Film noir, wörtlich "Schwarzer Film", wurde von dem französischen Filmkritiker Nino Frank geprägt. Ob der Begriff von der seit 1945 erscheinenden Nobelkrimiserie Série Noire, die in Frankreich absoluten Kultstatus hat, stammt, ist unter Experten umstritten, da der Begriff bereits in den 30er Jahren Verwendung fand, allerdings in anderem Zusammenhang.
Definition
Der Begriff "Film noir" ist nicht klar zu definieren. Ein interessanter Versuch stammt Robert Sklar aus "Movie-made America: A Cultural History of American Movies":
- "Das Kennzeichen des Film noir ist sein Sinn für in einer Falle sitzende Menschen - gefangen in einem Netz von Paranoia und Angst, unfähig, Schuld von Unschuld zu unterscheiden, echte Identität von falscher. Die Bösen sind anziehend und sympatisch ... . Seine Helden und Heldinnen sind schwach, verstört. Die Umwelt ist düster und verschlossen, die Schauplätze andeutungsweise bedrückend. Am Ende wird das Böse aufgedeckt, aber das Überleben der Guten bleibt unklar und zwiespältig."
Bemerkenswert an dem Begriff ist, dass er - im Gegensatz zu Zuschreibungen wie Horror, Thriller, Western, u.ä. - auf Seiten der Filmpublizistik entwickelt und mit Sinn gefüllt wurde und a posteriori eine Gruppe an vormals eher lose wahrgenommenen Filmen unter einem Begriff zusammenfasste. Dabei entstand der Terminus schon in den 30er Jahren in der französischen Filmkritik und bezog sich dabei eher herablassend auf Filme, die heutzutage dem poetischen Realismus zugerechnet würden. Der Begriff verschwand bald wieder und wurde erst im Jahr 1946 von dem französischen Filmkritiker Nino Frank aufgegriffen, um damit eine Reihe us-amerikanischer Kriminalfilme aus den frühen 40er Jahren rückwirkend zusammenfassen, in denen er gewisse Tendenzen und Verschiebungen bemerkte. Damit setzte er eine Noir-Debatte in Gang, die bis heute anhält.
Die Wurzeln
Die Quellen führen zurück von den englischen "Gothic" Romanen wie Jane Eyre über Daphne du Maurier zu den Detektiv-Geschichten von Dashiell Hammett oder Raymond Chandler, den beiden bedeutendsten US-amerikanische Kriminalschriftstellern. Der europäische Einfluss war sehr stark: (Alfred Hitchcock, Anatole Litvak und Julien Duvivier). Die Ästhetik des Film noir fußt zum Teil auf dem deutschen Expressionismus der Vorkriegsjahre. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten mussten auch deutsche Filmschaffende wie Fritz Lang, Billy Wilder, Robert Siodmak, emigrieren und ihren Stil in Hollywood weiterentwickelten. Lichtempfindlicheres Filmmaterial, schärfere Kammeralinsen und bessere Lichtwannen sowie die Kriegsumstände (Kosteneinsparungen) trugen wesentlich zur Entwicklung bei.
Zum Film noir werden vor allem Produktionen gezählt, die zwischen Anfang der 1940 und Ende der 1950 Jahre in USA entstanden. Die meisten dieser Filme entstanden als so genannte B-Movies.
Die Gattung
Orson Welles' Touch of Evil - Im Zeichen des Bösen wird gemeinhin als der letzte Film noir der "klassischen Ära" bezeichnet.
Zu den wichtigsten Stilelementen des Film noir gehört die Low-Key-Beleuchtung. Als Vorläufer des Film noir, gelten Das Cabinet des Dr. Caligari von Robert Wiene (1921) und Fritz Langs M - Eine Stadt sucht einen Mörder (1931).
Thematisch lehnt sich der Film noir stark an Detektivgeschichten an, die in den 1930ern in Groschenheften veröffentlicht wurden (die hard-boiled fiction). The Shadow, Dime Mystery Detective, The Black Mask zählen hier zu den Bekanntesten, zwei der Black-Mask-Autoren, Dashiell Hammett und Raymond Chandler lieferten auch die Vorlagen zu den bekanntesten Films noirs, Die Spur des Falken (Originaltitel: The Maltese Falcon) und Tote schlafen fest (The Big Sleep) jeweils mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle.
Die Hauptfigur des Film noir ist meist ein Detektiv oder eine vergleichbare Figur, die desillusioniert ist und als Einzelgänger auftritt. Diese Figur wird durch eine Femme fatale, einen meist ebenso wenig unschuldigen Vamp in eine Situation gebracht, aus der sie sich nicht befreien kann. Durch Schicksalsschläge oder durch die Aktionen der männlichen Hauptfigur gehen beide am Ende unter, oft sterben sie sogar. Ein typisches Merkmal des Film noir ist die Negierung des American Dream und steht somit dem zweiten wichtigen Genre der 40er Jahre, dem Western diametral gegenüber.
Films noirs spielen so gut wie immer an urbanen Schauplätzen, in heruntergekommenen Gegenden, die nur von Randexistenzen und Verbrechern bewohnt werden. Unter dem Einfluss des italienischen Neorealismus nach 1945 wurden diese Szenen meist an realen Schauplätzen gedreht.
Unter Filmspezialisten ist die Klassifizierung von Film noir als Genre umstritten. Viele ziehen es vor, von einer Stilrichtung zu reden.
Typische Vertreter dieser Filmgattung
- The Maltese Falcon ("Der Malteser Falke") (1941) von John Huston mit Humphrey Bogart und Peter Lorre
- Double Indemnity ("Frau ohne Gewissen") (1944) von Billy Wilder mit Fred McMurray, Barbara Stanwyck und Edward G. Robinson
- The Big Combo ("Geheimring 99") (1955) von John H. Lewis mit Cornel Wilde und Lee Van Cleef
- Out of the Past ("Goldenes Gift") (1947) von Jacques Tourneur mit Robert Michum, Kirk Douglas und Jane Greer
- Nightmare Alley("Der Scharlatan) (1947) von Edmund Goulding mit Tyrone Power und Coleen Gray
- He ran all the Way ("Steckbrief 7-73) (1951) von John Berry mit John Garfield und Shelley Winters
Bücher zum Thema
- Alain Silver und James Ursini Der Film Noir (Orig.:"The Noir Style"). Köln, 2000: Könemann Verlagsgesellschaft
- Burkhard Röwekamp Vom film noir zur méthode noire. Die Evolution filmischer Schwarzmalerei. Marburg, 2003: Schüren Verlag