Balthasar Denner

deutscher Maler
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Balthasar Denner (* 15. November 1685 in Altona; † 14. April 1749 in Rostock) war ein deutscher Maler.

Drei Kinder des Ratsherrn Barthold Hinrich Brockes (Porträt
Porträt des Friedrich Hoffmann
Porträt einer alten Frau

Herkunft und Jugendzeit

Aufgewachsen ist Balthasar Denner in Altona, damals ein Dorf an der Elbe, ungefähr zwei Kilometer westlich von Hamburg. Sein Vater Jakob Denner (1659-1746) war ein bekannter Prediger der Mennoniten, von Beruf Blaufärber. Seine Mutter war Catharina Wiebe (1663-1743). Balthasar war das älteste von sieben Geschwister und der einzige Sohn.

Als Balthasar acht Jahre alt war, erlitt er einen Unfall, der bewirkte, dass er sein Leben lang hinkte. Die Zeit der langwierigen Heilung vertrieb er sich mit Zeichnen. Dabei zeigte er sich ungewöhnlich geschickt darin, Bilder mit grosser Genauigkeit zu kopieren.

Im Alter von elf Jahren wurde er vom holländischen Maler Franz van Amama unterrichtet. Als sein Vater für einige Zeit in Danzig als mennonitischer Pastor tätig war, erhielt Balthasar dort Unterricht in der Ölmalerei.

Im Jahr 1701 zog die Familie zurück nach Altona. Balthasar, inzwischen 16 geworden, trat in das Unternehmen eines Onkels in Hamburg ein, um den Beruf des Kaufmanns zu erlernen. Dort arbeitete er während der nächsten sechs Jahre. In der Freizeit übte er sich weiter in der Malerei.

Im Jahr 1707, mit 22, wurde Balthasar in die Akademie der Künste (Berlin) aufgenommen, die einige Jahre zuvor, im Jahr 1696, vom späteren König Friedrich I. (Preußen) gegründet worden war. Unter seiner Herrschaft hielten sich viele Künstler und Wissenschaftler in Berlin auf und die Schule galt als eine der besten Europas.

Karriere als Portraitmaler

Schon 1709, also im Alter von 24, erhielt Balthasar Denner seinen ersten bedeutenden Auftrag: Er malte die Portraits von Christian August (Onkel und Vormund von Karl Friedrich, Herzog von Holstein-Gottorf) und seiner Schwester Marie Elisabeth, der späteren Äbtissin von Quedlinburg. Der Auftraggeber war vom Resultat so angetan, dass er Denner nach Schloss Gottorf einlud, um dort weitere Portraits zu malen. Hier realisierte Denner 1712 ein grosses Gruppen-Portrait (178 * 138 cm), das 21 Personen aus dem Hof des Herzogs zeigt. Es befindet sich heute im Schloss Oldenburg in Holstein. Dieses Grossbild begründete den Ruf von Balthasar Denner als Portraitmaler, der sich sehr rasch verbreitete.

In der Folge erhielt er bis an sein Lebensende mehr als genug Aufträge, an den Höfen Europas die Grossen seiner Zeit abzumalen. Darunter waren neben Herzögen und ihren Familien auch die dänischen Könige Friedrich IV. (Dänemark) und Christian VI., der König August II. (Polen), der Zar Peter III. (Russland) und König Adolf Friedrich (Schweden).

Offenbar beschränkte sich Denner manchmal darauf, in einem Bild seine eigentliche Spezialität, das Portrait, einzubringen, und den Rest, zum Beispiel Figur, Kleidung, Hintergrund von einem anderen Maler fertig stellen zu lassen, gelegentlich auch von einem seiner begabten Kinder. Das Bildnis "Drei Kinder des Ratsherrn Barthold Hinrich Brockes" von 1724 trägt auf der Rückseite eine Inschrift, welche die Beteiligten aufführt: Denner malte in Hamburg die Köpfe der Kinder, Jacob van Schuppen später in Wien die Körper und Gewänder, der Hintergrund stammt von Franz de Paula Ferg (1689 - 1740), die Blumen in den Händen der Kinder malte Franz Werner Tamm (1658 - 1724).


Familienleben und Reisen

Im Jahr 1712, mit 27 Jahren, war Denner schon ein gemachter Mann und konnte sich verheiraten. Mit seiner Frau Esther Winter hatte er sechs Kinder, fünf Mädchen und ein Knabe. Von 1712 an bis zu seinem Tod im Jahr 1749 reiste Denner zu seinen Auftraggebern in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Hannover, Dresden, Amsterdam, Kopenhagen und London. Zeitweise war er jedes Jahr an einem anderen Ort, manchmal machte er mehrere Reisen pro Jahr. Dabei nahm er die ganze Familie mit. Die Kinder waren musisch begabt und unterhielten die grossen Persönlichkeiten, die für ihr Portrait still sitzen mussten, mit musikalischen Darbietungen. Besonders begabt war die Tochter Catharina, ausgebildet in Musik und Malerei, die jedoch schon 1744 starb. Die einzigen längeren Aufenthalte machte Denner in London, von 1721 bis 1728, und in Amsterdam von 1736 bis 1739.

