Als Kapitalismus wird eine Wirtschaftsordnung verstanden, die sich durch Privateigentum an Produktionsmitteln sowie durch Produktion für einen den Preis bestimmenden Markt auszeichnet.
Der Begriff Capitalism geht auf David Ricardo zurück, der deutsche Begriff Kapitalismus wurde dabei vor allem von Karl Marx und Friedrich Engels populär gemacht, und später insbesondere von Werner Sombart in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt.
Produktionsweisen, die auf Sklaverei, bäuerlicher Subsistenzwirtschaft oder feudalen Arbeitsverpflichtungen gegründet sind, werden daher nicht als kapitalistisch bezeichnet. Der Kapitalismus begann mit dem Fernhandel im ausgehenden Mittelalter und löste in Europa den Feudalismus und die bürgerlich-handwerkliche Stadtwirtschaft ab. Zur zunehmenden Entfaltung kam der Kapitalismus seit der Industrialisierung im 18. Jahrhundert.
Begriff
Wortherkunft
Etymologisch kommt das Wort ursprünglich von lat. capitalis (Haupt-), was wiederum von caput (Kopf) kommt. Einer Deutung zufolge bemaß sich ursprünglich das „Kapital“ nach der Größe der Viehherden, also nach der Anzahl der Köpfe in einer Rinderherde usw. Im Lateinischen machte aber "caput, capitalis" ebenfalls schon einen Bedeutungswandel durch, der im deutschen durch „Haupt-“ nachvollzogen wird. „Summa capitalis“ war die Hauptsumme in Wirtschaftsrechnungen, woraus dann „Kapital“ entstanden sein soll. In Europa erschienen die Wörter „capitaliste“ u.ä. erstmalig im 18. Jahrhundert in Frankreich und England. Im Deutschen ist das Wort „Kapitalismus“ zuerst bei Karl Marx belegt, und zwar in den „Theorien über den Mehrwert“ von 1863 (MEW 26.2, S. 493) sowie im zweiten Band des „Kapitals“, der 1885 erstmals erschien (MEW 24, S. 123). Das Adjektiv „kapitalistisch“ und das Substantiv „Kapitalist(en)“ finden sich bereits in den Marx'schen Frühschriften. Weitere Bekanntheit erlangte der Begriff insbesondere durch Werner Sombarts 1902 veröffentlichtes Werk „Der moderne Kapitalismus“ sowie durch Max Webers 1904 erschienenes Buch „Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus“.
Kapitalismus und Marktwirtschaft
Die Begriffe „Kapitalismus“ und „Marktwirtschaft“ werden oft synonym verwendet[1]. Diese Generalisierung ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich beim Begriff des „Kapitalismus“ um einen Schlüsselbegriff des Marxismus handelt und hauptsächlich pejorativ verwendet wird. Daher wird heute in wertneutralem Kontext weitgehend auf seine Verwendung verzichtet, da die Bezeichnung „Marktwirtschaft“ in westlichen Demokratien bisher keine solche Bedeutungsverschlechterung erfahren hat. In nicht-Marxistischem Umfeld dient der Begriff meist nur als Gegenmodell zu zumeist sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften. Ansonsten kann durchaus zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus unterschieden werden, allerdings gibt es verschiedene Kriterien dafür.
Während gemäß verschiedenen Autoren das Vorliegen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung von den Eigentumsverhältnissen der Produktionsmittel abhängt, zeichnet sich eine Marktwirtschaft durch eine Bedürfnis-Befriedigung über Märkte aus.[2][3] Beide Begriffe treten im heute vorherrschenden Wirtschaftssystem der kapitalistischen Marktwirtschaft gemeinsam auf; eine Marktwirtschaft kann gemäß dieser Klassifikation theoretisch jedoch ebenso ohne Kapitalismus vorliegen (sozialistische Marktwirtschaft) wie Kapitalismus ohne Marktwirtschaft (kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft). Gleichwohl treten die beiden letztgenannten Wirtschaftssysteme vergleichsweise selten auf.
