> ursprünglich eingetragen von: Holger Thølking (d·b) 23:06, 4. Aug 2006 (CEST)
Der Trikont-Verlag war das prominenteste Publikationshaus der Protest- und Alternativ-Bewegung der 68er.
1967 gründeten Herbert Röttgen, heute: Victor Trimondi , zusammen mit Gisela Erler den Trikont-Verlag zuerst in Köln und dann in München. Trikont war aufs engste mit der 68er Bewegung und deren späteren Metamorphosen verwoben.
Erste Publikationen
Zuerst publizierte der Verlag Schriften der Befreiungs-Bewegungen aus der Dritten Welt (Südamerika, Kuba, Afrika, Vietnam) und des amerikanischen Protest-Movements (Black Panther), darunter auch die deutsche Übersetzung des berühmten „Tagebuch des Che Guevara“. Weitere Autoren aus dieser Publikationsphase waren Fidel Castro, Ho Chi Minh, Régis Debray.
Neben der eigenen Verlagsproduktion verbreitete Trikont Bücher, Zeitschriften, Plakate und Schallplatten aus der Volksrepublik China, unter anderem "Die Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung" (Mao-Bibel).
Mitte der siebziger Jahre publizierte der Verlag die Reihe Frauenoffensive - Texte der deutschen, amerikanischen, englischen, italienischen und französischen Frauenbewegung. Wenig später gründeten die Herausgeberinnen der Reihe Frauenoffensive unter dem gleichen Namen den ersten autonomen feministischen Verlag in der Bundesrepublik.
Trikont war auch das Publikationshaus, das die einschlägige Schriften der sogenannten Sponti-Bewegung veröffentlichte, jener radikalen, libertären, alternativen und außerparlamentarischen Jugend-Opposition der 70er, zu dem damals Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit, beide Trikont-Autoren, zählten. Ab 1973 gab der Verlag die „Hauszeitschrift“ der Spontis, Autonomie - Materialien gegen die Fabrikgesellschaft , heraus.
Der Fall Bommi Baumann
Wie jedes linksorientierte Publikationshaus aus dieser Zeit, so veröffentlichte auch der Trikont-Verlag einige Bücher, die den „bewaffneten Widerstand“ gegen Faschismus und Kolonialismus sowie die „revolutionäre Gewalt“ als Mittel radikaler Gesellschaftsveränderung reflektierten. Die Gewalt-Thematik wurde jedoch von Anfang an differenziert und kontrovers im Verlags-Team, später insbesondere auch in der Zeitschrift „Autonomie“ diskutiert. Wie bei vielen ihrer Verleger-Kollegen und Weggefährten so führte die zunehmende Eskalation des RAF-Terrors auch bei Herbert Röttgen (Victor Trimondi) und Gisela Erler zu dem Entschluss, „revolutionäre Gewalt“ als Mittel der Politik strikt abzulehnen. Eine klare Demonstration dieses Bekenntnisses war die Herausgabe der Autobiographie von Bommi Baumann „Wie alles anfing“. Baumann, ein ehemaliges Mitglied der linken Terror-Gruppe 2. Juni, plädierte mit überzeugenden Erfahrungsberichten für einen Ausstieg aus der bewaffneten Szene („Genossen, werft die Knarre weg!“). Viele Intellektuelle, darunter an exponierter Stelle Heinrich Böll sahen in dem Buch den authentischsten ideologischen Beitrag, um die Gewaltspirale, zu stoppen.
Schon vor Erscheinen von „Wie alles anfing“ erhielt Verleger Röttgen mehrere, damals ernst zunehmende Morddrohungen aus dem RAF-Milieu, falls er den Text publiziere. Er entschloss sich trotzdem dazu. Paradoxerweise bewirkte die bayrische Staatsanwaltschaft ein Verbot des Buches. Die Verleger Röttgen (Trimondi) und Erler wurden wegen der Verbreitung des von "Wie alles anfing" angeklagt, weil der Text nach Meinung der bayrischen Staatsanwaltschaft zur Gewalt aufrufen würde, obgleich er gerade das Gegenteil tat. In den Räumen des Trikon-Verlages, in zahlreichen Buchhandlungen und privaten Wohnungen fanden Hausdurchsuchungen statt, um das Buch zu beschlagnahmen. Der vielbachtete Prozess gegen die die beiden Verleger erstreckte sich über drei Jahre und alle Instanzen. Er endete 1978 mit einem umfassenden Freispruch.
In der Zwischenzeit fand eine der spektakulärsten Kampagnen um ein verbotenes Buch seit 1945 statt. Herbert Röttgen (Victor Trimondi) hatte die Herstellung einer Reprint-Ausgabe von „Wie alles anfing“ organisiert. Diese wurde offiziell nicht vom Trikont Verlag, sondern von mehr als 400 namhaften Personen, Verlagen, Buchhandlungen, Druckereien und Institutionen publiziert, unter anderem von Jean-Paul Sartre, Peter Handke, Wolfgang Abendroth, Bernt Engelmann, Inge Feltrinelli, Helmut Gollwitzer, Jakob Moneta, Luise Rinser, Alice Schwarzer, Peter Weiss und Gerhard Zwerenz. Der Prozess gegen die erste Herausgabe des Buches erstreckte sich über drei Jahre und ging bis zum Bundesgerichtshof. Er endete 1978 mit einem Freispruch. Während des Gerichtsverbotes der Verlags-Ausgabe war die Reprint-Ausgabe frei im Buchhandel erhältlich und wurde zu einem Bestseller.
Weitere Publikationen
Mit dem „Trikont-Verlag“ schufen die Verleger Herbert Röttgen (Victor Trimondi), Gisela Erler und das Verlags-Team einen Trendsetter der Protest- und Alternativ-Literatur: in ihm erschienen die frühesten deutschsprachigen Bücher und Übersetzungen zum Feminismus, zur Grey Panther Bewegung, zur Homosexuellen- und Männerbewegung, zu verschiedenen alternativen Lebensformen, zu den unterdückten Völkern, zur neuen Indianerbwegung, zum Regionalismus. Bekannte Autoren und Titel („revolutionäre Klassiker“ aus dieser Zeit) waren: Rudi Dutschke - Der Lange Marsch (1968); Daniel Cohn-Bendit - Der große Bazar (1977); Rainer Langhans und Fritz Teufel - Klau mich (1977); Jerry Rubin – Do it (1976); Volker Elis Pilgrim - Manifest für den freien Mann (1977).
Ende der 70er Jahre änderte der Trikont-Verlag sein Programm und publizierte Themen die später unter dem Begriff New Age klassifiziert wurden. Um die neue Ausrichtung anzuzeigen wurde der Verlag in Dianus-Trikont-Verlag umgenannt. Gisela Erler schied aus und Herbert Röttgen Victor Trimondi blieb als Verleger. Das Trikont-Platten-Label existierte noch weiter.