Berliner Blau

chemische Verbindung, Ferricyanid, Farbpigment, Arzneimittel
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Strukturformel der Ionen
4 Fe3+ 3Datei:Ferrocyanid.PNG
Allgemeines
Name Eisen(III)-hexacyanoferrat(II)
Andere Namen Preußischblau, Turnbulls Blau, weitere
Summenformel Fe7N18C18
CAS-Nummer 14038-43-8
Kurzbeschreibung geruchloses, blaues Pulver
Eigenschaften
Molmasse 859,23 g/mol
Aggregatzustand fest
Dichte 1900 kg/m³
Zersetzungstemperatur > 140 °C
Löslichkeit schwer löslich in Wasser
Sicherheitshinweise
keine Gefahrensymbole
R- und S-Sätze R: keine
S: 24/25
MAK nicht festgelegt
LD50 (oral, Ratte) 8000 mg/kg
Vorlage:SI-Chemikalien

Berliner Blau (Pariser Blau, Eisencyanblau, Turnbulls Blau, Bronzeblau) ist ein lichtechtes, tiefblaues, mineralisches Pigment und gilt als der erste moderne synthetische Farbstoff. In der Farbenindustrie wird Berliner Blau allgemein auch Eisenblau genannt (der Name bezeichnet auch ein altertümliches Pigment aus dem Mineral Vivianit).

Als Farbton wird es auch als Preußischblau, Stahlblau, in einer Variante als Miloriblau bezeichnet.

Bei einem Molverhältnis von 1:1 an Eisen-Ionen und Kaliumhexacyanoferrat entsteht kolloid gelöstes Berliner Blau der Formel:

K[FeIIIFeII(CN)6]

Bei Zugabe überschüssiger Eisen-Ionen zu Kaliumhexacyanoferrat entstehen blaue Niederschläge von unlöslichem Berliner Blau der Formel:

FeIII[FeIIIFeII(CN)6]3 x 14-16 H2O

Genaueres hierzu siehe im Abschnitt Gewinnung und Darstellung.

Verwendung


Geschichte

Herstellung

Um 1704 wurde die Herstellung von dem Berliner Chemiker und Farbenhersteller Heinrich Diesbach im Labor zufällig entdeckt  [1]. Er war mit der Produktion eines roten Farbstoffs beschäftigt, als ihm die Pottasche zur Ausfällung des Farbstoffs ausging. Von seinem Kollegen Johann Konrad Dippel ließ er sich deshalb einen Ersatzstoff geben („Dippels Tieröl“), der jedoch entgegen seinen Erwartungen einen blauen Farbstoff ausfällte. Nachdem Diesbach seinem Kollegen von der Reaktion berichtete, verbesserte dieser das Rezept. Gemeinsam vertrieben sie den neuen Farbstoff in einer in Paris eröffneten Fabrik unter dem Namen Pariser Blau. Das Rezept konnte einige Zeit geheim gehalten werden, bis es schließlich der Engländer Woodward 1724 in den Philosophical Transactions veröffentlichte.

In Theodor Fontanes Roman Frau Jenny Treibel ist die Berliner Familie Treibel im Besitz großer Fabriken zur Produktion von Berliner Blau. Dahinter verbirgt sich die reale Unternehmerfamilie Kunheim. Fontanes Schwester Jenny Sommerfeld war mit den Kunheims eng befreundet.

Namensgebung und Synonyme

Chemische Namen des Pigments
Eisencyanblau, Eisencyanürcyanid, Ferrozyanblau
Namen nach der Herstellung
Antwerpener Blau, Bronzeblau, Chinesisch Blau (Chinablau), Delfter Blau, Diesbachblau, Eisenblau (siehe jedoch auch Vivianit), Miloriblau, Pariser Blau, Sächsischblau, Turnbulls Blau, Vossenblau, Zwickauer Blau
Farbname
Luisenblau, Modeblau, Preußisch Blau (Preußischblau), Stahlblau und Wasserblau
C.I. Pigment Blue 27

französisch: Bleu de prusse; englisch: Prussian blue, Toning blue.

Den Namen Preußisch Blau bzw. Preußischblau erhielt der Farbstoff im 18. Jahrhundert, weil er vor allem zum Färben der preußischen Uniformröcke benutzt wurde [2]. Eisencyanblau bezieht sich auf die chemische Zusammensetzung, Stahlblau auf den typischen kühlen Farbton, Bronzeblau auf den rötlichen Glanz der ungemahlenen, schwarzblauen Brocken [3]. Vossenblau entstand nach der L. Vossen & Co G.m.b.H. bei Düsseldorf, die ab 1905 exklusiv den Vertrieb abwickelte.

Holocaustleugnung

Erstmalig wurde die Frage nach der Eisenblau-Bildung durch Zyklon B beziehungsweise die darin enthaltene Blausäure im Prozess gegen den Holocaustleugner Ernst Zündel aufgebracht. Von Zündel wurde der Holocaustleugner Fred A. Leuchter, welcher in den USA die Gaskammern für Todeskandidaten einrichtet, als Gerichtsgutachter bestellt. Dieser hat den Leuchter-Report verfasst, in dem behauptet wird, da kein Eisenblau in den Gaskammern im KZ Auschwitz-Birkenau gefunden wurde, könnten keine Menschen mittels Zyklon B vergast worden sein. Aufgegriffen wurde diese Argumentation vom Holocaustleugner Germar Rudolf, der als Gutachter im Prozess gegen den Holocaustleugner Otto Ernst Remer das Rudolf-Gutachten verfasst hat. Offensichtliche methodische Fehler im Leuchter-Report wie beispielsweise die nicht beachtete unterschiedliche Toxizität für Menschen und Insekten wurden im Rudolf-Gutachten behandelt.