Ein Beispiel für eine Sozialistische Marktwirtschaft ist das sozialistische Ex-Jugoslawien. Ein Beispiel für "Kapitalismus ohne Markt" beziehungsweise Zentralverwaltungswirtschaft mit Privateigentum an Produktionsmitteln stellt die Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland dar, besonders während der Kriegswirtschaft war der Markt beinahe Vollkommen ausgeschaltet, während die meisten Produktionsanlagen weiterhin in Privatbesitz blieben. [4]
Wirtschaftsform | Privateigentum | Kollektivismus |
Dezentrale Planung | Kapitalistische Marktwirtschaft, (Beispiele: USA, Deutschland, England, Frankreich, Japan, ...) | Sozialistische Marktwirtschaft (Beispiele: ehemalige jugoslawische Wirtschaftsordnung, Ungarn) |
Zentrale Planung | Kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft (Beispiel: deutsche Kriegswirtschaft im "Dritten Reich") | Sozialistische Zentralverwaltungswirtschaft (Beispiele: ehemalige UdSSR, DDR ...) |
Auch andere Autoren unterscheiden zwischen beiden Begrifflichkeiten. Mankiw beispielsweise versteht Kapitalismus als Marktwirtschaft mit Privateigentum an Produktionsmitteln:[5]
„Marktwirtschaften funktionieren dann sehr gut, wenn Privateigentum an den Ressourcen besteht. Weniger gut funktionieren die Marktwirtschaften bei gesellschaftlichen Ressourcen im Kollektiveigentum. Auf diese Weise ist die Überzeugung von der Überlegenheit der Märkte untrennbar an das Vertrauen auf Privateigentum gekoppelt. Man spricht dabei auch von der politischen Philosophie des Kapitalismus.“
Aspekte kapitalistischer Ökonomien
Privateigentum
Durch private Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln ("Kapital") liegen die Entscheidungsbefugnisse weitgehend beim Eigentümer, anstatt bei der Allgemeinheit bzw ihrer Institution, dem Staat.
Die privaten Produktionsmittel werden heute nur noch in seltenen Fällen direkt vom Eigentümer, sondern mehrheitlich von einer Personen- oder Kapitalgesellschaft verwaltet. Deren Geschäftsführer (Manager) entscheidet im Auftrag der übrigen Eigentümer, was nach der Prinzipal-Agent-Theorie zu Konflikten führen kann. Diese Interessenkonflikte zwischen Eigentümer und Manager sollen durch klare rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen (Corporate Governance) begrenzt werden.
Der "Kapitalist" erhält eine Rendite für den Einsatz seines Kapitals, und strebt nach der Maximierung seiner Rendite. Hierbei kann es sich um Eigenkapital bzw. Eigenkapitalrendite handeln, oder um Fremdkapital bzw. Zins. Eigenkapital ist dabei höheren Schwankungen und Risiko ausgesetzt, ermöglicht aber auch sehr hohe Renditen im Falle des Wirtschaftlichen Erfolgs. Eigenkapital wird auch als Risikokapital bezeichnet - Im Falle der Insolvenz haftet das Eigenkapital, und Fremdkapital wird zuerst bedient, wodurch sich das Risiko für Fremdkapitalgeber reduziert, der eine Rendite hauptsächlich über den Zins erzielt. Im Islamic Banking gilt aufgrund der Shariah ein Zinsverbot. Rendite wird dadurch erziehlt, dass alles Kapital als Eigenkapital behandelt wird.
Die Rendite, beziehungsweise die Höhe von Kapitaleinkommen, ist von Marktbedingungen abhängig, für ihre Modellierung und wirtschaftsethische Begründung gibt es viele Ansätze, vgl. Theoretische Begründung des Zinses
Marktwirtschaft
In einer Marktwirtschaft werden viele Dienstleistungen als wirtschaftliche Güter auf Märkten angeboten. Öffentliche bzw. staatliche Dienstleistungen (sogenannte Daseinsvorsorge) als auch private unentgeltliche Leistungen unterliegen dem Druck, ebenfalls in auf Märkten gehandelte wirtschaftliche Güter umgewandelt zu werden (Kommodifizierung). Beispiele sind soziale Dienstleistungen, Kultur- und Bildungsangebote.
