste, jedoch lassen sich typische Kategorien unterscheiden.[7]
Außerordentliche und periodenfremde Posten
Hierzu zählen Aufwendungen und Erträge, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen oder aufgrund ihrer Art oder Höhe selten sind. Beispiele sind:
- Aufwendungen oder Erträge aus Naturkatastrophen (z. B. Hochwasser, Brand).
- Erträge aus der Auflösung von langfristigen Rückstellungen, die in früheren Perioden gebildet wurden.
- Nachzahlungen oder Erstattungen für vergangene Geschäftsjahre, die periodenfremd sind.
Restrukturierungs- und Transaktionskosten
Kosten für grundlegende Neuausrichtungen des Unternehmens werden typischerweise normalisiert, da sie die zukünftige Ertragskraft verbessern sollen, aber nicht jährlich anfallen.
- Restrukturierungskosten: Kosten für Standortschließungen, Personalabbau (Abfindungen) oder die Einführung neuer IT-Systeme. Es ist zu prüfen, ob es sich um ein einmaliges Projekt oder um laufende Optimierungsmaßnahmen handelt.[8]
- Transaktionskosten: Beratungs- und Anwaltskosten, die im Zusammenhang mit einem Unternehmens(ver)kauf anfallen.
Aufwendungen und Erträge aus dem Anlagevermögen
Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Anlagevermögen sind in der Regel nicht Teil des operativen Kerngeschäfts und werden daher eliminiert.
- Gewinne/Verluste aus Anlagenabgängen: Diese entstehen, wenn der Verkaufspreis über oder unter dem Buchwert liegt.
- Sale-and-Lease-Back-Transaktionen: Einmalige Gewinne aus dem Verkauf werden normalisiert, während die neuen Leasingkosten als operativer Aufwand berücksichtigt werden (ggf. als Pro-forma-Anpassung).[9]
Wertberichtigungen und Rückstellungsauflösungen
Diese Posten können auf Sondereffekten beruhen und müssen kritisch analysiert werden.
- Außerordentliche Wertberichtigungen: Zum Beispiel auf Forderungen durch die Insolvenz eines Großkunden.
- Auflösung von Rückstellungen: Wenn eine in der Vergangenheit gebildete Rückstellung (z. B. für einen Rechtsstreit) nicht mehr benötigt wird, führt ihre Auflösung zu einem einmaligen Ertrag.
Betriebsfremde Posten
Aufwendungen und Erträge aus Tätigkeiten, die nicht zum eigentlichen Unternehmenszweck gehören, werden ebenfalls bereinigt. Ein typisches Beispiel sind Erträge aus der Vermietung nicht betriebsnotwendiger Immobilien. Der Wert dieser Immobilien wird stattdessen in der Überleitung vom Unternehmenswert zum Eigenkapitalwert (Equity Bridge) als nicht-operatives Vermögen berücksichtigt.[10]
Anwendung und Bedeutung
Unternehmensbewertung und M&A
Die wichtigste Anwendung findet die Normalisierung bei der Unternehmensbewertung, insbesondere im Rahmen von M&A-Prozessen. Bewertungsverfahren wie das Multiplikatorverfahren basieren auf normalisierten Ergebnisgrößen. Ein Multiple (z. B. das 6-fache des EBITDA) wird auf das normalisierte EBITDA angewendet, um den Unternehmenswert zu ermitteln. Die Verwendung eines nicht bereinigten Ergebnisses würde zu einem verfälschten Unternehmenswert führen.[11]
Finanzanalyse und Controlling
Finanzanalysten und Ratingagenturen nutzen normalisierte Kennzahlen, um die Kreditwürdigkeit und die finanzielle Stabilität eines Unternehmens besser beurteilen zu können. Im internen Controlling hilft die Ergebnisbereinigung, die operative Leistung der einzelnen Geschäftsbereiche fair zu bewerten und von Sondereinflüssen zu trennen.
Kritische Würdigung und Grenzen
Obwohl die Normalisierung ein etabliertes und notwendiges Instrument der Finanzanalyse ist, unterliegt sie auch Kritik und birgt Risiken.
- Subjektivität: Die Entscheidung, welche Posten als „einmalig“ oder „außerordentlich“ klassifiziert werden, ist nicht standardisiert und liegt im Ermessen des Analysten. Dies kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Was für ein Unternehmen ein Sondereffekt ist, kann für ein anderes Teil des gewöhnlichen Geschäfts sein.[12]
- Manipulationsrisiko: Die Subjektivität eröffnet die Möglichkeit zur Manipulation. Unternehmen oder ihre Berater könnten versucht sein, durch eine aggressive Normalisierung ein überhöhtes nachhaltiges Ergebnis darzustellen, um beispielsweise einen höheren Verkaufspreis zu erzielen (Earnings Management).[13]
- Mangelnde Transparenz: Wenn die vorgenommenen Anpassungen nicht detailliert in einer Überleitungsrechnung offengelegt werden, sind normalisierte Kennzahlen für Außenstehende nicht nachvollziehbar und verlieren an Aussagekraft.
Aufgrund dieser Grenzen ist eine kritische Auseinandersetzung mit jeder Ergebnisnormalisierung und eine hohe Transparenz bei der Darstellung der Anpassungen unerlässlich.
Siehe auch
Literatur
- Wolfgang Ballwieser, D. Hachmeister: Unternehmensbewertung: Prozess, Methoden und Probleme. 5. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7910-3522-9.
- Thomas Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence: Finanzielle Kernanalysen bei Unternehmenskäufen. 2. Auflage. Springer Gabler, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-19908-1.
- Bernhard Pellens u. a.: Internationale Rechnungslegung: IFRS 1 bis 17, IAS 1 bis 41, IFRIC-Interpretationen, Standardentwürfe. 12. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-7910-4823-6.
- Jörg Wöltje: Bilanzen lesen, verstehen und gestalten. 14. Auflage. Haufe, Freiburg 2019, ISBN 978-3-648-12293-2.
Einzelnachweise
- ↑ a b Thomas Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence: Finanzielle Kernanalysen bei Unternehmenskäufen. 2. Auflage. Springer Gabler, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-19908-1, S. 57.
- ↑ Jörg Wöltje: Bilanzen lesen, verstehen und gestalten. 14. Auflage. Haufe, Freiburg 2019, ISBN 978-3-648-12293-2, S. 312.
- ↑ Wolfgang Ballwieser, D. Hachmeister: Unternehmensbewertung: Prozess, Methoden und Probleme. 5. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7910-3522-9, S. 138.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 75.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 70–71.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 59.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 61–69.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 61.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 62.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 67.
- ↑ Anson M. Glader: Praxishandbuch der Unternehmensbewertung. 5. Auflage. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2017, ISBN 978-3-593-50672-0, S. 203.
- ↑ Pomp: Praxishandbuch Financial Due Diligence. 2020, S. 76.
- ↑ Christian Zwirner (Hrsg.): Handbuch Bilanzrecht. 2. Auflage. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-75692-7, S. 815.