Dass Denner in Hannover viele Engländer kennen lernte und von dort aus nach London eingeladen wurde, erinnert an die enge Verbindung zwischen den beiden Ländern: König Georg I. (Großbritannien) stammte aus Hannover und blieb auch als englischer König Kurfürst von Hannover und Herzog von Braunschweig-Lüneburg.

Eine chronologische Aufzählung seiner Reisen und der Personen, die er dabei portraitierte, findet sich in der Allgemeinen Deutschen Biographie von 1877.

Wirkung

Dass Denner zu seinen Lebzeiten ausserordentlich gesucht und geschätzt war, geht schon aus der Aufzählung seiner Kunden hervor. Die Vornehmen und Reichen von ganz Nordeuropa wollten von ihm gemalt sein. In einer Zeit, da es die Menschen irgendwie schafften, ohne Fotografie und Bildzeitung auszukommen, hatte die Portraitmalerei einen ganz anderen Stellenwert als heute.

Ein Portrait diente auch zur Dokumentation, hatte Prestige, half Heiraten vermitteln oder politische Ansprüche manifestieren. Vom Bild, das Denner 1740 vom zwölfjährigen späteren Peter III. (Russland) in Kiel malte, musste er zehn Kopien herstellen. Eine davon wurde an den Hof von Petersburg gesandt, als diskrete Erinnerung an den Anspruch auf den Zarenthron.

Ein solches Portrait war also nicht nur ein 'reines' Kunstwerk. Aber eben auch als Kunstwerke wurden die Bilder von Denner enthusiastisch begrüsst. Die Begeisterung, die das Publikum in Rotterdam und London dem 'Portrait einer alten Frau' entgegen brachte, ist uns heute wohl kaum mehr verständlich. Zeitgenössische Kritiker stellten es der Mona Lisa gleich. Gelobt wurde vor allem die erstaunliche Genauigkeit im Detail, mit der jede Hautfalte, jedes Härchen festgehalten war. Es heisst, seine Portraits könne man mit der Lupe studieren.

Rund hundertfünfzig Jahre später sieht alles anders aus. Die Allgemeine Deutsche Biographie von 1877 nörgelt: "Wer jedoch in dem Begriff eines wahren Kunstwerkes immer noch ein ideales Moment sucht und sich nicht mit der sklavischen Abschrift der Natur zufrieden gibt, den werden solche Bilder wenig angenehm berühren. Es ist absolut kein Geist in diesen Köpfen, sie reden nicht, und die glatte, weichliche Farbe verstärkt noch den Eindruck des Wachsfigurenartigen."

Heute, wiederum in zeitlichem Abstand zur ADB, würden wir vielleicht milder urteilen. Im Jahr 1877 herrschte natürlich ein ganz anderer Zeitgeist, an 'der sklavischen Abschrift der Natur' war man nicht mehr interessiert, man vergleiche die entsprechenden Entwicklungen in der Literatur. Dass Denners Portraits keine tiefschürfenden Charakterstudien sind, dass er kein Rembrandt ist, versteht sich für uns von selbst.

Arno Schmidt meint in einem Rundfunk-Interview (1952) mit Martin Walser, der Schriftsteller habe die Aufgabe, den Denkprozess der Menschen seiner Zeit mit "Balthasar Dennerscher Genauigkeit" wieder zu geben. Das klingt, als sei allgemein bekannt, was damit gemeint ist. Schaut man sich aber im Internet um, muss man dagegen zum Schluss kommen, dass Balthasar Denner heute gründlich vergessen ist. Abgesehen von einigen Fotos und den hier unten angegebenen Quellen findet sich praktisch nichts über ihn. Ausser den zahlreichen Kopien des Wikipedia-Artikels. Selbst Museen, die Bilder von ihm besitzen, erwähnen das nicht besonders. Portraits von Balthasar Denner sind nicht Schaustücke, die man stolz in die Museums-Website stellt.

Für Arno Schmidt ergab sich die Verbindung zu Denner wohl über Barthold Heinrich Brockes, über den er ein Rundfunk-Essay geschrieben hat. Denner hat den Zeitgenossen Brockes (1680 - 1747) einmal portraitiert, und seine Kinder mehrmals. Vielleicht darf man Brockes in der Literatur und Denner in der Malerei nebeneinander stellen, wenn auch als ungleiche Grössen. Auch Brockes suchte nicht das "ideale Moment" im Kunstwerk, sondern die bewundernde Abbildung der Realität. Er schreibt nicht über seelischen Aufruhr und fantastische Ereignisse, er schreibt über das Landleben in Ritzebüttel, er beschreibt die Knospe einer Birnbaumblüte, eine grasende "Heerde Kühe". Schmidt nennt ihn den ersten wirklichen Realisten und Kirchenvater deutscher Naturbeschreibung. Es ist die Zeit des aufkommenden Naturgefühls, in der auch Mikroskop und Fernrohr entwickelt wurden. In diesen Zusammenhang gestellt, dürfen wir die "Geistlosigkeit" Denners toleranter betrachten.