Befürworter des Kapitalismus argumentieren, dass in einer Zentralverwaltungswirtschaft kein selbstbestimmtes Leben möglich ist, da nur im freien Markt alle Wirtschaftsbeziehungen auf Freiwilligkeit, und nicht auf staatlichem Zwang basieren. Dieses Argument wird vor allem von Anhängern des Liberalismus vertreten.
Kritiker wenden ein, dass rein altruistische Verhaltensweisen nach Marktgesetzen unrentabel seien, am Markt tendenziell nicht bestehen könnten, und so zugunsten von Gewinnmaximierungs-Strategien verdrängt würden, ebenso wie menschliche Tätigkeiten, die keine am Markt nachgefragten und handelbaren Waren oder Dienstleistungen darstellen: Die dafür verwendete Zeit bringt keinen (finanziellen) Gewinn, während die Lebenshaltungskosten weiterhin gedeckt sein müssen. Es bestehe eine starke Tendenz zur sog. Rationalisierung (Effizienzsteigerung) aller Lebensbereiche, die durchwegs im Hinblick auf Nutzen und Rentabilität organisiert würden. Jedermann solle das eigene Leben auf diese Weise nach den Anforderungen des Marktes gestalten, „sich gut verkaufen“. Einzelschicksale gerieten dabei oftmals in den Hintergrund. Kritiker des Kapitalismus fordern deshalb, dass die Wirtschaft für den Menschen dasein müsse, nicht umgekehrt, wie es angeblich im Kapitalismus der Fall sei.
Wirtschaftswachstum und Stabilität
Der Kapitalismus ist einem Wechsel von Konjunkturen und Krisen unterworfen, hat aber historisch betrachtet zu enormem Wirtschaftswachstum und Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten geführt. In einzelnen Epochen, Regionen und/oder Wirtschaftsbereichen kam bzw. kommt es allerdings auch zum Rückgang der Wirtschaft. Besonders ausgeprägt war die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Aus der Sicht liberaler Analytiker wie Milton Friedman werden Krisen durch staatliche Interventionen (Fiskalpolitik, Geldpolitik, Währungspolitik) überhaupt erst ausgelöst oder verstärkt. Die keynesianische Analyse auf der anderen Seite hält den "Kapitalismus" ohne staatliche Intervention für Instabil, da die Wirtschaft irgendwann in eine Liquiditätsfalle gerät, die nur noch durch eine langandauernde, deflationäre Wirtschaftskrise mitsamt den daraus erfolgenden sozialen Spannungen, oder durch massive staatliche Intervention überwunden werden kann. Die Stagflation resultiert im Keynesianismus dabei als stabiles, aber unvorteilhaftes System mit dauernder Intervention, hohen Steuern, hoher Inflation, stagnierendem Wachstum, und relativ hoher Arbeitslosigkeit. Ein Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung zu haben, ist dabei unmöglich.
Technischer Fortschritt
Hauptartikel dazu: Technischer Fortschritt
Durch die Konkurrenz der Unternehmen gibt es für die marktorientierten Produzenten den permanenten Zwang, ihre Produkte zu verbessern bzw. neue Produkte zu entwickeln, sowie Verfahren zu optimieren. Dies führt zu Investitionen in Forschung und Entwicklung (R&D, „research and development“) und in deren Folge zu immer neuen Techniken, sofern diese Absatz versprechen. Nutzen und Gefahren vieler neuer Techniken werden allerdings sehr kontrovers diskutiert, siehe zum Beispiel Kernkraft, Transrapid oder Gentechnologie. Auch sind die Folgen der allgemeinen Automatisierung und Kybernetisierung ökonomisch nicht abschätzbar. Kritiker dieser Entwicklung (Club of Rome) argumentieren, dass Wachstum (selbst ein Wachstum, das von Demokratien gelenkt werden würde) von einer bestimmten Grenze an prinzipiell der menschlichen Gesellschaft Schaden bringe, etwa wenn eine Wirtschaftsbasis (d. h. die Güterproduktion) ihrerseits die Umwelt nachhaltig zerstöre.
