Relevanz fraglich. --Xqt 22:58, 10. Dez. 2006 (CET)
Proletenpassion | |
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MusikalbumSchmetterlinge | von|
Veröffent- |
Oktober 1977 |
Label(s) | antagon Musikgesellschaft |
Format(e) |
Triple-LP, Doppel-CD |
Titel (Anzahl) |
64 |
130 Minuten | |
Besetzung |
|
Günter Grosslechner, antagon Musikgesellschaft | |
Studio(s) |
Schmetter-Sound-Studio Wien |
Die "Proletenpassion" ist ein politisches Oratorium der österreichischen Politrock-Gruppe Schmetterlinge (vgl. auch unter "Austropop"). Das Werk wurde 1976 bei den Wiener Festwochen uraufgeführt und 1977 in einem Triple-Album auf drei Langspielplatten eingespielt. Bis in die 1980er Jahre folgten Live-Auftritte der Schmetterlinge mit diesem rund zweieinhalb Stunden dauernden Programm in vielen Städten des nahezu gesamten deutschsprachigen Raums. In der im Wesentlichen von Heinz Rudolf Unger getexteten Proletenpassion werden Herrschaftsstrukturen und soziale Fragen der europäischen Neuzeit zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert thematisiert.
Rezension
Die Proletenpassion ist konzipiert in der Art einer historischen Revue der Geschichte der revolutionären Bewegungen und der Arbeiterbewegung von den Bauernkriegen nach der lutherischen Reformation bis zu den in den 1970er Jahren aktuellen Themen der politischen Linken, so beispielsweise auch der internationalen Auseinandersetzung mit dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung Salvador Allendes in Chile und dem daran anschließenden staatlichen Terrorregime unter General Augusto Pinochet.
Durch die Proletenpassion wurde ein neuer Stil der künstlerischen Bewusstseinsbildung geprägt, der danach verschiedentlich von anderen Politrock-Bands aufgegriffen wurde (so beispielsweise von der damals bestehenden Gruppe Oktober mit ihrem Doppelalbum Die Pariser Commune); ein Stil, der jedoch in der Folge nicht mehr den Erfolg des Werkes der Schmetterlinge erreichen konnte.
Die Proletenpassion hat den Anspruch, die Historie der vergangenen 500 Jahre aus der Perspektive der Beherrschten im Sinne der marxistischen Geschichtsauffassung als Geschichte von Klassenkämpfen musikalisch mit kabarettistischen Einlagen darzustellen - beispielsweise auch mit durch überlieferte historische Originalzitate oder satirisch überspitzte, historischen Persönlichkeiten in den Mund gelegte Monologe und Dialoge von Martin Luther bis zu Adolf Hitler. Mit diesem Anspruch, sozusagen eine Geschichte „von unten“ zu beschreiben, folgten die Schmetterlinge dem Beispiel von Bernt Engelmann, der dies 1973/74 von in seinen „Anti“-Geschichtbüchern „Wir Untertanen“ und „Einig gegen Recht und Freiheit“ in der literarischen Form des Sachbuchs umgesetzt hatte. Eine weitere Inspiration für die Umsetzung der Proletenpassion war das Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1953 (vgl. unter Weblinks), das im Booklet des Triple-Albums statt eines Vorworts abgedruckt ist, und das die Kritik an der vorherrschenden Geschichtsschreibung sinnbildlich formuliert.
Inhaltlich beispielhafte Schwerpunkte setzt die Proletenpassion auf den Deutschen Bauernkrieg 1524/25, die bürgerlichen Revolutionen (vor allem die französische Revolution von 1789), die Pariser Commune 1871, die Oktoberrevolution in Russland 1917 und die aus ihr erfolgten revolutionären Umbrüche nach dem ersten Weltkrieg, die Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus zwischen 1933 und 1945 und dem Spanischen Bürgerkrieg bzw. dem Kampf der antifaschistischen Internationalen Brigaden gegen den Franquismus, um am Ende die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen der damaligen Gegenwart zu thematisieren. Dabei propagieren die Schmetterlinge ein politisches Engagement in einem linkssozialistischen Sinn als Lehre und Moral einer generationenübergreifenden historischen sozialen Klassenerfahrung des Proletariats.
Musikalisch greift die Proletenpassion in vielen der einzelnen, jeweils relativ kurz gehaltenen Titel (nur wenige Lieder in dem insgesamt rund 130 Minuten dauernden Werk sind länger als 2 Minuten) teilweise den populären Musikstil der jeweils behandelten Epoche und Region auf und mischt ihn mit Elementen aus moderner Folk- und Rockmusik (vgl. auch Folkrock). Zwischen den Musikstücken wechseln sich verschiedentlich gesprochene Einführungen und/oder szenische Darstellungen mit kabarettistischen Elementen ab.
Teilweise wurde die Proletenpassion in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit - z.B. bei Lehrlingen - eingesetzt.
Heute ist die ursprünglich als Triple-LP erschienene Proletenpassion auch als Doppel-CD erhältlich.
