Partei (Recht)
Als Parteien werden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten diejenigen Personen bezeichnet, die nach der Dispositionsmaxime darüber entscheiden können, ob sie einen Zivilprozess einleiten, fortführen oder beenden. Das sind der Kläger und der Beklagte.
Deutschland
Prozessuale Bedeutung
Die Stellung als Partei ermöglicht die prozessuale Durchsetzung der nach materiellem Recht begründeten Rechte und Pflichten[1] bzw. um entsprechenden Rechtsschutz nachzusuchen.[2]
Nach dem im geltenden formellen Parteibegriff ist Partei, wer klagt und wer verklagt wird unabhängig davon, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch tatsächlich gegenüber dem Beklagten zusteht.[2] Die Klageschrift muss die Bezeichnung der Parteien enthalten (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Mit Zustellung der Klageschrift wird der geltend gemachte Anspruch rechtshängig (§ 261 ZPO) und zwischen Kläger, Beklagtem und Gericht entsteht ein dreiseitiges Rechtsverhältnis mit den sich aus der ZPO ergebenden öffentlich-rechtlichen Pflichten.[2] Dazu zählen insbesondere die allseitige Prozessförderungspflicht (§ 282, § 139 ZPO),[3] um den Parteien die Abgabe einer Stellungnahmen zum Vorbringen der Gegenseite rechtzeitig zu ermöglichen[4] oder die Pflicht der Parteien, sich über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären (§ 138 ZPO).[5] In bestimmten Fällen ist ein Parteiwechsel nach Rechtshängigkeit zulässig.
Wer Partei ist, kann im selben Prozessverhältnis grundsätzlich kein Zeuge sein.[2] Ausnahme ist die Parteivernehmung (§ 445 Abs. 1 ZPO).
Parteifähig ist, wer nach materiellem Recht rechtsfähig ist (§ 50 ZPO). Eine Person ist insoweit prozessfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann (§ 52 ZPO), d. h. die Prozessfähigkeit ist das prozessuale Gegenstück zur Geschäftsfähigkeit des materiellen Rechts.[2] Es gibt jedoch keine beschränkte Prozessfähigkeit. Nicht voll geschäftsfähige Parteien müssen sich durch ihren gesetzlichen Vertreter, juristische Personen organschaftlich vertreten lassen (§ 51 ZPO).
Vor den Land– und Oberlandesgerichten müssen sich alle Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (Anwaltsprozess, § 78 ZPO), sind also nicht selbst postulationsfähig. Nur vor den Amtsgerichten sind auch Parteiprozesse ohne anwaltliche Vertretung der Parteien zulässig (§ 79 ZPO).
Auf Kläger- und auf Beklagtenseite müssen grundsätzlich verschiedene Rechtspersönlichkeiten stehen.[2] Ein sog. Insichprozess zwischen identischen Parteien ist unzulässig.[6]
Sofern ein Kläger gegen mehrere Beklagte klagt oder mehrere Kläger gegen einen oder mehrere Beklagte (Streitgenossenschaft oder subjektive Klagehäufung), entstehen so viele Prozessrechtsverhältnisse, wie sich Kläger und Beklagte gegenüberstehen, die aber zusammen verhandelt werden können (§ 147, § 150 ZPO).[2]
Im Fall einer gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft kann auch ein Dritter, der nicht Inhaber des streitigen Rechts ist, prozessführungsbefugt sein. Der Klageantrag muss jedoch entsprechend formuliert werden (Leistung an den Rechtsinhaber).[7] Die Frage, ob materiell der Kläger und der Beklagte die „richtigen“ Parteien sind (Aktiv- und Passivlegitimation), ist eine Frage der Begründetheit der Klage,[2] während die parteibezogenen Prozessvoraussetzungen (Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit, Prozessführungsbefugnis) über die Zulässigkeit entscheiden.
Ein rechtskräftiges Urteil wirkt insbesondere für und gegen die Parteien (§ 325 Abs. 1 ZPO).
Nimmt ein Dritter – also eine andere Person als die Prozessparteien – die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Forderung in Anspruch, spricht man von einem Gläubiger- oder Prätendentenstreit.
Bezeichnung in anderen Zivilsachen
In nicht–streitigen Zivilsachen gibt es abweichende Bezeichnungen. Insbesondere in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden die Beteiligten als Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet (§ 113 Abs. 5 FamFG), ebenso im Mahnverfahren, im Prozesskostenhilfeverfahren, im Verfahren über eine einstweilige Verfügung und bei der Teilungsversteigerung.
Im Beschwerdeverfahren werden die Beteiligten als Beschwerdeführer und Beschwerdegegner, im Berufungsverfahren als Berufungskläger und Berufungsbeklagter, im Revisionsverfahren als Revisionskläger und Revisionsbeklagter bezeichnet.
Im Zwangsvollstreckungsverfahren sind der Gläubiger und der Schuldner beteiligt.
Im Zwangsversteigerungsverfahren nach dem ZVG sind neben dem Gläubiger und dem Schuldner auch der Eigentümer (wenn Eigentümer und Schuldner unterschiedliche Personen sind), die Inhaber von Rechten an dem Grundstück (beispielsweise Wegerecht, Überbaurecht), die Mieter und Personen, welche ein Recht anmelden, Beteiligte am Verfahren.
Materielles Recht
Im Schuldrecht werden die Vertragspartner als Vertragsparteien bezeichnet, so z. B. ausdrücklich in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Strafprozess (Schweiz)
Gemäß Art. 104 der Schweizerischen Strafprozessordnung sind dortige „Parteien“
- die beschuldigte Person;
- die Privatklägerschaft;
- im Haupt- und im Rechtsmittelverfahren: die Staatsanwaltschaft.
Bund und Kantone können weiteren Behörden, die öffentliche Interessen zu wahren haben, volle oder beschränkte Parteirechte einräumen.
Siehe auch
Literatur
- Gunter Wesener: Prozessparteien. in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Band IV (1990) Sp. 62–66.
Einzelnachweise
- ↑ vgl. nur Christian Gomille: Zivilprozessrecht. Universität des Saarlandes, 2020/2021, S. 11, 14 ff.
- ↑ a b c d e f g h Hubert Schmidt: Parteilehre. Universität Trier, 30. April 2014.
- ↑ Melanie Koch: Die richterliche Prozessförderungspflicht nach dem ZPO-Reformgesetz. Hamburg, 2003. ISBN 978-3-8300-1213-9.
- ↑ BGH, Urteil vom 28. September 1988 - IVa ZR 88/87
- ↑ Bernd Hirtz: Der Umgang mit der Wahrheit im Zivilprozess. Oder: Ist der Rechtsanwalt im Zivilprozess zur Wahrheit verpflichtet? Anwaltsblatt 2006, S. 780–783.
- ↑ OLG Brandenburg, Urteil vom 17. Februar 2021 - 4 U 211/20
- ↑ vgl. beispielsweise LG Wuppertal, Urteil vom 9. März 2015 - 4 O 448/13 Rz. 29 ff.