Unterschichtenfernsehen

Fernsehen für arme und ungebildete Menschen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Dezember 2006 um 16:54 Uhr durch 87.123.121.136 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unterschichtenfernsehen ist eine Bezeichnung für Sender und Sendungen mit geringem Anspruch.

Das Wort „Unterschichtenfernsehen“ wurde 2005 von Harald Schmidt popularisiert. Er entnahm den Begriff dem Buch Generation Reform von Paul Nolte. Nolte spricht von einer „neuen Unterschicht“, die jedoch nicht nur durch ihr niedriges Einkommen, sondern auch durch ihre mangelnde Bildung gekennzeichnet sei.

Nolte ist nicht Initiator des Ausdrucks „Unterschichtenfernsehen“. Es war das Satiremagazin Titanic, das den Ausdruck zuerst verwendete. [1]

Das Wort „Unterschichtenfernsehen“ wurde vor allem im Rahmen der Medienkritik aufgegriffen. Hier wurde das Privatfernsehen dafür kritisiert, mit Reality TV und sogenanntem Affektfernsehen anspruchslose, billig gemachte und geschmacklose Fernsehunterhaltung zu produzieren, die keinen Bildungswert besitzen würde und nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sei. Die Theorie der Kulturindustrie von Theodor Adorno und Max Horkheimer sowie die so genannte „Verdummungsthese“ des US-amerikanischen Medienkritikers Neil Postman gehören zu den bekanntesten Angriffen gegen „verdummende“ und manipulative Teilaspekte des Fernsehens. Die Bezeichnung „Unterschicht“ für einkommensschwache und mit geringen Bildungstiteln ausgerüstete Mitglieder der Gesellschaft gilt seit längerer Zeit als negativ belegt. Nach Ansicht von Kommentatoren hat die durch Sozialreformen ausgelöste Angst vor Armut dazu beigetragen, dass die Bezeichnung „Unterschichtenfernsehen“ öffentlich so heftig diskutiert wurde.

Anspruchsvolle Unterhaltung und Information kulturell oder politisch reflektierter Inhalte findet demgegenüber gerade im Privatfernsehen eher punktuell statt, da die kaufkraftrelevanten Zielgruppen der 14-49 Jährigen Konsumenten mit hohem Bedarf an identitätsstärkenden Produkten und Dienstleistungen gerade zu den attraktiven Sendezeiten ein unterdurchschnittlich hohes Interesse an entsprechenden Sendungen hat. Selbst im öffentlich rechtlichen Fernsehen müssen bildungsrelevante und wissenschaftlich oder politisch fundierte Inhalte zugunsten der Unterhaltung i. d. R. auf Sendeplätze nach 22 Uhr und sog. "3. Programme" gelegt werden, in denen konsumgüterorientiert kaufkraftrelevante Zuschauergruppen mehrheitlich nicht fernsehen. Insofern ist das Phänomen stark, jedoch nicht nur dem Privatfernsehen zuzuschreiben.

Andererseits wurde das Wort „Unterschichtenfernsehen“ stark kritisiert, weil es einer sogenannten einkommensschwachen Unterschicht einen Mangel an Geschmack und Bildung zuschreibt, [2], der so eindeutig nicht zu belegen ist.

Auf der anderen Seite korreliert der Zusammenhang zwischen dem vermehrten Konsum hochwertiger Unterhaltung und Dokumentation überzufällig hoch mit Zuschauern mittlerer und höherer Bildungsabschlüsse, wobei Sendungen mit obszönem oder niveaulosem Talk-Inhalt schon aufgrund ihrer Sendezeit zur Kernarbeitszeit vollerwerbstätiger Bevölkerungsanteile überwiegend nur von eher einkommensschwachen Arbeitslosen und Rentnern gesehen werden können oder eben aufgrund der Sendezeit schon überwiegend zur Entspannung nach einer Wechselschichttätigkeit in Frage kommen.

Die Diskussion führte sogar so weit, dass die ProSiebenSat.1 Media AG im April 2005 eine Studie vorlegte, die zeigen sollte, dass auch Gutverdienende und überdurchschnittlich Gebildete Privatfernsehen schauen. Die Interpretation der Daten durch die zu dem Konzern gehörige Vermarktungsgesellschaft SevenOneMedia ist jedoch umstritten, da zum einen die Unabhängigkeit der Untersuchung in Frage gestellt werden kann und zum anderen die Aussage über sämtliche Inhalte des Privatfernsehens hinweg, wenig über die spezielle Zusammensetzung der angesprochenen Konsumenten von Affektfernsehen und Reality TV zu den besagten Sendezeiten und Zuschauerzielgruppen aussagt.

Quellen

  1. Titanic, 9/1995, S. 10.
  2. Thomas Gesterkamp: Gezähmte Terroristen. Mit Erziehungs-Schnelltherapie machen die Privatsender Quote, in: Das Parlament 25. April 2005

Literatur