Heinrich Brüning (*26. November 1885 in Münster, &dagger 30. März 1970 in Norwich, USA), war ein deutscher Politiker der Zentrumspartei und Reichskanzler.
Sein Vater starb, als Brüning ein Jahr alt war. Großen Einfluss auf seine spätere Erziehung hatte sein älterer Bruder Hermann Joseph.
Brüning, der aus einem katholisch-konservativen Haus stammte, besuchte das Paulinum-Gymnasium in Münster. Er wollte zunächst Rechtswissenschaft studieren, wechselte dann aber nach Straßburg um Philosophie, Geschichte, Germanistik und Staatswissenschaften zu belegen. 1911 legte er die Staatsprüfung für das höhere Lehramt ab. 1913 folgte ein weiterer Universitätswechsel nach Bonn, wo er Nationalökonomie studierte.
Zu Beginn des Krieges meldete er sich als Freiwilliger. Er wurde Reserveoffizier und erhielt das Eiserne Kreuz. Die Ereignisse vom 9. November 1918 fanden nicht seine Zustimmung.
Brünings Streben galt zunächst nicht akademischen Zielen. Er wollte den Menschen helfen, die in dieser schwierigen Zeit in Bedrängnis geraten waren. Anfang 1918 arbeitete er im “Sekretariat sozialer Studentenarbeit” und half hier entlassenen Soldaten in Studium und Beruf. Ein halbes Jahr später wurde er Referent im preußischen Wohlfahrtsministerium.
Der Wohlfahrtsminister Adam Stegerwald leitete auch den interkonfessionellen-christlichen Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Heinrich Brüning wurde 1920 der hauptamtliche Geschäftsführer des DGB. Einer seiner bedeutenden Arbeiten für die Gewerkschaft war seine Unterstützung des Ruhrkampf 1923. Parteifreunde drängten ihn dazu, für den Reichstag zu kandidieren.
Im Reichstag wurde er Sprecher für finanzpolitische Fragen. 1925 erreichte er, dass die Lohnsteuer auf 1,2 Milliarden Reichsmark begrenzt wurde (=lex Brüning). Der verantwortungsvolle Umgang mit Geld war sein Anliegen. So kritisierte er Besoldungserhöhungen von Beamten, aber auch die Verschwendungssucht der Kriegsgewinnler.
Seine Fachkenntnisse verschafften ihm Ansehen, obwohl seine persönliche Zurückhaltung und Schweigsamkeit den Umgang mit ihm erschwerten. 1929 wurde er Fraktionsvorsitzender der Zentrumspartei im Reichstag.
Reichspräsident von Hindenburg ernannte Brüning am 30. März zum Reichskanzler. Der greise Reichspräsident wollte damit eine konservative Regierung einsetzen, die sich nicht mehr auf die Mehrheitsverhältnisse des Reichstages berufen musste, sondern auf die Vollmachten des Reichspräsidenten. Hindenburg folgte damit auch den Plänen, die Brüning bereits in seinen Regierungsplänen im Januar 1930 aufgestellt hatte. Heinrich Brüning hatte sich bei diesen Überlegungen von dem DNVP-Politiker Treviranus und Kurt Schleicher vom Reichswehrministerium beraten lassen. Sie konnten Hindenburg, der die Streitereien der Parteien überdrüssig war, davon überzeugen, eine Regierung zu bilden, die nicht von parlamentarischen Mehrheiten abhängig war.
Brüning sah sich für diese Arbeit befähigt und machte dem Parlament deutlich, dass er auch willens sei, mit Notverordnungen zu arbeiten, um die Probleme des Landes zu lösen.
Zu Beginn seiner Regierungszeit litt Deutschland unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Der Young-Plan verlangte, neben weiteren hohen Reparationsforderungen, die Stabilität der deutschen Währung. Die Reichsmark durfte daher weder aufgewertet, noch die Wirtschaft mit Konjunkturprogrammen angekurbelt werden.
Brünings erstes Sanierungsprogramm wurde vom Reichstag abgelehnt. Mit einer Notverordnung gemäß § 48 der Verfassung wollte er das Programm durchsetzen, doch eine Mehrheit von SPD, KPD und NSDAP setzte die Notverordnung außer Kraft.
Brüning löste den Reichstag auf. Brüning versuchte im folgenden Wahlkampf die große ”Partei” der Nichtwähler und Erstwähler zu aktivieren. Es wählten auch tatsächlich fünf Millionen bisherige Nichtwähler. Am 14. September 1930 wurde der neue Reichstag gewählt. Die NSDAP und die KPD bekamen ein deutlichen Stimmenzuwachs. Die Nationalsozialisten steigerten ihre Sitze von 12 auf 107 und wurden damit zweitstärkste Fraktion.
