Raetia

historische römische Provinz der Alpenregion
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Raetia (eingedeutscht: „Rätien”) war eine römische Provinz. Sie reichte vom Bodensee bis zum Aenus (Inn) und unterteilte sich seit dem 4. Jahrhundert in Raetia prima (südlicher Teil) und in Raetia secunda (nördlicher Teil).

Im Norden bildete die nicht eroberte Germania Magna die Grenze, im Nordwesten die römischen Provinzen Germania Superior und Belgica. Im Westen grenzte Raetia an die Alpes Poeninae und im Süden an Italien. Östlich von Raetia lag die römische Provinz Noricum.

Die Römischen Provinzen

Zwischen Kelheim und Boiotro bei Passau war der Danuvius (Donau) die Staatsgrenze und zugleich Verteidigungslinie nach Germanien. Westlich davon zog sich der von Vespasian errichtete Limes entlang der Grenze in nordwestliche Richtung. Der rätische Teil des Limes war ca. 166 km lang und diente der Überwachung der Grenze gegen Germanien.

Die Provinz Raetia unter römischer Herrschaft

 
Karte der Schweiz zur Römerzeit. Im Osten der südwestliche Teil der Provinz Raetien, die Raetia prima

Der römische Feldherr Drusus zog 15 v. Chr. mit einem Heer über den Brennerpass und flankierend über den Reschenpass in das Gebiet nördlich der Alpen und schlug eine gegen ihn gesandte Streitmacht in den Tridentiner Bergen in die Flucht. Im gleichen Jahr eroberte sein Bruder Tiberius, der spätere römische Kaiser, das Gebiet weiter westlich und erreichte über das Rheintal den Bodensee, wo sich das Gebiet der Vindeliker befand. Diese wurden u. a. in einer Seeschlacht unterworfen, wobei eine der Inseln im See den Römern als Basis diente.

In den Jahren 16–14 v. Chr. wurden die Gebiete des heutigen Graubündens, Vorarlbergs, Südbayerns und Oberschwabens zwischen Donau und Inn sowie des nördlichen Tirols zur Provinz Raetia zusammengefasst. Sie wurde von einem Statthalter (Procurator) aus dem Ritterstand verwaltet. In der Regierungszeit des Kaisers Mark Aurel, spätestens um 180, wurde in Raetia eine Legion (Legio III Italica) stationiert, was mit sich brachte, dass der Statthalter (legatus Augusti pro praetore) nun ein Senator praetorischen Ranges war.

Ab dem 4. Jahrhundert wurde im Rahmen der Reichsreform durch Kaiser Diokletian die Provinz Raetia Teil der Diözese Italia und in die zwei Teilprovinzen Raetia prima (Curiensis) und Raetia secunda (Vindelica) aufgeteilt. Die beiden unter einen Dux gestellten Teilprovinzen wurden nun von Statthaltern niederen Ranges, so genannten Praesides, verwaltet, die in Curia (Chur) und Augusta Vindelicorum (Augsburg) ihren Amtssitz hatten. Mit dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft trennten sich die Schicksale der beiden Provinzteile.

In der nördlich gelegenen Raetia secunda können verschiedene Entwicklungen durch die Archäologie nachvollzogen werden. Bereits nach dem Fall des Limes um 260 n. Chr. wanderten von Westen die Alamannen in das Gebiet westlich der Iller und nördlich der Donau ein, woraufhin die römische Grenze an diese beiden Flüsse zurückgenommen wurde. Die dort angesiedelten Garnisonen (so etwa Guntia) blieben bis ins 5. Jahrhundert besetzt. 488 wurde Raetia secunda auf Anweisung von Reichsverweser Odoaker geräumt - unklar wird allerdings bleiben, in wie weit diesem Befehl Folge geleistet wurde. Ab ca. 500 n. Chr. setzt die Besiedlung durch Alamannen ein, wobei zumindest Teile der keltisch-romanischen Bevölkerung verblieben sein werden, da sich eine größere Zahl entsprechender Orts- und Flussnamen erhalten hat. Die Alamannen, welche 496 durch die Franken besiegt wurden, kamen als Flüchtlinge, nicht als Eroberer nach Raetien, welches zu jener Zeit den Ostgoten unterstand; Theoderich, der König der Ostgoten, nahm sie einer Chronik des Magnus Felix Ennodius zufolge im Jahr 506 n. Chr. in sein Reich auf, weil er sich von ihnen eine bessere Grenzsicherung gegen die vorrückenden Franken erhoffte.