Wohlstand
Der Kapitalismus hat in den sogenannten Industrienationen breiten Bevölkerungsschichten Wohlstand gebracht. Kritiker bemängeln jedoch die ungleiche Verteilung des Wohlstands. Durch Ausgleichsmechanismen, wie sie die Soziale Marktwirtschaft vorsieht, kann die Verteilung reguliert werden (vgl. Ordoliberalismus). Eine ungleiche Verteilung wird jedoch nicht generell als negativ angesehen, da Kapital, das sich in einigen Händen sammele, wieder investiert werden könne, und da sie vor allem einen Zwang in Richtung Leistung bedeute – im Gegensatz zu vielen vorkapitalistischen Gesellschaften, wo Reichtum zu Leistungsreduzierung verlockt habe, oder wo Vorstellungen eines „angemessenen Gewinns“ (wie im in Zünften organisierten Handwerk) den technischen Fortschritt bremste.
Marktbeherrschung
Vielfach wird die Vermutung geäußert, durch die Automatisisierung der Produktion können große Unternehmen aufgrund ihrer Betriebsgrößenvorteile billiger produzieren und somit kleinere Unternehmen vom Markt verdrängen. Auch auf den Märkten, auf denen keine technologischen Marktschranken existieren (z.B. Limonade) kann ein Unternehmen (wie Coca-Cola) durch Werbung und Markenpolitik eine dominierende Marktposition erringen. Die Entwicklung zu Monopolen findet laut Karl Marx zwangsläufig statt, er bezeichnet dies als Zentralisation des Kapitals. Kritiker sehen die Gefahr, dass marktbeherrschende Oligopole und Monopole zu überhöhten Preisen sowie einer Unterversorgung des Marktes tendieren, z. B. in der Pharmaindustrie.
Empirisch ist jedoch außer im Fall der natürlichen Monopole auf freien Märkten in den letzten 200 Jahren keine Erhöhung des Monopolgrades festzustellen.
Netzwerkstruktur
In kapitalistischen Marktwirtschaften gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit. Die Ökonomie reagiert auf Veränderungen in der Technik, auf Entdeckungen und auf andere neue Situationen mit Hilfe der Firmen und ihres Managements (ihrer Akteure), die ihre Arrangements untereinander wieder neu bewerten. Demgemäß scheinen sich die Kontrollmechanismen der Ökonomie und die sie betreffenden Informationsflüsse immer wieder zu verändern. Analysen der Netzwerke und Arrangements im Kapitalismus haben einen Grad von Ähnlichkeit zu anderen Netzwerken, wie etwa zum Telefonsystem oder Internet gezeigt.
Beschäftigung
In einer kapitalistischen Gesellschaft erhalten viele Individuen die finanziellen Mittel für ihren Lebensunterhalt durch entlohnte Arbeit an einem Arbeitsplatz. Viele andere (Familienangehörige) werden indirekt über diese Erwerbsarbeit mitfinanziert. Dies kann sich umkehren, sobald menschliche Arbeitskraft zunehmend maschinisiert wird.
In den Krisen der kapitalistischen Gesellschaften kommt es häufig vor, dass Menschen keinen Arbeitsplatz finden, also niemanden, der ihr Angebot von Arbeitskraft „kauft“, etwa weil in ihrem Umfeld kein Bedarf vorhanden ist, oder weil sie nicht gewillt sind, ihre Arbeitskraft für den von den Unternehmen gebotenen Preis (das Entgelt) anzubieten.
In kapitalistischen Volkswirtschaften werden bestimmte Arbeiten, die keiner besonderen Qualifikation bedürfen, oft zu Niedriglöhnen angeboten, die als zu gering angesehen werden, um den Lebensunterhalt des Werktätigen decken zu können. Als Ausweg werden daher oft staatlich garantierte Mindestlöhne angesehen. Allerdings werden durch sie ebenso wie durch staatliche Ersatzleistungen wie Arbeitslosengeld finanzielle Anreize zum Annehmen einer schlecht bezahlten Arbeit verringert. Auch Steuerumverteilung (von 'oben' nach 'unten') kann diese Anreize schmälern. All diese Mittel widerstreben zwar der theoretischen Nullarbeitslosigkeit, werden aber oft als mehr oder weniger gerecht oder fair empfunden. Staatliche Eingriffe sind aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und der inneren Sicherheit sogar notwendig. Sie geben eine zusätzliche Sicherheit und fangen kranke, alte und schwache Gesellschaftsmitglieder auf, auch wenn auf diese Weise eine systembedingte gewisse Arbeitslosigkeit toleriert wird.