Die deutschen Werte an den ausländischen Börsen sanken darauf hin deutlich. Ausländische Kredite für Deutschland wurden zurück gezogen. Die Wirtschaftskrise verschärfte sich weiter.
Brüning konnte nur noch mit Notverordnungen regieren, insgesamt berief er sich während seiner Amtszeit darauf 62 mal. Damit dies vom Parlament nicht wieder verhindert werden konnte, enthielt sich die SPD der Stimme und bildete damit eine so genannte “Tolerierungskoalition”. Die SPD wollte damit die NSDAP von der Macht fernhalten.
Brüning betrieb eine strenge Sparpolitik, um die Finanzen zu sanieren. Er reduzierte Löhne und Gehälter, erhob neue Steuern. Als Folge stellten einzelne Banken ihre Zahlungen ein. Um den Young-Plan nachzukommen, gab er auch keine Kredite für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Er wollte der Welt mit seinem Sparkurs demonstrieren, dass das Land nicht in der Lage sei, die Reparationen weiter zu zahlen. Sein weiteres Ziel war es, die Wirtschaftskrise durchzustehen, dann sollte man an den Wiederaufbau gehen. Mit seinem Sparkurs bezweckte er, dass deutsche Waren im Ausland billiger angeboten werden konnten. Doch Amerika und England senkten ebenfalls die Preise.
1931 scheiterte die Zollunion mit Österreich, ausländisches Kapital floss aus Deutschland als Folge ab. Die Banken gerieten in Schwierigkeiten. Es gelang Brüning im Juli 1931, den US-Präsidenten Hoover zu einem Zahlungsmoratorium für die Reparationen zu überzeugen.
Brüning fand in Hindenburg immer weniger Unterstützung, dem ein reines Rechtskabinett vorschwebte. Inzwischen gab es in Deutschland sechs Millionen Arbeitslose. Doch Brüning glaubte an den Erfolg seines Programmes, und er beschwor den greisen Reichspräsidenten, “nicht den schwersten politischen Fehler zu machen, den es zu machen irgendjemand im Augenblick in der Lage wäre ...und nicht die Ruhe zu verlieren” (aus: Die großen Deutschen unserer Epoche, S. 290). Am 30. Mai 1932 trat Brüning mit seinem Kabinett zurück.
Brüning erkannte zunächst nicht die Gefahr, die Deutschland durch den Nationalsozialismus erwuchs, er wollte die NSDAP zur politischen Verantwortung zwingen. So hatte er zu dieser Zeit nichts gegen eine Koalition zwischen Zentrum und NSDAP. Doch Hitler wollte nur als Reichskanzler ein Präsidialkabinett führen.
Doch als die Zentrumspartei Reichskanzler Hitlers nachträgliches Koalitionsangebot ablehnte, befürwortete Brüning die Entscheidung seiner Partei. Zunächst war Brüning gegen das Ermächtigungsgesetz. Hitler machte zunächst beruhigende Versprechungen, und Brüning stimmte nun doch zu. Am 5. Mai 1933 wurde er Vorsitzender der Zentrumspartei. Am 5. Juli 1933 löste er dann die Partei auf, um den Nationalsozialisten zuvor zu kommen. Ein Jahr später verließ Brüning Deutschland, enttäuscht über Hindenburg und die Reichswehr, auf die er seine Hoffnungen gesetzt hatte. Es folgten Jahre in Holland, Großbritannien und der Schweiz.
1939 wurde er Professor für Staatswissenschaften an der Harvard-Universität. Vergeblich warnte er vor Hitlers Kriegsplänen. Politisch zog er sich zurück, sehr zum Unverständnis einiger Emigranten. Auch seine Warnungen vor der Ausweitung des Machtbereiches der Sowjetunion verhallten in Amerika ungehört.
Nach dem Krieg kehrte er für wenige Jahre nach Köln als Professor zurück. Doch aus persönlichen und politischen Gründen kehrte er 1955 in die USA zurück. Er starb dort am 30. März 1970 und wurde in Münster begraben.
Brünings Politik in der Weimarer Republik wird von den Historikern unterschiedlich beurteilt. So wird er verantwortlich gemacht für den Abbau demokratischer Rechte und seine Bestrebungen, die Monarchie wieder einzuführen. Andererseits hatte seine Politik auch Erfolge, die er nicht mehr als Reichskanzler erleben konnte. Dazu gehörten die Streichung der Reparationen, die Angliederung des Rheinlandes und die militärische Gleichberechtigung Deutschlands.
Literatur
Walter Goebel: Die Weimarer Republik
Klett 1991
Rudolf Morsey: Heinrich Brüning
in:
Die großen Deutschen unserer Epoche ; Hrsg. Lothar Gall. RM Buch und Medien Vertrieb 2002