Westlich des Lechs konstituierte sich in der Folgezeit aus den Alamannen, suebischen Einwanderern und der kelto-romanischen Urbevölkerung der Stamm der Schwaben. Östlich des Lechs, davon gehen heute Historiker und Archäologen aus, entstand aus den verbliebenen keltischen Vindelikern, der römischen Restbevölkerung, den eingewandernden Alamannen sowie weiterer Gruppen anderer germanischer Stämme wie z.B. den Markomannen ein neuer germanischer Stamm, die Bajuwaren oder Baiern. Im Gegensatz zu älteren Meinungen gibt es keine Anzeichen einer Einwanderung eines schon vorher existierenden einheitlichen bajuwarischen Stammes, da eine weitgehende Kontinuität der Bevölkerung im Alpenvorland auch nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches gegeben ist.

Die Verbindungen nach Süden waren aber von nun an nicht mehr politisch bestimmt und so verlor die romanische Kultur und Sprache nach und nach ihren Einfluss. Jedoch überlebten keltische und römische Begriffe und Ortsnamen im Wortschatz der zurückgebliebenen Mischbevölkerung (siehe hierzu auch: Bajuwaren, Kapitel zur Ethnogenese).

In der südlich gelegenen Raetia prima blieb die politische und kulturelle Verbindung zu Italien jedoch noch längere Zeit bestehen und die romanische Sprache und der christliche Glauben überdauerten die Völkerwanderungszeit. Die Bezeichnung Raetia wurde deshalb später nur noch für das Gebiet der Raetia prima verwendet. Daneben erscheint auch die deutsche Bezeichnung Churrätien.

Verwendung des Begriffes „Rätien“ vom 18. Jahrhundert bis heute

Der geographische Begriff „Rätien“ wurde im ganzen Mittelalter und vermehrt wieder im 18. und 19. Jahrhundert für den Freistaat der drei Bünde verwendet. Als am 21. April 1799 der Freistaat der drei Bünde als neuer Kanton in die Helvetische Republik aufgenommen wurde, erhielt dieser vorerst die Bezeichnung Rätien, später Graubünden. Bis heute wird das Adjektiv „rhätisch“ bzw. „rätisch“ alternativ für „graubündnerisch“ bzw. „-bündner“ verwendet – etwa für die Rhätische Bahn oder die Rätoromanen.

Siedlungen, Städte und Flüsse

 
Die Iller, ein Fluss der rätischen Provinz
Städte / Siedlungen in Rätien Heutiger Name Flüsse in Rätien Heutiger Name
Alae Aalen Aenus Inn
Arbor Felix Arbon Amber Ammer
Apodiacum Epfach
Augusta Vindelicorum Augsburg
Aquilea Heidenheim an der Brenz
Brigantium Bregenz
Caelius Mons Kellmünz an der Iller
Cambodunum Kempten im Allgäu
Casillacum Memmingen oder Ferthofen
Castra Batava Passau
Castra Regina Regensburg
Clunia Feldkirch oder Balzers
Curia Chur
Constantia Konstanz
Danuvius Donau
Foetes Füssen
Guntia (Gontia, Contia) Günzburg
Guntia Günz
Ilaraus Iller
Isarus Isar
Licca Lech
Magia Maienfeld
Matreium Matrei am Brenner
Parthanum Partenkirchen
Rhenus Rhein
Sorviodorum Straubing
Vipitenum Sterzing

Viele Flußnamen wurden aus dem keltischen entlehnt. Der Name Ries für die Landschaft um Nördlingen rührt von Raetia her.

Siehe auch

Römische Provinz, Römische Legion, Legionslager, Räter, rätoromanische Sprache, Rätoromanen, Obergermanisch-Raetischer Limes