Planung
Durch private Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln (Kapital) werden die Entscheidungsbefugnisse dezentralisiert. Jeder Eigentümer (Kapitalist) und Verbraucher verfügt über seine eigene Planung. Diese wird durch den Marktmechanismus koordiniert. Kritiker bemängeln die unbekannte und ungeprüfte Planung im gesellschaftlichen Maßstab: Infolge der durch Unwissen und Eigennutz begrenzten Horizonte der Planer gebe es keine generelle wirtschaftsweite Richtung, keine zuverlässigen wirtschaftlichen Vorhersagen. Dem wird entgegengehalten, dass niemand besser planen könne als der Markt, und auf die Erfolge von Marktwirtschaften im Vergleich zu Zentralverwaltungswirtschaften hingewiesen.
Zusammenhang mit Demokratie und Frieden
Von Befürwortern des Kapitalismus wird die These vertreten, kapitalistische Gesellschaften tendierten langfristig zu Rechtsstaat und Demokratie, und sie verweisen dabei auf die demokratischen Entwicklungen in Europa, Amerika und Teilen von Asien. Eine Tatsache ist, dass Demokratien untereinander signifikant weniger Kriege führen als gegen Nichtdemokratien und als diese untereinander. Daraus wird insgesamt gefolgert, dass der Kapitalismus dem Frieden diene. Widersprüche dazu finden sich jedoch in verschieden Wirtschafttheorien wie der von John Maynard Keynes, wonach Rüstung und Kriegshandlungen konjunkturfördernd seien und der Kapitalismus daher zu Wirtschaftkriegen neige.
Theoretiker
Adam Smith
Ein bedeutender Theoretiker des Kapitalismus ist der schottische Nationalökonom und Moralphilosoph Adam Smith mit seinem Hauptwerk „Der Wohlstand der Nationen“ (1776). Er begründet den Eigennutz als einen wichtigen Motor für Wohlstand und gerechte Verteilung und meint, dass die Selbstregulation des Marktes durch Gleichgewichtspreise mehr Vertrauen verdient (die „Unsichtbare Hand“). In seinem Werk „Theorie der ethischen Gefühle“ schreibt er: „Trotz der natürlichen Selbstsucht und Raubgier der Reichen und obwohl sie nur ihre eigene Bequemlichkeit im Auge haben, obwohl der einzige Zweck, welchen sie durch die Arbeit all der Tausende, die sie beschäftigen, erreichen wollen, die Befriedigung ihrer eitlen und unersättlichen Begierden ist, trotzdem teilen sie doch mit den Armen den Ertrag aller Verbesserungen, die sie in der Landwirtschaft einführen. Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustande gekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner verteilt worden wäre, und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft und gewähren die Mittel zur Vermehrung der Gattung. Als die Vorsehung die Erde unter eine geringe Zahl von Herren und Besitzern, verteilte, da hat sie diejenigen, die sie scheinbar bei ihrer Teilung übergangen hat, doch nicht vergessen und nicht ganz verlassen.“
Karl Marx und Friedrich Engels
Der Begriff der „kapitalistischen Produktionsweise“ wurde maßgeblich von Karl Marx und Friedrich Engels geprägt, am systematischsten in Marx' Hauptwerk „Das Kapital“, dessen erster Band 1867 veröffentlicht wurde. Marx und Engels beschreiben die kapitalistische Gesellschaft als Gesellschaft des Elends, der Ausbeutung und der Entfremdung.