Liste der Abschnitte und Einzeltitel
Anmerkung: Die Herkunft der nicht oder nicht allein von Heinz Rudolf Unger verfassten Titel sind in Klammern (auch im Booklet der Proletenpassion) hinter dem eigentlichen Titel vermerkt
- Prolog
- Wer schreibt die Geschichte?
- Wir hatten Gräber und Ihr hattet Siege
- Lied des Geschichtslehrers
- Die Bauernkriege
- Einführung: Deutschland um 1500
- Des Bauern große Not
- Die 12 Artikel der Bauern
- Martin Luther, Originalzitat 1
- Kampflied der Bauern
- Siegestanz (Tampier)
- Bericht über Thomas Münzer
- Ein neues Reich, ein bessres Reich
- Martin Luther, Originalzitat 2
- Thomas Münzer, Originalzitat
- Kommt, ihr tausend Haufen
- Lehren der Bauern
- Die Revolution der Bürger
- Mächtelmöchtel
- Dialog Bürger - Philosoph
- Die große Zeit, die da begann
- Marianne
- Marseillaise (De Lille)
- Lied von der letzten Schlacht
- Ballade vom Glück und Ende des Kapitals
- Die schlesischen Weber (Hernnstadt - Restarits/H. Heine)
- Die Pariser Kommune 1871
- Auftritt General von Moltke
- Hunderttausend Arbeitslose
- Ballade von den zwei ruhmlosen Generalen
- Lied vom Gespensterzug
- Wahlaufruf
- Was ist die Kommune?
- Dekrete der Kommune
- Verhandlung Thiers - Moltke
- Die Frauen der Kommune
- Auf dem Friedhof von Pere Lachaise
- Die Lehren der Kommune
- Lied der Fragen
- Tot oder lebendig
- Die Lehren der Kommune, gezogen im Oktober 1917 in Rußland
- Lärm und Stille
- Es fällt ein Soldat bei Tarnopol
- Babouschka-Lied
- Lied vom Hausbau
- Lied der Kleingläubigen
- Jalava-Lied
- Erstürmung des Winterpalais
- Wenn ich wieder reich bin...
- Lied von der Partei
- Stille und Lärm
- Faschismus
- Der Funke fliegt
- Der Schuß von hinten
- Otto Bauer, Originalzitat
- Das Lied von Krupp und Thyssen
- Hitlers Blues
- Lied vom A-Sager
- Wir haben nie zu kämpfen aufgehört
- Vier noble Generale (Lied aus dem spanischen Bürgerkrieg) (Trad.)
- Faschismuslied des Geschichtslehrers
- Companero Victor Jara: presente
- Gegenwart und Epilog
- Fragelied 1
- Supermarkt-Song (Meixner/Unger)
- Die Geschichte vom Arbeiter Willi K., der sich selber wegrationalisierte
- Demokratie-Lied
- Bilanz-Lied
- Fragelied 2
- Sozialismus, der fällt nicht vom Himmel
- Wir lernen im Vorwärtsgehn
Literatur
- Heinz Rudolf Unger: Die Proletenpassion: Dokumentation einer Legende; Europa Verlag, Wien-Zürich 1989; ISBN 3-203-51059-6
- Inge Karger: Politische Musik und Naive Musiktherapie; BIS-Verlag Oldenburg 2000; ISBN 3-8142-0757-2 (Musiksoziologische Untersuchung zum gesellschaftlichen Engagement des Publikums bei politischen Konzerten am Beispiel von Aufführungen der Proletenpassion)
Weblinks
- Bild des Plattencovers, Titelliste und Gruppenbesetzung der Schmetterlinge bei der Proletenpassion
- Links zu einzelnen Titeln der Proletenpassion (Liedtexte, teilweise mit Noten und/oder mp3-Dateinen und/oder weiteren Hintergrundinformationen zu den einzelnen Titeln)
- Wir hatten Gräber und ihr hattet Siege (Hörprobe, Auszug aus dem Prolog)
- Tracks (Hörbeispiel-Links) zu drei Titeln aus der Proletenpassion: 1. Wer schreibt die Geschichte (aus Prolog); 2. Marianne (aus Revolution der Bürger); 3. Lied vom Gespensterzug (aus Pariser Kommune) - auf der Website von Heinz R. Unger
- Die Frauen der Commune (Text, mp3-Datei)
- Jalava-Lied (Text, Noten, mp3-Datei und Hintergrundinformation zum historischen Kontext)
- Eintrag über Heinz Rudolf Unger, den Texter der Proletenpassion im Österreichlexikon aeiou
- Einführung in eine musiksoziologische Untersuchung von Inge Karger (Seite der Universität Oldenburg): Politische Musik und Naive Musiktherapie (vgl. unter Literatur) am Beispiel von Konzertaufführungen der Proletenpassion.
- Kommentar und Informationen zur Proletenpassion
- Text Bertolt Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ (zur Kritik an der herrschenden Geschichtsschreibung, diente der Proletenpassion als inspirierender Hintergrund)