Im Prozess David Irving gegen Deborah Lipstadt wurde der Chemiker Richard Green als Gerichtsgutachter bestellt und hat sich detailliert mit dem Rudolf Gutachten auseinandergesetzt. Dabei stellte Green fest, dass wesentliche Einflüsse auf die Bildung von Eisenblau von Rudolf nicht beachtet wurden. Unter anderem wurde von Green dargelegt, dass das von den Opfern ausgeatmete Kohlendioxid verhindert, dass das Blausäuregas überhaupt Eisenblau in den Gaskammern bilden kann. Hier ist auch ein augenfälliger Unterschied zu den Entwesungskammern zu sehen, bei denen keine erhöhte Kohlendioxidkonzentration in der Luft vorhanden war. Zudem wurde eine detaillierte Studie des Forensischen Institutes in Krakau zu diesem Themenkomplex erstellt. In dieser Studie waren mittels einer präzise kalibrierten Methode lösliche Cyanide sowohl in den Entwesungskammern als auch in den Gaskammern nachweisbar. Vergleichsproben aus nicht begasten Gebäuden im KZ Auschwitz-Birkenau enthielten diese Cyanide nicht.

Gewinnung und Darstellung

Früher

Methode nach Diesbach
Cochenille-Läuse werden in Alaun und Eisensulfat gekocht. Anschließend wird der Farbstoff mit „Dippels Tieröl“ ausgefällt.
Englisches Rezept
Gleiche Teile von Kaliumnitrat (Salpeter) und Kaliumtartrat (Backtriebmittel) werden in einem Schmelztiegel erhitzt. Nach Zugabe von getrocknetem Tierblut wird die Mischung weiter erhitzt. Die entstandene Masse wird mit Wasser gewaschen und mit Alaun und Eisensulfat vermischt. Eine Endbehandlung mit Salzsäure verändert die zunächst grünliche Farbe in tiefes Blau.

Turnbulls Blau

Turnbulls Blau ist ein historisch entstandenes Synonym für das Berliner Blau.

Die Gewinnung erfolgt durch das Umsetzen von Eisen(II)-salzen mit Kaliumhexacyanoferrat(III) (rotes Blutlaugensalz) in wässriger Lösung. Man nahm an, dass der sich bildende dunkelblaue Niederschlag eine andere Zusammensetzung als das durch Umsetzen von Eisen(III)-salzen mit Kaliumhexacyanoferrat(II) (gelbes Blutlaugensalz) gewonnene Berliner Blau aufwies. Mittels EPR- und Mößbauerspektroskopie konnte jedoch festgestellt werden, dass die Reaktionsprodukte weitgehend identisch sind, da folgendes Gleichgewicht besteht:

  [4]

Miloriblau

Miloriblau bezeichnet gekochte Sorten des Pigments, die einen etwas wärmeren Farbton aufweisen.

Heute

In der Chemie ist der Nachweis von Eisen (oder umgekehrt von Cyaniden) durch Berliner Blau eine sehr bekannte Nachweismöglichkeit, die beide Ionen schon in geringsten Mengen anzeigt. Gegenüber schwachen Säuren ist es stabil, so dass eine Freisetzung von CN--Ionen (und der darauffolgenden Gefahr durch Bildung von freier Blausäure) sehr gering ist.
Da es sich jedoch durch Laugen zu braunem Eisenhydroxid verändert, kann es zum Beispiel in der Malerei nicht für Fresken verwendet werden.

Sicherheitshinweise

Die Resorbierbarkeit von Berliner Blau unter physiologischen Bedingungen ist außerordentlich gering, da es praktisch unlöslich in Wasser und verdünnten Säuren ist. Es ist davon auszugehen, dass weder über die Haut, noch über Atemwege oder Verdauungstrakt größere Mengen aufgenommen werden. Daher kann es mit hoher Wahrscheinlichkeit als praktisch untoxisch eingestuft werden.

Bei Aussetzen von hohen Temperaturen (über 140 °C) können als Zersetzungsprodukte Blausäuredämpfe und Ammoniak entstehen. Der Stoff ist unter der Wassergefährdungsklasse 1 und somit als schwach wassergefährdend eingestuft.

Quellen

  1. Online Etymology Dictionary: Prussian
  2. Military Miniatures Magazine
  3. Wehlte, S. 161ff
  4. Hollemann, Wieberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. (101. Auflage); Jander, Blasius: Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie. (13. Auflage); Ehlers: Analytik I. (8. Auflage)

Siehe auch

Blau

Literatur

  • Hans-Peter Schramm, Bernd Hering: Historische Malmaterialien und ihre Identifizierung. o.V. Stuttgart, 1995. Reprint Ravensburg, 2000. ISBN 3-473-48067-3
  • Kurt Wehlte: Werkstoffe und Techniken der Malerei. Otto Maier Verlag. Ravensburg, 1967. ISBN 3-473-48359-1 (früher: ISBN 3-473-61157-3)