In seinen Frühschriften, unter anderem in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahre 1844“ (MEW Ergänzungsband I, S. 465-590) betont Marx besonders den Aspekt der Entfremdung. Die Arbeiter seien dem Produkt ihrer Arbeit grundsätzlich entfremdet, da sie nicht für sich selbst produzierten, sondern lediglich zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts und letztlich für das Kapital, zu dessen „Anhängseln“ sie degradiert seien. Wesentliche Potentiale und Entfaltungsmöglichkeiten des menschlichen „Gattungswesens“, das heißt der menschlichen Schaffensmöglichkeiten, würden so 'pervertiert' und durch eine subtile Form der Knechtschaft ersetzt, auch wenn diese auf einer scheinbaren, jedoch nur juristischen Freiheit beruhe. Arbeit sei im Kapitalismus nicht eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung, sondern ihrem Wesen nach Zwangsarbeit.
In seinem späteren Werk, insbesondere im „Kapital“, betont Marx vor allem den ausbeuterischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise. Diese Ausbeutung leitet er aus der Analyse der kapitalistischen „Warenform“ ab. Jede Ware habe einen Doppelcharakter und besitze sowohl Tauschwert als auch Gebrauchswert (siehe auch Warenfetischismus). Die Vermehrung des Kapitals erfolge über die Ausbeutung fremder Arbeitskraft als Lohnarbeit, wobei die Ausbeutung darin bestehe, dass der Kapitalist dem Arbeiter nicht den ganzen vom Arbeiter geschaffenen Wert bezahle, sondern lediglich die gesellschaftlich durchschnittlichen Kosten, die der Arbeiter zur „Reproduktion seiner Arbeitskraft“ benötige. Den restlichen vom Arbeiter geschaffenen „Neuwert“ streiche der Kapitalist als Mehrwert ein, aus dem er seinen Profit schöpfe. Jedoch sinke die vom Kapitalisten erwirtschaftete Profitrate durch das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate) immer weiter, unter anderem aufgrund der Konkurrenz der Kapitalisten untereinander sowie durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen, die nach Marx selbst keinen Wert zu schöpfen imstande sind. Dieser Widerspruch „Widerspruch“ zwischen sinkender Profitrate und Verwertungsbedürfnis bestimme den grundsätzlich antagonistischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise und sei letztlich die Ursache für die regelmäßigen Krisen des Kapitalismus.
Der grenzenlose Ausdehnungsdrang des Kapitals, der die Bourgeoisie „über die ganze Erdkugel jagt“, sei letztlich nichts als eine verzweifelte Flucht nach vorn, um den der kapitalistischen Gesellschaft systematisch inhärenten Widersprüchen durch Eroberung neuer Märkte zu entkommen. Mit dem letztlich unausweichlichen Unerträglichwerden dieser Widersprüche schlage schließlich die weltgeschichtliche Stunde der kommunistischen Revolution durch das Proletariat. Das Kapital, so Marx und Engels im Manifest der Kommunistischen Partei von 1848, produziere seine eigenen „Totengräber“.
Max Weber
Der Soziologe Max Weber stellte in seinem Buch Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus die These auf, dass der Kapitalismus in Europa aus religiösen Gründen entstanden sei und eine -im geistigen Sinne- Weiterentwicklung der Reformationsbewegung darstelle (vgl. das „protestantische Arbeitsethos“ und die protestantische Ethik allgemein). Da dies für Japan nicht haltbar war, untersuchte Weber die (funktional entsprechende) Rolle der Samurai.
Joseph Schumpeter
Der Volkswirt Joseph Schumpeter urteilte, die „Maschine Kapitalismus“ funktioniere nicht schlecht. Ihr Antrieb sei das freie Unternehmertum; gerade der Erfolg, der sich auch in Monopolen zeige, bringe es jedoch mit sich, dass der Kapitalismus seine eigene soziale Struktur, die ihn schützt und stützt, immer wieder zerstört und neu errichtet.
Er sah ihn zunächst als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung. Jedoch produziere er zunehmend einen Wasserkopf bürokratischer Strukturen und eine „Krise des Steuerstaats“ (indem er den Staat zu schwächen unternehme), der dessen Ende bedeuten könne, wie auch das der Demokratie.
Von Schumpeter stammt auch die Idee der Kreislauf-Marktwirtschaft.
