Der Tag von Potsdam (früher auch "Tag der nationalen Erneuerung") am 21. März 1933 war eine Inszenierung der Nationalsozialisten, bei der sie ihre Machtübernahme in einen preußisch-deutschen Zusammenhang setzen und so weiteren Rückhalt in In- und Ausland gewinnen wollten.
Die Reichstagswahl vom 5. März 1933
Am 5. März 1933 war ein neuer Reichstag gewählt worden. Die Wahlergebnisse stärkten die NSDAP, allerdings verfehlte sie die absolute Mehrheit (siehe Reichstagswahl 1933). Die NSDAP war auf die rechtsnationalistische DNVP angewiesen, um mit dieser eine regierungsfähige Koalition bilden zu können. Für die Planungen, dem Reichstag ein verfassungsänderndes Ermächtigungsgesetz vorzulegen, welches der Regierung das Recht geben sollte anstelle des Reichstages Gesetze zu beschließen, ihr also faktisch diktatorische Vollmachten verschaffen sollte, war zunächst, wie für alle verfassungsändernden Gesetze in der Weimarer Republik, eine Zweidrittelmehrheit im Reichstag notwendig. Dazu mussten die gewählten Reichstagsabgeordneten der liberalistischen, sowie die Mitglieder des Zentrums und der DNVP überzeugt werden.
Intention des "Tags der Nationalen Erneuerung"
Die Hoffnung der Nationalsozialisten war es, mit dem Tag von Potsdam einen symbolischen Fortlauf der Glorien der Preußisch-Deutschen Geschichte aufzuzeigen, bei dem sich Hitler in einer Reihe mit Friedrich dem Großen, Bismarck und Hindenburg zeigen konnte. Auf diese Weise wollte man die für das Ermächtigungsgesetz notwendigen Stimmen werben, außerdem sollte der Rückhalt im Volk gestärkt werden.
Die Stadt Potsdam war bewusst ausgewählt worden, da sie, als prachtvolle Residenzstadt der preußischen Könige, Sinnbild eines zu glorifizierenden, "besseren" Deutschlands früherer Tage war, an das das NS-Regime nun vorgab anknüpfen zu wollen.
Der 21. März 1933 bot sich an, weil sich an exakt diesem Tag im Jahr 1871 der erste Reichstag des Kaiserreichs konstituiert hatte. Die Inszenierung des Tages gilt als das erste "Meisterstück" des Propagandaministers Joseph Goebbels. Das Programm sah unter anderem einen langen Triumphmarsch durch die Massen der Bevölkerung und einen Gottesdienst in der geschichtsträchtigen Garnisonkirche vor. Im Rundfunk war das Geschehen in voller Länge zu hören, zudem sicherten Übertragungen bei lokalen Veranstaltungen, dass jene, die kein Rundfunkempfangsgerät besaßen, das Ereignis nicht versäumten.
Die Reichstagsabgeordneten selbst hatten mit der katholischen Stadtpfarrkirche Vorlieb zu nehmen. Der eigentliche Anlass des Tages, die Eröffnung des neuen Reichstages, ging in den patriotischen und extremistischen Reden und Inszenierungen des Tages völlig unter.
Hitler verneigt sich vor Hindenburg
Nach den umfangreichen Festgottesdiensten kam es vor der Garnisonskirche zu der Begegnung Hitlers mit dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, sie stellte zweifellos den Höhepunkt des Tages dar. Wie von Propagandaminister Goebbels inszeniert, verbeugte sich Hitler unterwürfig vor dem Reichspräsidenten. Mit dieser Geste sollte sich Hitler demonstrativ dem populären Kriegshelden und Landesvater, damit zugleich auch dem hier beschworenen Geschichtsbild, unterordnen. Die Geste an sich sollte für die Deutschnationale Volkspartei, deren Sinnbild Hindenburg war, weiterhin den zuvor häufig geäußersten Gedanken wachhalten, dass sie Hitler "an der Leine" hatten, da er sich vor ihrem Idol verneigte. Zudem wurde der ehemalige Gefreite Hitler durch die angedeutete Anerkennung Hindenburgs auch für das Militär als späterer Heerführer denkbar. Den bürgerlichen Schichten, die durch das radikale Auftreten Hitlers verunsichert worden waren, wurde suggeriert, dass immer noch Hindenburg der eigentliche Herr im Staate sei und von Hitler keine "Gefahr" ausginge.
Politische Folgen
Die SPD nahm demonstrativ nicht Teil und die Mitglieder der KPD, sowie einige Führungsmitglieder der SPD waren laut Wilhelm Frick "durch nützliche Arbeiten in den Konzentrationslagern" am Erscheinen gehindert. Als sich der neue Reichstag dann am 23. März 1933 zur Beratung zusammenfand, um über das Ermächtigungsgesetz abzustimmen, folgten bis auf jene der SPD alle Abgeordneten dem Aufruf Hitlers, ihm die Macht zu eigenmächtigen Gesetzesbeschlüssen zu verleihen. Nicht einmal die Liberalen hatten sich Hitler verweigert und somit wurde das Ermächtigungsgesetz mit deutlicher Mehrheit verabschiedet. In den Reden dieses Tages wurde immer wieder auf die zwei Tage zuvor stattgefundene Inszenierung Bezug genommen.
Preußen und der Nationalsozialismus
Die NS-Propaganda hat mit ihrer Inszenierung tief in das deutsche Geschichtsbild, vor allem im Ausland, eingegriffen und 232 Jahre preußischer Geschichte auf einen Tag voll Pomp, Märsche und Paraden, strotzenden Waffen und Uniformen reduziert. Bis heute hat sich daher die historisch banale Vorstellung im Bewusstsein vieler Menschen auch im Ausland gehalten, Hitler sei tatsächlich der legitime Erbe Bismarcks oder Preußens, die logische Konsequenz für ein kriegerisches, waffenliebendes und gedrilltes Volk.
Einerseits ist der völlig undifferenzierte Umgang mit der preußischen Geschichte bis heute in den Medien und in Schulbüchern zu finden, in vielen ausländischen Theorien wird er geradezu gepflegt, wenn es darum geht, Hitler quasi einen Weg durch die deutsche Geschichte zu bahnen.
Andererseits gibt es Hinweise und Indizien, die andere Schlüsse zulassen. So versuchten in den letzten beiden Jahrzehnten Historiker wie Sebastian Haffner in der Öffentlichkeit das Bild vom größten deutschen Staat zu revidieren. Sie konnten beispielsweise wissenschaftlich darlegen, dass Preußen seit je her eine rechtsstaatliche Tradition gehabt hat, die aber das erste war, das Hitler beseitigen ließ. Ebenso beispielhaft für die preußischen Tugenden war der Gedanke der Toleranz oder "staatlichen Gleichgültigkeit" (Haffner) gegenüber dem Glauben der Bevölkerung, der ebenfalls in krassestem Widerspruch zur nationalsozialistischen Politik steht. Der Wahlspruch Preußens, "Jedem das Seine", wurde gar als zynische Parole für das Tor des Konzentrationslagers Buchenwald missbraucht.
Die Standpunkte sind nicht unumstritten, so spricht man heute einerseits von einem Missbrauch preußischer Kultur durch die Nationalsozialisten. Andererseits sind aber das Streben preußisch-deutscher Kreise, nach europaweiter, bei den Nationalsozialisten weltweiter, Macht und neuen Territorien historisch in ihrer Tendenz auch als Zusammenschau zu sehen.