Kritik am Kapitalismus
siehe Artikel Kapitalismuskritik
Zitate
- „Ich sehe in naher Zukunft eine Krise heraufziehen. In Friedenszeiten schlägt die Geldmacht Beute aus der Nation, und in Zeiten der Feindseligkeiten konspiriert sie gegen sie. Sie ist despotischer als eine Monarchie, unverschämter als eine Autokratie, selbstsüchtiger als eine Bürokratie. Sie verleumdet all jene als Volksfeinde, die ihre Methode in Frage stellen und Licht auf ihre Verbrechen werfen. Eine Zeit der Korruption an höchsten Stellen wird folgen, und die Geldmacht des Landes wird danach streben, ihre Herrschaft zu verlängern, bis der Reichtum in den Händen von wenigen angehäuft und die Republik vernichtet ist.“ Abraham Lincoln, US-Präsident, 21. November 1864
- „Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die ungleiche Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: Die gleichmäßige Verteilung des Elends.“ – Sir Winston Churchill (1874–1965), britischer Journalist und später Premierminister
Quellen
- ↑ Ludwig van Mises, Human Action, 4. Auflage 1996
- ↑ Ulrich Baßeler; Jürgen Heinrich, Wirtschaftssysteme. Kapitalistische Marktwirtschaft und sozialistische Zentralplanwirtschaft, Würzburg 1984, S. 13–19.
- ↑ Jürgen Pätzold, Soziale Marktwirtschaft. Konzeption - Entwicklung Zukunftsaufgeben, 6. Auflage, Ludwigsburg, Berlin 1994. Online-Version.
- ↑ Prof. Dr. Pätzold, Soziale Marktwirtschaft, 2.1 die überlegene Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft, Einsehbar Online
- ↑ N. Gregory Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage, Stuttgart 2004, S. 255
Siehe auch
Literatur
- Milton Friedman: Kapitalismus und Freiheit ISBN 3821839600
- Georg Fülberth:Kleine Geschichte des Kapitalismus, Köln 2005, ISBN 3894383151
- Friedrich Hayek: Die Verfassung der Freiheit ISBN 3161458443
- Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, theorie.org, 2004, [1].
- Christoph Keese: Rettet den Kapitalismus, Hoffmann und Campe 2004 ISBN 3455094236
- Jürgen Kromphardt: Konzeptionen und Analysen des Kapitalismus ISBN 3825210170
- Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, ISBN 3548363083, online: [2].
- Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politische Ökonomie, Berlin: Dietz, 1962, online: [3].
- Johan Norberg: Das Kapitalistische Manifest ISBN 3821839945
- Stefan Schmitz, Arne Daniels: Die Geschichte des Kapitalismus. Vom Webstuhl zum World Wide Web. Stern-Buch, Band 62018. Heyne Verlag. 2006. 192 Seiten. ISBN 3-453-62018-6
- Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand ISBN 3540410031
- Werner Sombart, Liebe, Luxus und Kapitalismus (1902),1967,ISBN B0000BTCP6
- Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, 2005, ISBN 3899964284
- Shiro Takebayashi, Die Entstehung der Kapitalismustheorie in der Gründungsphase der deutschen Soziologie. Von der historischen Nationalökonomie zur historischen Soziologie Werner Sombarts und Max Webers. Berlin: Duncker & Humblot 2003
- Lester C. Thurow: Die Zukunft des Kapitalismus ISBN 3896232096
- Daniel Yergin, Joseph Stanislaw: Staat oder Markt ISBN 354870056X
Weblinks
- Einführung in den Kapitalismus: http://www.sociologicus.de/lexikon/lex_soz/k_n/kapitali.htm.
- Einführung in den Frühkapitalismus: http://www.sociologicus.de/lexikon/lex_soz/f_j/fruehkap.htm
- Zeit-Artikel von Heiner Geißler: http://www.zeit.de/2004/47/Ohnmacht_2fArbeiter
- Zeit-Reihe „Die Zukunft des Kapitalismus“ – Fegefeuer des Marktes: http://www.zeit.de/2005/30/Kapitalismusserie
- Kurze Geschichte des Kapitalismus : Teil 1, Teil 2